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Nr. 73 Ministerrat, Wien, 19. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld; BdE. (Schwarzenberg 20. 5.), Krauß 21. 5., Bach 21. 5., Cordon 21. 5., Thinnfeld, Kulmer; außerdem anw. Böhm; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1551 – KZ. 1563 –

Protokoll der Sitzung am 19. Mai 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Schwarzenberg.

I. Reise des Kaisers nach Brünn

Der Ministerpräsident eröffnete, daß Se. Majestät auf der Rückreise von Warschau die Stadt Brünn zu besuchen geruhen werden. Für den Fall, [daß] der Ministerpräsident sich dann nicht im Gefolge Sr. Majestät befände, wird Minister Bach sich in Brünn au. zur Disposition Sr. Majestät stellen. Fürst Schwarzenberg wird sofort die Einrückung eines Artikels über die Reise Sr. Majestät nach Warschau in die Wiener Zeitung veranlassen1.

II. Hinrichtung des Oberleutnants Johann Neugebauer (Neubauer). Verbot des Journals „Die Volkshalle“

Der in den Ministerrat berufene FML. Freiherr v. Böhm wurde von der Reise Ah. Sr. Majestät und deren mutmaßlichen Dauer unterrichtet, worüber derselbe bemerkte, daß während derselben das kriegsrechtliche Todesurteil an dem treubrüchigen Oberleutnant von Haynau-Infanterie Neugebauer mit Pulver und Blei werde vollzogen werden2. Die Vorsichtsmaßregeln zur Überwachung der Ruhe und Sicherheit der Residenz werden regelmäßig fortgesetzt, und die Berichte der Vertrauensmänner über die Stimmung lauten beruhigend.

FML. Baron Böhm gedenkt das Terzkysche Blatt „Die Volkshalle“ der magyarischen Tendenz wegen sofort zu unterdrücken, wozu sich der schicklichste Anlaß dadurch ergibt, daß Terzky wiederholt das Verbot des Kolportierens der Journale übertreten hat. Die Ausweisung dieses gefährlichen Menschen wird dann ohne Verzug stattfinden3. Über Anregung des Ministers Bach gibt Freiherr v. Böhm die Zusicherung, keine weiteren Konzessionen auf Journale zu erteilen, um nicht in die unangenehme Lage versetzt zu sein, sie später wegen Preßmißbrauchs wieder zurücknehmen zu müssen.

III. Befreiung der Wiener Journalisten vom Kautionserlag während des Belagerungs­zustands

Übrigens wurde dem Gouverneurstellvertreter von Seite des Ministerrates die Zustimmung eröffnet, es für die Dauer des Belagerungszustandes von dem Kautionserlage für die in Wien dermalen erscheinenden Journale abkommen zu lassen, zumal der Ausnahmszustand hinlängliche Koerzitivmittel gegen Preßunfüge gewährt, und manche im guten Sinne redigierte Blätter, im Fall auf die Kaution gedrungen würde, zu erscheinen aufhören müßten4.

IV. Polnischer Orden des Grafen Krasicki

Über Aufforderung von Seite des Ministerpräsidenten wird FML. Baron Böhm den galizischen Vertrauensmann Grafen Krasicki überwachen lassen und, wofern er sich noch weiters erlauben sollte, den von der polnischen revolutionären Regierung im Jahre 1831 erhaltenen Orden pour la mérite zu tragen, ihm dieses strenge untersagen5.

V. Ungarische Organisationsoperate

Minister Bach äußerte, es sei nunmehr dringend notwendig geworden, sich mit der systematischen Bearbeitung der von den ungarischen Vertrauensmännern gelieferten fragmentarischen Organisierungs­operate ernstlich zu beschäftigen, damit man baldmöglichst zu einem Beschluß darüber kommen und die neue Ordnung während der Dauer der Militärregierung einführen könne6. Diese umfassende Arbeit erfordert erfahrene tüchtige Männer, welche sich die Ideen der Regierung über die neue Gestaltung der Dinge in Ungarn anzueignen im Stande sind. Minister Bach war bemüht, solche Individuen ausfindig zu machen, und er beabsichtigt sofort: 1. die Bearbeitung des Operats über die Organisation der Komitate dem Fiskalen Hlavač, Kameralsekretär v. Csörgeö, 2. jenes über die Koordination der Gerichte dem Hofrate v. Stettner, 3. jenes über die Koordination der Städte dem Wirkner jun., 4. jenes über die Urbarialentschädigung dem Joseph v. Ürményi und Hlavač (im Vernehmen mit dem Finanzministerium) und 5. jenes über die Beseitigung der Binnenzollschranken dem Grafen Emil Dessewffy, unter Beigebung des Tabakfabrikendirektors Krause für die technischen Details, zu übertragen. Für die Rekrutierung dürfte das neue österreichische Rekrutierungsgesetz mit den nötigen Veränderungen eingeführt werden7.

Diese Anträge wurden einstimmig angenommen, und Baron Krauß erinnerte nur, daß Ungarn bereits ein Rekrutierungsgesetz besitze, welches manches Gute und Praktische enthält.

VI. Reise Kulmers zum FZM. Ludwig Freiherr v. Welden

Der Ministerrat erkannte die Notwendigkeit, daß FZM. Baron Welden baldmöglichst in dem administrativen Teile seiner Aufgabe durch einen kenntnisreichen und tätigen Mann, v. Babárczy, unterstützt werde, und ihm auch ein höher gebildeter Auditor zur Disposition zu stellen wäre8. Über diesen Gegenstand, über die Instruktion für die Armeekommissäre, die Strafbehandlung der Rebellen und die Sequestration ihrer Güter, nach Maß des Vorrückens, wird Minister Baron Kulmer mit dem Feldzeugmeister persönliche Rücksprache pflegen9. Minister Bach bemerkte hiebei, es scheine ihm rätlich, die Güter der Rebellen noch nicht definitiv zur Entschädigung für die von ihnen zugefügten Verluste der Privaten zu widmen, sondern es wäre nur auszusprechen, daß Se. Majestät Sich vorbehalten, das konfiszierte Vermögen zur Entschädigung zu verwenden10.

VII. Maßnahmen gegen die Teuerung

Nachdem von vielen Seiten Besorgnisse über bevorstehende Teuerung entstehen und die Fruchtpreise auch im Steigen begriffen sind, so erachtete Minister Bach, daß die Regierung sich mit Vorkehrungen gegen dieses Übel beschäftigen sollte11.

Es wurde demnach beschlossen, eine Kommission aus Beamten der Minister[ien] des Inneren und der Finanzen zusammenzusetzen, welche den Gegenstand unter Beiziehung von Sachverständigen einer reifen Erwägung zu unterziehen und ihre Anträge zu erstatten hätte12.

VIII. Finanzmaßnahmen für die nächste Zukunft

Der Finanzminister setzte den Ministerrat von dem bisherigen, relativ sehr günstigen Resultat der Emission von 3%-Zentralkassaanweisungen in Kenntnisa und stellte dar, daß – nachdem den Inhabern dieser Anweisungen das Recht zusteht, nach einem halben Jahre die Zinsen gegen Auswechslung der Anweisung zu fordern – gegenwärtig die Notwendigkeit eintritt, eine neue Emission solcher Anweisungen vorzunehmen13. Da die gegenwärtigen Verhältnisse durchaus nicht so beschaffen sind, daß jetzt der Abschluß eines Anleihens unter günstigen Bedingungen versucht werden könnte, so erübrige nichts anderes, als auf dem bisher mit gutem Erfolge betretenen Wege fortzufahren, durch eine schwebende Schuld die laufenden Bedürfnisse des Staates zu decken. Dabei entstehe die Frage, ob man die Summe der Kassaanweisungen, zu deren Auswechslung sich die Nationalbank verpflichtete, vermehrt werden soll. Der Finanzminister trägt Bedenken, diese Maßregel eintreten zu lassen, weil unter den jetzigen Umständen alles vermieden werden muß, was den Gegnern des Staatsschatzes zum Vorwande|| S. 313 PDF || dienen könnte, den Wechselkurs zu steigern und Beunruhigung zu verbreiten. Der Minister wird bemüht sein, durch andere Mittel die Mitwirkung der Bank entbehrlich zu machen und das Erfordernis aufzubringen. Sollte dieses nicht gelingen, so würde nichts erübrigen, als das Reichsgesetz, auf das sich die Hinausgabe der Anweisungen gründet, in Anwendung zu bringen und auf dieselben die Bestimmung, zufolge welcher die Banknoten von jedermann als Zahlung angenommen werden müssen, auszudehnen, zumal sich aus einer Berechnung ergibt, daß dermal um 40 Millionen Gulden weniger Zirkulationsmittel vorhanden sind als vor zwei Jahren, wo neben den Banknoten so große Quantitäten Silbergeld in Umlauf waren. Zur Besserung des Wechselkurses gedächte Freiherr v. Krauß bares Geld aus dem Auslande mittelst Verpfändung von Papieren herbeizuziehen und auf der Wiener Börse im Ausland zahlbare Anweisungen der Staatszentralkasse zu emittieren. Die bevorstehende Wiedereroberung Ungarns und die Außerkurssetzung der ungarischen Noten muß auf den Kurs des österreichischen Papiergeldes vorteilhaft wirken14. Die Anweisungen auf die Einkünfte Ungarns werden dann einen umso leichteren Absatz finden15, und auf diese Weise wird man den Abschluß der neuen Anleihe noch durch einige Zeit hinausschieben können, bis zu welchem Zeitpunkte die Herstellung des Friedens in Italien und vielleicht auch in Ungarn weit günstigere Anleihensbedingungen erwarten läßt, als in dem gegenwärtigen Augenblicke erzielt werden könnten.

Mit den vom Finanzminister entwickelten Anträgen war der Ministerrat einverstanden16.

IX. Finanzielle Vorschläge Joseph Mayers Ritter v. Gravenegg

Schließlich besprach Baron Krauß noch eine von dem Bankgouverneur Mayer v. Gravenegg verfaßte Denkschrift über die in der dermaligen Finanzlage zu ergreifenden Maßregeln17, von denen die vorgeschlagene Umstaltung der Anweisungen auf die Einkünfte Ungarns in ù 6% verzinsliche Obligationen einen ganz unnützen bleibenden Aufwand begründen würde, die neue Ausgabe von Antizipationsscheinen (Wiener Währung) aber mit dem seit dreißig Jahren unter kolossalen Geldopfern konsequent verfolgten System, die Wiener Währung zu tilgen, im geraden Widerspruch stünde.

Der Finanzminister – und mit ihm der Ministerrat – glaubten daher, daß diesen Anträgen keine Folge zu geben wäre. Dagegen verdiene allerdings der Vorschlag des v. Mayer zur Ausgabe von Papiergeld im Nennwert von 1 und 2 fl., dann 30 und 15 Kreuzer, mit gewissen Modifikationen berücksichtigt zu werden. Baron Krauß gedenkt auf diesen Gegenstand zurückzukommen18.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 5. Juni 1849.