Nr. 75 Ministerrat, Wien, 21. Mai 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz fehlt; anw.anwesend Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 22. 5.), Bach 22. 5., Krauß 22. 5., Cordon 22. 5., Thinnfeld, Kulmer; abw.abwesend Schwarzenberg, Stadion, Bruck.
MRZ. 1560 – KZ. 1330 –
- I. Zeitungsartikel über die Reise des Kaisers nach Warschau
- II. Berichte aus Stuttgart und Frankfurt
- III. Kundmachung wegen Zahlung der Lieferungen für die Truppen in Ungarn mit ungarischen Anweisungen und deren Annahme bei benachbarten Kassen
- IV. Wühlereien in Salzburg, Schwäche der dortigen Polizei
- V. Tabakbau in Tirol
- VI. Quartier- und Holzgeldbelassung für Johann Prechtl im Pensionsstande
- VII. Form der Erledigung der kroatischen Petition
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 21. Mai 1849.
I. Zeitungsartikel über die Reise des Kaisers nach Warschau
Ein vom Unterstaatssekretär Baron Werner verfaßter, zur Veröffentlichung bestimmter Aufsatz über die Reise Sr. Majestät des Kaisers nacher Warschau erhielt mit einer geringen Modifikation die Approbation und ward sofort dem Wiener Zeitungs-Comptoir zur Insertion ins Abendblatt vom 21. d. übersendet1.
Hierauf folgte
II. Berichte aus Stuttgart und Frankfurt
die Mitteilung von Berichten aus Stuttgart über den Fortgang der Revolution in Baden und Württemberg2, dann aus Frankfurt, daß die Nationalversammlung mit großer Majorität die Abberufung der österreichischen und preußischen Deputierten von Seite der betreffenden Regierungen für null und nichtig erklärt habe3.
III. Kundmachung wegen Zahlung der Lieferungen für die Truppen in Ungarn mit ungarischen Anweisungen und deren Annahme bei benachbarten Kassen
Der von Preßburg zurückgekehrte Minister Baron Kulmer brachte den Entwurf einer in Ungern zu erlassenden Kundmachung wegen barer Berichtigung der für die Truppen gelieferten Verpflegungsgegenstände und Leistungen, Vorspann etc. mittelst der auf die Landeseinkünfte lautenden ungrischen Assignaten mit dem Bemerken zur Sprache, daß es wesentlich zur Beruhigung der Lieferanten gereichen würde, wenn zugleich bekannt gemacht werden wollte, daß die genannten Assignaten auch bei den Kassen der benachbarten Kronländer für bares Geld angenommen werden4.
Der Finanzminister erklärte sich hiermit einverstanden, und es wurde demgemäß in der vorgetragenen Kundmachung geeigneten Orts der Beisatz eingeschaltet, wienach diese|| S. 320 PDF || ungrischen Anweisungen nicht nur im Inneren des Landes, sondern auch bei den Kassen der angrenzenden Provinzen als bar angenommen werden müssen5.
IV. Wühlereien in Salzburg, Schwäche der dortigen Polizei
Eine vom Kriegsminister mitgeteilte Meldung des Festungskommandos in Salzburg über dortige Wühlereien, insbesondere über eine im Frankfurter Sinne gehaltene Rede eines Studenten in einem Wirtshause vor einigen Kollegen und Handwerksgesellen, wogegen von Seite der Lokalpolizeibehörde nicht mit der gehörigen Energie eingeschritten wurde, übernahm der Stellvertreter des Ministers des Inneren zur weiters geeigneten Veranlassung bezüglich der polizeilichen Maßregeln6.
V. Tabakbau in Tirol
Der Finanzminister referierte in betreff des im Gefolge der Ereignisse des Jahres 1848 in Tirol faktisch, angeblich mit Bewilligung Sr. k.k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Johann wieder eingeführten Tabakbaues. Es wurde nämlich nach Wiederherstellung der Ordnung die Einstellung des Tabakbaues angeordnet, diese Anordnung jedoch von Wühlern zur Aufreizung des Landvolks, welches sich des Tabaks auch als Lauskraut für Menschen und Vieh bedient, benützt, so daß das Landespräsidium sich behufs der Beschwichtigung der Aufregung zu dem Antrage auf Erteilung von Lizenzen zum Tabakbau veranlaßt fand7. Diesem Antrage fände zwar der Finanzminister nicht beizustimmen, wohl aber glaubte auch er, daß sich unter den obwaltenden Verhältnissen die unbedingte Durchführung des Verbots nicht bewirken ließe, und daß daher unter Hinweisung auf eine künftige allgemeine Regulierung dieses Verhältnisses für heuer es bei dem Geschehenen in der Voraussetzung bewenden zu lassen sei, daß sich die einzelnen Tabakbauer auf das Maß ihres eigenen Bedarfs beschränken.
Diesem Antrage gemäß, gegen welchen nichts erinnert wurde, würde der Finanzminister das weitere verfügen8.
VI. Quartier- und Holzgeldbelassung für Johann Prechtl im Pensionsstande
Kam der Vortrag vom 26. April 1849, KZ. 1288, MR. 1451, wegen Pensionierung des Direktors des Wiener Polytechnikums J[ohann] Prechtl bezüglich einer im Ministerrate vom 1. Mai (Nr. XI) nicht erwähnten Begünstigung durch Verleihung eines Naturalquartier- und Holzdeputatsäquivalents zur Sprache.
Da solches den bestehenden Direktiven gemäß niemals bewilligt wird und der Finanzminister höchstens für eine Personalzulage stimmen zu können erklärte, so vereinigte|| S. 321 PDF || man sich in dem Antrage, diesem Pensionisten die ihm verbleibende Zulage von 1000 f. um 400 f. zu erhöhen, sohin ihm eine Zulage von 1400 f. zur normalmäßigen Pension zu bewilligen. Demgemäß ist auch der Entwurf der Ah. Entschließung zur Z. 1288/1849 abgefaßt worden9.
VII. Form der Erledigung der kroatischen Petition
Bezüglich der im Ministerrate vom 15. Mai 1849 sub Nr. IX besprochenen Erledigung der kroatischen Petition vereinigte man sich nach dem Antrage des Justizministersa in dem Beschlusse, vorderhand und bis in Ansehung der Anpassung der Landesverfassung Ungerns an die Reichskonstitution ein Operat ausgearbeitet sein wird, sich auf die Erklärung zu beschränken, daß das Ministerium im Einvernehmen mit dem Banus und den vom Lande abzusendenden Vertrauensmännern Sr. Majestät die geeigneten Vorschläge unterbreiten werde10.