Nr. 110 Ministerrat, Wien, 23. August 1848 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Wessenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht 24. 8. und anw.anwesend Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Hornbostel, Schwarzer, Wessenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht Franz Karl (3. 9.).
MRZ. 2059 – KZ. –
Protokoll der Ministerratssitzung vom 23. August 1848 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Hauses und des Äußern Freiherrn v. Wessenberg.
I. Gründung eines Komitees zur Unterstützung der Gewerbeleute
Der Minister des Inneren eröffnete dem Ministerrate, daß das Komitee zur Unterstützung der Gewerbsleute bereits gebildet1, daß die Vertrauensmänner ernannt seien, und daß es auch seinen Operationsplan vorgelegt habe. Die ersten Mittel der Unterstützung werden durch von dem Staate garantierte Vorschüsse der Nationalbank verschafft.
Das Komitee stellt in Aussicht, daß keine Verluste zu besorgen und keine zu großen Geldmittel erforderlich sein werden, um den beabsichtigen Zweck zu erreichen. Demzufolge wird nun eine öffentliche Kundmachung an die Gewerbetreibenden erlassen, welche vorgelesen wurde und nach welcher die von dem Drucke der Zeit getroffenen Gewerbetreibenden so lange unterstützt werden sollen, bis sich die Gewerbsverhältnisse günstiger gestaltet haben werden2.
Das Komitee wird nun eine Aufforderung an die einzelnen Gewerbsklassen erlassen, zwölf Individuen aus ihrer Mitte zum Behufe der Ausführung dieser Unterstützungen, und aus diesen einen Beisitzer zu den zweimal der Woche im St. Anna Gebäude abzuhaltenden, am 28. August d. J. beginnenden Sitzungen zu wählen. Über die Gebarung mit den Mitteln wird öffentliche Rechnung gelegt werden3.
II. Übernahme der öffentlichen Sicherheit durch eine Ministerialkommission
Derselbe Minister brachte hierauf abermals die hier bestehenden Ausschüsse, nämlich den Sicherheits- und den Gemeindeausschuß, zur Sprache4. Er bemerkte, daß der Sicherheitsausschuß jetzt wertlos in der Zusammensetzung sei, nur sein Name und die Körperschaft finde noch Anklang im Volke und in der Nationalgarde. Es wäre jedoch schwer, ihn jetzt ohneweiters aufzulösen. Jeder Tod sei mit Krämpfen verbunden, und diese könnten unter den gegenwärtigen Verhältnissen gefährlich werden, auch sei nicht zu übersehen, daß sich die demokratische Partei mit den Individuen des aufgelösten Sicherheitsausschusses verbinden könnte.
Der Gemeindeausschuß genieße nicht die nötige Popularität und habe mehrere feindselige Parteien gegen sich.
|| S. 593 PDF || Nach der Ansicht und Überzeugung des Ministers tut eine kräftigere Exekutivgewalt für die gegenwärtige gefährliche Zeit vorzüglich not. Sein Antrag geht demnach dahin, daß eine Ministerialkommission für alle Vorkehrungen der öffentlichen Sicherheit zusammengesetzt werde, welcher Organe sowohl des Sicherheits- als des Gemeindeausschusses (etwa 20 von jedem) beizugeben und diese unter die Leitung des Ministers des Inneren zu stellen wären.
Dem Sicherheitsausschusse wäre bei diesem Anlasse zu bedeuten, seine Amtshandlungen zu suspendieren, da die neue Kommission für Ordnung und Sicherheit zu wachen hat und die Wahrung der Volksrechte von seiner Seite nicht mehr notwendig ist, indem diese Attribution dem versammelten Reichstage zukommt. Dieses wäre der Weg zur Auflösung des Sicherheitsausschusses.
Dem Gemeindeausschusse wäre zu bedeuten, daß sich sein Mandat nunmehr noch auf die Beurteilung der Gemeindeverfassung und die Prüfung des Ökonomikums der Stadt beschränkt. Bezüglich der Sicherheit sei seine Wirksamkeit nun in der erwähnten Ministerialkommission konzentriert. Nach Erfüllung seines Mandats wäre der Gemeindeausschuß aufzulösen und ein neuer zu wählen, welcher volkstümlicher wäre, das Vertrauen in einem höheren Grade besäße und das Bürgertum im allgemeineren Sinne aufzufassen vermöchte. Einem solchen Gemeindeausschusse wäre dann alles zu übergeben.
Die erwähnte Ministerialkommission hätte unter der Leitung des Ministers des Inneren zu stehen, welcher aber seiner sonstigen vielen Geschäfte wegen den Ministerialrat Dr. Fischhof als seinen Stellvertreter bestellen würde. Auf diese Art würde die Stadthauptmannschaft, welche nun nicht weiß, wem sie zu gehorchen hat, nur von einem Punkte kommandiert. Sollte der Sicherheitsausschuß die Wahl der Glieder zu der erwähnten Kommission verweigern und dagegen unter Berufung auf das Ministerialdekret vom 27. Mai d. J.5 protestieren, so würde der Minister keinen Anstand nehmen, den Gegenstand vor den Reichstag mit dem Beifügen zu bringen, daß der Sicherheitsausschuß sein Fortbestehen in die Hände des Reichstages gelegt habe, daß die kritischen Verhältnisse mit den Arbeitern6 seinen einstweiligen Fortbestand rätlich machten, daß der Minister aber, bei der Stellung der beiden Ausschüsse gegeneinander und bei der Notwendigkeit, sich einer stärkeren Exekutivgewalt zu versichern, dem Ausspruche des Reichstages überlasse, den Sicherheitsausschuß aufzulösen.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten meinte, daß eine Weigerung des Sicherheitsausschusses, in die oberwähnte Kommission einzugehen, unangenehme Verwicklungen nach sich ziehen könnte, weshalb es ihm geratener schiene, gleich beim Reichstage auf die Auflösung des Sicherheitsausschusses anzutragen, während die übrigen Stimmführer – auch in der gegründeten Hoffnung, daß der Sicherheitsausschuß keine Anstände machen werde – ein gütliches Einverständnis in der oberwähnten Art vorziehen7.
III. Gründung der Landessicherheitswache (Gendarmerie)
Der Justizminister erklärt die Einführung einer Landessicherheitswache (Gendarmerie) für dringend notwendig, für notwendiger als die Organisierung mancher Behörde. Die Aktivierung des Institutes der Landessicherheitswache wäre daher sogleich in Angriff zu nehmen. Derselbe hat zu diesem Ende heute einen Vorschlag an den Minister des Inneren geleitet8. Ein Gesetz, um die Sicherheitswache ins Leben zu rufen, dürfte nicht notwendig sein, da diese Maßregel vorderhand nur provisorisch ist, nur erscheint es unerläßlich, die erforderlichen Kosten in das Budget aufzunehmen.
Der Kriegsminister behält sich vor, Leute vom Militär, insbesondere von der Kavallerie, ausgediente Kapitulanten und ausgediente Offiziere zu dieser Wache zu stellen, wenn diese Angelegenheit näher erörtert worden sein wird9.
Wien, den 23. August 1848.
Ges. 3. September. Franz Karl. Vidi.