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Nr. 31 Ministerkonferenz, Wien, 27. Juli 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 29. 7.), Bach 31. 7., Thun, Csorich, K. Krauß; abw. Baumgartner, Thinnfeld, Stadion.

MRZ. – KZ. 2564 – (Prot. Nr. 30/1852) –

Protokoll der am 27. Juli 1852 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Begnadigung politischer Sträflinge in Ungarn, Siebenbürgen und in der Woiwodschaft Serbien

Der Kriegsminister FML. Freiherr v. Csorich brachte vier an ihn gelangte Ah. Befehlsschreiben, zwei aus Peterwardein vom 15. und zwei aus Orsova vom 18. Juli 1852, die Begnadigung mehrerer verurteilter politischer Sträflinge in Ungarn und in der Woiwodschaft Serbien betreffend, zur Kenntnis der Ministerkonferenz1. Nach dem ersten dieser Befehlsschreiben von Peterwardein, womit dem Kriegsminister eine Abschrift eines Ah. Befehls an Se. kaiserliche Hoheit den Herrn Erzherzog Albrecht mitgeteilt worden ist, fanden sich Se. Majestät über einen Vortrag Sr. kaiserlichen Hoheit in Gnaden bewogen, 15 Hochverratssträflingen des Zivilstandes den Rest ihrer Strafzeit zu erlassen, 5 Sträflingen zwei Dritteile, 13 die Hälfte und 5 ein Dritteil der ihnen ursprünglich zuerkannten Strafzeit nachzusehen und Se. kaiserliche Hoheit mit dem Vollzuge dieser Verfügung zu beauftragen. Dem Kriegsminister wurde hiervon die Mitteilung mit dem Befehle gemacht, die Minister des Inneren und der Justiz von diesem Gnadenakte in Kenntnis zu setzen. Der Inhalt des zweiten Ah. Befehlsschreibens von Peterwardein ist, daß Se. kaiserliche Hoheit der Herr Erzherzog Albrecht beauftragt wurden, wegen elf – früher dem Militärstande angehörigen – Hochverratssträflingen, welchen Se. Majestät den Rest ihrer Strafzeit nachzusehen geruhten, das Geeignete zu veranlassen. Mit dem dritten Befehlsschreiben, de dato Orsova, 18. Juli d. J., wurde dem Kriegsminister eine Abschrift des Ah. an den Militär- und Zivilgouverneur FML. Grafen Coronini gerichteten Erlasses wegen Begnadigung eines Teils der politischen und gemeinen Sträflinge aus den Festungen Arad und Temesvar mitgeteilt, nach welchem Se. Majestät elf Hochverratssträflingen den Rest der Strafzeit, zwei Sträflingen zwei Dritteile, 21 Sträflingen die Hälfte und einem Sträfling ein Dritteil der ursprünglich zuerkannten Strafzeit nachzusehen, ferner 8 Schanzarbeitsträflingen den Rest ihrer Strafe, einem zwei Dritteile, 14 die Hälfte und einem ein Dritteil der ursprünglich auferlegten Strafzeit zu erlassen und den FML. Grafen Coronini mit dem Vollzuge dieser Ah. Anordnung zu beauftragen geruht haben. Das vierte Ah. Befehlsschreiben, de dato Orsova, 18. Juli 1852, enthält die Strafnachsicht des zu vierjähriger Schanzarbeit verurteilten Verfassers || S. 187 PDF || und Verbreiters aufreizender Schriften, Victor Lanyi2. FML. Graf Coronini zeigte dem Kriegsminister unterm 22. Juli d. J. an, daß er diesem Ah. Auftrag bereits nachgekommen sei3.

Nach dieser Mitteilung und der vom Kriegsminister in Anregung gebrachten Publikation dieser Ah. Gnadenakte, fand der Minister des Inneren zu bemerken, daß dieser Tage auch die Schlußsichtungsoperate über die politischen Sträflinge in Ungarn und Siebenbürgen Ah. resolviert an ihn zurückgelangt seien4. Was das Operat von Ungarn betrifft, seien die Anträge der Minister des Inneren und der Justiz, beziehungsweise der ihnen beistimmenden Ministerkonferenz, mit Ausnahme des Antrages für Franz Duschek, welcher statt, wie angetragen wurde, zu vier Jahren nach dem Antrage des Herrn Erzherzogs Albrecht zu sechs Jahren verurteilt wird, und daß das der Konfiskation unterworfene Vermögen des Nikolaus Vay den Söhnen desselben zu übergeben ist, sonst durchgehend sowie auch die Anträge rücksichtlich Siebenbürgens und der Woiwodschaft Serbien ohne Ausnahme Ah. genehmigt worden5. Hierdurch habe auch die von der Ministerkonferenz angetragene Aufhebung der Kriegsgerichte die Ah. Genehmigung Sr. Majestät erhalten, rücksichtlich deren Invollzugsetzung der Minister des Inneren unverweilt das Nötige verfügen wird6. Was die Publikation der erwähnten Ah. Gnadenakte anbelangt, hat man sich darin geeinigt, daß jene Individuen, welche bei der Sichtungskommission interveniertendie Ministerialräte Privitzer und Jary und der Generalauditor und Sektionschef Korners - zusammentreten7 und nach Kombinierung der Ah. Gnadenakte, sowohl der vom Kriegsminister oben erwähnten als der an den Minister des Inneren gelangten, den Entwurf der Publikation mit der tunlichsten Beschleunigung verfassen und vorlegen, für dessen schleunige Bekanntmachung der Minister des Inneren Sorge tragen wird8.

II. Gerichtsverfahren in Wechselsachen bei den Militärgerichten

Der Kriegsminister Freiherr v. Csorich referierte ferner den Entwurf einer 27 Paragraphe enthaltenden Verordnung in betreff des gerichtlichen Verfahrens in Wechselsachen bei den Militärgerichten in und außerhalb der Militärgrenze. Dieser Entwurf, bemerkte derselbe, sei nur eine Adaptierung der von || S. 188 PDF || Sr. Majestät sanktionierten Verordnung des k. k. Justizministeriums vom 25. Jänner 1850, RGBl. Nr. 52/1850,für die Militärgerichte und für die Eigentümlichkeiten der Militär- und Grenzverfassung, womit die Ah. sanktionierte provisorische Vorschrift über das Verfahren in Wechselsachen vor den Zivilgerichten kundgemacht wurde. Eine solche Adaptierung beziehungsweise Feststellung einer das Verfahren der Militärgerichte in Wechselsachen ordnenden Vorschrift habe sich als ein dringendes Bedürfnis herausgestellt, weil die mit dem Ah. Patente vom 25. Jänner 1850, RGBl. Nr. 51/1850, kundgemachte Wechselordnung auch für die Militärpersonen, soweit sie wechselfähig sind, verbindende Kraft hat, die Militärgerichte daher einer Verordnung über das Verfahren in Wechselsachen nicht länger entbehren können.

In dem in der Rede stehenden Entwurfe wurden die wesentlichen Grundsätze der erwähnten Ah. sanktionierten Verordnung des Justizministeriums vom 25. Jänner 1850 über das Verfahren in Wechselsachen vor den Zivilgerichten beibehalten, und es wurde darin nur solchen Abweichungen und Änderungen von jener Vorschrift Raum gegeben, welche in der Verschiedenheit der Militärverfassung ihre zureichende Begründung finden. Solche Änderungen sind:

In dem § 1 des Entwurfes werden die Militärgerichte bezeichnet, welche zur Verhandlung der Wechselsachen statt der für den Zivilstand bestimmten Landesgerichte, dann der Handels- und Wechselgerichte, berufen werden.

Dem § 2, nach dessen ursprünglicher Textierung alle Schuldner aus einem und demselben Wechsel, also auch Zivilisten, von dem Inhaber des Wechsels mit einer Klage bei dem nach § 1 mit Rücksicht auf den Zahlungsort kompetenten Gerichte belangt werden könnten, welchem der in der Klage zuerst Genannte untersteht, was den Anschein hätte, als ob alle aals Girantena auf dem Wechsel vorkommenden Zivilisten sich den Militärgerichten unterwerfen und gleichzeitig bei denselben belangt werden müßten, wurde nach dem Antrage des Justizministers, welchem der Kriegsminister beitrat, folgende Fassung gegeben:

„Bei dem Militärgerichte des Zahlungsortes können alle der Militärgerichtsbarkeit unterworfenen Schuldner aus dem nämlichen Wechsel mit einer Klage belangt werden. Bei anderen Militär- oder Magistratualgerichten können nur diejenigen Wechselverbundenen mit einer Klage belangt werden, welche denselben ihrer persönlichen Eigenschaft und ihrem Wohnsitze nach unterstehen. Wechselbürgen folgen dem Gerichtsstande des Hauptschuldners und können mit demselben in einer Klage belangt werden.“ Diese Textierung entspricht dem § 4 der Verordnung des Justizministeriums vom 25. Jänner 1850 und bestimmt überdies in Verbindung mit dem § 3 des Entwurfes, welcher lautet: „Außer dem im § 2 angeführten Bürgschaftsverhältnisse sind Militärpersonen vor dem zuständigen Militärgerichte zu belangen“, daß in Wechselsachen der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nur in jenen Fällen Anwendung findet, wo die Wechselverbindlichkeit durch den Nebenvertrag der Bürgschaft befestigt erscheint. Diese Bestimmung ist eine Folge der Anordnung der Militärjurisdiktionsnorm9, || S. 189 PDF || daß mittelst einer Klage bei dem Militärgerichte nur die der Militärgerichtsbarkeit unterworfenen Individuen, nicht aber auch Zivilpersonen belangt werden können, es daher nur eine Konsequenz der Reziprozität ist, daß auch vor dem Zivilgerichte - den Fall des Bürgschaftsverhältnisses ausgenommen - eine Militärperson in Wechselsachen nicht belangt werden könne.

Der § 4 des Entwurfes bestimmt die Form, nach welcher die Regiments- und Magistratualgerichte in der Militärgrenze zusammengesetzt sein müssen, um über Wechselsachen zu verhandeln und Beschlüsse zu fassen.

Der § 12 enthält die Bestimmung, daß die in der Militärgrenze vorgeschriebenen Zertifikate über den bei den Kompagnien zwischen Kläger und Geklagten fruchtlos versuchten Vergleich – bei Klagen, welche aus Wechseln entspringen – nicht beizubringen sind, welche Anordnung in der Natur des Wechsels und der Notwendigkeit eines schleunigen Verfahrens bei Wechselprozessen ihren Grund findet.

Der § 18 disponiert auf dem Grunde der diesfalls bestehenden Verordnungen, daß der Wechselarrest nur gegen die Handels- und Gewerbsleute in der Militärgrenze, dann gegen die Einwohner der Militärkommunitäten anwendbar sei, dann daß sich in der Militärgrenze bei der Exekution auf das Vermögen einer Hauskommunion nach den Grenzstatuten zu benehmen sei. Der § 27 setzt endlich fest, daß die Wirksamkeit der in der Rede stehenden Verordnung binnen 14 Tagen nach der Kundmachung derselben zu beginnen habe.

Die Ministerkonferenz hat den vorstehenden Anträgen in allen Punkten beigestimmt. Der Kriegsminister wird nun den Entwurf der oberwähnten Verordnung zur Ah. Genehmigung Sr. Majestät vorlegen10.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Kaschau, am 9. August 1852.