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Nr. 212 Ministerrat, Wien, 17. November 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 18. 11.), Krauß 5.12., Bach 8.12., Gyulai 24.11., Schmerling, Bruck, Thinnfeld 26.11., Thun, Kulmer 26.11.; abw. Stadion.

MRZ. 4239 – KZ. 3771 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 17. November 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Modifikation im materiellen Teil des Strafgesetzes; neue Strafprozeßordnung

Der Justizminister referierte über die Einführung der neuen Strafprozeßordnung mit 1. Mai k.J. in denjenigen Kronländern, wo nicht wie in Ungern und im lombardisch-venezianischen Königreiche wegen besonderer Verhältnisse die Ausführung dieser Maßregel bis zu jenem Zeitpunkte unmöglich ist1. Für diese Länder würde seiner Zeit der Termin festgesetzt werden.

Mit der Einführung der neuen Strafprozeßordnung dürften auch zugleich diejenigen Modifikationen im materiellen Teile des Strafgesetzes ins Leben treten, welche im Ministerrate vom 18. August 1849 sub IV. und ff. beschlossen worden sind2.

An diese hätte sich noch folgende, durch mehrere aus Anlaß spezieller Fälle vorgekommener Anfragen notwendig gewordene Erläuterung des § 199.I. Teil des StGB. anzureihen. Dieser Paragraph, welcher von der Verleitung eines Soldaten zur Desertion spricht, wäre nämlich dahin zu erweitern, daß jeder, welcher einen Soldaten zum Treubruch, Ungehorsam gegen die Dienstbefehle seiner Vorgesetzten oder zur Meuterei verleitet, sich desselben im § 199 bezeichneten Verbrechens schuldig macht, mit dem Beifügen, daß, wenn dieses Verbrechen nur als Mittel zu einem größeren dienen soll, z.B. Hochverrat, die Strafe nach dem letzteren zu bemessen sei3.

Belangend die Stafprozeßordnung selbst, so sind gegen einige Bestimmungen derselben vom Minister des Inneren und des Kriegs schriftliche Einwendungen erhoben worden.

Das Bedenken des Ministers des Inneren in betreff der Kompetenz des künftigen Reichsgerichts bei Staatsverbrechen dürfte sich durch die Betrachtung beheben, daß bis|| S. 840 PDF || 1. Mai k.J., mit welchem Tage diese neue Strafprozeßordnung erst ins Leben zu treten haben wird, wohl auch das Reichsgericht konstituiert sein wird.

Die Bedenken des Kriegsministers in betreff der Behandlung der Mitschuldigen und Teilnehmer an einem Verbrechen, wenn sie Militärs sind, dann wegen Aufnahme der Tatbestandserhebung und Hausdurchsuchung wurden durch die Bemerkung des Justizministers beseitigt, daß in Ansehung Mitschuldiger aus dem Militärstande dem Zivilstrafgerichte keine Jurisdiktion eingeräumt werden wollte, und Tatbestandserhebungen und Hausdurchsuchungen, sofern sie Militärparteien betreffen, immer nur über vorläufige Verständigung und Einwilligung des betreffenden Kommandanten stattfinden dürfen.

Was dagegen die Vorladung eines Militärs als Zeugen vor das Zivilgericht bei der Hauptverhandlung betrifft, welche der Justizminister nach der Natur des öffentlichen und mündlichen Verfahrens für unerläßlich erklären müßte, so beharrte der Kriegsminister auf der Meinung, daß derselben nicht stattzugeben wäre, um dem Militär das Vorrecht seines eigenen, auch durch die Reichsverfassung gewährleisteten Gerichtsherrn ungeschmälert zu bewahren und allen Konflikten vorzubeugen, welche beim persönlichen Erscheinen eines Militärs vor dem Zivilstrafgerichte möglicherweise entstehen können. Während der Ministerpräsident sich zur Ansicht des Kriegsministers hinneigte, erklärten der Minister des Inneren und der Finanzminister mit Hinblick auf die diesfalls in fremden Gesetzgebungen bestehenden Bestimmungen sich mit dem Justizminister einverstanden, welcher übrigens mit dem Antrage schloß, die Einleitung zur Aktivierung der in Rede stehenden Prozeßordnung mit Vorbehalt dieses einzigen, einer nochmaligen Erörterung zu unterziehenden Differenzpunkts nicht länger aufzuschieben4.

II. Verhängung der Todesstrafe

Eine vom Zivil- und Militärgouverneur in Siebenbürgen eingelangte Anfrage5, ob, nachdem in Ungarn die Vollziehung der von den Militärgerichten wegen politischer Verbrechen gefällten Todesurteile eingestellt worden6, die Todesstrafe auch bezüglich gemeiner damit bedrohter Verbrecher noch verhängt, und ob wegen neuerlich begangener politischer Verbrechen noch ferner die militärgerichtliche Aburteilung stattfinden dürfe, ward nach dem Antrage des Justizministers bejahend zu beantworten einstimmig beschlossen7.

III. Komitee zur Kategorisierung der ungarischen Kompromittierten, der Beamten und wegen der Judenkontribution

Der Minister des Inneren machte den Antrag auf Bildung eines Komitees von Seite seines, dann des Ministeriums des Krieges, welches sich 1. mit Kategorisierung der Kompromittierten in Ungern, 2. desgleichen der dortigen Beamten und 3. mit der ungrischen Judenkontributionsangelegenheit zu beschäftigen und das diesfällige Elaborat samt den darauf gegründeten Vorschlägen dem Ministerrate vorzulegen hätte8.

Hiergegen ward nichts erinnert.

IV. Ausschließung einiger an der ungarischen Rebellion beteiligten Krakauer Studenten von den Studien

Der Unterrichtsminister referierte über die Anfrage aus Krakau, ob denjenigen der dortigen Studenten, welche den heurigen Feldzug mit den ungrischen Insurgenten mitgemacht haben, nun ohne weiters das Fortstudieren an der dortigen Universität zu gestatten sei9.

Der Minister wäre der Meinung gewesen, denselben jedenfalls für das laufende und für das künftige Schuljahr das Fortstudieren zu untersagen. Die Majorität des Ministerrats erachtete jedoch mit Rücksicht auf die bezüglich der nichtungrischen Teilnehmer an der ungrischen Revolution angenommenen Grundsätze, daß diese jungen Leute mit Nichtbeachtung etwaiger kleinerer, ihrer Tauglichkeit zum Militär entgegenstehender Gebrechen ohne weiters assentiert und den in der Aufstellung begriffenen Strafkompanien eingereiht werden sollten, zu welchem Ende der Kriegsminister die entsprechende Weisung an den betreffenden Militärkommandanten erlassen wird.

Der Finanzminister bemerkte hiebei, daß solches wohl nicht ohne vorausgegangene gehörige Untersuchung, ob und welche dieser Leute sich einer Teilnahme an dem ungrischen Kriege schuldig gemacht haben, geschehen könnte10.

V. Höheres Gehalt für den ungarischen Staatssekretär Johann Ritter v. Schöllhaimb

Der Kriegsminister unterstützte das Gesuch des Unterstaatssekretärs seines Ministeriums v. Schöllhaimb um Verleihung der höheren Besoldung pro 8.000 fr. in der Rücksicht, daß derselbe der älteste Staatssekretär ist, und ein jüngerer Kollege, der Staatssekretär im Ministerium des Äußern Baron Werner, sich im Genusse dieser höheren Besoldung befindet.

Dieser letztere Umstand findet zwar nach der Bemerkung des gefertigten Ministerpräsidenten seine Aufklärung darin, daß bei der Staatskanzlei von jeher als zweiter Chef ein Staatsrat mit 8.000 fr. angestellt war, und daß überhaupt sämtliche Beamten derselben einen höheren Rang und Gehalt haben als die in gleicher Kategorie bei den anderen Hofstellen, nunmehr Ministerien, angestellten Beamten. Insofern es jedoch, wie der Finanzminister andeutete, vielleicht angemessen befunden werden dürfte, abgesehen von den Personen bei den Unterstaatssekretären überhaupt etwa nach dem Geschäftsumfange der Ministerien Gehaltsabstufungen eintreten zu lassen, würde sich auch die Verhandlung über die hier vorgekommene Bitte zur Wiederaufnahme von diesem Gesichtspunkte aus eignen11.

VI. Bestimmung über die Bau-, Steuer-, Studien- und geistlichen Referenten der politischen Länderstellen

Der Minister des Inneren erklärte seine Absicht, aus Anlaß der bevorstehenden Aktivierung der Statthaltereien in betreff der Bestimmung über die Verwendung der bisherigen Bau-, Steuer-, Schul- und Studien-, dann geistlichen Referenten der politischen|| S. 842 PDF || Länderstellen mit den einschlägigen Ministerien in Verhandlung treten zu wollen12.

VII. Oberkommando der serbischen banatischen Grenzregimenter an Ferdinand Ritter Mayerhofer v. Grünbühl

Der Ministerpräsident warf die Frage auf, ob dem zum Landeschef in der serbischen Woiwodschaft und im Banate ernannten General Mayerhofer13 seinem Anerbieten gemäß nicht auch das Kommando über die betreffenden Grenzregimenter zu übertragen wäre.

Hierüber bemerkte der Minister Baron Kulmer , daß hiermit das bei der Nationalpartei vorwaltende Bestreben, die Grenze zu provinzialisieren, befördert werde, und daß es darum besser sein dürfte, die serbisch-banatischen Grenzregimenter unter dem bisherigen gesonderten Militärkommando zu lassen.

Der Minister des Inneren würde dagegen kein Bedenken finden, dem General Mayerhofer diese Grenzregimenter unterzuordnen, wenn nur dabei zugleich bestimmt ausgesprochen würde, daß hierdurch in ihrer bisherigen Verwaltung und Stellung zum Provinziale nichts geändert werde14.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 10. Dezember 1849.