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Nr. 636 Ministerrat, Wien, 5. März 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 5. 3.), Bach (BdE. fehlt), Thun (BdE. fehlt), Csorich (BdE. fehlt), Krauß, Baumgartner (BdE. fehlt); abw. Thinnfeld, Stadion.

MRZ. 675 – KZ. 1049 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 5. März 1852 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Ah. Kabinettschreiben vom 29. Februar 1852 in betreff der monatlichen Präliminarien und der Reduktionen des Armeeaufwandes

Der Ministerpräsident teilte dem Ministerrate das Ah. Kabinettschreiben vom 29. v. M. mit, insofern dasselbe außer der an alle Minister ergangenen Ah. Weisung wegen Vorlage monatlicher Erfordernisausweise auch den Ah. Befehl zur Bestellung einer Kommission enthält1, welche Sr. Majestät Vorschläge über die Verminderung des Armeeaufwands zu erstatten haben wird.

Was die Vorlage monatlicher Erfordernisausweise betrifft, so wird der Finanzminister hierzu behufs der Gleichförmigkeit und Vereinfachung die nötigen Formularien entwerfen und den Ministern mitteilen lassen.

In Ansehung der Ah. anbefohlenen Kommission sind bereits die erforderlichen Einleitungen zum unverzüglichen Zusammentritte derselben getroffen worden2.

II. Wirkungskreis und Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen

Der Justizminister las den Entwurf des Einführungspatents zu dem Gesetze über den Wirkungskreis und die Zuständigkeit der Gerichte in bürgerlichen Rechtssachen in den Kronländern, mit Ausnahme von Ungarn, Kroatien, Slawonien, Dalmatien und dem lombardisch-venezianischen Königreiche3.

Gegen diesen Entwurf wurde nichts erinnert.

Wohl aber hielt der Minister für Kultus und Unterricht in dem gedachten Gesetze selbst mit Rücksicht auf sein zum § 50 desselben, dann in Beziehung auf die Behandlung der Verlassenschafts- und Vormundschaftsangelegenheiten bei den Bezirksämtern abgegebenes Votum (Ministerratsprotokoll v. 16. Februar 1852, I) nachstehende Änderungen für wünschenswert:

|| S. 589 PDF || Ad §§ 75 und 81: Wenn diese aVerlassenschaftsabhandlungs-, Vormundschafts- und Kuratels-a Geschäfte von den Bezirksämtern besorgt und nur diejenigen Akte, die für die Rechte der Parteien die entscheidenden sind, von der Mitwirkung des Bezirksrichters abhängig gemacht werden, so würde dagegen die Notwendigkeit, die Kollegialgerichte dabei zu beteiligen, welche eine sehr weitläufige Korrespondenz und vielfache Verzögerungen zur Folge haben müßten, entfallen.

Ad §§ 76 und 82. Wenn die Realgerichtsbarkeit über den landtäflichen Grundbesitz in vollem Maße dem Kollegialgerichte überlassen würde, welchem die Landtafel anvertraut wird, so dürfte es nur konsequent sein, auch in allen jenen Fällen, wo wegen landtäflichen Grundbesitzes eine Ausnahme von der Kompetenz der Bezirksgerichte in Verlassenschafts-und Vormundschaftsangelegenheiten gemacht wird, nicht das Kollegialgericht, in dessen Bezirk die Partei ihren Wohnsitz hatte, sondern dasjenige, welchem die Realgerichtsbarkeit zusteht, für kompetent zu erklären.

Auf diese Bestimmung glaubte der Minister für Kultus und Unterricht großen Wert legen zu sollen, weil sie der bisherigen Behandlung dieser Geschäfte und dem Bedürfnisse der Parteien mehr entsprechen dürfte.

Über den ersteren Antrag erinnerte der Justizminister , daß es ebenso im Interesse der Parteien als des für Schaden haftenden Ärars liege, daß die wichtigeren Akte bei Verlassenschafts-und Pupillarsachen von dem Kollegialgerichte vorgenommen werden; dem letzteren aber dürfte die Überhäufung der Realinstanzen ein wesentliches Hindernis bereiten.

Dagegen nahm der Justizminister keinen Anstand, dem Antrage des Grafen Thun zum § 87 beizutreten, wornach für Fideikommißangelegenheiten jenes Kollegialgericht für kompetent erklärt werden soll, in dessen Sprengel die bisherige Fideikommißbehörde ihren Sitz hat, und soweit es erst zu errichtende Fideikommisse betrifft, dasjenige, welches durch die Stiftungsurkunde dazu bestimmt wird. Beides entspricht den bisherigen Gesetzen und Gewohnheiten. Der § 87 wird diesem gemäß neu textiert werden4.

III. Organisierung der Gerichte im lombardisch-venezianischen Königreiche

Der Justizminister brachte die Organisierung der Gerichte im lombardisch-venezianischen Königreiche in Vortrag.

Dieselben sollen folgende Benennungen erhalten: Das Appellgericht „Corte d’Appello“, die Tribunali provinciali und die in eines zu vereinigenden Tribunali civili und Tribunali criminali zu Mailand und Venedig „Corti di Giustizia“; übrigens werden in Mailand und Venedig eigene Handelsgerichte bestehen; die Präturen werden beibehalten.

Der Personal- und Besoldungsstand derselben besteht, nach dem vorgetragenen Schema, in der Hauptsache bei der Corte d’Appello in Venedig aus einem Präsidenten mit 6000 f. Gehalt, 1000 f. Funktionszulage, einem Senatspräsidenten mit 5000 f. Gehalt, 27 Räten à 3000 und 2500 f., zwei Ratssekretären, Auskultanten, Hilfspersonale. In Mailand aus einem Präsidenten, einem Senatspräsidenten, 25 Räten etc. mit gleichem Gehalte; bei den Corti di Giustizia im Venezianischen aus acht Präsidenten (à 5000, 4000 und|| S. 590 PDF || 3000 f.), 87 Räten, 13 Sekretären etc.; in der Lombardie aus neun Präsidenten, 100 Räten, 15 Sekretären etc. mit Bezügen wie oben.

Die Prätoren erhalten 1400 und 1200 f., ihre Adjunkten 800 und 600 f.; die Beamten in Mailand und Venedig unter 2000 f. Besoldung, übrigens die systemisierte Teuerungs-(Lokal-) Zulage à 10 %.

Im ganzen wird gegen den bisherigen Aufwand erspart: 27.000 f.

Der Ministerrat fand hiergegen ebenso wenig zu erinnern5, als gegen

IV. Auszeichnung für Victor Kopf

den Antrag des Handelsministers auf Erwirkung des Franz-Joseph-Ordens an den Senator Kopf in Krakau wegen seiner Verdienste um die Eisenbahn6.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 17. März 1852.