Nr. 463 Ministerrat, Wien, 14. April 1864 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Hueber; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 14. 4.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein, Franck, Reichenstein, Kalchberg; abw.abwesend Nádasdy, Forgách; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 5. 5.
MRZ. 1267 – KZ. 1323 –
Protokoll des zu Wien am 14. April 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Siebenbürger Eisenbahn
Der Leiter des Handelsministeriums Sektionschef Freiherr v. Kalchberg referierte über seine mit dem au. Vortrage vom 6. April l. J., Z. 477, gestellten Anträge wegen Sicherstellung der Eisenbahnlinie Arad–Hermannstadt–Rotenturmpaß mit einer Zweigbahn von Alvinc nach Karlsburg, und wegen sofortiger Inangriffnahme des Baues in der Strecke Arad–Alvinc–Karlsburg1. Referent stellte in einem längeren Exposé die Phasen dar, welche die siebenbürgische Eisenbahnfrage insbesondere in letztverwichener Zeit durchgemacht hatte, und rekapitulierte in kürze den Inhalt der hierüber bei dem Abgeordnetenhause des Reichsrates am 12. Dezember v. J. eingebrachten Regierungsvorlage2 unter Erwähnung, daß aufgrund eines Ministerratsbeschlusses im Ausschusse namens der Regierung die Erklärung abgegeben worden sei, || S. 323 PDF || daß die Linie von Arad über Alvinc nach Hermannstadt die Priorität verdiene und zuerst zur Ausführung zu bringen sei3. Da die Session des Reichsrates jedoch geschlossen worden sei4, bevor noch diese Regierungsvorlage im Abgeordnetenhause zur Beratung gelangt war, und da Se. Majestät in der Thronrede vom 15. Februar l. J.5 hierüber dem Ah. Bedauern Ausdruck gegeben und zugleich den Ah. Willen auszusprechen geruht haben, daß diese Bahnlinie, welche Se. Majestät als höchst vorteilhaft für Siebenbürgen und zugleich wichtig für das Reich erkennen, bald zur Ausführung gelange, habe Referent sich aufgefordert gehalten, in Erwägung zu ziehen, ob nicht sofort etwas geschehen könne, ohne vielleicht gerade vom § 13 der Verfassung Gebrauch zu machen, sondern vielmehr als Konsequenz der obwaltenden Umstände, wofür namentlich zwei Momente sprechen: 1. die Ah. Zusage, welche dem siebenbürgischen Landtage in bezug auf die Erlangung einer Eisenbahn gemacht worden sei6, und 2. der Notstand aber in jener Gegend Ungarns7, wo der Bau der Linie Arad–Hermannstadt beginnen würde. An der vom Ministerrate angenommenen Trasse festhaltend, habe er sich die zweifache Aufgabe stellen müssen: 1. die Konzessionsverleihung vorzubereiten, und 2. Anstalten zu treffen, daß der Bau sogleich in Angriff genommen werden könne. Nachdem die Fortsetzung der Theißeisenbahn im Interesse der Theißeisenbahngesellschaft und beziehungsweise in jenem der österreichischen Kreditanstalt, welche fast alle Theißbahnaktien besitze, gelegen sei, aund in Anbetracht, daß vor allem die Theißeisenbahngesellschaft – und wahrscheinlich eben nur diese – in der Lage sein dürfte, den Bau sogleich zu beginnena, habe es ihm am rätlichsten geschienen, wenn die diesfällige Konzession der Kreditanstalt mit Vorbehalt der Genehmigung des Reichsrates in betreff der Zinsengarantie erteilt würde, und er habe demgemäß mit den Vertretern dieser beiden Gesellschaften wegen Übernahme der Bauführung und wegen vorschußweiser Bestreitung der Auslagen im ersten Baujahr im vertraulichen Wege Verhandlungen gepflogen. Die Kreditanstalt habe sich auch bereit erklärt, die zum sofortigen Beginn des Baues der Eisenbahn von Arad–Alvinc–Maros Porto–Karlsburgb erforderlichen Gelder bis zum Belaufe von 5,000.000 fl. der Staatsverwaltung cbeziehungsweise der bauführenden Theißbahngesellschaftc zur Verfügung zu stellen und die Verwaltung der Theißeisenbahn zu veranlassen, die Führung des Baues durch ihr Personale gegen || S. 324 PDF || Ersatz der Administrationskosten zu übernehmen8. Unter Darstellung der Vorteilhaftigkeit der von der Kreditanstalt ihrem Offerte zugrunde gelegten, in sechs Punkte gefaßten Bedingungen für das Ärar und mit dem Bemerken, daß der Kreditanstalt nicht absolut die Konzession erteilt werden müsse, derselben vielmehr durch das vorläufige Übereinkommen unter gleichen Verhältnissen nur das Vorrecht eingeräumt werden soll, bemerkte Referent, daß in der stattgefundenen Komiteeberatung die Vertreter sämtlicher Zentralstellen mit Ausnahme jenes der ungarischen Hofkanzlei, welcher sich wiederholt für die Linie Großwardein–Klausenburg–Kronstadt ausgesprochen habe9, die Genehmigung des mit der Kreditanstalt getroffenen Übereinkommens befürworteten10. dDerselbe bemerkt jedoch hiezu, daß auch von dieser Behörde in jüngster Zeit eine Note an ihn gelangt sei, in welcher mit Hinblick auf den bestehenden Notstand die sogleiche Inangriffnahme dieses Baues mit Befriedigung begrüßt werded .11 Nachdem der vortragende Sektionschef noch den Vorgang, den er in dieser Angelegenheit zu beobachten beabsichtige, näher dargestellt und jene Motive hervorgehoben hatte, welche denselben sowohl verfassungsmäßig als auch zweckmäßig und rätlich erscheinen lassen dürften, setzte derselbe die Konferenz von seinem Vorhaben in Kenntnis, Se. Majestät um die Ag. Ermächtigung zu bitten, den Bau der Eisenbahnstrecke Arad–Alvinc–Maros Porto als Notstandsbahn sofort in Angriff nehmen zu lassen und zu diesem Zwecke wegen vorschußweiser Bestreitung der Auslagen durch die Kreditanstalt und wegen Führung des Baues durch die Theißbahngesellschaft unter der Kontrolle der Staatsverwaltung im Einverständnisse mit dem Finanzminister das erforderliche Übereinkommen aufgrund der vorliegenden Offerte abzuschließen.
Der Finanzminister glaubte, alle jene Fragen übergehen zu sollen, welche die Trassierung betreffen, und nur vom fachlichen Standpunkte einige Bemerkungen machen zu müssen. Der Inhalt des Vortrages des Leiters des Handelsministeriums gehe dahin, daß in der Richtung Arad–Alvinc–Maros Porto und zwar durch die Kreditanstalt gebaut werden solle, welcher das Ärar den Bauvorschuß von fünf Millionen Gulden samt fünf prozentiger Zinsen bis Ende Dezember 1864 zurückzuzahlen hätte. Der Staat müßte das Obligo übernehmen, die Garantie für diese fünf Millionen zu sichern oder sie in dem bezeichneten Termin bar auszuzahlen, was nur durch neues Schuldenmachen möglich wäre. Da müsse er von seinem Standpunkte vor allem die Frage stellen, ob eine so bedeutende, außer dem Finanzgesetze liegende Ausgabe gründlich gerechtfertigt werden könne. Wenn das Notstandsverhältnis den Titel zur sofortigen Bauführung abgeben soll, so müßte der Notstand wirklich so prägnant dargestellt sein, wie dies durch die gepflogenen Erhebungen zur Zeit der Fall war, als der ungarische Hofkanzler || S. 325 PDF || einen Kredit von 30 Millionen in Anspruch nahm12. Dann wäre es aber in erster Linie Aufgabe des ungarischen Hofkanzlers, die Sache in die Hand zu nehmen. Der Leiter des Handelsministeriums könnte sich hiezu nicht so dringend berufen ansehen. Aus dem von letzteren gegebenen Zitate der Anfangsworte einer Note der ungarischen Hofkanzlei könne aber kein genügendes Argument für die absolute Notwendigkeit dieser Arbeitsgelegenheit wegen Notstandsrücksichten abgeleitet werden, da eine force majeure hiefür für den dermaligen Augenblick nicht nachgewiesen werden könne. An und für sich als Eisenbahnbaulichkeit sei die Angelegenheit aber nicht so dringend, und wenn sie für so dringend erkannt worden sein würde, hätte die Regierung den Reichsrat nicht auflösen sollen, bevor er in der Lage war, seine Beschlüsse hierüber zu fassen. Wenn aber der Charakter eines Notstandsbaues nicht gerechtfertigt werden könnte und dessen Vorschützen nur als ein listiger Mantel angesehen werden würde, der dieser Maßregel umgehängt werden wollte, müsse er darauf aufmerksam machen, daß eine solche Politik kurz nach Schluß der Reichsratssession und gegenüber den im Ausschusse des Abgeordnetenhauses über diesen Gegenstand stattgefundenen Diskussionen, und da man doch nicht verbürgen könne, ob der nächste Reichsrat das Obligo für die fünf Millionen zu übernehmen bereit sein werde, äußerst gefährlich wäre und daß ein solcher Vorgang, der ganz gegen das Finanzgesetz verstoßen würde, durch den § 13 des Grundgesetzes nicht gerechtfertigt werden könnte. Zudem sei der ganze Antrag noch sehr unklar, auch seien die Ansprüche der Kreditanstalt so hoch gestellt, daß man sich auf dieselben nicht unbedingt einlassen könnte. Aber auch vom rein finanziellen Standpunkte bestünden dagegen große Bedenken, da für die Bestreitung einer so bedeutenden Mehrauslage von fünf Millionen nicht vorgesehen sei und dafür bei den anderweitigen beträchtlichen Ansprüchen an die Finanzen für die Schleswig-Holsteinsche Okkupation13, für die Militäraufstellungen in Galizien14 und im Venezianischen15 und bei dem fühlbaren Zurückbleiben des Steuererträgnisses in Ungarn ohne eine neue Finanzoperation gar nicht vorgesehen werden könnte, zumalen die Kassareste, die zusammen höchstens 1,5 Millionen betragen, zur Deckung nicht herbeigezogen werden könnten. Der Staatsminister erklärte, die Sache von einem anderen Gesichtspunkte ansehen zu müssen. Daß Siebenbürgen einer Eisenbahn dringend bedürfe, darüber sei die Regierung längst im klaren und dieselbe erkenne es sogar als eine Pflicht des Reiches, dem Lande Siebenbürgen die Wohlfahrt einer Eisenbahn sobald als möglich zuzuführen. Nach vielen Verhandlungen sei die erwähnte Regierungsvorlage zustande gekommen, die dem Abgeordnetenhause mehrere Monate vor Schluß der Session zur Behandlung übergeben worden sei. In welcher Weise die Konzession zu vergeben sei, darüber sei der Standpunkt der Regierung durch die Verhandlung über die Czernowitzer Bahn16 gekennzeichnet, und es sei zweifellos, daß die Feststellung der Trasse der Exekutive zustehe. Faktisch sei die Siebenbürger Eisenbahnfrage im Ausschusse des Abgeordnetenhauses aus den unlautersten Motiven verschleppt worden, daß sie || S. 326 PDF || nicht zum Abschlusse kommen konnte, und es sei dabei Rache gegen die Siebenbürger ausgeübt worden, die auf Seite des Ministeriums gestanden waren. Da dränge sich nun die Frage auf, ob die Regierung nicht die Verpflichtung habe, einem als gerecht erkannten Bedürfnisse in der Tat gerecht zu werden. Votant könne da kein Bedenken tragen, diesfalls auf die Anwendung des § 13 des Grundgesetzes einzuraten, weil die Einwendung, daß die Sache nicht so dringend gewesen sei, als daß sie eine Vertagung nicht hätte vertragen können, nicht zu scheuen sei. Hundert Gründe sprechen für die sofortige Inangriffnahme des Baues, sowohl vom militärischen, kommerziellen, als auch vom nationalökonomischen Standpunkte, sowie es auch eine Tatsache sei, daß die Notstandskalamität in Ungarn nicht so groß gewesen wäre, wenn im vorigen Jahre eine Eisenbahn in Siebenbürgen schon bestanden hätte, weil dann die Möglichkeit geboten gewesen wäre, Getreidevorräte aus Siebenbürgen rasch und billig nach Ungarn zu schaffen. Wenn aber solche Gründe bestehen, welche es für die Regierung als Pflicht hinstellen, einem anerkannten Bedürfnisse sobald als möglich abzuhelfen, so müsse sie sich auch, da der Reichsrat die Angelegenheit durch eigenes Verschulden augenfällig verzettelt habe und da eine unbedingte Ablehnung ohne systematische Opposition gar nicht möglich gewesen wäre, für berufen ansehen, das Versäumnis im eigenen Wirkungskreise gutzumachen. Durch den Bau könnten den Notstandsdistrikten zugleich beträchtliche Subsistenzmittel zugeführt werden, und dies sei ein weiteres nicht zu unterschätzendes, jedoch nach des Votanten Dafürhalten nicht in den Vordergrund zu stellendes Motiv. Man dürfe auch nicht außer acht lassen, daß das Land Siebenbürgen so dringend die Erlangung einer Eisenbahn verlangt habe und daß sich dasselbe durch seinen Landtag der Regierung entgegenkommend benommen habe. Wenn man aber dem Lande nur die Last neuer Steuern zuführen und einem so sehnlich gewünschten als gerecht anerkannten Bedürfnisse nicht abhelfen wollte, so müßte dies jedenfalls vom Regierungsstandpunkte als unklug bezeichnet werden. Die leidige Frage der Kompetenz würde auf dem nächsten siebenbürgischen Landtage dann gewiß Anlaß zu den stürmischesten Debatten geben, und die Regierung habe doch im vollsten Maße Ursache, darüber zu wachen, daß die Hereinbringung eines neuen Zündstoffes vermieden werde. In wichtigen Momenten, und als ein solcher müsse der dermalige angesehen werden, weil, wenn jetzt nicht gebaut werde, abermals ein Jahr verloren sein werde, müsse die Regierung auch den Mut haben, die Verantwortung einer solchen Maßregel zu übernehmen, für welche Gründe höherer politischer Bedeutung wohl ebenso laut sprechen, als sie durch die Dringlichkeit von Maßnahmen in anderen Fällen, z. B. infolge einer Überschwemmung, Heeresaufstellung und dergleichen gemäß § 13 geltend gemacht werden könnten. Der Staatsratspräsident erwähnte, sich schon früher dafür ausgesprochen zu haben, daß die Richtung Arad–Alvinc–Hermannstadt die einzige sei, die mit Vorteil angestrebt werden könne, daß er daher schon bei der früheren Regierungsvorlage17 bedauert habe, daß auch die Großwardeiner Linie, mit welcher es der Regierung nie Ernst gewesen sei, damit in Verbindung gebracht worden sei. Seine Besorgnis, daß die Verhandlung dadurch verwickelt sein werde, sei durch die Wirklichkeit bestätigt worden. Votant habe auch wiederholt ausgesprochen, daß damit, daß || S. 327 PDF || diese Angelegenheit nicht zum Abschlusse gebracht worden sei, Siebenbürgen gegenüber ein politischer Fehler begangen worden sei. Nach seinem Dafürhalten könne es daher nur als erwünscht angesehen werden, wenn die Sache ehetunlichst vermittelt würde. Daß man dabei ohne den § 13 nicht auskommen könne und die Gründe und Erfolge der Maßregel darzustellen haben werde, sei klar. Formell könne die [sic!] Richtigkeit der Anschauung des Finanzministers nicht widersprochen werden. Dessenungeachtet sei nach des Votanten Meinung für die Regierung voller Grund vorhanden, hier vom § 13 Gebrauch zu machen, da dem Reichsrate Gelegenheit geboten war, in der Sache Beschluß zu fassen, und mit der in Rede stehenden Maßregel ein Unrecht gewiß nicht begangen werde. Es bleibe wohl immerhin fraglich, ob der Reichsrat die fünf Millionen, wofür nach dem vorliegenden Übereinkommen die Regierung als Schuldner erscheinen würde, passieren und auch in bezug auf die Zinsengarantie sich gefügig zeigen werde. Der Staatsminister gehe jedoch von der Ansicht aus, daß sich die Maßnahme aus höchst wichtigen politischen Motiven vertreten lassen werde, und da er dessen Ansicht teile, stimme er dem Antrage desselben bei. Ein anderes Bedenken bestünde jedoch nach des Votanten Meinung darin, daß nach dem Übereinkommen die Kreditanstalt und die Theißbahngesellschaft solche Verträge schließen würden, wozu sie nach ihren Statuten nicht berechtigt wären. Der letzteren Bemerkung gegenüber fand der Finanzminister aufzuklären, daß die Kreditanstalt ihre Teilnahme hiebei als ein Vorschußgeschäft von fünf Millionen betrachte, wozu sie nach ihren Statuten allerdings berechtigt erscheine. Der Minister Ritter v. Lasser bemerkte, daß die Regierung über die Trassenfrage seit lange im klaren sei. Es widerstrebe ihm jedoch, heute am 14. April von einer Notstandsarbeit sprechen zu hören. Mit dem Gewande einer Notstandsbahn würde auch die Kompetenz des Handelsministeriums gewiß verrückt werden. Er möchte von diesem Charakter ganz abstrahieren, der nicht den Titel für den Bau involvieren soll, ewenn es auch ein administrierendes Motiv des Baues sein würde, daß dadurch Geld und Erwerb in die hart betroffene Gegend kämene . Votant teile die Ansicht, daß sobald als möglich gebaut werden soll, vollkommen, jedoch nur aus politischen Gründen, und insbesondere wegen des in der Thronrede vom 15. Februar l. J.18 darüber enthaltenen Ah. Ausspruches, der nach dem im Ministerrate formulierten Entwurfe nicht so bestimmt hingestellt war, von Sr. Majestät aber Höchsteigenhändig in prägnanterer Weise korrigiert worden sei. Da die Ah. Willensmeinung Sr. Majestät, daß das Land Siebenbürgen alsbald einer Eisenbahn teilhaftig werde, so entschieden hingestellt erscheine, halte er sich für verpflichtet, seine Hand dazu zu bieten, selbst auf die Gefahr hin, eine Vertretung im Reichsrate übernehmen zu müssen. Daß die Theißbahngesellschaft statutarisch nicht berufen sei, als Bauunternehmer aufzutreten, sei klar. Die wenigen Ingenieurbrigaden, die dazu benötigt werden, werde man übrigens schon aufzustellen wissen, erforderlichenfalls könnte man sie von der Theißbahn ausleihen. Übrigens sehe sich Votant genötigt, offen zu erklären, daß er das größte Bedenken gegen das Arrangement mit der Kreditanstalt hege, die hieraus so bedeutende Vorteile ziehen würde, welche die Möglichkeit eines raschen Baues durch || S. 328 PDF || das Marostal weit überwiegen würde. Schon durch die Perspektive einer Amalgamierung der Theißeisenbahngesellschaft mit der für das Unternehmen zu bildenden neuen Aktiengesellschaft, figürlich gesprochen, durch die Anrichtung eines solchen neuenf Aktientopfes, gin welchem die auf dem Geldmarkt ganz verrufene Ware der Theißaktien ganz verschwinden und von der Kreditanstalt mit geringeren Opfern eingelegt werden würdeg, werden ihr so eminente Vorteile in Aussicht gestellt, die es als erklärlich erscheinen lassen, daß die Kreditaktien in letzter Zeit gestiegen sind. Für hdas beantragteh Arrangement, welches der Kreditanstalt nicht nur die Priorität für die Konzession einräumen, sondern dieselbe auch noch von der großen Last des Ausbaues der Marmarosbahn befreie, erscheine ein fünfprozentiges Anlehen von fünf Millionen bis Ende Dezember 1864 zu wenig vorteilhaft. Votant erklärte, daß er nur einem solchen Übereinkommen beistimmen würde, wonach die Kreditanstalt fünf Millionen zur Verfügung zu stellen hätte, welcher sohin die Beteiligung an der Errichtung einer Aktiengesellschaft in Aussicht gestellt und die Zusicherung gegeben werden könnte, daß die Regierung bei der Konzessionserteilung Sorge tragen werde, daß der Konzessionär den Vorschuß von fünf Millionen der Kreditanstalt zurückzuzahlen habe. In der Hauptsache stimmte Votant, wenn diese Angelegenheit beglichen sein werde, nicht sosehr aus national-ökonomischen als vielmehr aus politischen Gründen für den sofortigen iBeginn des Bauesi der beantragten Linie unter Anwendung des § 13. jDie Eisenbahnlinie Arad–Hermannstadt etc. sei von der Regierung als zunächst zur Ausführung geeignet erkannt, und es kann mit Bestimmtheit angenommen werden, daß der nächste Reichsrat für diese Linie eine angemessene Garantie votieren würde. Auf diese Voraussetzung sei, und unter der Bedingung, daß die Verhandlungen wegen Konzessionierung einer ernstgemeinten und verläßlichen Gesellschaft zum Bau und Betrieb jener Eisenbahn mit Wahrscheinlichkeit einen baldigen Abschluß voraussehen lassen, so daß, wenn der Reichsrat kommt, an denselben wegen Gewährung der Garantie mit der bestimmten Perspektive des Inslebentretens einer solchen Unternehmung gegangen werden kann, kann es die Regierung auf sich nehmen, den Bau selbst, falls sie das Geld hiezu unter akzeptablen Bedingungen beschaffen kann, anticipando beginnen zu lassen, weil die Dringlichkeit dafür in der Wichtigkeit, nicht ein weiteres Baujahr zu verlieren, den heißesten Wünschen Siebenbürgens entgegenzukommen, die Unternehmungslust des Kapitals unter günstigen Konjunkturen dahin zu lenken und auch in jene notbedrängte Gegend Erwerb zu bringen, ausreichende Begründung findet. Nach diesen Gesichtspunkten wäre daher mit der Kreditanstalt wegen besserer Bedingungen für das Geldliche zum vorläufigen Bau und mit ihr und anderen Projektanten wegen definitiver Konzessionierung eifrig und rasch zu verhandeln.j Der Polizeiminister war gleichfalls der Ansicht, daß das Notstandsverhältnis nicht den Titel für die sofortige Inangriffnahme der Bauführung abgeben könne, und erklärte es vorzuziehen, wenn von dem komplizierten Arrangement mit der Kreditanstalt abgesehen und die Geneigtheit || S. 329 PDF || ausgesprochen würde, mit einem Konzessionär, der die Garantie für den Vorschuß von fünf Millionen zu übernehmen hätte, die Angelegenheit unter Anwendung des § 13 vorbehaltlich der reichsrätlichen Zustimmung über die Zinsengarantie abzumachen. Der Minister Graf Esterházy betonte vor allem, daß er gewünscht hätte, daß es der ungarischen Hofkanzlei möglich gewesen wäre, ihre Stimme hierüber im Schoße der Konferenz abgeben zu können. Nach des Votanten Ansicht trete die Trassenfrage in den Hintergrund, da man sich doch nur für jene Trasse entscheiden könne, für welche Geldkräfte vorhanden seien. Was den vorliegenden Antrag betrifft, würde Votant, wenn die Einberufung des Reichsrates noch in weiter Ferne stünde, für die Anwendung des § 13 stimmen. Da dies jedoch nicht der Fall sei und die Vorbereitungen und Unterhandlungen einen so langen Zeitraum bedingen dürften, daß bis dorthin der Reichsrat wieder tagen dürfte, und da das Votum des Reichsrates nach den im Ausschusse des Abgeordnetenhauses vorgekommenen Debatten jedenfalls sehr zweifelhaft sei, glaube er sich dem Antrage des Finanzministers anschließen zu sollen. Der gleichen Ansicht war auch der Marineminister , welcher es als ganz unmöglich hinstellte, daß sich die Kreditanstalt herbeilassen werde, einen Vorschuß von fünf Millionen in der von dem Minister Ritter v. Lasser und dem Polizeiminister angedeuteten Weise in der Schwebe zu erhalten. Der Minister Ritter v. Hein stimmte der Ansicht des Ministers Ritter v. Lasser aus den dafür geltend gemachten Gründen mit dem Bemerken bei, daß nur ein solches Übereinkommen zu genehmigen wäre, nach welchem die Regierung nicht selbst als Bauunternehmer und Zahler für den Bauvorschuß erscheinen würde. kEr halte dafür, daß, wenn für den Fall des Zustandekommens der Arad–Rotenturm Bahn, die ja eben durch den heute projektierten Teilbau ihrer Durchführung näher gerückt wird, der Theißbahn die ersehnte Erleichterung bezüglich der Marmarosbahn in Aussicht gestellt, ferner unter gleichen Bedingungen der Kreditanstalt bei dem Arad–Rotenturm Bauunternehmen der Vorzug zugesichert, endlich auch für den Fall, als sie nicht die Konzession für sich erhielte, jedem anderen Konzessionär die Rückzahlung vorgeschrieben werden wird, für die Kreditanstalt Motive genug vorhanden wären, diese fünf Millionen zu dem heute in Frage stehenden Baue vorschußweise zu verwenden. Jedenfalls sei der Versuch zu machen, auf diese Weise mit der Kreditanstalt und Theißbahn ein Abkommen zu treffen.k Der Kriegsminister erklärte, daß er, obwohl die Linie Großwardein–Klausenburg in strategischer Beziehung den Vorzug verdiene, unter den obwaltenden Umständen sich, insoweit es die Notwendigkeit der sofortigen Inangriffnahme der vorgeschlagenen Linie betreffe, dem Votum des Staatsministers und den Ausführungsmodus anbelangend dem Votum des Ministers Ritter v. Lasser anschließe. Der siebenbürgische Vizehofkanzler glaubte nur darauf aufmerksam machen zu sollen, daß, wenn man erst einen definitiven Konzessionär aufsuchen müßte, das heurige Baujahr abermals fruchtlos abgelaufen sein werde und dann überhaupt die Notwendigkeit entfallen würde, vom § 13 Gebrauch zu machen. Was die Ausführungsmodalitäten selbst betrifft, glaubte Votant sich einer Meinungsäußerung enthalten zu dürfen. Der Leiter des Handelsministeriums bemerkte schließlich noch, daß, wenn man jetzt mit anderen || S. 330 PDF || verhandeln sollte, der Bau für die nächste Zukunft nicht mehr möglich sein würde, daß es aber, wenn man vielleicht erst im Monate August dazu kommen könnte, überflüssig wäre, vom § 13 Gebrauch zu machen. Der Notstand sei bekanntlich in den Monaten Mai und Juni am größten, und da erscheine es doch gewiß wünschenswert, tausenden von Menschen schon jetzt Subsistenzmittel zuführen zu können. Was die Einwendung betreffe, daß die Theißbahngesellschaft zur Bauführung nicht als berufen angesehen werden könne, so sei zu bemerken, daß diese Gesellschaft eigentlich verpflichtet sei, nach der Marmaros zu bauen, man kehre daher die Sache um und lasse sie von Arad nach Alvinc usw. bauen. Die Kreditanstalt aber erscheine dabei nur als Geldgeber. Es sei dabei auch die Finanzverwaltung sehr interessiert, die dadurch von ihren sehr lästigen Salztransportverträgen loskommen werde.
Es ergab sich sohin durch Stimmenmehrheit der Beschluß, daß unter Anwendung des § 13 des Grundgesetzes über die Reichsvertretung der Bau der Eisenbahnstrecke Arad–Alvinc–Maros Porto sofort in Angriff nehmen zu lassen sei und daß bei der seinerzeitigen Darstellung der Gründe und Erfolge dieser Maßregel vor dem Reichsrate nicht das Notstandsverhältnis als maßgebender Bestimmungsgrund hiefür anzugeben, die Maßnahme vielmehr aus politischen Motiven zu vertreten sein werde; weiters, daß man trachten solle, einen definitiven Konzessionär für diese Bahn zu finden, daß aber, um den Bau sofort beginnen zu können, das interimistische Übereinkommen mit der Kreditanstalt nicht fallengelassen, vielmehr angestrebt werden solle, bei neuerlicher Unterhandlung günstigere Bedingungen, insbesondere jene zu erzielen, daß der von der Kreditanstalt zu gewährende Vorschuß von fünf Millionen nicht von dem Ärar, sondern von dem künftigen Konzessionär, der bei Erteilung der Konzession hiezu verpflichtet werden würde, der Kreditanstalt zu refundieren sei und daß letztere in dieser Beziehung den bis Ende Dezember 1864 zur Vorschußtilgung gesetzten Termin angemessen verlängere; daß endlich der Leiter des Handelsministeriums über das Ergebnis der neuerlichen Unterhandlungen in der Ministerkonferenz Vortrag zu erstatten hätte19, l .
II. Anlehensrest pro 1864
Der Finanzminister bemerkte, er sei durch die Finanzgesetze ermächtigt worden, zur Deckung verschiedener Posten 69 und 40 Millionen, zusammen 109 Millionen Gulden, zu beschaffen20. Durch das letzte Anlehen seien 39 Millionen schon beigestellt21. Es handle sich also darum, 70 Millionen noch aufzubringen, und zwar im Auslande und in Silber, da solches zur Deckung des Vorschusses der Anglo-Austrian Bank von drei Millionen Pfund Sterling22 und für die Zahlungen in Schleswig23 erforderlich || S. 331 PDF || sei, und ein Silberanlehen von 70 Millionen im Inlade nicht aufgebracht werden könnte. Es frage sich daher, in welchem Betrage das Anlehen aufgenommen werden soll, ob 70 Millionen in Silber oder 70 Millionen in Bankvaluta, welch’letzterer Betrag beiläufig 63 bis 65 Millionen in Silber entsprechen würde. Nach dem Finanzgesetze, welches nur Summen in österreichischer Währung enthalte, würde es sich wohl verstehen, daß 70 Millionen österreichischer Währung aufzunehmen seien. Bei einem Anlehen im Auslande, welches in effektiver Valuta abgeschlossen werden müsse, wäre aber für die Negoziation bei den schwankenden Agioverhältnissen in Österreich kein sicherer Regulator hierfür vorhanden. Da nun auch Posten, die in Silber gezahlt werden müssen, wie die Matrikularumlage für die Bundesexekution in Holstein im Finanzgesetze eingestellt seien, ohne daß für Münzverlust eine besondere Post eingestellt wäre, glaube er bei der hinkünftigen Negoziation des Anlehens in London oder Frankfurt einen Betrag von 70 Millionen Silber als Basis annehmen zu sollen.
Der Ministerrat erklärte sich hiermit einverstanden24.
Wien, am 14. April 1864. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 4. Mai 1864. Empfangen 5. Mai 1864. Erzherzog Rainer.