Nr. 550 Ministerrat, Wien, 15. März 1865 – I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 16. 3.), Mensdorff 17. 3., Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Kalchberg; abw.abwesend Lasser; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 30. 3.
MRZ. 1354 – KZ. 832 –
- I. Stand der Verhandlungen über den Bau folgender Eisenbahnen: a) Siebenbürgerbahn; b) Kaschau-Oderberger Bahn; c) Schwadowitzer Flügelbahn; d) Prag-Karlsbad-Egerer Bahn; e) Wien-Budweis-Pilsner Bahn; f) Braunau-Rieder Bahn; g) kroatische Eisenbahnen; h) Bodensee-Gürtelbahn
- II. Entwurf des neuen Zolltarifs
Protokoll [I] des zu Wien am 15. März 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Stand der Verhandlungen über den Bau folgender Eisenbahnen: a) Siebenbürgerbahn; b) Kaschau-Oderberger Bahn; c) Schwadowitzer Flügelbahn; d) Prag-Karlsbad-Egerer Bahn; e) Wien-Budweis-Pilsner Bahn; f) Braunau-Rieder Bahn; g) kroatische Eisenbahnen; h) Bodensee-Gürtelbahn
Bei der steigenden Anzahl von Personen und Konsortien, die sich Allerhöchstenortes um Verleihung von Eisenbahnkonzessionen bewerben, geruhten Se. k. k. apost. Majestät Allerhöchstsich Auskünfte über den Stand der Verhandlungen über den Bau der nachfolgenden Eisenbahnen erstatten zu lassen1.
a) Siebenbürgerbahn2.
Der Leiter des Handelsministeriums referierte, im bezüglichen Ausschusse des Abgeordnetenhauses mache sich die Meinung geltend, daß diese Bahn nicht durch einen Offerenten, sondern durch die Staatsverwaltung selbst herzustellen wäre, indem dabei eine wesentliche Ersparung erzielt werden dürfte. Referent hoffe jedoch es dahin zu bringen, daß man diese Idee wieder aufgibt. Nicht unwahrscheinlich ist es ferner, daß der Ausschuß die Regierung auffordert, die Bahn von Karlsburg nach Kronstadt statt nach Hermannstadt–Rotenturm zu führen. Mit dieser Absicht steht auch das vorhandene Bestreben im Zusammenhang, die Bahntrasse in das Kokeltal zu leiten. Da die Regierung darauf nicht eingehen kann, dürfte nötigenfalls ein dilatorisches Auskunftsmittel darin gefunden werden, vorläufig die Konzession auf die Strecke Arad–Alvincz–Karlsburg zu beschränken, worüber alle Teile einig sind. Dieser Antrag würde auch im Abgeordnetenhause selbst alle Chancen des Gelingens haben, indem man es dort als eine Ehrensache betrachtet, noch in der diesjährigen Session mit der Siebenbürger Bahn vorwärts zu kommen. Pickering hat sich auch bereit erklärt, diese kürzere Strecke zu bauen, jedoch gegen einen relativ höheren Betrag als bei Überlassung der ganzen Linie Arad–Rotenturm und unter der Bedingung, daß ihm ein Vorrecht für die Konzession der von Karlsburg aus, sei es nach Kronstadt oder nach Rotenturm weiter zu führenden Eisenbahn zugesichert werde. Minister Graf Nádasdy glaubte nur erinnern zu sollen, daß der Siebenbürger Landtag sich für die Führung der Hauptbahn durch das Kokeltal nach Kronstadt und nur für eine Zweigbahn nach Hermannstadt ausgesprochen habe. Die siebenbürgischen Reichsratsabgeordneten werden ohne Zweifel den landtäglichen Beschluß mit Energie vertreten. Wenn man vorderhand bloß bis Karlsburg geht, kann man den Beschluß über die weitere Trasse || S. 211 PDF || einem späteren Zeitpunkt vorbehalten, wo auch bekannt sein wird, welcher Anschlußpunkt moldauischerseits gewünscht wird. Der Finanzminister brachte zur Ah. Kenntnis, daß der Bau der Bahn tätig fortgesetzt wird und sich dabei bereits herausgestellt hat, daß bei Vollendung desselben in Staatsregie die Kosten sich weit niedriger belaufen würden als die von Pickering geforderte Summe. Diese Tatsache könne der Minister dem Ausschuß nicht vorenthalten, und es werde der letztere wahrscheinlich bestimmen, die von Pickering geforderte Summe um einige Millionen zu reduzieren. Tritt dieser Offerent infolgedessen zurück, so kann nichtsdestoweniger der Bau in der bisherigen Weise fortgesetzt werden, und würde dann in der nächsten Reichsratssession darüber eine neue Vorlage gemacht werden3.
b) Kaschau-Oderberger Bahn4.
Freiherr v. Kalchberg brachte zur Ah. Kenntnis, daß der Gegenstand bereits im Ministerrate die Schlußberatung passiert hat, wobei man sich einigte, daß der Gesellschaft gewisse Erleichterungen im Bau zuzugestehen wären, wodurch sich die Garantiesumme um 6–8 Millionen niedriger stellen würde. Binnen acht Tagen schon gedenke der Referent seinen in diesem Sinne modifzierten au. Vortrag zu erstatten5.
c) Der Schwadowitzer Flügel der Pardubitz-Reichenberger Bahn6, [und]
d) die Prag-Karlsbad-Egerer Bahn7.
Die Verhandlungen über diese Bahnen sind im Zuge und nähern sich dem Abschluß.
e) Die Wien-Znaima -Budweis-Prag-Pilsner Bahn8.
Die Kostenüberschläge des Fürst Schwarzenbergschen Konsortiums für diese Bahnen werden eben definitiv insoweit richtiggestellt, so daß man eine Regierungsvorlage in betreff einer generellen Garantie noch während der gegenwärtigen Session wird einbringen können9.
f) Die Braunau-Rieder Bahn10.
Die Verhandlung über diese Bahn wird nach der Darstellung des Baron Kalchberg wohl dadurch vereinfacht, daß die Konzessionswerber keine Zinsengarantie in Anspruch nehmen; indes wird doch eine Regierungsvorlage an den Reichsrat durch den Anspruch auf zehnjährige Einkommensteuerfreiheit erforderlich gemacht. Dieses Zugeständnis dürfte unschwer erwirkt werden, nicht so aber die weiters begehrte Zollbefreiung für aus dem Ausland zu beziehende Schienen, und gerade darauf wird ein Wert gelegt, weil der Hauptfaiseur der Konzessionswerber namens Hirsch in gewissen Verbindungen mit ausländischen Eisenwerken steht. Da der Zoll für das benötigte Schienenquantum 250.000 fl. betragen würde, könnte man vielleicht durch ein anderweitiges Geldopfer || S. 212 PDF || das Aufgeben der Zollbefreiung bewirken. Der Finanzminister würde lieber ein solches Opfer bringen, als den voraussichtlich ganz vergeblichen Versuch machen, die Zollbefreiung im Reichsrate durchzubringen. Übrigens dürfte den Proponenten an dieser Befreiung weit weniger gelegen sein, als an einer baldigen Erledigung des Konzessionsgesuchs. Beiläufig wolle der Minister noch bemerken, daß die subventionierte Kaiserin-Elisabeth-Bahn durch die Konkurrenz der Ried-Braunauer Bahn allerdings etwas leiden dürfte, daher auch der Verwaltungsrat – vielleicht auch nur ad salvandam animam – einen Protest gegen die neue Bahn einbringen will.
g) Kroatische Eisenbahnen11.
Der Leiter des Handelsministeriums referierte, daß ein Dr. Jaques in Brüssel und London tätig sei, um die allerdings wünschenswerte Fusion der zwei konkurrierenden Gesellschaften12 zu bewirken. Se. k. k. apost. Majestät geruhten Ah. zu bemerken, es sei in politischer Beziehung wünschenswert, in Hinsicht auf den Bau dieser Bahn bald tatsächliche Resultate zu erwirken.
h) Bodensee-Gürtelbahn13.
Die Verhandlung über deren für Tirol und Vorarlberg sehr wichtiges Zustandekommen sind dem Abschlusse eines Übereinkommens mit Bayern und der Schweiz schon ganz nahe gerückt14.
II. Entwurf des neuen Zolltarifs
Auf die von Ah. Sr. Majestät gestellte Frage, in welchem Stadium sich der neue Zolltarifentwurf befinde, erstattete der Leiter des Handelsministeriums die au. Anzeige, er hoffe binnen wenig Tagen in der Lage zu sein, denselben mit au. Vortrag überreichen zu können. Es handle sich nur um die Schlußredaktion des Gesetzentwurfs und der sich daran reihenden Vollzugsvorschrift, welche zwar in den Bereich der Exekutive gehört, aber zur Beleuchtung des Gesetzentwurfs nicht entbehrt werden kann, daher dieselbe unter einem dem Reichsrate vorzulegen wäre. Die infolge der Berliner Übereinkunft eintretenden Änderungen des dermaligen Tarifentwurfs würden nachträglich veranlaßt werden. Der Staatsratspräsident fügte bei, der Tarifentwurf sei bereits vom Staatsrate geprüft worden, so daß er in der Lage sein würde, in kurzer Zeitfrist sein Gutachten darüber au. zu erstatten, sobald auch die Entwürfe des Gesetzes und der Durchführungsvorschrift vorliegen werden15.
Wien, 16. März 1865. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 30. März 1865. Empfangen 30. März 1865. Erzherzog Rainer.