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Nr. 549 Ministerrat, Wien, 13. März 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 13. 3.), Mensdorff 17. 3., Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Zichy, Kalchberg; außerdem anw. Geringer; abw. Lasser; BdR. Erzherzog Rainer 30. 3.

MRZ. 1353 – KZ. 833 –

Protokoll des zu Wien am 13. März 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Kaschau-Oderberger Eisenbahn

Den ersten Gegenstand der Beratung bildete der au. Vortrag des Leiters des Handelsministeriums vom 18. Februar l. J., Z. 1612, über die Verleihung einer Konzession zum Baue und Betriebe einer Eisenbahn von Kaschau nach Oderberg mit einer Zweigbahn nach Eperies und beziehungsweise über die diesem Unternehmen zu gewährenden Begünstigungen1.

Der Staatsrat Freiherr v. Geringer referierte den Inhalt des au. Vortrages und die gestellten Anträge mit dem Beifügen, Baron Kalchberg bitte, Se. Majestät wollen diese Anträge Ag. zu genehmigen und ihn zu ermächtigen geruhen, den vorgelegten Gesetzentwurf in betreff der Begünstigungen für die Unternehmung der Eisenbahn von Kaschau nach Oderberg samt Zweigbahn nach Eperies im Reichsrate zur verfassungsmäßigen Behandlung einzubringen. Auch bitte er um die Ag. Ermächtigung, die Unterhandlungen mit den Konzessionswerbern zum Abschlusse zu bringen und denselben erforderlichenfalls die Emission von Aktien und Obligationen im Verhältnisse von 1 : 2 gegen die Annahme des Anlagekapitals in der Ziffer von 61 Millionen zuzugestehen. Der Staatsrat habe, wie Baron Geringer erwähnte, die Vorfragen, ob die Regierung gesonnen sei, ohne Rücksicht auf die noch nicht erfolgte Schlußfassung des Reichsrates über die siebenbürgische Eisenbahn2 in der gegenwärtigen Session noch für eine zweite Bauunternehmung die Zinsengarantie in Anspruch zu nehmen, ferner, ob sie überhaupt die Absicht habe, dieses Ansinnen auch für die Bahnen jener Königreiche zu stellen, die im Reichsrate noch nicht vertreten sind, da ihm die nötigen Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Vorfragen fehlen, der Entscheidung des Ministerrates überlassen zu sollen erachtet und die Herstellung dieser Bahn als eine Industriebahn für die Länder und Landesteile, die sie durchzieht oder berührt, bezeichnet. Nach der Ansicht des Staatsrates gehöre sie in Absicht auf die Kosten des Baues und der Betriebseinrichtung unter die kostspieligen, da mit Inbegriff der Geldbeschaffungskosten für die Meile 1,340.000 fr. gefordert werden. Der Staatsrat habe es daher für || S. 203 PDF || notwendig gehalten, die Ziffern dieses Anlagekapitals von 62 Millionen für 46 Meilen in seinen Elementen auf jede Weise zu reduzieren, die, ohne den Zweck zu vereiteln, tunlich erscheine, und dieserwegen auf die Herstellung von Tunnels mit einem Geleise statt der beantragten zweigeleisigen, auf die Herstellung von Holzbrücken statt der beantragten stabilen Brücken in Eisenkonstruktion, auf die Herstellung provisorischer Stationsgebäude in Holz oder Fachwerk statt einer Konstruktion in Stein und Ziegel, endlich auf die Herstellung der Wächterhäuser aus Holz eingeraten, wodurch ohne Rücksicht auf die Aufbringungskosten 5 bis 6 Millionen Gulden erspart werden könnten. Der Staatsrat habe daher geglaubt, daß die berührten onerosen Bedingungen einer genauen Revision zu unterziehen wären, um das für den Bau und die Betriebseinrichtung präliminierte Erfordernis auf die tunlichst geringe Ziffer herabzusetzen. Die Bestimmung über die Maximaltarifsätze, Artikel VI/9 des Gesetzentwurfes, sollte nach der Ansicht des Staatsrates in einer Weise geschehen, daß dadurch dem Ergebnisse der eben in Angriff genommenen Tarifenquete3 nicht vorgegriffen werde. Auch habe der Staatsrat geglaubt, daß für die klarere Textierung des letzten Absatzes des Artikels VI/3 zu sorgen wäre. Der vom Staatsrate hiernach vorgeschlagene Resolutionsentwurf laute: „Ich genehmige Ihre Anträge und ermächtige Sie, den rückfolgenden Gesetzentwurf in betreff der Begünstigungen für die Unternehmung der Eisenbahn von Kaschau nach Oderberg samt Zweigbahn nach Eperies im Reichsrate zur verfassungsmäßigen Behandlung einzubringen. Sie haben jedoch vorläufig die Verpflichtungen, welche nach Artikel VI den Konzessionären in Absicht auf den Bau und die Betriebseinrichtung vorgezeichnet werden sollen und die neben der Verlängerung der Bauzeit eine namhafte Erhöhung des Gelderfordernisses bedingen, einer sorgfältigen Revision zu unterziehen und daraus alle Anforderungen auszuscheiden, welche die Sicherheit des Betriebes nicht unumgänglich erfordert und die unter ähnlichen Verhältnissen nicht auch an andere Bahnunternehmungen gestellt worden sind. Namentlich hat bezüglich der Anlage der Tunnels Meine Entschließung vom 15. September 1858 4 zur Richtschnur zu dienen. Hienach ist auch das Anlagekapital und das vom Staate zu garantierende Reinerträgnis zu berichtigen und mit einer tunlichst ermäßigten Ziffer festzusetzen. Die Bestimmung über die Maximaltarifsätze hat in einer Weise zu geschehen, daß dadurch der bei anderen Bahnen eben jetzt angestrebten Herabminderung der Frachtsätze nicht vorgegriffen werde. Übrigens ist für eine klarere Textierung des letzten Absatzes des Art. VI/3 zu sorgen, welcher von dem Übereinkommen mit der Theiß- und Nordbahn über die Mitbenützung des Kaschauer und Oderberger Bahnhofes spricht. Auf diesen Grundlagen ermächtige Ich Sie sodann, die Unterhand­lungen mit den Konzessionswerbern wieder aufzunehmen und denselben erforderlichenfalls die Emission von Aktien und Obligationen im Verhältnisse von 1 : 2 zuzugestehen.“

|| S. 204 PDF || Der Leiter des Handelsministeriums erkannte an, daß die vom Staatsrate angestrebte Tendenz, das Handelsministerium habe sich zu bemühen, das Anlagekapital für die in Rede stehende Bahn herabzumindern, die richtige sei, weshalb er in der Wesenheit gegen die vorgeschlagene Revision keinen Anstand zu erheben finde. Was die einzelnen Punkte betrifft, sei es vor allem die Frage der zweigeleisigen Tunnels, die in das Gewicht falle, und es habe insbesondere das Kriegsministerium die Herstellung der Tunnels für Doppelgeleise befürwortet und gemeint, daß die höheren Kosten dabei nicht in Betracht kommen sollten5. Die Vertretung hiefür müsse daher dem Kriegsminister überlassen werden. Verkennen lasse es sich übrigens nicht, daß auf einer Bahn mit zwei Geleisen, die nur eingeleisige Tunnels hätte, vielfache Inkonvenienzen im Betriebe entstehen müßten, denen selbst durch Ausweichstationen dann nur schwer zu begegnen wäre, wenn eine größere Reihe von Tunnels in kurzer Distanz bestünde. Ein anderer hiebei zu beachtender Umstand sei, wenn Reparaturen im Tunnel notwendig werden, da wäre, wenn der Tunnel nur ein Geleise hätte, der Betrieb ganz unterbrochen, während bei einem zweigeleisigen wenigstens ein Geleise immer fahrbar erhalten werden könnte. Ob daher nicht aus allgemeinen Rücksichten für den Betrieb nicht dennoch zweigeleisige Tunnels hergestellt werden sollen, darüber hätten sich die Sachverständigen auszusprechen, deren Gutachten er einholen werde. Was die Hochbauten und Brücken betreffe, habe gleichfalls das Kriegsministerium die Herstellung der ersteren in Stein und Ziegel und der letzteren in Eisenkonstruktion warm befürwortet6, indessen würde Baron Kalchberg keinen Anstand nehmen, im Interesse des angestrebten Zweckes sich für Holzbrücken auszusprechen. Der Bemerkung wegen der Bestimmung der Maximaltarifsätze könne erläuternd entgegengehalten werden, daß die Enquetekommission nicht so sehr eine Herabsetzung der Tarifsätze bezwecke, vielmehr das Studium der gegenseitigen Tarife und Ausgleichung derselben sich zur Aufgabe gemacht habe. Die Bestimmung der Maximaltarife werde daher nicht beirren, daß die Ergebnisse der Enquete bei neuen Bahnen in Anwendung gebracht werden. Die Revision des Operates im Sinne des staatsrätlichen Einratens, gegen welche von Seite des Handelsministeriums kein Anstand erhoben werden kann, werde, da das Materiale hiezu vollständig bereitliege, in längstens 14 Tagen zustande gebracht sein. Unter allen Umständen glaube er jedoch daran festhalten zu sollen, daß die Vorlage dann ungesäumt in den Reichsrat eingebracht werden soll.

Der Staatsratspräsident bemerkte, daß auch er auf die vom Staatsrate angeregten Vorfragen das Hauptgewicht legen zu sollen glaube, daß insbesondere die Vorlage bezüglich der Siebenbürger Bahn schon in der vorigen Session des Reichsrates geschehen und das Gesetz hierüber nicht zustande gekommen sei. Auch in der jetzigen Session schlage sich das Abgeordnetenhaus mit der diesfälligen neuen Vorlage herum, und es sei zu besorgen, daß, wenn man jetzt mit Vorlagen über neue Bahnen komme, auch das Gesetz über die Siebenbürgerbahn wieder nicht zustande kommen werde. Solange weiters Ungarn im Reichsrate nicht vertreten sein werde, sei von dem Reichsrate für Ungarn nichts zu erwarten, und bis dahin sei es auch von Seite der Regierung nicht || S. 205 PDF || politisch, mit solchen meist ungarische Interessen bezweckenden Vorlagen vor den Reichsrat zu treten. Wenn indessen doch der Beschluß für die Vorlage ausfiele, werden die vom Staatsrate vorgeschlagenen Vorerhebungen, mit denen sich soeben Baron Kalchberg einverstanden erklärte, nicht unterbleiben können. Der Staatsrat habe, wiewohl nur deshalb, weil die Sache so dringlich gemacht worden sei, für die sofortige Einholung der bedingten Ah. Genehmigung der gestellten Anträge gestimmt und diesfalls einen Resolutionsentwurf in ausreichender Form vorgeschlagen, der Staatsrat sowie Votant glauben jedoch, daß es zweckmäßiger wäre, wenn die Erhebungen von Seite des Handelsministeriums im Vernehmen mit dem Finanzministerium früher gepflogen würden, denn diese Erhebungen müssen wohl als sehr wesentlich angesehen werden und dürften wünschen lassen, daß die im Grunde des Ergebnisses derselben vorzunehmende Abänderung des Art. VI des Gesetzentwurfes nicht dem bloßen Ermessen des Handelsministeriums überlassen werde. Die Wichtigkeit der vom Staatsrate beantragten Revision könne nicht in Abrede gestellt werden, da es als möglich dargestellt wurde, das Anlagekapital um 6 Millionen Gulden herabzumindern. Was die Frage der Tunnels mit zwei Geleisen betrifft, erinnere sich Votant, daß bei den Verhandlungen im Jahre 1858 allgemein gesagt worden sei, daß für den Anfang die Herstellung zweigeleisiger Tunnels nicht notwendig sei, und es seien auch mit Ah. Entschließung vom 15. September 1858 andere Bahnen von dieser Verpflichtung enthoben worden. Warum also gerade bei der Kaschau-Oderberger Bahn, die noch dazu vorzugsweise eine Frachtenbahn sein werde, auf die Herstellung zweigeleisiger Tunnels gedrungen werden soll, könne Votant umso weniger einsehen, da die ganze Bahn nur ein Geleise haben werde und es sich also nicht etwa darum handle, von einer zweigeleisigen Bahn in einen eingeleisigen Tunnel einzufahren. Die Wünsche des Kriegsministeriums können daher erst in zweiter Linie in Frage kommen und erst dann in Berücksichtigung gezogen werden, wenn bei fortgesetztem Betrieb die Notwendigkeit eines Doppelgeleises sich herausstellen sollte, zu welcher Zeit die Bahn aber einen größeren Ertrag haben und die Mittel zu diesen Herstellungen selbst werde liefern können. Warum übrigens jetzt gleich Brücken in kostspieliger Eisenkonstruktion hergestellt werden sollen, lasse sich noch weniger absehen, da heute noch der Verkehr der Residenzstadt Wien über die große Donau durch kein anderes Kommunikationsmittel als Holzbrücken gesichert ist. Provisorische Stationsgebäude bestehen übrigens auf vielen belgischen und deutschen Bahnen, und Wächterhäuser aus Holz sollten schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil für einen großen Teil der Land- und Gebirgsbevölkerung der dortigen Gegenden Häuser von Holz, das dort im Überflusse vorhanden, üblich seien. Was die Bestimmung der Tarifsätze betrifft, sollten die Bedingungen so allgemein gehalten werden, daß die Regierung in der Lage bleibt, die Resultate der erwähnten Enquetekommission auch bei dieser Bahn in Anwendung zu bringen. Was die vorgeschlagene klarere Stilisierung des Art. VI/3 betrifft, so erscheine es auch dem Votanten, daß in dem Schlußsatze „die für die Mitbenützung dieser Bahnhöfe zu zahlende Rente darf in der Betriebsrechnung unter den Betriebsspesen verrechnet werden“, das Wörtchen „nicht“ ausgelassen worden sein dürfte. Baron Kalchberg klärte in letzterer Beziehung auf, daß Übereinkommen hinsichtlich der Mitbenützung eines bereits bestehenden Bahnhofes von Seite einer neuen Bahn in zweifacher Weise getroffen werden können, entweder gegen Zahlung eines bestimmten Betrages für einmal, der dann zum || S. 206 PDF || Anlagekapital einzurechnen kommt, oder gegen Zahlung einer jährlichen Rente qua Pachtzins, die in die Betriebsspesen einzustellen sei.

Der Staatsminister war der Ansicht, daß die vom politischen oder verfassungsmäßigen Standpunkte hergeholten prinzipiellen Bedenken nicht als die entscheidenden ins Auge zu fassen, sondern daß der volkswirtschaftliche Standpunkt für die Regierung der maßgebende sein solle. Es sei nicht zu leugnen, daß die Produktivität eines Landes je mehr sich hebe, desto vollständiger das dasselbe bedeckende Eisenbahnnetz sei. Von dem Aufschwunge ganzer Gegenden durch Entstehung von Eisenbahnen ernte aber auch der Staat reiche Früchte. Die Zustände in Österreich seien derart, daß die volkswirtschaftliche und finanzielle Frage die brennendste geworden sei. Von allen Seiten werde der Regierung zum Vorwurfe gemacht, daß sie in dieser Richtung nichts tue, und bis zu einem gewissen Grade habe dieser Vorwurf seine Berechtigung. Dem entgegenzutreten müsse die Regierung sich für verpflichtet halten und Unternehmungen solcher Art, wie die in Rede stehende, nach allen Kräften fördern. Leider könne Votant seine Überzeugung nicht verhehlen, daß aus der Sache nichts werden werde, weil der Reichsrat nicht gestimmt sein werde, einem Lande ein Bene zuzuführen, das von der Verfassung nichts wissen wolle. Die Regierung müsse jedoch einen höheren Standpunkt einnehmen und habe in doppelter Richtung einer Verpflichtung nachzukommen, einerseits um dem allgemeinen Wunsche, daß etwas geschehe, nachzukommen, anderseits aber, um einem großen Teile des Landes die Möglichkeit aufzuschließen, seine reichen Naturschätze ausbeuten und auf den Markt bringen zu können. Votant glaubte daher, was das Prinzip betrifft, sich für die Einbringung der Vorlage im Reichsrate und zwar in nächster Zeit aussprechen zu sollen. Damit werde auch ein Keil in den Reichsrat getrieben werden, dem es begreiflich werden wird, daß er zur Erledigung noch anderer wichtiger Gegenstände eine Zeit erübrigen müsse. In betreff der Differenz, ob Sr. Majestät jetzt schon oder erst, wenn die vom Staatsrate vorgeschlagenen Erhebungen vorliegen werden, der au. Vortrag zu erstatten sei, sprach sich Votant für die letztere Alternative aus. Die einzelnen Punkte anbelangend, fand Votant gegen die angedeutete Ökonomie bei den Stationsgebäuden, Wächterhäusern und Brücken nichts zu erinnern. Bezüglich der Tunnels hielt er eine eindringliche Prüfung des Gegenstandes durch Sachverständige für notwendig, weil durch die Anlage von nur eingeleisigen Tunnels die Sache für immer verdorben und die Ersparung an den Baukosten eine übel angebrachte werden könnte, wenn in der Folge der Bahnbetrieb mit Doppelgeleisen notwendig werden sollte. Der Minister des Äußern stimmte dem Staatsminister in allen Richtungen bei. Der Polizeiminister glaubte bezüglich der prinzipiellen Frage, ob die Vorlage an den Reichsrat noch in dessen jetziger Session zu machen sei, von einem anderen Standpunkte als den, daß Ungarn im Reichsrate noch nicht vertreten sei, und zwar von der Erwägung ausgehen zu sollen, bei welchen Eisenbahnprojekten die Vorarbeiten bereits in ein solches Stadium gelangt seien, daß mit ihrer Vorlage demnächst vorgegangen werden könnte. Seines Erinnerns seien die Vorarbeiten in Angriff genommen bezüglich der Wien–Budweis–Pilsen–Prager Bahn, der Prag–Karlsbad–Egerer Bahn, der Arader Bahn, der Reichenberg–Schwadowitzer Bahn und der kroatischen Bahnen7.

|| S. 207 PDF || Wenn alle diese zugleich eingebracht werden wollten, könne man mit Bestimmtheit annehmen, daß alle aus finanziellen Gründen nicht durchgebracht werden würden. Man kann daher nicht das politische Moment, sondern müsse den nationalökonomischen Vorteil vor Augen haben. In welchem Stadium alle diese Projekte sich befinden, wisse Votant nicht und müsse vor allem eine Aufklärung hierüber von Seite des Leiters des Handelsministeriums wünschen8. Dann werde es angezeigt sein zu prüfen, welches Projekt den Reichsinteressen zumeist zusage, und nach dem Grade dieses Vorzuges werden die einzelnen Projekte der Reihe nach vor den Reichsrat zu bringen sein. Der Leiter des Handelsministeriums bemerkte hierauf, daß er, was die Bahnfrage im allgemeinen betrifft, die Anschauung habe, daß es eine absolute Notwendigkeit sei, für notwendig erkannte Bahnen, wofür das Kapital bereitliege, zur Ausführung zu bringen, weil erst durch die gegenseitige Ergänzung der Bahnen ein Netz sich bilden werde, dessen Vorteil umso gewaltiger sich gestalten werde, je verzweigter dasselbe sein werde. Was die finanzielle Belastung betrifft, werde der Staatsschatz vor drei, vier, fünf Jahren nicht in Anspruch genommen, höchstens könnte bei gleichzeitiger Inangriffnahme mehrerer Bahnen der Geldmarkt alteriert werden. Welche dieser Bahnen in volkswirtschaftlicher Beziehung den Vorzug verdiene, sei schwer zu bestimmen, die einzelnen Verhältnisse lassen sich nicht überall gleichmäßig abwägen. Die Regierung solle nach seiner Ansicht den Willen, hiebei aktiv vorzugehen, in entschiedener Weise manifestieren, und der Reichsrat werde es dann auf seine Schultern zu nehmen haben, wenn er das Zustandekommen verhindert. Vor dem Gedanken, daß der Reichsrat die Projekte verwerfen werde, brauche die Regierung nicht zurück­zuschrecken, dieselbe werde vor dem Publikum jedenfalls gerechtfertigt dastehen. Votant glaubte daher, daß dem Handelsministerium zur Pflicht zu machen wäre, alle diese Projekte der Reihe nach, wie sie ausgetragen sind, noch in dieser Session des Reichsrates einzubringen. Er erwähnte dabei noch, daß neuerlich ein Projekt über eine Eisenbahn von Ried nach Braunau aufgetaucht sei, wofür übrigens keine Staatsgarantie, sondern nur andere Begünstigungen hinsichtlich der Steuerbefreiung etc. in Anspruch genommen werden9. Der Polizeiminister glaubte sonach, dafür stimmen zu sollen, daß diese Projekte zugleich einzubringen wären, damit die Beteiligten nicht hinterdrein sagen könnten, bei ihrer Bahn sei auch alles in Ordnung gewesen und auch ihr Projekt wäre, wenn man es früher eingebracht haben würde, durchgegangen. Bezüglich der Herstellung von Tunnels mit Spannweite für zwei Geleise teilte Votant die Ansicht des Staatsministers. Der Staatsratspräsident entgegnete in letzterer Beziehung, daß dies eben Gegenstand der Erhebung der Kommission sein werde. Wenn die Sache übrigens unbedingt so wäre, wie der Staatsminister glaubte, wäre nicht abzusehen, wie die Enquete der Sachverständigen im Jahre 1858 sich gegenteilig habe aussprechen können. Der Unterschied beim Anlagekapital von drei bis fünf Millionen Gulden wäre doch jedenfalls einer genauen Erhebung wert. Der Minister Graf Nádasdy erachtete prinzipiell dafür stimmen zu sollen, daß kein anderes Bahnprojekt früher eingebracht werden soll, bis nicht das Gesetz über die Siebenbürger Bahn zustande gekommen sein werde. || S. 208 PDF || Dem in dieser Sache ohnedem zerfahrenen Ausschusse des Abgeordnetenhauses und dem letzteren selbst würde sonst nur wieder ein Anlaß gegeben werden, zu beraten, welche Bahn notwendiger sei, und das Projekt könnte neuerdings auf die Seite geschoben werden. Den Siebenbürgern sei die Bahn, welche nicht nur ein Segen für das Land sei, sondern als Weltbahn eine große Bedeutung haben werde, versprochen worden, die Vorlage hiezu sei neuerdings eingebracht und sollte auch allein bleiben, bis die Sache ausgetragen sein wird. Der Finanzminister bemerkte, die Auffassung des Polizeiministers zu teilen. Die Kaschau–Oderberger Bahn sei gewiß dringender notwendig als z. B. die Karlsbad–Egerer Bahn, bei der man im Zweifel gewesen sei, ob sie als eine Landes- oder Reichsbahn anzusehen sei. Durch diese Bahn werde auch die Ausbeute in den an Eisen und Kupfer reichen Montanbezirken Nordungarns erhöht und preiswürdiger werden; aes sei daher diese Bahn immerhin eine nützliche; es könne aber, auf die Frage des Herrn Polizeiministers eingehend, nicht verkannt [werden], daß es in Ungarn noch andere, weit nützlichere Bahnstrecken gebe, nämlich von Großwardein nach dem Banate, im Alföld usw., welche geeignet wären,a [daß] bei gesegneten Ernten das Getreide, welches jetzt nur einen geringen Wert hat, durch die leichte Möglichkeit des Exportes erst die Eigenschaft eines Gutes erhalten [werde]. Was die Behandlung des Gegenstandes betrifft, erachtete Votant es auch für angemessen, daß die Vorerhebungen im Sinne des staatsrätlichen Einratens der Erstattung des au. Vortrages vorhergehen sollen. Daß man so viele Bahnprojekte als möglich dem Reichsrate noch in dieser Session vorlegen solle, werde abgesehen davon, daß das Handelsministerium mit seinen Arbeiten nicht zustande kommen werde, nichts nützen, es könnten durch so viele enorme Projekte auch die Kapitalisten beunruhigt werden, und dies auch für die Lage der Staatsfinanzen abträglich sein, welche in den nächsten zwei Jahren das Kapital sehr werden in Anspruch nehmen müssen. Prinzipiell stimmte Votant für die Einbringung der in Rede stehenden Vorlage in den Reichsrat, wobei er noch andeutete, daß für die Siebenbürger Bahn dadurch keine Gefahr entstehen könne, die als schon in der Ausführung begriffen im schlimmsten Falle unter Anwendung des § 13 der Verfassung werde ausgebaut werden. Der Kriegsminister bemerkte, daß der Repräsentant des Kriegsministeriums in der gemischten Kommission hinsichtlich der speziellen Fragen Tunnels, Brücken etc. in dem Sinne sich ausgesprochen habe, wie das heutige Votum des Staatsministers, dem er sich in allen Richtungen anschließe, laute. Die Minister Graf Esterházy, Baron Burger und Ritter v. Hein sowie der ungarische Hofkanzler stimmten in der prinzipiellen Frage (und letzterer insbesondere, was die Tunnels betrifft) der Anschauung des Staatsministers im Gegensatze zu der rein praktischen Auffassung des Polizeiministers bei, wobei Graf Esterházy hervorhob, daß nach seinem Dafürhalten in anderer Beziehung keine Differenz mehr bestehe, da Baron Kalchberg sich einverstanden erklärt habe, die Erhebungen im Sinne des staatsrätlichen Einratens zu pflegen. Der Minister Ritter v. Hein gab noch dem Gedanken Ausdruck, daß man die Einbringung der Vorlage über die Kaschau–Oderberger Bahn nicht bis nach der Erledigung der Siebenbürger Bahn verschieben solle, denn es wäre nicht einzusehen, warum man auf die Arbeiten einer Lotterie warten || S. 209 PDF || solle. Er wäre vielmehr dafür, daß man alle diese Bahnprojekte der Reihe nach, wie sie ausgetragen sind, einbringen solle.

Es ergab sich sonach der Majoritätsbeschluß erstens, was das Prinzip betrifft, für die Einbringung der Vorlage bezüglich der in Rede stehenden Bahn in den Reichsrat in der gegenwärtigen Session, und zweitens für die Zurückstellung des eingangs bezogenen au. Vortrages an den Leiter des Handelsministeriums, der zum Zwecke der Reduktion des Anlagekapitals die von dem Staatsrate angedeuteten Erhebungen zu pflegen und über das Ergebnis im Ministerrate zu berichten hätte10.

II. Kompetenz der Gerichte bei Steuerexekutionen an unbeweglichen Vermögen

Hinsichtlich der vom Minister Ritter v. Hein vorgetragenen Meinungsverschiedenheit zwischen den Ministerien der Justiz und der Finanzen über die Kompetenz der Gerichte bei Steuerexekutionen auf unbewegliche Sachen einigte sich über Antrag des Finanzministers die Konferenz dahin, daß dieser Gegenstand vorerst an den Staatsrat zur Begutachtung zu leiten sei11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 30. März 1865. Empfangen 30. März 1865. Erzherzog Rainer.