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Nr. 298 Ministerrat, Wien, 12. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 13. 3.), Krauß 15. 3., Bach 16. 3., Schmerling 15. 3., Bruck, Thinnfeld 16. 3., Thun, Kulmer 15. 3.; anw. Gyulai; abw. Stadion.

MRZ. 981 – KZ. 897 –

Protokoll der am 12. März 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Abstellung der Honvéds und ungarischen Nationalgarden zur Armee

Der Minister des Inneren Dr. Bach las die Entwürfe zweier Erlässe vor, welche infolge der neuesten Ah. Beschlüsse Sr. Majestät, die Assentierung der Honvéds und die Abstellung der ungarischen Nationalgarden zum Militär betreffend, an den FZM. Baron Haynau zu richten wären, um ihm zur Richtschnur für sein diesfälliges künftiges Benehmen zu dienen. Gegen diese Entwürfe ergab sich keine Erinnerung1.

II. Postgebäude und griechisch-katholische Kirche auf dem Dominikanerplatz

Die bestandene allgemeine Hofkammer hat neben dem Postgebäude das sogenannte Barbarastift angekauft, um ein großes Gebäude daselbst für die Postanstalt zu erbauen2. Im Jahre 1848 wurde in dieser Richtung zu bauen angefangen. Auf dem Bauplatze befindet sich jedoch auch eine kleine griechisch-katholische (die ruthenische) Kirche, rücksichtlich welcher von der Hofkammer die Verhandlungen nicht ausgetragen wurden. Da nun der Bau des erwähnten Gebäudes fortgesetzt werden soll, diese Fortsetzung aber an der besagten Kirche ein Hindernis findet, rücksichtlich welcher noch nicht ausgesprochen ist, ob sie nach dem ursprünglichen Plane abgetragen und an das andere Eck des Gebäudes versetzt und für die Wohnung des Pfarrers und der Sänger das Haus Nr. 662 angekauft werden soll, oder ob die Kirche stehen zu bleiben habe, so erbat sich der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Freiherr v. Bruck || S. 206 PDF || die Entscheidung des Ministerrates hierüber, wobei er zugleich bemerkte, daß die Versetzung der Kirche auf einen anderen Platz und andere deshalb notwendige Bauten und Adaptierungen eine Mehrauslage von zirka 85.000 bis 90.000 f. verursachen würden.

Der Ministerrat erkannte die finanziellen Rücksichten hier vorwaltend, zumal es sich um kein Prachtgebäude, sondern nur um ein zu einem bestimmten Zwecke geeignetes Gebäude handelt. Die Fassade lasse sich den Umständen angemessen abändern. Auch wurde bemerkt, daß diese Kirche die einzige dieser Gattung in Wien ist, und würde sie eingerissen, kaum vor zwei Jahren eine andere dem griechisch-katholischen Ritus wieder verschafft werden könnte.

Der Ministerrat entschied sich daher für die Belassung der Kirche auf ihrem gegenwärtigen Platze und für die diesem Beschlusse angemessene Abänderung des Bauplanes3.

III. Universitätsrestaurationsfest in Wien

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun eröffnete, daß am 5. April d.J. an der hiesigen Universität (im Saale des alten Universitätsgebäudes) das seit 1775 alljährlich gefeierte Restaurationsfest begangen werden soll, wobei zu erscheinen er die Einladung erhalten habe, so wie sie früher immer an den obersten Leiter der Studienangelegenheiten ergangen sei4.

IV. Versammlung der deutschen Katholikenvereine in Linz

Nach einer Mitteilung des Ministers des Inneren wünschen die Katholikenvereine in Deutschland, im Laufe des künftigen Sommers eine Versammlung in Linz abzuhalten, wozu sie um die Bewilligung bitten5. Die Gewährung dieser Bitte unterliegt nach seinem und des Ministerrates Erachten keinem Anstande6.

V. Assentierung der Serben des Kikindaer Distriktes

Derselbe Minister erwähnte eines vom GM. v. Mayerhofer erhaltenen Schreibens, wobei bemerkt wird, daß der serbische Distrikt Kikinda stets Widerstreben gegen die magyarische Sache gehegt habe, daß die Leute dieses Distrikts zur Strafe als Honvéds dienen mußten und daß dieselben nun als solche zum Militär abgeführt werden sollen. Die in einer ähnlichen Lage befindlich gewesenen Slowaken seien entlassen worden. Der Minister Dr. Bach findet mit Zustimmung des Ministerrates im allgemeinen nichts dagegen, daß Mayerhofer die zwangsweise Abstellung der Kikindaer sistiert habe, wird aber noch hierüber mit dem FML. Grafen Coronini Rücksprache pflegen7.

VI. Unterbringung des Ladislaus Freiherrn Bémer v. Bezdek und Kiss-Baka

Der Minister Dr. Bach fand es weiter auffallend, daß der Bischof von Großwardein Ladislaus Freiherr v. Bémer, ein alter gebrechlicher und geistesschwacher Mann, auf 20 Jahre verurteilt worden ist8. Da wegen des bereits geschöpften Urteiles die Akten hierüber von Baron Haynau nicht wohl abgefordert werden können, so erbat sich der Minister Dr. Bach die sofort erteilte Zustimmung des Ministerrates, abei Sr. Majestät auf die Nachsicht der erkannten Kerkerstrafe und Bewilligung, sich in ein Kloster außer Ungarns [zurückzuziehen], antragen unda dem Baron Haynau motiviert schreiben zu dürfen, daß Bémer hierher gestellt werde, wo er dann im hiesigen Franziskanerkloster untergebracht werden könnte.

Wegen seiner Sustentation würde Dr. Bach den entsprechenden Antrag später stellenb .9

VII. Griechisch-nicht unierte Diözesansynode in Siebenbürgen

Aus Anlaß einer Anzeige des FML. Freiherrn v. Wohlgemuth, daß er eine Diözesansynode der nichtunierten Griechen gestattet habe, wird der Minister des Inneren demselben schreiben und ihn auffordern, darüber zu wachen, daß diese Versammlung nur über kirchliche, keineswegs aber auch über politische Dinge berate.

Der Ministerrat billigte dieses Vorhaben10.

VIII. Steuerrückstände der Montenegriner

Aus Dalmatien, bemerkte dieser Minister weiter, seien Gerüchte zu seiner Kenntnis gekommen, daß der Wladika von Montene[g]ro seinen Untertanen sämtliche Steuerrückstände nachgesehen habe. Sollten sich diese Gerüchte bestätigen, so dürften sie eine ungünstige Rückwirkung auf die Maßregeln des Obersten Mamula äußern11.

IX. Keine Demonstration am 13. März

Ferner erwähnte dieser Minister, es seien Spuren vorgekommen, daß die Studenten für morgen, den 13. März12, eine Demonstration zu machen beabsichtiget haben, davon aber wieder abgestanden sind, angeblich aus dem Grunde, weil die Propaganda in Paris jede Demonstration für jetzt abgesagt habe. Es sind übrigens, wie der Minister bemerkt, für morgen alle nötigen Vorbereitungen und Vorsichtsmaß­regeln bereits getroffen worden.

X. Sammlung der Kundmachungen, Plakate etc. vom Jahre 1848

Schließlich brachte der Minister des Inneren die bereits vorgekommene Angelegenheit des Beamten Kastner, nämlich die von ihm beabsichtigte Herausgabe aller Proklamationen und Affichen etc. vom Jahre 1848 mit der Bemerkung zur Sprache, daß der Ban die Widmung dieses Werkes als einer interessanten und kompletten diesfälligen Sammlung angenommen habe13. Der Minister bemerkte weiter, daß Kastner diese|| S. 208 PDF || Sammlung um 1600 f. ablassen wolle. Er habe sie prüfen lassen, und sie sei als die beste und kompletteste Sammlung der Kundmachungen etc. aus jener Zeit befunden worden. Der Minister Dr. Bach meint, daß dem Kastner diese 1600 f. aus dem geheimen Fonds zu zahlen wären. Die Sammlung sei von bedeutendem Werte für die Geschichte jener Zeit und würde durch diese Erwerbung der Publizität entzogen, welcher sie wegen der darin vorkommenden Injurien auch nicht wohl übergeben werden könnte.

Der Ministerrat erklärte sich damit vollkommen einverstanden14.

XI. Deutsche Kolonie bei Ibraila

Der Vizekonsul in Ibraila hat dem Handelsminister eine Bitte von 40 deutschen Familien in der Nähe von Ibraila (einer deutschen Niederlassung daselbst), welche nach Ungarn zu übersiedeln wünschen, unterstützend vorgelegt15. Die Bittsteller werden als arbeitsame, gute, gesittete und ziemlich wohlbe­mittelte Leute geschildert, welche zur Bestreitung der Reiseauslagen und der Auslagen für die erste Bewirtschaftung das Nötige besitzen und höchstens nur einer Unterstützung für die Herstellung der Gebäude bedürfen würden. Es würde sich nur darum handeln, in welcher Gegend von Ungarn sie angesiedelt werden könnten. Da die Kolonisierung des Landes in das Ressort des Ministers der Landeskultur gehört, so hat der Minister Freiherr v. Bruck diese Angelegenheit demselben abgetreten16.

XII. Reise Gyulais nach Italien

Der Ministerpräsident eröffnete dem Ministerrate den Willen Sr. Majestät, demzufolge der Kriegsminister Graf v. Gyulai sich morgen nach Italien zu begeben hat, um eine Inspektion wegen der abgestellten Honvéds vorzunehmen und zu erforschen, ob und inwiefern die beunruhigenden, über sie herumgehenden Gerüchte und Berichte gegründet seien oder nicht17. Als Stellvertreter des Kriegsministers haben Se. Majestät den FML. Grafen Degenfeld bestimmt, welcher morgen eintreten und die Stelle des Kriegsministers provisorisch versehen wird18. Die erwähnte Reise, bemerkte der Ministerpräsident, dürfte Graf Gyulai auch dazu benützen, um Erkundigungen einzuziehen, inwiefern die dem Gouverneur von Venedig zur Last gelegte Schwäche und übertriebene unzeitige Milde, durch welche er manches verdorben [haben] soll, sich bestätige oder nicht19.

XIII. Verhalten der Honvéds

Der Kriegsminister Graf Gyulai teilte hierauf mit, daß er bezüglich der Honvéds Erkundigungen eingezogen, insbesondere mit dem Obersten von [den Grenadieren vom Regiment] Wasa [Infantrie] gesprochen habe. Das Resultat dieser Erkundigungen sei, daß die Gerüchte über die Honvéds übertrieben sind und daß es nur darauf ankomme, sie genau zu überwachen20.

XIV. Grundsteuerprovisorium in Ungarn, Siebenbürgen etc

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte hierauf mit Beziehung auf das durch das Ah. Patent vom 4. März 1850 genehmigte Grundsteuerprovisorium für Ungarn, Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen, die serbische Woiwodschaft und das Temescher Banat und die darin ausgesprochenen allgemeinen Grundsätze mehrere hierauf bezügliche Fragen zur Erörterung21 und zwar:

Ob irgendeine Zwangsmaßregel hinsichtlich der Herausgabe der Privatvermessungen für die Zwecke des Grundsteuerprovisoriums eintreten könne oder nicht. Diese Herausgabe würde das Geschäft der Vermessung sehr erleichtern, und die Mappen würden den Privaten nach hievon gemachten Gebrauche im unbeschädigten, und wenn eine Beschädigung eintreten sollte, in gutgemachtem Zustande wieder zurückgestellt werden. Eine solche Herausgabe könne bei der so wichtigen Maßregel auch für den Realkredit des Landes als eine Bürgerpflicht angesehen werden. Nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes können selbst Eigentümer gezwungen werden, ihr Eigentum zum Besten des Staates gegen Entschädigung ganz abzutreten. Der Finanzminister erachtet demnach, daß eine Anordnung erlassen werden könnte, daß jene, welche Mappen besitzen, dieselben den Behörden zur Benützung bei der erwähnten Arbeit auszufolgen hätten.

Der Ministerrat erklärte sich damit umso mehr einverstanden, als die meisten dieser Mappen von der früheren, im öffentlichen Interesse vorgenommenen Regulation herrühren und als öffentliche Urkunden zu betrachten sein dürften. Für die Herausgabe solcher Urkunden sprechen daher vorzüglich öffentliche Rücksichten.

Der Finanzminister erwähnte sodann, nach Darstellung des Ganges der ganzen Operation, daß den die Ausführung des Geschäftes leitenden Kommissionen ein Ausschuß aus den Gemeindegliedern beigegeben werden müsse. Hier trete nur die Schwierigkeit ein, wie dieser Ausschuß gewählt werden soll, da Gemeindewahlen im Belagerungszustand nicht wohl stattfinden können. Nach der Ansicht des Finanzministers cwäre über den Antrag derc Ortsvorstände die nötige Anzahl von Vertrauensmännern aus der Gemeinde zu bestimmen. Und da auch die bisher Steuerfreien bei diesem Geschäfte vertreten werden müssen, so hätten diese aus ihrer Mitte jemanden anzugeben, der sie hierbei zu vertreten hätte.

In Absicht auf die Steuergemeinden bemerkte der Finanzminister, daß die Gemeinden so zu nehmen wären, wie sie gegenwärtig bestehen, und daß alle Grundstücke der Gemeinde in diese Steuergemeinde einzureihen wären. Da es aber in Ungarn Besitzer von großen Grundflächen (Pußten) gibt, welche von ddem Besitztume der untertänigen Gemeinde nichtd dem Besitztume der untertänigen|| S. 210 PDF || Gemeinde nicht eingeschlossen sind, so wäre diesen Besitzern freizustellen, ob sie sich anschließen oder eine eigene Gemeinde bilden wollen. Diese Maßregel hätte keine politische Richtung, da es sich nur darum handle, in was für ein Buch dieses Grundstück eingeschrieben werde.

Was die Leitung des ganzen anbelangt, erwähnte der Finanzminister, daß Baron Geringer dieselbe seiner sonstigen Geschäftsüberhäufung wegen nicht übernehmen könnte. Die Distrikte im Lande müssen einzeln geleitet werden22. Damit aber die Maßregel in Ungarn und den übrigen obgenannten Kronländern übereinstimmend durchgeführt werde, sei eine Zentralleitung hier in Wien notwendig. Der Finanzminister beabsichtiget, eSr. Majestät vorzuschlagen, daß hier eine Generaldirektion des Katasters errichtet werdee, deren Aufgabe es sein wird, den Kataster dort, wo er bereits begonnen, und das Grundsteuerprovisorium in Ungarn und den anderen genannten Ländern durchzuführen. Diese Generaldirektion wird aus drei Departements zu bestehen haben, deren eines die Systemal- und die administrativen Geschäfte, das zweite die Vermessungsangelegenheiten und das dritte die ökonomische Schätzung zu besorgen hätte. Zu dieser, dem Finanzministerium unterstehenden Generaldirektion würden aus den Kronländern, in denen das Grundsteuerprovisorium eingeführt werden soll, einige Männer berufen werden, die mit den Landesverhältnissen genau bekannt sind, um den ökonomischen Teil hier in centro und durch vorzunehmende Reisen zu überwachen.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Andeutungen und Anträgen vollkommen einverstanden, und der Finanzminister wird demzufolge die näheren Anträge wegen Organisierung der erwähnten Generaldirektion Sr. Majestät nächstens erstatten23.

XV. Siebenbürgische Stiftungsplätze im Theresianum

Schließlich bemerkte der Finanzminister bezüglich der demselben zur Äußerung seiner Ansicht von dem Minister des Inneren mitgeteilten zwei Stiftplätze für Siebenbürgen im hiesigen Theresianum, daß einer dieser Plätze aus der sogenannten Arrha gegründet wurde, daher keine eigentliche Stiftung ist24. Da die Provinzialkasse, in welche|| S. 211 PDF || die Arrha floß, nun dem Ärar einverleibt ist, so handle [es] sich eigentlich darum, ob das Ärar diese Zahlung fortan übernehmen wolle. Wenn überwiegende politische Gründe für den Fortbestand dieses Platzes sprechen sollten, so wolle er vom finanziellen Standpunkte aus diesem Fortbestande nicht in den Weg treten25.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 18. März 1850.