Nr. 638 Ministerrat, Wien, 17. März 1852 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Schwarzenberg keine BdE.
- RS.Reinschrift; P.Protokoll [Marherr]; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg, BdE.Bestätigung der Einsicht fehlt), Bach 19. 3., Thinnfeld 19. 3., Thun, Csorich, Krauß, Baumgartner 19. 3.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 809 – KZ. 1050 –
- I. Zuweisung der Ribarz-Mackschen Sache an den Reichsrat
- II. Jurisdiktionsnorm für das lombardisch-venezianische Königreich und Dalmatien
- III. Gnadengesuch des Moritz König
- IV. Gnadengesuch des Emerich Radvány
- V. Hofratstitel für Ladislaus v. Czindery
- VI. Adelstitel für Johann Nechay
- VII. Kommissionsbericht über die kriegsrechtlichen Urteile der an der ungarischen Revolution Beteiligten
- VIII. Ah. Entschließung in betreff der Jesuiten
- IX. Besoldungsstatuts für die Rechtsakademien in Hermannstadt und Klausenburg; Stipendien für magyarische Lehramtskandidaten
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 17. März 1852 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Zuweisung der Ribarz-Mackschen Sache an den Reichsrat
Der Ministerpräsident eröffnete dem Ministerrate das Ah. Kabinettschreiben vom 13. d. [M.], womit Se. Majestät die Entscheidung über den in der Ribarz-Mackschen Angelegenheit bestehenden Kompetenzkonflikt nach § 12 des Reichsratsstatuts in diesem speziellen Falle dem Reichsrate zu übertragen und dem Ministerpräsidenten die Vollziehung der Entscheidung aufzutragen geruhten1.
II. Jurisdiktionsnorm für das lombardisch-venezianische Königreich und Dalmatien
Der Justizminister referierte über das Gesetz über den Wirkungskreis und die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen für das lombardisch-venezianische Königreich und für Dalmatien.
Nachdem der Justizminister diejenigen Paragraphe vorgetragen hatte, welche mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse und Einrichtungen dieser Kronländer eine Abweichung von den Bestimmungen des im Ministerrate vom 1., 3. und 5. d. [M.] beratenen gleichen Gesetzes für Österreich ob und unter der Enns, Salzburg, Steier[mark], Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Istrien, Triest, Tirol und Vorarlberg, Böhmen, Mähren und Schlesien, Galizien samt Krakau und der Bukowina erfordert hatten2 und von keiner Seite etwas dagegen zu erinnern war, werden die bezüglichen Gesetzentwürfe zur Ah. Genehmigung Sr. Majestät vorgelegt werden3.
III. Gnadengesuch des Moritz König
Derselbe Minister referierte über das Begnadigungsgesuch der Mutter des wegen Teilnahme an der ungrischen Rebellion zu 16jähriger Kerkerstrafe verurteilten Kaplans König4.
Da die im Wege des Ministers für Kultus und Unterricht zufolge früheren Beschlusses über die vita anteacta Königs eingeholten Auskünfte sehr ungünstig über denselben lauten, so war man einstimmig der Meinung, daß dem Gesuche keine Folge zu geben wäre5.
IV. Gnadengesuch des Emerich Radvány
Ebenderselbe Minister referierte über den Antrag Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Albrecht, die dem ehemaligen Oberstuhlrichter Emerich Radvány wegen Teilnahme an der ungrischen Rebellion zuerkannte achtjährige Festungsarreststrafe auf die Hälfte herabzusetzen.
Da Radványs Beteiligung keine besonders hervorragende war, so erklärte der Minister sich nicht abgeneigt, den Antrag Sr. k. k. Hoheit zu unterstützen, erachtete jedoch, daß dermalen, wo Radvány erst zwei Jahre und vier Monate sitzt, der Zeitpunkt hierzu nicht gekommen sein dürfte. Man vereinigte sich auch mit dieser Ansicht und beschloß, dem Gnadengesuche derzeit keine Folge zu geben6.
V. Hofratstitel für Ladislaus v. Czindery
Ebenso trat der Ministerrat einstimmig dem Antrage des Justizministers bei, die Bitte des gewesenen Obergespans Ladislaus Czindery um Verleihung des Titels und Charakters eines k. k. Hofrates bei Sr. Majestät zu bevorworten7.
VI. Adelstitel für Johann Nechay
Auch gegen dessen Antrag auf Erwirkung der Adelsverleihung an den sehr verdienten, mit zwei braven Söhnen gesegneten Appellationsrat Nechay in Lemberg fand der Ministerrat nichts zu erinnern8.
VII. Kommissionsbericht über die kriegsrechtlichen Urteile der an der ungarischen Revolution Beteiligten
Der Minister des Inneren referierte über die Anträge der aus Abgeordneten der Ministerien des Kriegs, der Justiz und des Inneren niedergesetzten Kommission in betreff|| S. 598 PDF || der letzten, von den ungrischen Kriegsgerichten wegen Teilnahme an dem Aufstande gepflogenen Untersuchungen und geschöpften Urteile9.
Von den 55 anwesenden Individuen sind 41 bloß wegen Teilnahme an der Rebellion zu Strafen verurteilt und in vier Kategorien a) neun zu zehnjähriger, b) 15 zu sechsjähriger, c) 15 zu vierjähriger und d) zwei zu zweijähriger Strafe verurteilt worden.
Die Kommission beantragte ad a) drei Individuen, nämlich Illesy und Szabó-Oroszhegy zu sechs-, Sörös zu vierjähriger Strafe zu begnadigen.
Der Ministerrat war bezüglich des ersten damit [ein]verstanden, glaubte aber, daß Szabó-Oroszhegy als Führer von Guerillas einer Berücksichtigung nicht würdig, mithin nach dem Urteile des Kriegsgerichts mit zehnjähriger Strafe zu belegen sei, und Sörös mit sechsjähriger.
In der Kategorie b) sind von der Kommission mehrere zur Strafmilderung auf vier, Graf Esterházy, Major und Melczer auf zwei Jahre, Dosa endlich für die gänzliche Strafnachsicht beantragt, wogegen nichts zu erinnern gefunden wurde.
In jener ad c) sind einige zur Milderung auf zwei Jahre, Hering, Hertelendÿ und Simon aber zur gänzlichen Begnadigung angetragen, wogegen vom Ministerrate ebenso wenig als gegen den weiteren Antrag eingewendet wurde, die beiden Individuen der Kategorie d) Bencze und Horváth gänzlich zu begnadigen.
14 Individuen sind teils ab instantia abgeurteilt, teils wegen konkurrierender anderer Verbrechen zu verschiedenen Kerkerstrafen verurteilt worden.
27 Abwesende wurden in contumaciam zum Tode verurteilt; gegen sechs ist die Untersuchung nicht geschlossen. Von den letzteren soll nach dem Antrage der Kommission bei dreien von der Untersuchung abgelassen, bei dreien sie fortgeführt werden; die Urteile gegen [die] 14 zuerst Gedachten so wie gegen die 27 Abwesenden (mit Ausnahme jenes wider den Grafen Csáky, welcher sich mittlerweile gestellt hat) wären kundzumachen und zu vollziehen.
Gegen alle diese Anträge fand der Ministerrat nichts zu erinnern10.
VIII. Ah. Entschließung in betreff der Jesuiten
Der Kultusminister brachte die erfolgte Ah. Entschließung vom 7. d. [M.] über seinen Vortrag in betreff der Restituierung der Jesuiten im lombardisch-venezianischen Königreiche mit dem von Sr. Majestät angehängten Beisatze zur Kenntnis des Ministerrates, daß Allerhöchstdieselben das Gutachten abzuverlangen geruhten, ob die Ah. Entschließung vom 7. Mai 1848, womit der Jesuitenorden aufgehoben worden, nicht auch bezüglich der anderen Kronländer zurückzunehmen sei11.
IX. Besoldungsstatuts für die Rechtsakademien in Hermannstadt und Klausenburg; Stipendien für magyarische Lehramtskandidaten
Der Unterrichtsminister referierte über seinen Vortrag vom 14. d. [M.] wegen Systemisierung des Besoldungsstatus an den Rechtsakademien zu Hermannstadt und Klausenburg und wegen Bewilligung von sechs Stipendien à 600 f. samt Reisepauschale auf vier bis fünf Jahre zur Heranziehung tüchtiger Lehramtskandidaten für die vorwaltend magyarische Akademie in Klausenburg.
Der Finanzminister erklärte sich dem Antrage auf die Verausgabung der hierzu erforderlichen Summen nicht entgegen, drückte aber sein Bedauern aus, daß die Notwendigkeit eintreten soll, selbst an höheren Unterrichtsanstalten Gegenstände in magyarischer Sprache vortragen zu lassen.
Der Unterrichtsminister bezeichnete jedoch diese Maßregel als das einzige Mittel, um den österreichischen Rechtsfächern auf der magyarischen Akademie Eingang zu verschaffen, nachdem das Projekt, eine Universität in Hermannstadt zu bestellen, nicht zur Ausführung gekommen ist12.
Die Minister des Inneren und der Justiz erklärten sich aber bestimmt gegen die Verwilligung dieser Stipendien, weil sie den Vortrag der Lehrgegenstände in ungrischer Sprache an einer Akademie nicht billigen können und besorgen, daß man auf diesem Wege niemals zu der gewünschten Einheit gelangen werde13.
Wien, am 17. März 1852.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 25. März 1852.