Nr. 243 Ministerrat, Wien, 1. Juli 1862 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Schurda; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 1. 7.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Esterházy, FML. Schmerling; abw.abwesend Degenfeld, Pratobevera, Forgách, Lichtenfels; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 2. 7.
MRZ. 1047 – KZ. 2084 –
Protokoll des zu Wien am 1. Juli 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Siebenbürgische Eisenbahn
Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu eröffnen, daß, nachdem es dringend wünschenswert erscheint, über die Richtung der siebenbürgischen Eisenbahnen baldigst eine Entscheidung zu treffen, die diesfalls bei den Ministerien im Zuge || S. 78 PDF || befindliche Verhandlung möglichst zu beschleunigen sei und Allerhöchstdieselben die Vorlage hierüber in kürzester Zeit erwarten1.
Der Handelsminister berichtete, daß er schon in wenigen Tagen in der Lage sein werde, diese Verhandlung in der Ministerkonferenz zur Beratung zu bringen, um dann sofort dieselbe der Ah. Schlußfassung zu unterbreiten. Graf Wickenburg erörterte den Umstand, daß von den fraglichen Linien die Linie Arad—Karlsburg—Hermannstadt—Rotenturmpaß sich als die angemessenste darstelle, wenn von walachischer Seite in dieser Richtung die Fortsetzung bis Bukarest erfolgt, was allem Anschein nach nicht zu bezweifeln sei. Sein Antrag werde übrigens dahin gehen, daß sowohl diese Linie als auch die von Großwardein zulässig sei und daß diejenige zu konzedieren wäre, für welche die erforderlichen Geldmittel nachgewiesen werden. Sollte die Linie durch den Rotenturmpaß konzessioniert werden, so wären die Konzessionäre zu verpflichten, Zweigbahnen nach Kronstadt und Klausenburg herzustellen. Der Minister Graf Nádasdy äußerte, daß die siebenbürgische Hofkanzlei sich für die [Linie] Großwardein—Kronstadt—Bodzapaß als die für die Interessen des Landes agünstigste ausgesprochen habe, und wenn bei Konzessionierung der Linie Arad—Rotenturmpaß der Gesellschaft die Verpflichtung zur Herstellung der obbemerkten Zweigbahnen nicht auferlegt werde, müßte er gegen diese Linie stimmena . Der Finanzminister wies darauf hin, daß sich mehrere Gesellschaften um diese Bahn interessieren und es daher vor allem dringend notwendig sei, sich darüber zu entscheiden, welche Linie konzediert wird, denn ist dies einmal bekannt, dann kann der Bau im Offertwege ausgeschrieben werden2. Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu bemerken, daß zur Beschleunigung der Sache vielleicht jetzt schon mit der walachischen Regierung wegen der Fortsetzung der Bahn nach Bukarest, deren Bau dem Vernehmen nach die eine Gesellschaft mitübernehmen wolle, in Verhandlung getreten werden könnte. Der Minister des Äußern erinnerte, daß er erst dann in den Stand gesetzt sein werde, direkte Verhandlungen mit der fürstlichen Regierung zu eröffnen, bis man diesseits in der Hauptsache nämlich über den Punkt, wo der Bahnanschluß an die walachischen, ebenfalls erst zu erbauenden Bahnen geschehen soll, zu einem definitiven Entschlusse gelangt sein wird, was allerdings mit tunlichster Beschleunigung erfolgen sollte, weil sonst zu besorgen sei, daß die gedachte Regierung die diesfällige Entscheidung nicht länger abwarten werde, sondern die Konzession zur Führung einer nur in ihrem Interesse liegenden Bahn erteilen wird3.
II. Metropolie in Siebenbürgen für nichtunierte Rumänen
Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Verhandlung in betreff der Errichtung der Metropolie in Siebenbürgen für die nicht unierten Rumänen in Erinnerung zu bringen.
Der Minister Graf Nádasdy berichtete, daß er bden Gegenstand bisher nicht zur Verhandlung erhalten habe. Sobald derselbe einlangt, wird er jedochb in kürzester Zeit hierüber den au. Vortrag zu erstatten in der Lage seinc, 4.
III. Beschränkung der Marineauslagen durch Ausgabenliquidation bei der Kriegsmarine
Der Leiter des Marineministeriums Minister Graf Wickenburg referierte in betreff der erforderlichen Beschränkung der Marineauslagen, welche zunächst bei dem Schiffsausrüstungsstand Platz zu greifen hätte. Derselbe sei gegenwärtig so bedeutend, daß nicht nur das hiezu bestimmte Ordinarium per 1,856.760 f. ganz erschöpft ist, sondern auch die für die vermehrten Schiffsausrüstungen Ah. bewilligte außerordentliche Monatsdotation per 64.000 f. nicht ausreichend ist, sondern bedeutend überschritten worden ist. Auch die später Ag. bewilligten außerordentlichen 2 Millionen seien verzehrt, ohne eigentlich zu den bestimmten Zwecken verwendet worden zu sein. Nachdem nun die noch heuer fälligen Zahlungen nahe an 3 Millionen sich belaufen, dagegen aber nur mehr 900.000 f. zu empfangen sind, so befinde sich die Marine in einer Lage der bedenklichsten Natur, zumal eine Nachtragsdotation bei den beiden Häusern nicht durchzubringen sei. Der referierende Minister habe sich daher mit Sr. k. k. Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Marinekommandanten wegen der erforderlichen Reduzierungen in das Einvernehmen gesetzt, und es hätten Se. kaiserliche Hoheit sehr weitgehende Reduktionen vorgeschlagen5. Graf Wickenburg glaubt sich bloß darauf beschränken zu sollen, daß vorderhand die Propellerfregatte „Donau“ und die Raddampfer „Greif“ und „Triest“ aus der Aktivität in die einfache Bereitschaft und die Schiffe „Dandolo“ und „Vulkan“ in die Arsenalbereitschaft versetzt werden6.
Se. Majestät der Kaiser geruhten zu bemerken, es sei hier vor allem die Frage zu erwägen, ob dann Österreich auch imstande und mächtig genug sein wird, allfällige Angriffe zur See abzuwehren. Die politische Lage, welche eben eine verstärkte Schiffsausrüstung erforderlich machte, habe sich bisher nicht geändert, und || S. 80 PDF || wenn ein Angriff wirklich beabsichtigt ist, so wird er nur zur See geschehen. Se. k. k. apost. Majestät geruhten auch darauf hinzudeuten, daß derlei Reduzierungen kaum eine wirkliche Ersparung geben dürften, wenn bedacht wird, daß, nachdem man mit großen Kosten die Ausrüstungen erst bewirkt hatte, nun wieder alles abgerüstet werden soll, um beim eintretenden Bedürfnisse von neuem auszurüsten. Graf Wickenburg erinnerte, daß er eben aus diesen Rücksichten für eine Abrüstung in dem von Sr. kaiserlichen Hoheit vorgeschlagenen Umfange nicht stimmen zu können erachte. Nach seinem Antrage sollen eben nur die drei Schiffe („Donau“, „Greif“ und „Triest“) abgerüstet und zwei Schiffe („Dandolo“ und „Vulkan“) in Arsenalbereitschaft versetzt werden. Alle übrigen Schiffe — deren Verzeichnis Graf Wickenburg verliest — bleiben in Aktivität und dürften immerhin eine Macht bilden, welche einen etwaigen Angriff mit Erfolg abwehren wird7. Graf Wickenburg glaubte auch gegenwärtig halten zu sollen, daß die von ihm beantragte Beschränkung der Marineauslagen auch schon dem Abgeordnetenhause gegenüber notwendig sei, indem daselbst ohnehin keine gute Stimmung für die Marine herrsche, und er auch schon dieser Tage mittelst einer Zuschrift zur näheren Aufklärung über die stattgefundenen Überschreitungen und über die Gebarung überhaupt aufgefordert wurde, in welcher Beziehung er sich in keiner geringen Verlegenheit befinde, zumal in dem ganzen Marinewesen zur Zeit eine Zerfahrenheit herrscht und man namentlich in der Verrechnung der einzelnen Dotationen trotz aller Bemühungen keine Klarheit erlangen kann. Diesem Übelstande abzuhelfen scheint dem Grafen Wickenburg früher nicht möglich, bis nicht das Marineministerium ordentlich organisiert und aktiv wird, und deshalb erlaube er sich zugleich die au. Bitte zu stellen, Se. k. k. apost. Majestät dürften diese Organisierung Ag. anzubefehlen geruhen8. Im Laufe der hierüber gepflogenen längeren Erörterungen äußerte der Polizeiminister , es sei wohl schwer, über die bisherige Gebarung der Kriegsmarine eine Klarheit zu erlangen, und dies sei auch gegenüber dem Reichsrate der Hauptanstand, denn nicht die Ziffer sei es, welche dort Anstoß findet, sondern die Dunkelheit, die bezüglich der Auslagen rücksichtlich der Gebarung herrscht. Seines Dafürhaltens wäre daher vor allem dahin zu trachten, eine förmliche Teilung rücksichtlich Evidenzhaltung herzustellen darüber, welche Beträge für Anschaffungen, Bauten seinerzeit bezahlt wurden, und dann, was die Ausrüstungen gekostet haben. Dieses ließe sich sicherlich durchführen, und habe einmal eine solche Liquidation stattgefunden, so werde man auch klarer sehen und eine Basis für eine richtigere Beurteilung der Sache in den Häusern gewinnen. Dieser Meinung waren auch der Staatsminister , der Finanzminister || S. 81 PDF || und der Minister Ritter v. Lasser , namentlich wäre bei dieser Arbeit auch alles auszuscheiden und festzustellen, was die Marine aus dem frühern Jahr 1861 an Schulden übernommen, rücksichtlich was sie am 1. November 1862 an Lieferanten seinerzeit noch zu zahlen hatte, dann auch evident zu machen, wofür die im Jahre 1862 erhaltenen Extradotationen (für Bauten, Ausrüstungen etc.) verwendet worden sind. Diese Votanten erachteten daher, Se. k. k. Majestät dürften anzuordnen geruhen, daß vor allem bezüglich der Marineauslagen eine förmliche Liquidation zu machen ist. Um dieses mit Erfolg durchführen zu können — meinte Graf Wickenburg —, bleibe kein anderer Weg, als eine Kommission mit dieser Aufgabe zu betrauen und an Ort und Stelle zu entsenden, was Se. k. k. apost. Majestät sofortd zu genehmigen geruhten.
Se. k. k. apost. Majestät geruhten auch im Laufe der Beratung die Frage zu stellen, wie weit in Absicht auf die Zusammensetzung des Staatsvoranschlages pro 1863 schon vorgeschritten und insbesondere, auf welchen Stand das Armeebudget gegründet ist, worüber der Finanzminister berichtete, daß er mit dieser Arbeit demnächst fertig sein wird, und der FML. Ritter v. Schmerling zur Ah. Kenntnis brachte, daß bei dem Budget für die Armee pro 1863 der gegenwärtige Stand zur Grundlage genommen, daß sich übrigens bei den Präliminarien nach den letzten Reduzierungen gehalten wurde, sodaß sich das Gesamterfordernis auf 119 Millionen — ohne eigene Einnahmen — beziffere.
Der Minister des Äußern brachte den Umstand zur Sprache, wie sich, ehe das Finanzgesetz Ah. sanktioniert ist, bei dem Voranschlage pro 1863 in Absicht auf seine vom Reichsrate beantragten Streichungen in einzelnen Positionen, welche die Regierung nicht angenommen hat, von Seite des Ministeriums benommen werden soll. Hierüber bemerkte der Finanzminister , daß im allgemeinen bei der Zusammenstellung des Staatsvoranschlages pro 1863 derart vorgegangen würde, daß jene Reduktionen, welchen die Regierung zustimmte, berücksichtigt wurden, dagegen aber jene Positionen, zu deren beantragter Streichung die Regierung nicht zustimmte, mit ihrem ursprünglichen Ansatze eingestellt wurden.
Das Prinzip — machte der Polizeiminister aufmerksam — müsse jedenfalls aufrechterhalten werden, daß das Haus wohl einzelne Positionen im Budget herabmindern kann, keineswegs aber berechtigt ist, eine gewisse Position ganz zu streichen, ewas einem Eingriff in die Exekutive gleichkämee . Gegenstand des Gesetzes könne nur die Ziffer sein. Wenn also beim Etat des Ministeriums des Äußern 20.000 fl. abgestrichen werden, so lasse sich dagegen nichts einwenden, gleichwohl könne aber nicht zugegeben werden, daß die Summe gerade bei dem Posten des Gesandten in Rom in Ersparung gebracht werden muß.
Der Staatsminister vermeinte, daß diese hochwichtige Frage erst bei der Formulierung des Finanzgesetzes in Erörterung zu ziehen sein dürfte. Seines Erachtens können in dieses Gesetz keinesfalls alle die Abstriche aufgenommen werden, sondern nur die Hauptziffern nach gewissen Hauptrubriken, in welchen die zu || S. 82 PDF || bewirkenden Ersparungen verteilt werden können. Se. Majestät geruhten diese Ansicht Ag. zu billigen. Schließlich geruhten Se. k. k. apost. Majestät auf die Unzweckmäßigkeit solcher weitgehender und weitläufiger Verhandlungen über das Budget, wie selbe in dieser Reichsratssession stattfinden, und auf die daraus resultierende Notwendigkeit hinzuweisen, in Hinkunft bei dem Staatsvoranschlage nach neuen Grundsätzen vorzugehen, insbesondere sich aber bei diesem Elaborate allgemeiner und kürzer zu halten9.
IV. Interpellation über das Hafenbauprojekt in Triest
Der Handelsminister referierte in betreff der vom Abgeordneten Dr. Giskra und Genossen an das Handelsministerium und rücksichtlich Gesamtministerium hinsichtlich des Hafenbaues zu Triest gestellten Interpellation, ob die Regierung zur endgiltigen Feststellung des Hafenbauprojektes die Zustimmung der Reichsvertretung einzuholen gedenkt, worüber jedoch die Beratung auf die nächste gewöhnliche Ministerratssitzung verschoben worden ist10.
Wien, am 1. Juli 1862. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 10. Juli 1862. Empfangen 11. Juli 1862. Erzherzog Rainer.