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Nr. 475 Ministerrat, Wien, 30. Mai 1864 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Rechberg 30. 5., nur bei I und II anw.), Mecséry (BdE. fehlt), Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Burger, Hein, Zichy, Franck, Kalchberg (nur bei I anw.); außerdem anw. Reichenstein (nur bei I anw.); abw. Esterházy; BdR. Schmerling 14. 6.

MRZ. 1279 – KZ. 1761 –

Protokoll des zu Wien am 30. Mai 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

[I.] Konzessionierung der Siebenbürger Eisenbahn

Der Staatsminister referierte das Ergebnis der gemäß Konferenzbeschlusses vom 25. April l. J. vollführten Ministerkomiteeberatung bezüglich des Baues der Siebenbürgerbahn1.

Das Komitee habe sich nach reiflicher Erwägung aller Umstände in folgenden Hauptpunkten geeinigt: 1. daß die Linie Arad – Hermannstadt festgehalten werde; 2. daß die Erteilung dieser Eisenbahnkonzession kein Akt der Gesetzgebung, sondern Sache der Exekutive sei und hier nur bezüglich der Frage der Zinsengarantie die Mitwirkung des Reichsrates erforderlich erscheine, welche verfassungsmäßige Verhandlung seinerzeit einzuleiten sich die Regierung vorbehalte; 3. daß von der Offertverhandlung nicht abgegangen werde. Nebenbei sei die Frage erörtert worden, ob es nicht möglich wäre, neben der Offertverhandlung mit dem Bau der Eisenbahn sofort zu beginnen, in welcher Beziehung mit der Credit-Anstalt und und der Theißbahngesellschaft abgesondert die weitern Verhandlungen von Seite des Handelsministeriums gepflogen worden seien. Es handle sich also nun darum, daß der Antrag des Komitees genehmigt werde, rücksichtlich daß Se. Majestät um die Ag. Ermächtigung gebeten werde, daß wegen Sicherstellung der Eisenbahn von Arad über Hermannstadt bis zur walachischen Grenze am Rotenturmpaß eine Offertverhandlung veranlaßt und wegen sofortiger Inangriffnahme des Baues mit der Credit-Anstalt und Theißeisenbahngesellschaft ein Übereinkommen abgeschlossen werden dürfe. Die Bedingnisse und Zugeständnisse, welche bei der Offertverhandlung zur Richtschnur dienen sollen, seien womöglich dieselben, wie sie bei der Lemberg-Czernowitzer-Bahn gemacht wurden2, und es sei hier zu bemerken, daß hievon nur die auf die Gewährung der Staatsgarantie bezugnehmenden Bestimmungen eines näheren Eingehens bedürfen und Referent sich daher vorbehalte, dieselben später noch zum Vortrage zu bringen. Was aber die abgesonderte Verhandlung || S. 7 PDF || mit der Credit-Anstalt betreffe, so dürfte Freiherr v. Kalchberg am besten in der Lage sein, der hohen Konferenz hierwegen die entsprechende Mitteilung zu machen.

Der hierauf von Sr. k. k. Hoheit zum Vortrage aufgeforderte Leiter des Handelsministeriums Freiherr v. Kalchberg erörterte die einzelnen Artikel des mit der Credit-Anstalt und [der] Theißbahngesellschaft abzuschließenden Übereinkommens3. Er hob hervor, daß die Credit-Anstalt den Termin zur Refundierung des zu leistenden Vorschusses bis Ende September 1865 erstreckt habe, sich bis Ende 1864 mit einer 5%igen Verzinsung begnüge, dagegen aber für die Zeit vom 1. Jänner 1865 bis zum Zahlungstage sechs Prozent Zinsen verlange, welche Forderung nur billig genannt werden könne. Das Begehren der Anstalt (Art. VI), daß ihr unter gleich günstigen Bedingungen der Vorrang vor anderen Offerenten eingeräumt werde, konnte nicht umgangen werden, weil sonst das ganze Geschäft nicht zustande käme. Die frühere Forderung, daß die Theißeisenbahngesellschaft von dem Eisenbahnbaue von Nyíregyháza nach Sziget sofort definitiv entbunden werde, sei nun dahin modifiziert, daß die Verpflichtung zur Herstellung der genannten Bahn erst dann erlischt, wenn der vollständige Ausbau der Linie Arad–Maros–Porto sichergestellt ist. Der von der Theißbahngesellschaft beanspruchte monatliche Pauschalbetrag von 3000 fl. (Art. IX) als Beitrag zu den vermehrten Auslagen der Zentralregie sei wohl etwas zu hoch gegriffen, Referent hoffe aber, daß er eine Herabminderung dieser Summe noch erzielen werde. Was die Bauleitung und Bauführung selbst betrifft, so stehe natürlich der Direktion der Theißbahngesellschaft die selbständige Disposition in Absicht auf alle administrativen und technischen Geschäfte zu, und seien hierwegen die näheren Bestimmungen (Art. X etc.) in dem Übereinkommen ebenfalls aufgenommen.

Bei der hierauffolgenden Beratung trat die Konferenz den Komiteeanträgen bei. Die hiebei von Seite des Finanzministers gemachte Proposition, die Sache in zwei Teile zu teilen und heute nur den ersten Teil, nämlich die wegen Sicherstellung der Linie Arad–Hermannstadt einzuleitende Offertverhandlung zum Gegenstand der Beschlußfassung zu machen, dagegen aber das andere Detail noch der weiter nötigen Verhandlung zwischen dem Finanz- und dem Handelsministerium vorzubehalten, wurde vom Staatsratspräsidenten und dem Polizeiminister damit bekämpft, daß eine solche Trennung jetzt nicht mehr ausführbar erscheine, indem die Sache im ganzen verhandelt wurde und bereits vollständige Kontrakte unter Vorbehalt der Ratifikation vorliegen, welcher Meinung auch alle übrigen Konferenzmitglieder waren, und daher sofort beschlossen wurde, daß in beiden Beziehungen die Ah. Ermächtigung erbeten werde, nur wurde über Antrag des Staatsministers eine Modifikation des Resolutionsentwurfes derart angenommen, daß statt der Worte „das zurückfolgende Übereinkommen“ gesagt werde „auf Grundlage der vorgelegten Punktationen des Übereinkommens“. Ebenso wurde die vom Staatsratspräsidenten in der „Kundmachung“4 bei dem Passus bezüglich des Vorbehaltes der verfassungsmäßigen Behandlung in Absicht auf die Zinsengarantie gewünschte Textverbesserung ohneweiters angenommen und diese Stelle sofort hiernach vom Staatsminister redigiert. Auf die Frage des ungarischen Hofkanzlers , || S. 8 PDF || warum die Theißeisenbahngesellschaft von dem Baue der für den Salztransport sehr notwendigen Nyíregyháza-Eisenbahn entbunden werden müsse, bemerkte der Finanzminister , daß diesem Bedürfnisse durch die neue Arader Bahn ebenfalls Rechnung getragen sei, übrigens bei der Nyíregyháza-Bahn für die Finanzen so lästige Verpflichtungen eingegangen worden sind, daß es nur als sehr vorteilhaft angesehen werden könne, wenn diese Eisenbahn nicht zur Ausführung kommt.

Schließlich verlas der Staatsminister die auf die Gewährung der Staatsgarantie oder einer Subvention Bezug nehmenden Bedingnispunkte (19, 20, 21), worüber sich dem Ministerrate keine Bemerkung ergab5,a .

II. Eingabe des Gläubigerausschusses der Paul v. Putzerschen Vergleichsmasse

Der Gegenstand der Beratung war die Bitte des Gläubigerausschusses der Paul v. Putzerschen Vergleichsmasse6 um die Bewilligung, daß von den an das Ärar zu liefernden Arbeiten anstatt des bisherigen 20%b Abzuges bloß ein 5%iger Fakturaabzug zur Rückzahlung des noch aushaftenden Ärarialvorschusses gemacht, daß als letzter Termin der Zahlung dieses Vorschusses der 1. Jänner 1875 festgesetzt werde und daß das Ärarialdarlehen durch diese zehn Jahre unverzinslich belassen werde. Der hierüber referierende Marineminister besprach in längerer Rede zunächst die Entstehung und die Bedingnisse des dem Putzer vor drei Jahren bewilligten Ärarialvorschusses von 400.000 fl.7, von welchem zur Stunde noch 320.000 fl. abzustatten sind, erörterte weiter den gegenwärtigen Stand und die Leistungsfähigkeit des Etablissements zu Storé und zeigte auf Grund gemachter Berechnungen, daß selbst bei der günstigsten Annahme das Werk durch seine Lieferungen in den zehn Jahren kaum 150.000 fl. von der Ärarialschuld abzustoßen imstande sein werde, wobei übrigens noch der Umstand nicht zu übersehen sei, daß die Marine mit Rücksicht auf ihr von dem Reichsrate eingeschränktes Budget durch ein ganzes Jahr gar keine Bestellung machen könne. Referent legte sodann, auf das Begehren des Gläubigerausschusses eingehend, alle Nachteile, welche aus diesen Vorschlägen für das Ärar erwachsen würden, erschöpfend dar und kam endlich zu dem Schlußantrage, daß auf die vorliegende Offerte nicht einzugehen, || S. 9 PDF || sondern es dem Marineminister zu überlassen wäre, mit dem Finanzminister das Nötige zu vereinbaren, um die Ärarialforderung möglichst zu retten und nur in solche Paktierungen einzugehen, die für das Ärar am wenigsten riskant sind8.

Der Finanzminister erklärte sich einverstanden, beifügend, daß die Zugestehung eines Moratoriums wohl nicht zu umgehen sein werde, daß man aber übrigens werde trachten müssen, die ärarischen Rücksichten möglichst zu wahren. Der Minister Ritter v. Lasser , im Wesen mit dem Antrage des Referenten einverstanden, glaubte nur erinnern zu sollen, daß das Werk in Storé eigentlich von Seite der Regierung induziert worden sei, sich in das gegenwärtige kostspielige und großartige Etablissement umzuwandeln, und daß sohin die Regierung zur Erhaltung dieses Unternehmens das möglichste zu tun umso mehr Grund habe, als auch, wenn das Werk außer Betrieb kommt, das Ärar gewiß die Hälfte seiner Forderung einbüßen werde, und als es andererseits nur vorteilhaft sein könne, eine Konkurrenz in der Plattenfabrikation zu erhalten. Der Minister Ritter v. Hein würde sehr wünschen, wenn dieses auch in volkswirtschaftlicher Beziehung schätzenswerte Geschäftsunternehmen nicht fallen gelassen werde, indem er zugleich auch bemerklich machte, daß das Graf Henckel-Donnersmarcksche Werk9 sicherlich die heutigen guten Bedingungen nicht mehr machen werde, sobald das Putzer-Etablissement untergegangen sein wird.

Den übrigen Stimmführern ergab sich keine Bemerkung, und Se. k. k. Hoheit konkludierten, daß die Eingabe zurückzuweisen, jedoch von Seite der Regierung das möglichste zu tun sei, um die Fortsetzung des gedachten Unternehmens zu ermöglichen10.

III. Ernennung des Staatsrates Ludwig Ritter v. Holzgethan zum Ministerstellvertreter im Finanzministerium; Berufung des August Ritter v. Schwind in den Staatsrat; Besetzung der erledigten Sektionschefstellen im Finanzministerium

c Der Finanzminister referierte, daß, nachdem der Unterstaatssekretär des Finanzminis­teriums v. Kalchberg in den Ruhestand getreten ist11 und nachdem sich immer mehr und mehr das Bedürfnis herausstellt, daß die Leitung der sogenannten administrativen Geschäfte des Ministeriums einem Manne neben dem Minister übertragen werde, er in der Lage sei, bei Sr. Majestät einen au. Antrag dahin zu erstatten, für das Finanzministerium einen Ministerstellvertreter dfür den Verwaltungsdienstd Ag. ernennen zu wollen. Wegen der für diesen Posten zu wählenden Persön­lichkeit habe er Umschau gehalten und gefunden, daß unter den gegenwärtigen Sektionschefs keiner vorhanden sei, der in dieser Partie sich vollkommen zurechtfinden würde, so wie auch von den Finanzlandesdirektoren, mit Ausnahme des Ritter v. Savenau12, dem aber || S. 10 PDF || wieder die sogenannte höhere Bildung abgehe, keiner vollkommen tauglich erscheine. Seine Idee sei also, Sr. Majestät den gegenwärtigen Staatsrat Ritter v. Holzgethan au. in Vorschlag zu bringen. Derselbe sei ein äußerst routinierter Geschäftsmann und gewiegter Staatsmann, bei dem sich alle Vorbedingungen für den gedachten Posten vereinen. Das Verhältnis der Schwägerschaft, in welchem der Finanzminister zu ihm steht13, dürfte wohl nicht hinderlich sein, zumal hieraus gewiß kein Nachteil des Ah. Dienstes zu besorgen ist. Bei diesem Anlasse würde sich jedoch Edler v. Plener zugleich auch den weitern au. Antrag auf Ag. Verleihung des Kommandeurkreuzes des kaiserlichen Leopoldordens an Holzgethan erlauben, und zwar aus der Rücksicht, weil er durch diese Ernennung aus einer höheren Stelle scheidet und weil man sonst glauben könnte, daß seine Versetzung aus dem Staatsrate aus anderen Ursachen erfolgt sei.

Der Staatsratspräsident bezeichnete diese Wahl als eine sehr gute, indem er die vorzügliche Eignung des Staatsrates v. Holzgethan für diesen Posten hervorhob. Er glaubte aber über die ausdrückliche Bitte des Holzgethan, welcher von dem Vorhaben des Finanzministers Kenntnis erhalten, erwähnen zu müssen, daß derselbe die ihm zugedachte Stelle durchaus nicht wünsche und diesem Rufe nur deshalb zu folgen bereit sei, wenn es der Ah. Dienst fordert. In diesem Umstande wäre daher auch ein weiterer Anhaltspunkt zu dem au. Antrag auf eine Ah. Auszeichnung für ihn vorhanden, und Freiherr v. Lichtenfels sei mit Vergnügen bereit, in Übereinstimmung mit dem Finanzminister den diesbezüglichen au. Antrag zu erstatten. Zugleich würde er sich aber im Falle der Ah. Ernennung des Holzgethan zum Ministerstellvertreter einen Ersatz im Staatsrate au. erbitten und gedenke daher in dieser Beziehung den Ministerialrat des Finanzministeriums Ritter v. Schwind, dessen Dienstverwendung eine sehr ausgezeichnete sein soll, bei Sr. Majestät au. in Vorschlag zu bringen. Der Finanzminister , welcher dem Ritter v. Schwind bezüglich dessen Geschicklichkeit und Verwendung das günstigste Zeugnis erteilte, hatte gegen die Berufung des Schwind in den Staatsrat nichts zu bemerken. Edler v. Plener machte zugleich die Mitteilung, daß er gleichzeitig für die zwei erledigten Sektionschefsstellen im Finanzministerium die Ministerialräte Ritter v. Radda und Freiherr v. Brentano Sr. Majestät vorzuschlagen gedenke.

Die Konferenz fand in keiner Beziehung etwas zu bemerken, nur glaubte der Staatsminister , dem Finanzminister bei etwaiger Besetzung von Ministerialratsstellen im Finanzministerium den disponiblen Hofrat v. Lackenbacher zur Berücksichtigung empfehlen zu sollen14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 12. Juni 1864. Empfangen 14. Juni 1864. Schmerling.