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Nr. 296 Ministerrat, Wien, 9. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 10. 3), Krauß 15. 3., Bach 13. 3., Gyulai (bei I–III abw.) 12. 3., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 12. 3., Thun, Kulmer 12. 3.; abw. Stadion.

MRZ. 962 – KZ. 745 –

Protokoll der am 9. März 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Sprache der Studienzeugnisse

Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Thun brachte bei dem Umstande, daß der erste Studienkurs zu Ende geht und einzelne Studierende sich auf andere Universitäten begeben dürften, die Sprache in Anregung, in welcher solchen Studierenden die Frequentations- oder andere Zeugnisse auszufertigen wären, und es wurde beschlossen, die Universitäten anzuweisen, ohne jedoch diese Verordnung durch das Reichsgesetzblatt bekanntzumachen, sich hierbei der lateinischen als der akademischen Sprache zu bedienen1.

II. Erhebung des Agramer Bistums zur Metropolie

Derselbe Minister brachte weiter einen an Se. Majestät zu erstattenden au. Vortrag wegen Erhebung des Agramer Bistums zu einer Metropole in Antrag. Diese Angelegenheit wurde bereits zu verschiedenen Zeiten und zu wiederholten Malen in Angriff genommen, ohne jedoch bis jetzt zu einem Resultate geführt zu haben. Im Jahre 1845 haben die Stände Kroatiens, Slawoniens und Dalmatiens abermals gebeten, daß das Bistum Agram zum Erzbistume erhoben und daß diesem Erzbistume die katholischen Diözesanbischöfe der vereinigten Königreiche Kroatien und Slawonien Zengg, Kreuz und Diakovár sowie der konsekrierte Titularbischof von Belgrad und Semendria als Suffragane untergeordnet werden. Diese Repräsentation vom Jahre 1845 hat die bestandene ungarische Hofkanzlei dem Fürsten Primas und Erzbischofe von Gran um seine Ansichten mitgeteilt, worüber aber keine Antwort erfolgt ist2.

Nun bringt der Ban diese Angelegenheit mit Beziehung auf den Vorakt vom Jahre 1845 aufs neue und dringend mit dem Beisatze in Anregung, daß die in der neuesten Zeit eingetretenen Ereignisse diese Anordnung zu einer unabweislichen gemacht hätten. Es wird hierbei der ansehnlichen Dotation des Bischofes von Agram, seiner Stellung als Banal locum tenens und des Umstandes erwähnt, daß der Instanzenzug von den kroatisch-slawonischen Konsistorien an die in Ungarn gelegene Metropole von Kalocsa (von dem Konsistorium Kreuz graeci riti uniti an jene von Gran) beschwerlich und kostspielig sei und an der obwaltenden|| S. 199 PDF || Gemütsstimmung der Landesinsassen, an dem Artikel IX des kroatisch-slawonischen Landtages vom Jahre 1848 und an dem Umstande ein unübersteigliches Hindernis finde, daß die bei den kroatisch-slawonischen Konsistorien eingeführte Landessprache in dem Kalocsaer Konsistorium entweder gar nicht oder nur ausnahmsweise verstanden wird3. Für die Gewährung der gebetenen Anordnung spreche auch der Art. 73 der Reichsverfassung, demzufolge die Territorialgrenzen zugleich kirchliche Grenzen sein sollen4.

Da Se. Majestät als apostolischer König das Recht hat, in Ungarn, Kroatien und Slawonien die Grenzen der Kirchenprovinz zu bestimmen, so trägt der Minister Graf Thun an, die obige Bitte Sr. Majestät zur Ah. Gewährung zu empfehlen, ohne hierüber mit dem Primas von Ungarn Rücksprache zu pflegen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte. Nach erfolgter Ah. Genehmigung würde dann die nötige Verhandlung mit dem römischen Stuhle eingeleitet werden5.

III. Steuerrückstände in Dalmatien

Der Minister des Inneren Dr. Alexander Bach bemerkte hierauf, daß die Landesbehörden von Dalmatien den schon wiederholt besprochenen Gegenstand, nämlich die Steuer der Dezinen, neuerdings zur Sprache gebracht haben6.

Hinsichtlich der Steuer der Dezinen sei für Dalmatien (Cattaro) angetragen worden, daß diese Steuer auf eine geringere Ziffer herabzusetzen sei und daß diese Herabsetzung auch für die Rückstände der Jahre 1846 und 1847 zu gelten habe7.

Das Finanzministerium glaubte über den demselben mitgeteilten Bericht hierin eine ungleiche Behandlung wahrzunehmen, und es sollte nach seiner Ansicht für die Jahre 1846 und 1847 die alte Ausmaß beibehalten und die herabgesetzte neue Ausmaß für die Jahre 1848 und 1849 einzutreten haben.

Das Gubernium spricht nun die herabgesetzte neue Ausmaß auch für die Jahre 1846 und 1847 an, und daß die älteren Rückstände, 1843, 1844, 1845, nachgesehen werden wollen. Da der Betrag von keiner bedeutenden Wichtigkeit ist und diese Anordnung bereits hinausgegeben worden ist, so wäre nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach das Gubernium zu ermächtigen, nach seinem Antrage vorzugehen, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte8.

An der Beratung über die vorstehenden drei Gegenstände hat der Kriegsminister Graf v. Gyulai keinen Teil genommen.

IV. Abstellung der Honvéds und ungarischen Nationalgarden zur Armee

Der Minister des Inneren las nun den an Se. Majestät nach den früheren Beschlüssen des Ministerrates mittelst eines besonderen au. Vortrages zur Ah. Genehmigung vorzulegenden Entwurf der Bestimmungen vor, welche über die Abstellung der Honvéds zum Militär, über die dabei eintretenden Befreiungen und über die Fälle, in welchen die Entlassung derselben im Konzertations- oder im Offertwege statthaben könne, vorzuschreiben wären9.|| S. 200 PDF ||

Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden. Nur der Justizminister glaubte bemerken zu sollen, daß in diesen Bestimmungen keine Erwähnung davon geschieht, ob den abgestellten Honvéds, welche bereits früher vielleicht schon mehrere Jahre im k.k. Militär gedient haben und auf Anordnung der österreichischen Regierung nach Ungarn versetzt worden und so unverschuldet in die schiefe und peinliche Stellung gekommen sind, die zurückgelegten Dienstjahre in die neue Kapitulation eingerechnet werden sollen, was nach der Ansicht des Ministers Ritter v. Schmerling geschehen sollte, da das Gegenteil jedenfalls als eine Unbilligkeit, Kränkung und Druck der so Abgestellten erscheint.

Der Kriegsminister Graf v. Gyulai erinnerte hierbei, daß der Einrechnung der früheren Dienstzeit in die neue Kapitulation deshalb nicht ausdrücklich erwähnt wurde, weil diese Individuen als Honvéds zum Teil aus Strafe assentiert werden. Man lasse ihnen indessen die Hoffnung, da die Einrechnung der früheren Dienstjahre der Gegenstand einer zweiten, mit der Zeit anzuregenden Frage sein kann10.

V. Errichtung von Handels- und Gewerbekammern

Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Freiherr v. Bruck brachte hierauf das provisorische Gesetz über die Errichtung von Handels- und Gewerbekammern zum Vortrage11.

Er bemerkte vor allem, daß der Entwurf des betreffenden Gesetzes den hiesigen Handelskammern, dann den Gewerbevereinen und Handelskammern von Prag, Brünn, Linz und Grätz zur Erstattung ihrer Bemerkungen hierüber mitgeteilt worden sei. Die hiesige Handelskammer habe sich gegen diesen Entwurf erklärt, während die anderen vernommenen Körper ihn als einen wahren Fortschritt zum Besseren erkannten, sich dafür erklärten und nur bei einzelnen Punkten ihre Wünsche äußerten, welche, wie der Minister bemerkt, an den betreffenden Orten berücksichtiget worden seien12. Auch las der Minister Freiherr v. Bruck den Entwurf des Ministerratsvortrages vor, womit dieses provisorische Gesetz der Ah. Genehmigung Sr. Majestät unterzogen werden soll und worin die Motive desselben umständlich auseinandergesetzt werden. Dagegen ergab sich von Seite des Ministerrates keine Erinnerung.

Hierauf wurde zur Beratung über den beiliegenden Gesetzesentwurf selbst geschritten. Die bei dieser Beratung als notwendig erkannten teils stilistischen, teils Textänderungen sind, insofern sie hier nicht weiter berührt werden, in der erwähnten Beilage am gehörigen Platze ersichtlich gemacht worden13.|| S. 201 PDF ||

§ 1. Diesen Paragraph hat der Handelsminister den an ihn gelangten Bemerkungen zufolge in folgender Art abzuändern angetragen: „Es werden Handels- und Gewerbekammern errichtet und dergestalt über das ganze Reich verteilt, daß die Handels- und Gewerbeinteressen aller Kronländer darin ihre Vertretung finden.“

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß meinte, daß der in dem hier textierten Paragraphe vorkommende Ausdruck „Vertretung“ wegzulassen und dafür ein anderer zu substituieren wäre, weil dieser Ausdruck leicht mißverstanden [werden] und der Regierung über kurz oder lang Schwierigkeiten und Verlegenheiten, besonders dort bereiten könnte, wo für ein Kronland nur eine Handels- und Gewerbekammer bestehen soll, aus der sich leicht eine Macht herausbilden könnte, die Befugnisse in Anspruch nimmt, welche ihr nicht zukommen. Die Glieder der Handels- und Gewerbekammern seien keine Vertreter in dem Sinne, daß sie Rechte ihrer Genossen vertreten könnten, sondern nur dazu bestimmt, Vorschläge zu erstatten, Wahrnehmungen zur höheren Kenntnis zu bringen u. dgl. aAus denselben Gründen hielt der Finanzminister es für unangemessen und bedenklich, im § 3 die Handelskammern für das gesetzliche Organ zu erklären, durch welches der Handels- und Gewerbestand seine Anliegen vorbringt. Dieser Satz des § 3 wäre gänzlich wegzulassen.a

Die übrigen Glieder des Ministerrates haben dagegen den Ausdruck „Vertretung“ nicht zu beanständen gefunden, da für die Bezeichnung des hier beabsichtigten Gedankens kein passendes Wort zu finden sei, die Glieder der Handels- und Gewerbekammern die Interessen des Handels und der Gewerbe wirklich vertreten, daher auch für diese Interessen reden und handeln sollen, und dieser Ausdruck in gleichen Gesetzen anderer Staaten und auch in unserem Gemeindegesetze vorkomme u. dgl. Überschreiten die Handels- und Gewerbekammern ihre (in dem vorliegenden Gesetze übrigens genau vorgezeichneten und präzisierten) Befugnisse, so können dieselben mit gebührender Strenge in ihre Grenzen zurückgewiesen werden. Die mehreren Stimmen des Ministerrates erklärten sich daher mit der hier von dem Minister Freiherrn v. Bruck angetragenen Textierung einverstanden.

Im § 2 sollen statt der letzten Worte: „bestimmt das Handelsministerium“, nach dem Antrage des Finanzministers Freiherrn v. Krauß folgende gesetzt werden: „bestimmt Se. Majestät der Kaiser auf Vorschlag des Handelsministers“, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte.

§ 5, C. VI, wurde folgende Textänderung genehmigt: „Die Handels- und Gewerbspersonen und gewerbliche Körperschaften (Gremien, Innungen, Vereine) sind verpflichtet, den Handels- und Gewerbekammern die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten nötigen Auskünfte zu erstatten“.

bIn dem § 6 erachtete der Finanzminister, daß nur der Grundsatz, nach welchem sich der Geschäftskreis der einzelnen Sektionen zu richten hat, auszusprechen und die Aufzählung der verschiedenen Gegenstände, welche nur zu Mißverständnissen führen würde, wegzulassen wäre.b || S. 202 PDF ||

Bei dem § 11 bemerkte der Handelsminister , daß von dem Brünner Handelsstande der Antrag auf Bestimmung eines Ranges für die Mitglieder der Handelskammern vorgekommen und der Wunsch ausgesprochen wurde, sie möchten den Kreisräten gleichgestellt werden.

Diesen Antrag fand jedoch der Ministerrat nicht zu unterstützen, glaubte vielmehr, daß selbst der § 11 ganz weggelassen werden könnte, wenn im § 9 nach dem in der zweiten Zeile vorkommenden Worte „Mitglieder“ das Wort „Räte“ eingeschaltet und eingeklammert würde.

Da dieses allseitig beliebt wurde, so ist der § 11 gestrichen und die erwähnte Einschaltung in dem § 9 vorgenommen worden.

§ 13 F soll statt der Worte „unbescholtener Ruf“ nach dem Antrage des Justizministers Ritters v. Schmerling diejenige Textierung genommen werden, welche statt dieses Ausdruckes in dem Gemeindegesetze, den Landesverfassungen und anderwärts gebraucht worden ist. Hiernach hat der Schluß dieses Paragraphes folgender Art zu lauten: „Ausgeschlossen von der Berufung sind alle Personen, über deren Vermögen ein Konkurs eröffnet wurde und die ihre Gläubiger nicht befriediget haben, oder die wegen eines Verbrechens oder wegen eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens oder einer solchen Übertretung schuldig erklärt oder wegen einer anderen Gesetzübertretung zu einer mindestens halbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind.“

Der § 34 hat nach dem Ministerratsbeschlusse in folgender Art zu lauten: „Jede Kammer hat in der Regel ihre Protokolle zu veröffentlichen. Nur wenn die Kammer als Genossenschafts- oder Schiedsgericht (§§ 5 VII und 15) einschreitet, hat die Veröffentlichung zu unterbleiben. Auch sind Aufträge oder Mitteilungen der Behörden, deren Geheimhaltung dieselben wünschen, so wie die darüber gepflogenen Beratungen und gefaßten Beschlüsse nur mit Genehmigung jener Behörden zu verlautbaren.“

Der von der Bedeckung der Kosten handelnde § 37 erhält nach dem Antrage des Finanzministers, welchem beigestimmt wurde, die in dem oben angeschlossenen Entwurfe ersichtlich gemachte Textierung und Abkürzung14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. März 1850.