Nr. 40 Ministerrat, Wien, 30. März 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll fehlt [Wacek]; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Stadion, Krauß, Cordon, Bach, Bruck, Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 2. 4.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4., Thinnfeld, Kulmer.
MRZ. 962 – KZ. 875 –
- I. Verbot öffentlicher Religionsausübung der Deutschkatholiken
- II. Entwürfe der Landesverfassungen
- III. Einberufung von Vertrauensmännern aus Galizien zur Besprechung der Entschädigungsfrage
- IV. Emittierung von 70 Millionen Lire Papiergeld
- V. Medaillenverleihung an Hayder
- VI. Ausschreibung von Preisbewerbungen bei größeren öffentlichen Bauten
- VII. Organisierung der Hilfsämter beim Handelsministerium
- VIII. Ankauf einer Rechnungsmaschine für das Handelsministerium
- IX. Pester Handelsstand um Verlängerung des Moratoriums
- X. Aufbesserung der gesandtschaftlichen Bezüge für mehrere Plätze
- XI. Ablehnung des Antrages zur Ernennung des Militärkommandanten von Triest Graf Gyulai zum Korpskommandanten
- XII. Kreierung eines Dienstadels für Militärs
Protokoll der zu Wien am 29. März 1849 abgehaltenen Sitzung des Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.
I. Verbot öffentlicher Religionsausübung der Deutschkatholiken
Der Minister des Inneren Graf v. Stadion brachte auf dem Grunde eines diesfälligen Gesuches zur Sprache, ob den Deutschkatholiken auf der Basis des § 2 der Grundrechte (welcher besagt, daß jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung habe etc.1) die öffentliche Religionsübung gestattet werden könne. Nach seiner Meinung dürfen sie wohl zusammenkommen, aber sich nicht zum Zwecke der Religionsübung versammeln, er werde ihnen dies für die Zukunft untersagen, wogegen sich umso weniger eine Erinnerung ergab, als der § 2 der Grundrechte auf die Deutschkatholiken als eine gesetzlich nicht anerkannte Religionsgesellschaft eigentlich keine Anwendung findet2.
II. Entwürfe der Landesverfassungen
Derselbe Minister eröffnete, daß die mit der Ausarbeitung der Entwürfe der Landesverfassungen und der Wahlordnungen für die im Jahre 1849 zusammentretenden Landtage beauftragte Kommission ihre Arbeiten größtenteils schon vollendet habe3. || S. 195 PDF || Gegenwärtig geschehe die Zusammensetzung, wobei die naturgemäße Gruppierung beobachtet wird, wie Oberösterreich und Salzburg, Krain, Görz, Gradiska und Istrien usw. Sowie die Arbeit fertig ist, wird der Minister die lithographierten Exemplare verteilen lassen und die Sache die nächste Woche im Rate vorbringen4.
III. Einberufung von Vertrauensmännern aus Galizien zur Besprechung der Entschädigungsfrage
Derselbe Minister deutete auf die Notwendigkeit hin, Vertrauensmänner aus Galizien (zwei Ruthenen und zwei Polen) hierher kommen zu lassen, um sich mit ihnen hinsichtlich der Entschädigungsfrage und des diesfalls zu verfügen Notwendigen zu besprechen und ihre Vorschläge anzuhören5.
Gegen die Zweckmäßigkeit einer solchen Einleitung wurde nichts erinnert, nur bemerkte der Finanzminister Freiherr v. Krauß , daß diese Angelegenheit gleichfalls im Lande verhandelt werden sollte, wo die Verhältnisse genauer bekannt sind6.
IV. Emittierung von 70 Millionen Lire Papiergeld
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß machte schon vor einiger Zeit den kaiserlichen Kommissär Grafen Montecuccoli auf die Notwendigkeit einer Vorkehrung für das lombardisch-venezianische Königreich aufmerksam, um die Zahlungen in ihrem Gange zu erhalten und das immer mehr und mehr aus dem Umlaufe verschwindende Silbergeld zu ersetzen7.
Graf Montecuccoli macht nun den Vorschlag, 70 Millionen Lire Papiergeld zu emittieren, das durch direkte und indirekte Abgaben wieder hereingebracht werden würde8.
Der Finanzminister findet diesen Vorschlag zweckmäßig, weil durch ein solches Papier die Zahlungen ermöglichet werden. Auch gegen die Anträge des Grafen Montecuccoli, mit der Emission dieses Papiers die bisher sistierte Zahlung des Monte Lombardo-Veneto wiederaufzunehmen und die Privatdepositen wieder zu erstatten, findet Baron Krauß nichts zu erinnern. Er glaubt, daß dieses Papier im Lande Anwert finden werde.
|| S. 196 PDF || In diesem Sinne wird Baron v. Krauß mit Zustimmung des Ministerrates einen Vortrag an Se. Majestät erstatten und indessen das zu diesem Behufe Nötige verfügen9.
V. Medaillenverleihung an Hayder
Der Minister für Handel etc. Ritter v. Bruck bemerkte, daß der Postmeister in Salzburg Hayder, für den schon früher auf die mittlere goldene Ehrenmedaille angetragen wurde, welcher Vortrag jedoch unerledigt hinabgelangt ist, neuerdings für diese Auszeichnung in Antrag gebracht werde. Derselbe dient bereits 52 Jahre und wird allseitig bestens empfohlen. Der Minister Ritter v. Bruck wird diesen Gegenstand, wozu der Ministerrat seine volle Zustimmung gab, nun neuerdings mit dem Antrage auf die oberwähnte Auszeichnung Sr. Majestät vorlegen10.
VI. Ausschreibung von Preisbewerbungen bei größeren öffentlichen Bauten
Nach der Angabe desselben Ministers sind im April v.J. die hiesigen Künstler eingekommen, daß bei allen öffentlichen Bauten Preiskonkurse ausgeschrieben werden mögen. Der damalige Minister des Inneren, Baron Pillersdorf, habe ihnen erwidert, daß die Ausschreibung eines Konkurses bei öffentlichen Bauten ein strenger Grundsatz sei und daß davon nur aus wichtigen öffentlichen Rücksichten abgegangen werden dürfe. Nun sind die Künstler mit einem neuen gleichen Gesuche gekommen und bringen zugleich den Entwurf zu einem Gesetze über die diesfällige Bewerbung bei11.
Der Minister Ritter v. Bruck meint, daß man diese öffentliche Preisbewerbung einstweilen bei größeren Bauten eintreten lassen dürfte und las den diesfälligen Entwurf vor, womit sich der Ministerrat im allgemeinen mit der Bemerkung einverstanden erklärte, daß zu der Preisbewerbung, statt wie es im Entwurfe heißt, nur Österreicher, nicht nur diese, sondern mit freier Konkurrenz alle (Einheimische und Fremde) zugelassen werden sollen, und daß sich die Regierung freie Hand rücksichtlich der Ausführung des durch das Schiedsgericht als preiswürdig erkannten Projektes vorbehalten müsse, weil manches nach dem Projekte vortrefflich, aber nicht praktisch in der Ausführung sein kann12.
VII. Organisierung der Hilfsämter beim Handelsministerium
Der Minister Ritter v. Bruck eröffnete weiter, daß er wegen der Organisierung der Hilfsämter seines Ministeriums die nötigen Anträge Sr. Majestät erstatten, einstweilen aber provisorisch das Nötige verfügen werde13.
VIII. Ankauf einer Rechnungsmaschine für das Handelsministerium
Schließlich ersuchte dieser Minister um die Zustimmung, 400 f. für die Anschaffung einer Rechnungsmaschine verausgaben zu dürfen. Diese Maschine leistet großes, || S. 197 PDF || berechnet Logarithmen über den sechsten Grad in ein bis eineinhalb Minuten, ist besonders bei Buchhaltungen anwendbar und ersetzt zwölf Rechner. Die Bank von Frankreich habe sechs Exemplare davon angekauft.
Gegen die Anschaffung dieser Maschine und Verausgabung des erwähnten Betrages dazu ergab sich keine Erinnerung14.
IX. Pester Handelsstand um Verlängerung des Moratoriums
Der Ministerpräsident Fürst v. Schwarzenberg eröffnete, daß Baron Kübeck ihm im Auftrage des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz rücksichtlich der von dem Pesther Handelsstande angesuchten Erweiterung des ihm bewilligten Moratoriums geschrieben habe, in Ansehung dessen sich der Fürst ausgesprochen habe, es für Pesth von seiner Seite nicht gewähren zu dürfen15. Der Ministerpräsident wird diesen Gegenstand an den Justizminister leiten16.
X. Aufbesserung der gesandtschaftlichen Bezüge für mehrere Plätze
Weiter brachte der Ministerpräsident als Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Bezahlung der diplomatischen Agenten Österreichs im Auslande zur Sprache. Im vorigen Jahre seien ihre Gebühren, wahrscheinlich um große Ersparungen nachweisen zu können, bedeutend verkürzt worden, wovon die Folge ist, daß sie so beengt und so schlecht gestellt sind, daß sie nicht existieren können17.
In Spanien habe der österreichische Gesandte aGraf Esterházy 30.000 f.; er habea um Abberufung gebeten, weil er sich bei diesem Gehalte dort ruinieren müßte. Derselbe Fall sei bei Prokesch, der von Athen nach Berlin übersetzt wurde. Er habe in Berlin 24.000 f. (6000 f. Gehalt, 18.000 f. Repräsentationszulage und 6000f. seien ihm zur Übersiedlung von Athen nach Berlin bewilliget worden18). Um diesen Betrag könne er mit seinem Hause von Athen nach Berlin nicht übersiedeln. Auch seien ihm bei diesem Stande die Mittel nicht geboten, seine Schuld bei Sina von 20.000 f. tilgen zu können. Er wünsche sich daher nach Athen zurück.
Der Ministerpräsident bemerkte, die Gehalte der Diplomaten seien zu einer Zeit bemessen worden, wo große Herren in der Diplomatie gedient haben, die das zu den Staatsbezügen Erforderliche aus ihrem Eigenen zusetzten, diese Zeiten seien nun vorüber. Im Begriffe, den Voranschlag seines Ministeriums für das Verwaltungsjahr 1850 zu verfassen, bringe er diesen Gegenstand mit der Bemerkung zur Sprache, daß eine Aufbesserung der gesandtschaftlichen Bezüge für mehrere Plätze notwendig sein werde.
Nach der Ansicht des Finanzministers müssen österreichische Diplomaten dort, wo sie notwendig bestehen, auch angemessen dotiert werden. Eine Aufbesserung für solche notwendige Posten dürfte vielleicht dadurch erzielt werden, daß andere, minder notwendige gesandtschaftliche Stellen eingehen gemacht würden.
|| S. 198 PDF || Hierüber bemerkte der Minister des Äußern , daß wohl einige solche Stellen (in Hamburg, Kassel, Darmstadt) eingehen dürften, allein, dadurch werde für die Gegenwart nicht viel erspart, weil die Abgetretenen Wartgelder erhalten müssen. Diese Maßregel könne nur für die Zukunft wirken19.
XI. Ablehnung des Antrages zur Ernennung des Militärkommandanten von Triest Graf Gyulai zum Korpskommandanten
Der Kriegsminister Freiherr v. Cordon hält den Antrag des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz, daß der Militärkommandant von Triest, Graf Gyulai, wegen seiner schwierigen Lage zum Korpskommandanten ernannt und ihm ein Korpsadjutant beigegeben werde, gegenwärtig nicht für zeitgemäß. Die schwierige Lage sei nun vorüber, und dem Grafen Gyulai ein Korpskommando zu übergeben, wo die Gefahr schon vorüber ist, erscheine nicht an der Zeit. Dieser Antrag des Fürsten Windischgrätz wäre daher (wozu der Ministerrat seine Zustimmung gab) abzulehnen20.
XII. Kreierung eines Dienstadels für Militärs
Ferner brachte dieser Minister einen an Se. Majestät entworfenen Vortrag wegen Kreierung eines Dienstadels für das Militär zur Sprache. Nach diesem Vortrage soll den Offizieren, welche 30 Jahre ununterbrochen tadellos gedient haben, der Dienstadel (ein persönlicher, mit ihrem Tode erlöschender Adel) verliehen werden21. Die Absicht dieses Antrages ist, den vielen Offizieren die Anerkennung ihrer Verdienste zuteil werden zu lassen und dem adeligen Proletariate möglichst entgegenzuwirken. Nach den gegenwärtigen Kriegen ist nämlich vorauszusehen, daß von den 20.000 Offizieren der Armee eine große Anzahl auf dem Grunde der bestehenden Privilegien und Vorschriften den erblichen Adel werde ansprechen können. Hierdurch Hierdurch würde ein zahlreiches Adelsproletariat kreiert. Der erbliche Adel soll nur dem ausgezeichneteren Verdienste zuteil werden, den bloß 30 Jahre tadellos dienenden Offizieren soll hingegen nur der Dienst- oder persönliche Adel zukommen.
Mit diesem Antrage erklärte sich der Ministerrat nicht einverstanden. Nach der Bemerkung des Ministers des Inneren würde dadurch eine Unterscheidung des Adels entstehen, die wir nicht kennen, und der Justizminister Dr. Bach fügte hinzu, daß dieser Antrag geradezu zur Annullierung des Adels führen würde. Nach seiner Ansicht sei vielmehr zu wünschen, dem Adel durch Besitz und gesicherte Unabhängigkeit Bedeutung zu geben, d.i. ihn auf den Besitz zu beschränken; hierdurch würden wir eine wahre Paria erhalten. Durch den Antrag des Freiherrn v. Cordon entstünde ein neues Verhältnis, eine neue Phase, der Titeladel, und man würde nicht ausweichen können, ihn auch dem Zivile zu gewähren. Hierdurch würde der Adel den letzten Stoß|| S. 199 PDF || erhalten. Die Verleihung des Adels sei kein Privilegium, der Kaiser könne in seiner souveränen Macht nach 30 Dienstjahren, ohne Rücksicht auf Privilegien, den Adel verleihen, könne auch die frühere, unter anderen Verhältnissen entstandene Übung beschränken. Persönlicher Titel sei gegenwärtig gar nichts mehr, und man würde nur Unzufriedenheit erzeugen, wenn die Ausgezeichneten die Auszeichnung nicht auf ihre Kinder übertragen könnten. Da der Erfahrung nach keine übermäßige Anzahl von Offizieren um den erblichen Adel einkomme, der Adel jetzt keine Vorrechte genießt (mit Ausnahme des Anspruchs auf Stiftplätze, die dem Adel vorbehalten sind) und die Einführung des Dienstadels selbst dem Interesse der Armee entgegen wäre, so wäre jedem Offizier, der nach den bisher bestehenden Vorschriften die nötigen Erfordernisse nachweiset und die Verleihung des Adels wünscht, wie bisher der erbliche Adel zu verleihen.
Der Kriegsminister behielt sich vor, diesen Gegenstand Sr. Majestät vorzutragen22.