Nr. 21 Ministerrat, Wien, 21. Februar 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Stadion, Krauß, Bach, Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 22. 2.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4., Thinnfeld, Kulmer; außerdem anw.anwesend Kübeck (bei I – III); abw.abwesend Bruck, Cordon.
MRZ. 534 – KZ. 759 –
- I. Karl Friedrich Freiherr Kübeck v. Kübau über die ungarische Kommission
- II. Diäten für die Mitglieder dieser Kommission
- III. Konstitutionsentwurf
- IV. Entschädigung für die Beschädigungen in Wien während des Oktobers
- V. Feier der Märztage
- VI. Kuratel der Akademie der Wissenschaften
- VII. Reichstagsabgeordnetenwahl durch die Armee in Italien
Protokoll der am 21. Februar 1849 in Wien abgehaltenen Sitzung des Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, zugleich Minister des Äußern etc. Fürsten Felix Schwarzenberg.
I. Karl Friedrich Freiherr Kübeck v. Kübau über die ungarische Kommission
Der geheime Rat Freiherr v. Kübeck , welcher zu dieser Sitzung berufen worden war, äußerte, daß, um dem ihm zuteil gewordenen Auftrage wegen Teilnahme an den Arbeiten der Kommission in ungarischen Angelegenheiten auf entsprechende Weise nachzukommen, eine präzise Angabe der Absichten des Ministeriums bezüglich der neuen Organisierung des Königreiches Ungarn für ihn unentbehrlich wäre.1 Ferner bitte er um Ermächtigung, erforderlichenfalls auch noch mit anderen vertrauenswürdigen Individuen als die Mitglieder der Kommission Rücksprache zu pflegen, wie auch dem Ministerrate seine weiteren Anfragen und Anträge seinerzeit persönlich vortragen zu dürfen.
Diese Ermächtigungen wurden dem Freiherrn v. Kübeck vom Ministerrate sofort erteilt, und, nachdem die von dem ersteren entworfene Punktation über die Grundzüge des neuen Organismus den Absichten des Ministeriums entsprechend befunden worden war, forderte der Ministerpräsident den Freiherrn v. Kübeck auf, einen Entwurf der ihm über das Kommissorium zu erteilenden Instruktion in diesem Sinne zu verfassen und vorzulegen.2
Baron Kübeck wird sich damit sogleich beschäftigen. Um seinen Pflichten als Reichstagsabgeordneter zu entsprechen, wird er sich demnächst nach Kremsier begeben, aber binnen wenig Tagen wieder zurückkehren, um sich den wichtigen ungarischen Organisationsarbeiten widmen zu können.3
II. Diäten für die Mitglieder dieser Kommission
Eine Anfrage des Ministers Baron Kulmer , ob denjenigen Kommissionsmitgliedern, welche die Kosten ihres Aufenthaltes in Wien nicht zu bestreiten vermögen, keine Diäten angewiesen werden könnten, wurde über Anregung des Finanzministers dahin beantwortet, daß der Präses Graf Apponyi über diesen Gegenstand seine Anträge an das Ministerium zu erstatten hätte.4
III. Konstitutionsentwurf
aMinister Baron Krauß verlas im Nachhange zur Beratung vom 20. Februar 1849 die von ihm verfaßte Textierung des § .., wodurch die Herstellung der Gleichförmigkeit in der Gesetzgebung der einzelnen Kronländer angebahnt werden soll.a Minister Baron Krauß verlas im Nachhange zur Beratung vom 20. Februar 1849 die von ihm verfaßte Textierung des § .., wodurch die Herstellung der Gleichförmigkeit in der Gesetzgebung der einzelnen Kronländer angebahnt werden soll5.
Hierauf setzte Baron Kübeck seine bereits in der Sitzung vom 20. l.M. begonnenen Bemerkungen über den ihm zur Begutachtung mitgeteilten Konstitutionsentwurf fort.
Zum § .. schlug er einen Beisatz vor, wonach der Reichs- oder Landtag im Falle der Vertagung oder Auflösung seine Sitzungen sogleich einzustellen hätte.
Zum § 91 definierte Baron Kübeck die Wirksamkeit der Statthalter in der Art: „daß sie als Organe der vollziehenden Reichsgewalt die Handhabung der Reichsgesetze und Landesordnungen zu überwachen und die Leitung der inneren Angelegenheiten in dem Umfang ihres amtlichen Gebiets zu besorgen berufen sind“.
Im § 98 wäre beizusetzen: „daß das Gesetz die schwereren Verbrechen bezeichnen werde, wobei das Schwurgericht in Anwendung tritt“.
Der Satz „jede Abgabe wird zum allgemeinen Nutzen erhoben etc.“
§ 103 wäre nach Baron Kübeck folgendermaßen zu textieren „alle Abgaben zum Staatszwecke werden durch die Gesetze bestimmt“, denn die Frage, ob eine Abgabe wirklich zum allgemeinen Nutzen beiträgt, sei oft sehr disputabel. Baron Kübeck würde glauben, daß die Bestimmung „die Verpflichtungen der Staatsgewalt den Staatsgläubigern gegenüber sind unverletzbar“ lieber wegzulassen wäre, weil dadurch ein unübersteigliches Hindernis für manche wünschenswerte Finanzmaßregel geschaffen würde. Der Abschnitt von der Wehrpflicht dürfte durch einen Paragraphen folgenden Inhaltes ergänzt werden: „Die Ergänzung des Heeres wird durch ein Gesetz bestimmt.“ In dem Abschnitt von der vollziehenden Gewalt wäre auch folgende Bestimmung einzureihen: „In Fällen, wo der Reichstag nicht versammelt ist und dringende, in den Gesetzen nicht vorgesehene Maßregeln mit Gefahr am Verzuge erforderlich sind, ist die vollziehende Gewalt berechtigt, alle ihre angemessen erscheinenden Verfügungen unter ihrer Verantwortung zu treffen, mit der Verpflichtung, dem nächsten Reichstage die umständliche Nachweisung der Gründe und Erfolge vorzulegen.“
Die anwesenden Minister erklärten sich mit den vorstehenden, vom Baron Kübeck vorgeschlagenen Zusätzen und Modifikationen des Verfassungsentwurfes im wesentlichen einverstanden.6
|| S. 128 PDF || bNach Beendigung seiner Vorträge verließ Baron Kübeck den Ministerrat.b
IV. Entschädigung für die Beschädigungen in Wien während des Oktobers
Die Minister des Inneren und der Justiz berichteten, sie hätten mit dem Gouverneur Baron Welden über die von dem Fürsten Windischgrätz ausgesprochene Ersatzpflicht des Wiener Gemeinderates und der Stadtgemeinde für die Oktoberbeschädigungen mündlich Rücksprache gepflogen, ohne eigentlich zu einem Resultate zu gelangen, da Baron Welden sich an den Befehl des Fürsten Windischgrätz halten will, mit dessen Vollzug jedoch das Ministerium sich vom rechtlichen Standpunkte aus nicht vereinigen könne.7
Schon die Zusammensetzung der vom Feldmarschall angedeuteten gemischten Kommission wird viele Erwartungen erregen und in letzter Auflösung dem Staatsschatze Opfer auferlegen, vor welchen man ihn umso sorgfältiger verwahren muß, als die Schäden der Privaten auf mehrere Millionen angeschlagen werden. Vor einer Verweisung der Ersatzansprüche auf den Rechtsweg glaubten der Minister der Justiz und der Finanzen warnen zu sollen, da der Zivilrichter auf die delikate Frage über die Notwendigkeit der gegen die Stadt Wien angewendeten Zwangsmittel zurückgehen müßte, um über die Entschädigung zu entscheiden. Mit ebensoviel Recht würde man auch die Anwendung von Militärgewalt in Prag und Lemberg vor den Zivilrichter bringen. Diese Angelegenheit müsse daher lediglich im administrativen Wege behandelt werden.
Der Minister Baron Krauß glaubte hervorheben zu sollen, daß Fürst Windischgrätz auch nicht nach dem ihm Allerhöchstenorts im Oktober 1848 erteilten Vollmachten, welche rein militärischer Natur sind, zu der von ihm gefällten Entscheidung ermächtigt sei. Sofern aber Baron Welden dieselbe hier zum Vollzug bringen zu müssen glaubt, könne man vorläufig bei demselben nur dilatorisch einwirken und mittlerweilen dahin streben, daß die fragliche Entscheidung entweder von dem Feldmarschalle selbst zurückgenommen oder von Sr. Majestät aufgehoben werde.
Graf Stadion wird daher den Wiener Gouverneur auffordern, vorderhand keine weiteren Schritte zu machen, und das Ministerium wird mittlerweilen vor allem über diese schwierige Angelegenheit das Gutachten einer ad hoc durch die Minister des Inneren und der Justiz zusammenzusetzende Kommission einholen.8
V. Feier der Märztage
Graf Stadion besprach die Feier der Märztage und eröffnete, unter Zustimmung des Ministerrates, er beabsichtige dem FML. Grafen Gyulai über seine diesfällige Anfrage zu erwidern, daß diese Feier einen religiösen Charakter zu tragen habe.9
VI. Kuratel der Akademie der Wissenschaften
Die hierauf gepflogene Besprechung wegen Übertragung der Kuratel der Akademie der Wissenschaften an den Minister des Inneren führte zu keinem eigentlichen Beschluß, doch wurde gegen den diesfälligen Antrag von keiner Seite eine Erinnerung erhoben.10
VII. Reichstagsabgeordnetenwahl durch die Armee in Italien
Der Minister Graf Stadion stellte an den Ministerrat die Anfrage, was über den ihm vom Reichstagspräsidenten Smolka offiziell mitgeteilten Reichstagsbeschluß wegen der Ah. Bewilligung für die italienische Armee, Deputierte in den Reichstag wählen zu dürfen, zu verfügen sei.11
Bei dem Umstande, daß die k.k. Armee in Italien gegen die ihr angesonnene Absendung von Deputierten nach Kremsier einstimmig protestiert12 und bei der Stellung, in der sich dermal das Ministerium zum Reichstage befindet, wurde dem Antrag des Grafen Stadion, die Mitteilung des Präsidenten Smolka, ohne ihr irgendeine Folge zu geben ad acta zu legen, einstimmig beigepflichtet.13
Wien, am 22. Februar 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 27. März 1849.