Nr. 25 Ministerrat, Wien, 26. Februar 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Stadion, Krauß, Bach, Bruck nicht durchgehend anwesend (nur I und II), Thinnfeld, Kulmer
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Stadion, Krauß, Bach, Bruck (nur I und II), Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 27. 2.), Krauß 28. 6., Bach 28. 6., Bruck, Thinnfeld 27. 7., Kulmer 27. 6.
MRZ. 584 – KZ. 772 –
Protokoll, Wien, den 26. Februar 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix Schwarzenberg.
I. Russisches Darlehen
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß eröffnete dem Ministerrate, es liege ihm eine Erklärung vor, nach welcher die russische Regierung bereit ist, der österreichischen 40 Millionen Francs in fünfprozentigen französischen Renten gegen (etwa 16 Millionen) fünfprozentige österreichische Métalliques umzutauschen und die Zinsen von den österreichischen Papieren zu beziehen.1 Es frage sich nun, ob in das Geschäft einzugehen sei oder nicht. Nach der Ansicht des Finanzministers kommen hier zweierlei Rücksichten in Anschlag, a) die finanziellen und b) die politischen. Die ersteren, bemerkt Freiherr v. Krauß, lassen das Geschäft als günstig erscheinen. Es werden der österreichischen Regierung Papiere abgetreten, welche Zinsen in Konventionsmünze tragen, gegen Effekten, die nur Banknoten abwerfen, diese Papiere lassen sich ferner leicht und ohne Störung des Kurses verwerten. Entscheidend aber scheinen die politischen Rücksichten zu sein, ob man nämlich nicht befürchten müßte, daß Frankreich dadurch unangenehm berührt werde, und ob der Zustand von Frankreich der Art sei, daß man auf eine Stabilität rechnen könne und daß seine Papiere sich auf der jetzigen Höhe erhalten. Jetzt stehen sie ungefähr mit den unsrigen gleich. Diese 40 Millionen Francs würden übrigens nicht auf einmal in den Markt gebracht werden. Würde man sich für das Geschäft aussprechen, so müßte das Verhältnis sehr geheim gehalten werden und die österreichische Regierung nicht als Erwerberin erscheinen. Das Haus Hope hat für Rußland schon viele Geschäfte gemacht, durch dieses könnte es eingeleitet werden. Eine Vorsicht erscheine dabei aber notwendig, nämlich die russische Regierung zu dem Versprechen zu vermögen, daß sie nicht die ganze Summe sogleich verwerten wolle, indem ein solches Verfahren übel auf unsere Kurse wirken würde, sondern nur teilweise in einem oder zwei Jahren. Vorsicht erscheine auch deshalb notwendig, weil die öffentliche Meinung bei uns gegen Rußland gerichtet ist.
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten bemerkte hinsichtlich der politischen Verhältnisse Frankreichs, daß wohl niemand mit Bestimmtheit wissen könne, wie es in einem Monate stehen werde. Indessen, die französische Regierung habe an Festigkeit gewonnen, die Assemblée werde sich auflösen und die nächste Versammlung wird ohne Zweifel besser sein als die gegenwärtige. Sofern seien die Aussichten gut. || S. 139 PDF || Solange aber die Nationalversammlung nicht auseinandergegangen ist, könne man sich nicht verhehlen, daß noch immer Gefahr vorhanden ist. Der Minister des Äußern sprach übrigens seine Überzeugung aus, daß Rußland dieses Geschäft nicht dazu benützen werde, um Österreich in irgend einer Weise zu drücken. Rußland wolle sich Österreich gefällig und nützlich erweisen, denn sein Vorteil erfordere es, Österreich zu erhalten und dasselbe bis auf einen gewissen Grad mächtig zu sehen. Der Minister Ritter v. Bruck erklärte sich mit dem Finanzminister für die Abschließung des Geschäftes, welches, wie er meint, sich schnell werde abwickeln lassen. Gefahr sei keine dabei, einzelne Unruhen in Frankreich wirken nicht entscheidend, seien partiell und zwei Prozent dort oder bei uns auf und ab machen nicht soviel aus. Ein großer Vorteil sei der, daß wir dadurch eine anständige Summe Silber in das Land bringen, und daß unser Stand gegen Deutschland sich dadurch wesentlich verbessern wird. Der Minister des Inneren bemerkte, es sei allerdings möglich, aber nicht gewiß, daß die Russen die gedachte Summe nur in Teilbeträgen realisieren werden, worauf Ritter v. Bruck entgegnete, daß diese Gefahr keineswegs vorhanden sei, weil die Russen, wenn sie sonst wollten, auf mancherlei andere Art einen Druck gegen Österreich ausüben könnten. Der Justizminister Dr. Bach machte lediglich darauf aufmerksam, daß das Ministerium eine große Verantwortung für den Fall auf sich nehme, wenn die in der Rede stehende Spekulation mißlingen sollte. Man könne sich nicht verhehlen, daß der Kredit der Franzosen dermal schwankend sei, und daß die Verlegenheit groß wäre, wenn die 16 Millionen französischer Papiere nicht verwertbar wären. Dagegen wurde erinnert, daß jedes Darlehen und jedes derlei Geschäft mehr oder weniger eine Spekulation sei, bei welcher man sich im äußersten Falle die Chancen gefallen lassen müsse.
Da der Ministerrat im ganzen gegen den Antrag des Finanzministers im wesentlichen nichts zu erinnern fand, so wird der letztere nun das Nötige einleiten, daß in diesem Sinne das Geschäft mit Rußland abgeschlossen werde.2
II. Neues Anleiheprojekt
Hierauf besprach der Finanzminister das neue Anleihen, das er einzuleiten gesonnen ist.3 Er habe sich diesfalls mit Sina, Rothschild und anderen beraten und die Überzeugung erlangt, daß ein großes Anlehen (80 Millionen) nicht ratsam sei, weil a) dabei große Verluste in Aussicht ständen, und b) weil es unter den gegenwärtigen Umständen entweder gar nicht oder nur in sehr langen, der Finanzverwaltung wenig nützenden Raten ausführbar wäre. Ein mäßigeres Anlehen von etwa 30 Millionen könnte dagegen zustande gebracht werden. Was die Modalitäten des Anlehens betrifft, bemerkt Baron Krauß, daß die Kurse durch Einwirkung der Bankiers jetzt steigen, weil sie voraussetzen, daß diese Kurse zur Basis des Anlehens dienen werden. Um dieses zu paralysieren, sei ihm ein Modus angegeben worden, nicht diese Kurse zur Basis zu nehmen, sondern jene, die drei Tage vor den Einzeichnungen bestünden. Der Finanzminister findet in dieser Art keinen wesentlichen Unterschied. Eine andere ihm gemachte Andeutung sei die, das Anlehen mit einer Lotterie zu verbinden, jedoch nicht wie früher, wo Kapital und Zinsen zusammengenommen worden sind, sondern eine Prämienlotterie, || S. 140 PDF || nämlich vierprozentige Papiere ausgeben und zwei Prozent zur Prämie zu bestimmen. Auch mit dieser Modalität könnte sich Baron Krauß nicht einverstehen, er fände einen Widerspruch darin, und vier Prozent seien zu geringe Zinsen. Freiherr v. Krauß beabsichtiget, beide Arten zu vereinigen. Der Vorteil davon wäre, daß die Bank intervenieren könnte, sie würde das Geschäft ohne Provision besorgen oder diese käme wenigstens ihr zugute. Noch besser wäre es, wenn sich die Bank dabei beteiligte, weil für den Teil der Bank die Papiere leichter an Private angebracht werden könnten. Freiherr v. Krauß hat die Absicht, fünfprozentige Papiere hinauszugeben, gegen Erlag eines Teiles im Baren und eines Teiles in Métalliquesobligationen, z.B. für 400 f. neues Fünfprozent-Papier wären 300 f. im Baren und 100f. in Métalliques zu erlegen. Diese Papiere kämen zur Verlosung mit teilweiser Kapitalszurückzahlung. In den ersten fünf Jahren wären für jedes 100 f. 105 f., im sechsten Jahre 106 f., dann weiter 107 f., 108 f., 109 f. und 110f. zu entrichten. In der Folge würden die Zinsen wieder abnehmen, und der Finanzminister zeigte, in welcher Art dieses geschehen würde. Der Staat erhielte durch dieses Anlehen das Geld um fünf Prozent und einen Bruchteil. Für die Bank wäre das Geschäft vorteilhaft, weil sie mit den Obligationen zuwarten könnte, die Privaten würden für 382 f. 400 f. in Fünfprozent-Obligationen mit 420 f. rückzahlbar erhalten. Für jene, die ihr Kapital sicher anlegen wollen, ohne zu spekulieren, würde sich dieses Anlehen vorzüglich empfehlen und Baron Krauß meint, daß es Anwert finden werde. Der Unterstaatssekretär Baron Stifft, mit dem sich der Finanzminister gleichfalls besprach, machte bloß darauf aufmerksam, daß das Papier wenig lockend wäre. Dem könnte, meint Baron Krauß, dadurch abgeholfen werden, daß man das Verhältnis der Métalliques erhöht und z.B. für 300 f. im Baren und 150f. in Métalliques 450 f. in neuen Papieren gibt oder bei der ersten Einzahlung einen Rabatt von einigen Prozenten gewährt.
Der Minister Ritter v. Bruck bemerkte, daß, wenn die Möglichkeit vorhanden wäre, ein großes Anlehen zu guten Perzenten zu kontrahieren, er dafür wäre, allein dieses sei gegenwärtig nicht ausführbar. Bei niederen Kursen müsse einem geringeren Anlehen von 30 oder 40 Millionen entschieden der Vorzug eingeräumt werden. In dem jetzigen Zustande dürfe man nicht durch eine Kursfixierung der Zukunft vorgreifen. Wenn 300 f. im Baren und 150f. in Métalliques gegen 450 f. in fünfprozentigen Papieren zu haben sind, so käme das 100 f. auf ca. 95 f.
Der Minister Ritter v. Bruck erklärte sich übrigens mit dem Finanzminister einverstanden, und da die übrigen Mitglieder des Ministerrates gleichfalls nichts einzuwenden fanden, so wird Baron v. Krauß auf der obigen Basis weiter unterhandeln.4
III. Verpflichtung der Beamten zur Benützung der Eisenbahn bei Dienstreisen
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte die Benützung der Eisenbahnen von Seite der Beamten bei ihren ämtlichen Reisen zur Sprache. Bisher hatten die Beamten das Recht, auch in den Richtungen, wo Eisenbahnen bestehen, Pferde für ihre Reisen aufzurechnen. Dieses ist noch nicht abgestellt. Da aber solche Aufrechnungen dem Staate viel größere Auslagen verursachen als die Fahrkosten der Eisenbahn betragen, so wäre nun auszusprechen, daß die Beamten in den Richtungen, wo Eisenbahnen || S. 141 PDF || bestehen, sich bei ihren dienstlichen Reisen dieser Gelegenheit zu bedienen haben. Auf der Eisenbahn bestehen drei Klassen, nämlich eine erste, zweite und dritte Klasse. Bis zu der Diätenklassen, welcher gestattet ist, vier Pferde aufzurechnen, wäre die erste Klasse der Eisenbahn zu gestatten, auch wäre den Beamten, die bisher drei, vier und sechs Pferde aufrechnen durften, ein Bedienter in der Eisenbahn zu passieren, weil sie ihn früher in dem eigenen Wagen auch mitnehmen konnten.
Nach diesen Grundsätzen will Baron Krauß das Nötige verfügen, wogegen sich keine Erinnerung ergab5.a
IV. Aufenthalt der russischen Truppen in Siebenbürgen
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten eröffnete über eine Anfrage des Ministers Dr. Bach, daß nach einer ihm zugekommenen amtlichen Mitteilung die in Kronstadt und Hermannstadt eingezogenen russischen Truppen (10.000 Mann) nur so lange dort verbleiben, als wir es wollen, und gleich fortziehen, sobald wir es wünschen.6
V. Landesverfassung für Niederösterreich
Schließlich wurde ein Elaborat über die Organisierung und Verfassung des Landtages im Erzherzogtume Niederösterreich von dem Justizminister Dr. Bach vorgelesen, worüber es jedoch, so wie über die nachgefolgte Besprechung über einige noch zu vereinbarende Paragraphen des Gemeindegesetzes, zu keinem Beschlusse kam. Diese Gegenstände werden demnach noch weiteren Verhandlungen vorbehalten.7
Wien, den 27. Februar 1849. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 28. März 1849.