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Nr. 261 Ministerrat, Wien, 15. September 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Rechberg 18. 9.), Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Forgách; abw. Erzherzog Rainer, Wickenburg, Pratobevera, Esterházy, Burger, Lichtenfels; BdR. Rechberg 27. 9.

MRZ. 1065 – KZ. 2881 –

Protokoll des zu Wien am 15. September 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Voranschläge der Ministerien für 1862 und 1863

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu eröffnen, Allerhöchst dieselben hätten in dem vorgelegten Entwurfe des Finanzgesetzes für 1862 die Unterteilung der Budgets für die einzelnen Ministerien in gewisse Hauptrubriken deswegen nicht unbedenklich gefunden, weil nach Artikel 4 die Dotationen nur innerhalb derselben Hauptrubrik verwendet werden dürften1. Diese Beschränkung sei zugleich eine nachteilige Hemmung der Minister in der Gebarung und eine Aufforderung, alle Dotationen zum Nachteil des Ärars zu erschöpfen, weil die Ersparnisse der einen Rubrik bei keiner anderen verwendet werden dürften. Besonders auffallend sei dieser Übelstand bei dem Marinebudget, welches in zehn Hauptrubriken — worunter auch sehr geringfügige — zerfällt. Das Budget der Landarmee zerfalle dermal allerdings nur in zwei Rubriken2; allein der Kriegsminister hege die Besorgnis, daß in den Finanzgesetzen für die folgenden Jahre die Hauptrubriken vermehrt werden könnten, was dann von Übel wäre.

Der Polizeiminister bemerkte, es fehle selbst nicht an Velleitäten aim Voranschlage seines Ministeriumsa, die Unterabteilungen provinzenweise strenge zu sondern, wobei man bis auf 100 fl. herabsteigen und jede Dotationsübertragung unmöglich machen würde3. Minister Ritter v. Lasser fügte bei, daß das Abgeordnetenhaus auch bei dem Straßen- und Wasserbau die provinzenweise Teilung der Dotation festhalten wolle, was mit Rücksicht auf die Wandelbarkeit der Elementarereignisse höchst unpraktisch ist, weil dadurch dem Ministerium die Mittel zur Nachhülfe in den stark beschädigten Provinzen genommen würden4. Das Herrenhaus ist jedoch auf diesen Antrag nicht eingegangen. Der Finanzminister erinnerte, daß er so wie seine Kollegen dieses Abteilungssystem in der Kommission des Abgeordnetenhauses lebhaft bekämpft habe und insbesondere zeigte, daß es dabei unmöglich sein würde, die Pauschalreduktionen von zehn Perzent zu realisieren. Man werde sich ferner auch dagegen durch den Umstand verwahren || S. 203 PDF || können, daß in anderen konstitutionellen Staaten, als Sachsen, Preußen, Belgien, solche Unterteilungen der Budgets nicht stattfinden. Die Rechtfertigung der Ansätze im Budget der einzelnen Ministerien erfolge dort auch umständlich, allein die Dotierung sei eine Kumulation. Bei Vorlegung des Staatsvoranschlages für 1862 sei die k. k. Regierung allerdings in viele Details eingegangen, aber dies war die Folge davon, [daß] der bereits gedruckte Vorschlag nach dem Beispiele der früheren Jahre die Ausgaben in allen Unterabteilungen zergliederte. Allein die Regierung müßte jetzt dem Reichsrat gegenüber erklären, daß sie eine so weitgehende Zerteilung der Dotationen nicht als zulässig betrachte. Der Staatsminister äußerte, man müßte das für 1862 mitgeteilte Detail bloß „als Material“ gelten lassen; der Voranschlag für 1863 werde in konzentrierterer Form vorgelegt und bewilligt werden.

Se. Majestät der Kaiser geruhten, die Festhaltung dieses Standpunktes bei den Budgetverhandlungen zu empfehlen, um weiters Ah. zu befehlen, daß schon bei den Verhandlungen über den Voranschlag für 1862 die Rechte der Krone — namentlich jenes, die bestehenden Steuern fortzuerheben — gehörig gewahrt werden5.

II. Verhandlungen wegen des Übereinkommens mit der Nationalbank und Verlängerung ihres Privilegiums

Über die Allerhöchstenortes erfolgte Erinnerung, die hochwichtige Bankfrage bald möglichst zu einer gedeihlichen Entscheidung zu bringen, referierte der Finanzminister , daß hiezu gute Aussichten vorhanden sind. Die Abgeordneten sind selbst von der Dringlichkeit dieser Angelegenheiten überzeugt, ihre Ansichten haben sich geklärt und dem Regierungsvorschlage im ganzen geneigt gezeigt. Andererseits sind auch die Bankdirektoren zur Nachgiebigkeit in gewissen Punkten gestimmt, und nach den im vertraulichen Wege gepflogenen Voreinleitungen dürfte in den ersten Sitzungen des Abgeordnetenhauses die Debatte darüber unter günstigen Auspizien eröffnet werden. Die Geschäftswelt erwartet die Lösung der diesfälligen Fragen mit großer Ungeduld.

Der Staatsminister erklärte sich vollkommen bereit, den Finanzminister bei diesen Verhandlungen kräftigst zu unterstützen, müßte sich aber hiezu die nötigen Instruktionen erbitten. Um bald zum Ziele zu gelangen, werde man vorzüglich dahin wirken müssen, daß die Debatten sich nicht in zu viele Punkte zersplittern.

Schließlich bemerkte der Finanzminister , er werde sich die Ermächtigung erbitten, auf Grundlage der zu bezeichnenden Hauptgrundsätze das Übereinkommen mit der Nationalbankdirektion zu vereinbaren und die Bankstatuten zu redigieren, da diese Regulierungen der Verhältnisse nach der Natur der Sache nicht einseitig diktiert werden können. Es wurde dagegen von keiner Seite eine Erinnerung erhoben6.

III. Schutz der Staatsbeamten durch das neue Pressegesetz

Nachdem zwischen den beiden Häusern des Reichsrates Differenzen in bezug auf das Preßgesetz bestehen, geruhten Se. k. k. apost. Majestät auf die Notwendigkeit hinzuweisen, das Herrenhaus in seinem löblichen Bestreben zu stärken, den Staatsbeamten einen ergiebigeren Schutz zu verschaffen.

Minister Ritter v. Lasser referierte über die diesfälligen, in seiner Gegenwart gepflogenen kommissionellen Verhandlungen der beiderseitigen Delegierten, wobei der Minister erklärt habe, daß die Regierung das Preßgesetz nur unter der Bedingung, daß dieser Schutz zuerkannt wird, ins Leben treten lassen würde. Übrigens dürfte bereits ein Ausweg gefunden sein, um die doktrinären Bedenken des Abgeordnetenhauses zu beheben. Es würde nämlich der Vereinbarungsvorschlag dahin gemacht werden, daß derlei Preßübertretungen von Amts wegen nicht als Ehrenbeleidigungen, sondern als „Vergehen gegen die öffentliche Ordnung“ zu verfolgen seien7.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Kladrub, 25. September 1862. Praes[entatum] 27. September 1862. Rechberg.