Nr. 439 Ministerrat, Wien, 7. Jänner 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; V. Keine Angabe; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 8. 1.); BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend Krauß 8. 1., Bach 8. 1., Schmerling 13. 1., Bruck, Thinnfeld 8. 1., Thun, Csorich, Kulmer (I–X) 11. 1.; abw.abwesend Schwarzenberg, Stadion.
MRZ. – KZ. 28 –
- I. Vorschriften über die Schneeschauflung und Postportofreihei
- II. Polizeiorganisierung in Salzburg
- III. Gemeindeordnung für Trient
- IV. Freigeld von Inleuten und Auszüglern in Oberösterreich
- V. Diäten der Bezirkshauptmannschaftsbeamten
- VI. Pensionszulage für Johann Friedl
- VII. Auszeichnung für Tiroler Landesverteidiger
- VIII. Auszeichnung für Anton Dück
- IX. Urkundennachstempelung in Ungarn
- X. Todesurteil
- XI. Perin-Vogelsangsche Gerichtsangelegenheit
- XII. Verfügung mit den Kossuthschen Pretiosen
- XIII. Apotheker und Ärzte der ungarischen Aufständischen, Behandlung
- XIV. Preußisches Ausfuhrverbot
- XV. Auszeichnungsanträge
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 7. Jänner 1851.
I. Vorschriften über die Schneeschauflung und Postportofreihei
Der Minister des Inneren legte den au. Vortrag und das zu erlassende Patent über die Grundentlastung im Großherzogtume Krakau mit dem Bemerken vor, daß diese beiden Aktenstücke im vollkommenen Einverständnisse mit den Ministern der Finanzen und der Justiz mit besonderer Berücksichtigung der eigentümlichen Verhältnisse dieses Landes ausgearbeitet, außerdem aber die allgemeinen, über diesen Gegenstand für Galizien angenommenen Bestimmungen beibehalten worden seien1.
II. Polizeiorganisierung in Salzburg
Erhielt er die Zustimmung des Ministerrates zu der Organisierung der Polizeibehörde in Salzburg.
Da die bisherige Versehung der Polizeiangelegenheiten daselbst durch einen exponierten Polizeikommissär sich als unzulänglich herausgestellt und die Stadt selbst als nunmehrige Kronlandshauptstadt um Einrichtung einer eigenen selbständigen Polizeidirektion gebeten hat, so würde der vom Minister angetragene Status in einem Direktor, einem Kommissär, zwei Konzeptsadjunkten und zwei Dienern zu bestehen haben2.
III. Gemeindeordnung für Trient
Brachte er die aus Versehen durch längere Zeit liegen gebliebene Gemeindeordnung für die Stadt Trient in Vortrag. Im wesentlichen stimmt sie mit jener für Bozen überein3; zu bemerken fand der Minister nur, daß darin nach dem Wunsche der städtischen Vertreter und Vertrauensmänner, der in anderen Gemeindeordnungen festgehaltene Unterschied zwischen Gemeindebürgern und Gemeindeangehörigen aufgegeben worden ist; daß dagegen|| S. 174 PDF || dem Verlangen der Vertreter, die nach dem allgemeinen Gemeindegesetze der Landesvertretung vorbehaltene Wirksamkeit in Gemeindesachen auf die Kreisvertretung zu übertragen, keine Folge gegeben werden konnte, weil hiermit nur den in Südtirol bestehenden Separationsgelüsten nachgegeben und zu bedenklichen Konsequenzen bei anderen Gemeinden Anlaß gegeben werden würde. Der Ministerrat fand hiergegen nichts zu erinnern4.
IV. Freigeld von Inleuten und Auszüglern in Oberösterreich
Der Minister des Inneren besprach weiters die von den obderennsischen Gutsbesitzern angesuchte Zulassung ihrer Ansprüche auf Entschädigung für den aufgehobenen Bezug des Freigeldes von dem beweglichen Nachlasse der Auszügler und Inleute5.
Nach dem Ah. Patente vom 7. September 1848 über die Aufhebung sämtlicher Untertansgiebigkeiten sind zwar alle Bezüge, die e nexu subditelae herrühren, von dem Anspruche auf Entschädigung ausgeschlossen, mithin auch die auf das obrigkeitliche und untertänige Schutzverhältnis gegründeten Freigelderbezüge. Allein, wichtige Billigkeitsrücksichten, insbesondere der Umstand, daß die Freigelder vom Nachlasse der Auszügler und Inleute meist zur Ausgleichung der den Grundherrschaften bei Güterabtretungen der Eltern an ihre Kinder zugegangenen Beeinträchtigung am Laudemium erhoben wurden, und daß die obderennsischen Dominien bei eigenem sehr kleinen Grundbesitze vornehmlich auf das Einkommen aus den sogenannten trockenen Gefällen angewiesen waren, bestimmten sowohl die zur Prüfung der gegenwärtigen Angelegenheit zusammengesetzte Kommission als auch den Minister des Inneren zu dem Antrage, die aus den fraglichen Freigeldern hergeleiteten Bezüge, gleich jenen der Jurisdiktionsgebühren zur Anmeldung nach Abzug der Steuer, die von ihrem Bezuge zu entrichten war, der Auslagen der Grundbuchsführung und des durch die Einnahmen an Tax- und Jurisdiktionsgebühren nicht bedeckten Teils der Ausgaben für politische und Justizverwaltung auf Grundlage des 30-jährigen Durchschnittes zuzulassen.
Der Finanzminister erklärte sich zwar in thesi nicht dagegen, den Patenten in dieser Beziehung eine Berücksichtigung zuteil werden zu lassen, da aber eben eine Verhandlung über die Gewährung einiger Erleichterungen im Zuge ist, welche bei Behandlung der Laudemialabzüge in Niederösterreich, Steiermark und Kärnten einzutreten haben sollen, so erachtete er, daß hiermit auch die Verhandlung über das vorliegende Begehren in Verbindung zu bringen wäre.
Der Minister des Inneren war hiermit einverstanden und behielt sich vor, auf diesen Gegenstand seinerzeit in Verbindung mit dem letzteren zurückzukommen6.
V. Diäten der Bezirkshauptmannschaftsbeamten
Die aZehrungsgebühr bei Dienstreisen im Amtsbezirkea für die bezirkshauptmannschaftlichen Beamten sind mit 2 fr. bper Tagb bemessen. Das mag bei den gewöhnlichen|| S. 175 PDF || Dienstreisen innerhalb des eigenen Amtsbezirks hinreichen; bei Reisen außerhalb des eigenen Amtsbezirks in größerer Entfernung und auf längere Zeit reichen diese Diäten zum anständigen Unterhalte des Beamten nicht hin.
Der Minister des Inneren machte daher den Antrag, diesen Beamten bei Dienstreisen außerhalb ihres Bezirks die charaktermäßigen Diäten zu bewilligen, welche sie ohnehin sonst niemals genießen würden.
Der Finanzminister wollte zwar das angegebene Motiv nicht gelten lassen, weil diese Gattung von Beamten durch ihre häufigen, stets wiederkehrenden Reisen für den geringeren Diätenbezug entschädigt werden. Da es indessen ohnehin in seiner Absicht liegt, in dem Diätenwesen eine allgemeine Reform in Antrag zu bringen, so erklärte er sich mit dem Antrage des Ministers des Inneren als einem Provisorium gegen dem einverstanden, daß nach Ablauf eines Jahres über die Resultate dieser Einrichtung behufs weiterer Maßnahmen berichtet werde.
In diesem Sinne wird der Minister des Inneren unter Zustimmung des Ministerrates die Weisung hinausgeben7.
VI. Pensionszulage für Johann Friedl
Über das Ah. signierte Gesuch des jubilierten Kreisamtsboten Johann Friedl um eine Zulage zu seinem Ruhegenuß von 150 fr. jährlich machte der Minister des Inneren (gegen das Einraten des Finanzministeriums) den Antrag, diesem 75 Jahre alten Diener, welcher 56 im Militare und Civili mit seltner Auszeichnung gedient hat, eine Zulage von 100 fr. jährlich bei Sr. Majestät zu erwirken.
Der Finanzminister erklärte sich zwar im Grundsatze gegen die Verleihung einer höheren Pension als der Aktivitätsgehalt war; indessen wollte er dem von den übrigen Stimmen geteilten Antrage des Ministers des Inneren nicht direkt entgegentreten, vorausgesetzt, daß die Bewilligung durch die Hindeutung auf die ganz besonderen Verhältnisse des Bittstellers gegen mögliche Konsequenzen verklausuliert werde8.
VII. Auszeichnung für Tiroler Landesverteidiger
Der Minister des Inneren brachte folgende Auszeichnungen für mehrere Tiroler aus Anlaß ihrer Mitwirkung bei der Landesverteidigung in Antrag: das goldene Verdienstkreuz für Kappeller, Dr. Wallnöfer, cdas silberne für Gritsch, das silberne pro suis meritis für den Franziskanerpater Polycarpus Schlappc,9 dann
VIII. Auszeichnung für Anton Dück
das goldene Verdienstkreuz mit der Krone für den Vorstand des Wiener Handlungsgremiums Dück, für seine Verdienste um die Errichtung der Gewölbewache10.
IX. Urkundennachstempelung in Ungarn
Eine an denselben Minister gelangte Anfrage in betreff der Auffassung des Art. V des Stempelgesetzes für Ungern11, in betreff der Nachstempelung der älteren Urkunden, wurde von dem Finanzminister als bereits durch dessen eigenen Erlaß an die Finanzlandesbehörde gelöst und abgetan erklärt, in dem die Gattung derjenigen Urkunden genau bezeichnet wurde, welche der Nachstempelung bis zu einer gewissen Frist unterliegen12.
X. Todesurteil
Der Justizminister referierte über das Todesurteil wider Joseph Lukács und Johann Varga wegen Raubmordes mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, wogegen nichts zu erinnern war13.
An der Besprechung der nachstehenden Punkte hat der Minister Baron Kulmer nicht mehr teilgenommen.
XI. Perin-Vogelsangsche Gerichtsangelegenheit
Eben dieser Minister [der Justizminister] teilte mit das Resultat seiner Beratung mit dem Generalprokurator und anderen Justizmännern über Art und Weise, auf welche der von Sr. Majestät in der Sitzung vom 2. l. M. sub Nr. 23 gerügten taktlosen Motivierung des in der Diffamationsklage der Baronin Perin wider die Baronin Vogelsang gefällten Urteils remediert werden könnte14.
Das Resultat der Beratung war, daß es kein Mittel gebe, die Beweggründe eines richterlichen Urteils zu kassieren, wenn das Erkenntnis selbst aufrecht bleibt, und daß es am angemessensten sein dürfte, die Sache, die nun wieder vergessen sei, nicht vom Neuen zur Publizität zu bringen.
Der Minister des Inneren war dagegen des Erachtens, daß dem üblen Eindrucke und den irrigen Konsequenzen, welche die Veröffentlichung jener Motivierung durch die Presse hervorgerufen hat, dadurch abgeholfen werden könnte, wenn in einer der nächsten Gerichtssitzungen durch den Generalprokurator eine Verwahrung gegen die ganz unberufene Auslegung ad protocollum gegeben würde, welche die Freiin v. Perin der gedachten Motivierung gegeben hat, indem, wie der Finanzminister hinzusetzte, eigentlich in der Intention des Gerichts nur das war, zu erkennen, daß die Perin durch die Bezeichnung der Parteieigenschaft, welcher sie anzugehören nicht nur bekannt, sondern sich selbst rühmet, offenbar sich an ihrer Ehre nicht gekränkt finden könnte.
Der hiernach bei dem Gerichte ad protocollum zu nehmende Akt wäre sodann durch die Gerichtszeitung zur Kenntnis des Publikums zu bringen.
Der Justizminister behielt sich vor, hierwegen die entsprechende Weisung an den Generalprokurator zu erlassen, nachdem die übrigen Stimmen sich damit einverstanden erklärt hatten, daß der Versuch zur nachträglichen Milderung des durch die Veröffentlichung des Erkenntnisses gegebenen Ärgernisses auf diesem Wege gemacht werde15.|| S. 177 PDF ||
Der Minister Graf Thun wünschte lebhaft, daß der Versuch gelingen möge, obwohl ihm nicht klar ist, wie der Gerichtshof bei der Unzulässigkeit der Einwendung der Wahrheit der vorgeworfenen Beschuldigung aus dem Dilemma herauskommen kann, welches darin liegt, daß entweder die Baronin Vogelsang gestraft werden muß, wenn ihre Beschuldigungen etwas Unehrenhaftes etc. enthielten, oder daß, wenn sie darum nicht verurteilt wird, darin nur die Bestätigung liegt, wie es nichts Unehrenhaftes sei, der Revolutionspartei anzugehören.
Übrigens machte der Minister des Inneren darauf aufmerksam, daß auf seine Veranlassung bereits in der „Volkszeitung“ ein Artikel aufgenommen worden war, worin die Indiskretion der Baronin Perin einer scharfen Kritik unterzogen wurde16.
XII. Verfügung mit den Kossuthschen Pretiosen
Der Kriegsminister referierte über die Verfügung mit den bei Gefangennehmung der Kossuthschen Kinder aufgegriffenen, zur Deckung ihrer mit 624 fr. anerloffenen [sic!] Verpflegskosten zu veräußernden Pretiosen und Effekten17; unter selben befindet sich ein silberner Lorbeerkranz und eine mit Edelsteinen besetzte goldene Schreibfeder, welche Gegenstände nicht öffentlich zu veräußern, sondern an die k. k. Schatzkammer abzugeben wären, damit sie nicht etwa von Parteigenossen als Reliquien ihres Führers zu Demonstrationen benützt werden mögen.
Auf Einladung des Finanzministers wird der Kriegsminister die betreffenden Akten dem ersteren abtreten, um die Sache auf den ordentlichen Weg zu leiten, und der Minister des Inneren wird die Veranstaltung treffen, daß das Kontumazialverfahren wider Kossuth betrieben, auch wider Pulszky, wider den actu noch keine Untersuchung anhängig ist, eingeleitet werde18.
XIII. Apotheker und Ärzte der ungarischen Aufständischen, Behandlung
Auf die vom Kriegsminister vorgetragene Anfrage des Großwardeiner Militärdistriktskommandos, ob, da überhaupt die zwangsweise Abstellung der ehemaligen Honvéds zum Militär aufgehört hat19, nunmehr auch diejenigen, welche als Apotheker und Ärzte in der Insurgentenarmee gedient haben, nur nach den allgemeinen Rekrutierungsvorschriften zu behandeln seien, wird vom Minister des Inneren einstimmig mit den übrigen bejahend geantwortet20.
XIV. Preußisches Ausfuhrverbot
Über die Anfrage des Statthalters von Böhmen, ob nicht, da von Seite Preußens am 12. Dezember 1850 die Ausfuhr von Schlachtvieh und Getreide verboten worden, unsererseits|| S. 178 PDF || mit einer Repressalie vorzugehen sei, erklärte der Finanzminister – einstimmig mit dem Ministerrate – daß dieses unter den dermal geänderten Verhältnissen nicht angezeigt sei21.
XV. Auszeichnungsanträge
Erhielt der Finanzminister die Zustimmung des Ministerrates zu nachstehenden Auszeichnungsanträgen: a) für den Zollassistenten Woyton für seine 1848 den k. k. Truppen geleisteten wichtigen Dienste und für Salvierung von Ärarialgeldern das goldene Verdienstkreuz22; b) für den Aufseher im königlichen Palast zu Venedig Storaro wegen seiner Treue in Bewahrung der Kostbarkeiten das silberne Verdienstkreuz23; c) für den Finanzwachkommissär Myszkowski das goldene, die dRespizienten Frenzel und Halla das silberne Verdienstkreuz mit und den Oberaufseherd Ehrlich das silberne Verdienstkreuz ohne Krone wegen Dämpfung einer Unruhe bei der Rekrutierung24; d) für den nach 45 Dienstjahren in Ruhestand tretenden Kassier in Temesvár Pasconi v. Löwenthal25 und e) den Rechnungsoffizial Wachsmann in Siebenbürgen wegen seiner 1848er Verdienste das goldene Verdienstkreuz26.
Wien, am 8. Jänner 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 16. Jänner 1851.