Nr. 359 Ministerrat, Wien, 1. Juli 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 2. 7.), Krauß 3. 7., Bach (bei I–V abw.abwesend) 3. 7., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 3. 7., Thun, Kulmer 3. 7., Degenfeld; abw.abwesend Stadion, Gyulai.
MRZ. 2689 – KZ. 2279 –
- I. Beitrag zur Errichtung einer Schule in Bukarest
- II. Beitrag für das katholische Spital in Berlin
- III. Deutsche Angelegenheiten
- IV. Schiffahrtlizenz für das jenseitige Poufer
- V. Todesurteil gegen Thomas Kéreszi
- VI. Enthebung Anton Freiherr v. Puchners und Bestimmung Georg Ritter v. Toggenburgs an seine Stelle
- VII. Franz-Joseph-Orden für Paul Grafen v. Coudenhove
- VIII. Invalidenversorgung der Gendarmerie
- IX. Leopold-Orden für Joseph Glanz
- X. Nachträgliche Entschädigungsforderungen von den Oktoberereignissen 1848 herrührend
- XI. Organisierung der Prager Stadthauptmannschaft
- XII. Organisierung des Kronlandes Galizien
- XIII. Ankauf des hiesigen Kriminalgerichtsgebäudes
- XIV. Uniformgebrauch seitens der Katastralangestellten
- XV. Steuer- und Dreißigstpflichtigkeit des ungarischen Adels
- XVI. Einsetzung einer Kommission in Religionsangelegenheiten zu Pest
- XVII. Auszeichnungen für Geistliche, Ärzte etc. in Dalmatien
- XVIII. Auszeichnungen für Wiener Bürger, Ärzte etc
- XIX. Aufhebung des Wiener Unterstützungsvereines und Auszeichnung für den betreffenden Präsidenten
Protokoll der am 1. Juli 1850 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg. In dieser Sitzung sind nachstehende Gegenstände zum Vortrage gekommen:
I. Beitrag zur Errichtung einer Schule in Bukarest
Der Ministerpräsident und Minister des Äußern erwähnte zunächst eines ihm aus Bukarest zugekommenen Berichtes vom 15. Juni d.J., worin dargestellt wird, daß die österreichische Jugend daselbst (mehrere hundert Kinder) a900 Kindera ohne Unterricht und Religion und im vollen Indifferentismus in Beziehung auf den Glauben und das Vaterland aufwachsen. Es sei im Antrage, in dem bischöflichen Gebäude daselbst eine Mädchen- und eine Knabenschule zu errichten. Zu diesem Ende seien aber Geldbeiträge, drei Lehrer und drei graue Schwestern, welche die Mädchenschule zu leiten hätten, notwendig. Was die Geldbeiträge zur Herstellung der Lokalitäten anbelangt, so haben die Bojaren, Russen etc. bei 800 f. bereits beigetragen. Zur Besoldung der Lehrer seien 1600 f. notwendig, von diesen werden 1000 f. aufgebracht werden können, und der Rest von 600 f. wird von Österreich, Preußen und Sachsen in Anspruch genommen. Auf Österreich entfielen 400 f., welche nach der Ansicht des Referenten aus dem Sklavenredemtionsfonds zu entnehmen wären, dessen Bestimmung es nicht fremd sein dürfte, österreichische Untertanen aus der Sklaverei des Geistes zu befreien. Die Lehrer und die Soeurs grises sollen aus Österreich beigestellt werden; um einen Katecheten und die Soeurs grises wäre der Erzbischof von Wien anzugehen, und die zwei anderen Lehrer könnten aus Ungarn etc. genommen werden.|| S. 113 PDF ||
Der Ministerpräsident wird mit Zustimmung des Ministerrates, welcher gleichfalls die Notwendigkeit einer Hilfeleistung in diesem Falle erkannte, diesen Gegenstand mittelst einer Note an den Minister des Kultus und des Unterrichtes leiten, damit dieser in dem erwähnten Sinne und zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes das weitere veranlasse1.
II. Beitrag für das katholische Spital in Berlin
Der Ministerpräsident bemerkte weiter, in Berlin bestehe ein kleines katholisches Spital, in welchem die Katholiken aufgenommen werden und die Tröstungen ihrer Religion genießen. Im vorigen Jahre seien 27 österreichische Katholiken daselbst aufgenommen und verpflegt worden. Die katholische Gemeinde in Berlin hat ein Lokale gekauft und beabsichtiget, ein größeres Spital auf Aktien (zu 5, 10 und 100 Taler) zu erbauen. Se. Majestät der Kaiser werden gleichfalls um eine Beisteuer hiezu gebeten. Nach vorläufiger Erörterung der Frage, woher das Geld zu einer solchen Unterstützung zu nehmen und ob es nicht dem Staatsärar rücksichtlich der auch den österreichischen Untertanen gewährten Hilfe zuzumuten wäre, einigte sich der Ministerrat in der Ansicht, daß in der Voraussetzung und Erwartung, es werden auch österreichischen Untertanen in diesem Spitale aufgenommen werden, 1000 Taler zu dem erwähnten Zwecke aus dem Ärar zu schenken wären, in welchem Sinne der Ministerpräsident den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten wird2.
III. Deutsche Angelegenheiten
Ferner teilte der Ministerpräsident mit, daß Baron Prokesch ihm geschrieben, er habe mit dem gegenwärtig in Berlin weilenden preußischen Gesandten am hiesigen Hofe, Grafen Bernstorff gesprochen und von ihm vernommen, daß es große Schwierigkeiten habe, die bWirkungen des Unionsvertragesb suspendieren zu wollen. Übrigens seien die von dort mitgeteilten Nachrichten gut3.
IV. Schiffahrtlizenz für das jenseitige Poufer
Der Ministerrat erklärte sich mit dem Antrage des Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten, Freiherrn v. Bruck , einverstanden, daß in die Lizenzen der österreichischen Küstenfahrer Schiffer der kleinen Cabotage, welche bisher nur auf die österreichischen Häfen beschränkt waren, nach der Andeutung des|| S. 114 PDF || Vizekonsuls in Ferrara und der Triester Zentralseebehörde die Bewilligung aufgenommen werde, daß diese Schiffer auch das jenseitige Poufer befahren dürfen4. Mit der Gewährung dieser kleinen Erleichterung des Verkehrs war die bestandene allgemeine Hofkammer im Jahre 1848 einverstanden; die damals eingetretenen Verhältnisse verhinderten aber die Effektuierung dieses Antrages5.
V. Todesurteil gegen Thomas Kéreszi
Ebenso fand der Ministerrat dem Justizminister Ritter v. Schmerling beizustimmen, daß bei Sr. Majestät auf die Nachsicht der Todesstrafe für den des Verbrechens des Totschlages schuldigen Thomas Kéreszi und Überlassung dem Obersten Gerichtshofe, dafür eine angemessene zeitliche Strafe (nach seiner Ansicht 10-jährigem Kerker) zu substituieren, anzutragen wäre.
An den Besprechungen über die vorstehenden fünf Gegenstände hat der Minister des Inneren Dr. Alexander Bach keinen Teil genommen6.
VI. Enthebung Anton Freiherr v. Puchners und Bestimmung Georg Ritter v. Toggenburgs an seine Stelle
Dieser Minister [Bach] bemerkte, daß der Statthalter von Venedig FZM. Baron Puchner schon früher einen Urlaub gewünscht habe. Zur Erteilung dieses nun angesuchten Urlaubs wäre sich die Ermächtigung Sr. Majestät mit dem Beifügen zu erbitten, daß an seine Stelle provisorisch der Kreispräsident Ritter v. Toggenburg bestimmt werde, womit sich der Ministerrat einverstanden erklärte7.
VII. Franz-Joseph-Orden für Paul Grafen v. Coudenhove
Dem weiteren Antrage des Ministers Dr. Bach, dem Bezirkshauptmanne von Hietzing Grafen Coudenhove wegen dessen rascher und befriedigender Durchführung der Bildung der Gemeinden und der Wahl ihrer Vertreter in seinem Bezirke, welche Wahlen mit einer einzigen Ausnahme (Petersdorf) im vollkommen konservativen Sinne ausgefallen sind, was seiner Energie und guten Leitung zuzuschreiben sei, die Auszeichnung mit dem Ritterkreuze des Franz-Joseph-Ordens von der Ah. Gnade Sr. Majestät zu erwirken, wurde vom Ministerrate beigestimmt8.
VIII. Invalidenversorgung der Gendarmerie
Derselbe Minister las mit Beziehung auf die neuerliche Differenz mit dem Kriegsministerium hinsichtlich der Invalidenversorgung der Gendarmerie die modifizierte Textierung der diesfälligen Bestimmung vor, wogegen sich nun keine weitere Erinnerung ergab9.
IX. Leopold-Orden für Joseph Glanz
Ebenso wurde dem Antrage des Ministers des Inneren, im Nachhange zu den bereits vorgekommenen Auszeichnungen für Siebenbürgen beigestimmt, dem Sektionsrat und Kanzleidirektor in Hermannstadt, Joseph Glanz, einem ausgezeichneten Beamten, der während der letzten Ereignisse mit Aufopferung gedient und ein gediegenes Operat über die Grenze geliefert hat, von der Ah. Gnade Sr. Majestät das Ritterkreuz des Leopoldordens taxfrei zu erwirken10.
X. Nachträgliche Entschädigungsforderungen von den Oktoberereignissen 1848 herrührend
Der Minister Dr. Bach bemerkte bezüglich der Verwendung der Gelder für die Oktober-Beschädigten in Wien, daß mehrere Nachtragsanmeldungen um Entschädigung vorgekommen sind, welche in die Verzeichnisse der Beschädigten nicht einbezogen waren, weil sie sich zu spät gemeldet hatten11. Diese Nachtragsanmeldungen beziehungsweise Forderungen seien von der Entschädigungskommission auch klassifiziert worden, und es frage sich nun, ob mit Recht oder nicht.
Der Minister Dr. Bach meint, es könne keinem Zweifel unterliegen, auch diese Forderungen zur Liquidation zuzulassen und sie nach den allgemeinen Grundsätzen zu behandeln, und erbat sich die Ermächtigung, die Kommission in diesem Sinne anzuweisen, welche sofort erteilt wurde12.
XI. Organisierung der Prager Stadthauptmannschaft
Nachdem die Sicherheitsbehörden und die Stadthauptmannschaft in Wien bereits organisiert sind13, brachte der Minister des Inneren eine ähnliche Organisierung dieser Behörden in Prag nach reiflicher Besprechung dieses Gegenstandes mit den Gemeindevertretern und dem dortigen Stadthauptmanne zum Vortrage14. Nach dem Antrage dieses Ministers soll Prag in zwölf Polizeibezirke eingeteilt werden, welche Bezirke wie die in Wien besetzt werden. Die Wachmannschaft soll von 200 und einigen auf 574 Mann erhöht, und es sollen ferner 33 Polizeidiener, welche als notwendig erkannt werden, aufgestellt werden.
Gegen diese Anträge ergab sich keine Erinnerung15.
XII. Organisierung des Kronlandes Galizien
Mit Beziehung auf die bereits besprochene Organisierung des Kronlandes Galizien16, wobei drei Hauptverwaltungsgebiete angenommen und von der Einheit des Kronlandes mit einer Zentralverwaltung ausgegangen wurde, in welchem die Nationalitäten zwar nicht streng geschieden, aber doch gruppiert werden sollen, brachte der Minister des Inneren heute vorläufig die Feststellung der drei Bezirke in geographischer Beziehung zur Sprache, nachdem er diesen Gegenstand mit den Vertrauensmännern und dem Landesgouverneur besprochen hatte. Es sollen nämlich drei Kreise, ein westlicher, ein östlicher und ein Mittelkreis, der Lemberger als natürliches Zentrum mit dem Statthalter an der Spitze gebildet werden. Der Lemberger Kreis mit gemischter polnischer und ruthenischer Bevölkerung würde 600 Quadratmeilen, zwei Millionen Bevölkerung und 25 Bezirkshauptmannschaften haben; der Krakauer oder westliche Kreis mit polnischer Bevölkerung würde ungefähr 300 Quadratmeilen, . . . [Zahlenangabe fehlt] Seelen und 20 Bezirkshauptmannschaften, und der östliche Kreis Stanisławów mit ruthenischem Element 160 Quadratmeilen, 1,280.000 Seelen und . . . [Zahlenangabe fehlt] Bezirkshauptmannschaften umfassen. Diese Kombination stellt den Statthalter zwischen den zwei geschiedenen Nationalitäten mit einer gemischten sehr zweckmäßig in die Mitte.
Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen mit der Beschränkung einverstanden, daß der Rzeszówer Kreis mit seiner polnischen Bevölkerung nicht zu Lemberg, sondern zu Krakau geschlagen werde. Er fände es nämlich nicht zweckmäßig, wenn ein Körper (der Lemberger Kreis) viel größer als die anderen wäre, und ratsam, den vorwärtigen, dem Zentrum der Monarchie nächsten Teil nicht zu klein zu machen und die Polen zusammenzuhalten. Nach Ausscheidung des Rzeszower Kreises aus dem Lemberger Verwaltungsgebiete würde dieses letztere noch immer 500 Quadratmeilen und 19 Bezirkshauptmannschaften, das Krakauer dagegen 400 Quadratmeilen und 26 Bezirkshauptmannschaften haben.
Der Minister des Inneren trat dieser Modifikation gleichfalls bei17.
XIII. Ankauf des hiesigen Kriminalgerichtsgebäudes
Die von dem Finanzminister Freiherrn v. Krauß zur Sprache gebrachte Verhandlung wegen Einlösung des hiesigen Kriminalgerichtsgebäudes von Seite des Staates, wofür der Stadtgemeinde auf dem Grunde der Schätzung der Sachverständigen 800.000 f. angeboten werden18, die Gemeinde aber 933.000 f. fordert, so viel nämlich, als die Baukosten ohne den Grund betragen haben, und sich auch gegen die Zurückgabe der Schranne und des Polizeihauses an den Staat verwahrt, wurde dem
Minister der Justiz übergeben, um auch von seiner Seite einer Erwägung unterzogen und sodann im Ministerrate vorgebracht zu werden19.
XIV. Uniformgebrauch seitens der Katastralangestellten
Die Generaldirektion des Katasters hat, wie der Finanzminister bemerkt, vorgestellt, daß es sehr notwendig und zweckmäßig wäre, wenn den Katastralindividuen|| S. 117 PDF || (Geometern, Inspektoren, Direktoren), welche zwar nicht stabil angestellt sind und nur eine Monats- oder Taglöhnung beziehen, das Tragen der Uniformen der Staatsbeamten gestattet würde. Hierdurch würde das Ansehen dieser Individuen, welche viel mit den untersten Klassen verkehren, vermehrt und ihr Dienst dadurch erleichtert und gefördert werden.
Es wurde beschlossen, diese obgleich nicht stabil angestellten Individuen in die Uniformierungsvorschrift einzubeziehen, sie in die entsprechenden Kategorien einzureihen und, so lange sie im Dienste sind, die Uniform der Staatsbeamten tragen zu lassen, wie eine ähnliche Verfügung auch schon bei dem Ministerium des Handels etc. besteht20.
XV. Steuer- und Dreißigstpflichtigkeit des ungarischen Adels
Der Adel in Ungarn genoß früher die Steuerfreiheit im allgemeinen und die Freiheit von den Dreißigstgebühren. Obgleich auf dem ungarischen Landtage vom Jahre 1848 diese Steuerfreiheit aufgehoben und alle Stände in Ansehung der Steuerentrichtung einander gleichgestellt worden sind21, so werden, wie der Finanzminister bemerkt, dessenungeachtet darüber noch immer Anfragen gestellt. Diese Anfragen wären nach seiner und des Ministerrates Ansicht im Sinne der gleichen Verpflichtung aller Staatsangehörigen zu erledigen22.
XVI. Einsetzung einer Kommission in Religionsangelegenheiten zu Pest
Der Minister des Kultus und des öffentlichen Unterrichtes Graf Leo Tun brachte czur Kenntnis des Ministerrates, daß der Fürstprimas von Ungarn demnächst eine Eingabe machen wolle, um zu begehren, daß bei der beabsichtigten ungarischen Statthalterei eine Kommission in Religionsangelegenheiten in Pest unter seinem Vorsitze eingesetzt werdec .23
XVII. Auszeichnungen für Geistliche, Ärzte etc. in Dalmatien
Der Minister des Inneren Dr. Bach brachte mit Zustimmung des Ministerrates einige Verdienstkreuze für Geistliche und Ärzte etc. in Dalmatien, welche sich bei der Choleraepidemie ausgezeichnet habend,24 dann
XVIII. Auszeichnungen für Wiener Bürger, Ärzte etc
Auszeichnungen, teils mit dem Ritterkreuze des Franz-Joseph-Ordens, teils mit Verdienstkreuzen für mehrere ausgezeichnete Bürger Wiens, Gemeinderäte, Pfarrer,|| S. 118 PDF || Magistratsräte etc. in Antrag, deren Namen, Charakter und die Gattung der Auszeichnung die hier angeschlossene Übersicht enthälte .25
XIX. Aufhebung des Wiener Unterstützungsvereines und Auszeichnung für den betreffenden Präsidenten
Da unter den hier zur Auszeichnung Angetragenen auch der Präsident des Wiener Unterstützungsvereines erscheint, so brachte der Minister Freiherr v. Bruck in Anregung, ob nicht dieser Verein nun ganz aufzuheben und die vermeinte Auszeichnung bei Gelegenheit dieser Aufhebung zu erteilen wäre26.
Der Ministerrat teilte diese Ansicht, in welchem Sinne der Minister Freiherr v. Bruck eine Note an den Minister des Inneren richten wird27.
Wien, den 2. Juli 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 5. Juli 1850.