Nr. 15 Ministerrat, Olmütz, 12. Jänner 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; anw.anwesend Schwarzenberg, Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Cordon, Thinnfeld; BdE.Bestätigung der Einsicht Krauß 23. 4., Bach 24. 4., Bruck, Thinnfeld, Kulmer; abw.abwesend Kulmer.
MRZ. 525 – KZ. fehlt –
- I. Holländische Schiffe und Seeoffiziere für die österreichische Kriegsmarine
- II. Ernennung des FML. Anton Ritter v. Martini zum Gesandten am neapolitanischen Hofe; Überlassung neapolitinascher Kriegsdampfschiffe der österreichischen Kriegsmarine
- III. Militärangelegenheiten in Siebenbürgen
- IV. Abberufung des galizischen Gouverneurs Wenzel Ritter v. Zaleski; Berufung des galizischen Vizepräsidenten Agenor Grafen Gołuchowski an seine Stelle
- V. Dienstentlassung des ehemaligen Gouverneurs von Venedig Grafen Aloys Pálffy
- VI. Stellung der Protestanten
- VII. Pensionierung des Ministerialrates Joseph Witteczek
- VIII. Behandlung der ungarischen Banknoten
- IX. Errichtung von Bergschulen in Vordernberg und Příbram
Protokoll der zu Olmütz am 12. Jänner 1849 in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers abgehaltenen Sitzung des Ministerrates.
I. Holländische Schiffe und Seeoffiziere für die österreichische Kriegsmarine
Der Ministerpräsident eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung, Graf Károlyi habe aus Holland berichtet, es biete sich eine Gelegenheit dar, daselbst eine Fregatte von 54 Kanonen um den Preis von 600.000 fl. für die österreichische Marine zu erwerben; ein Ankauf, der in jeder Hinsicht nur vorteilhaft genannt werden könne1. Auch habe sich die holländische Regierung bereit erklärt, an Österreich die benötigten Marineoffiziers, mit Einschluß eines Konteradmirals, zeitweise zu überlassen, unter Vorbehalt ihres Rücktrittes in die holländische Kriegsmarine. Diese Offiziers würden in unserer Marine im Rang und Gebühr um einen Grad höher gestellt und für den Marineoberkommandanten die angemessene Gebühr ausgemittelt werden. Auch wäre zu trachten, einen tüchtigen Schiffsbaumeister zu gewinnen2.
Diesen Anträgen wurde allseitig beigestimmt, und Fürst Schwarzenberg wird sofort die entsprechenden Weisungen an Graf Károlyi ergehen lassen3.
II. Ernennung des FML. Anton Ritter v. Martini zum Gesandten am neapolitanischen Hofe; Überlassung neapolitinascher Kriegsdampfschiffe der österreichischen Kriegsmarine
Der Minister des Äußern trug hierauf eine soeben von dem neapolitanischen General Filangieri erhaltene konfidentielle Mitteilung vor, wonach das dortige Kabinett die Akkreditierung eines österreichischen Gesandten wünscht, sowohl um die gemeinschaftliche Intervention zugunsten des Papstes zu verabreden, als auch überhaupt, um das Bündnis beider Staaten auf der Grundlage der früheren Verhältnisse enger zu knüpfen. Ein Teil dieser Aufgabe wird dem bereits auf der Reise zu Sr. Heiligkeit begriffenen Grafen Esterházy zufallen4. Zum Gesandten am neapolitanischen Hofe aber wäre definitiv || S. 94 PDF || der FML. v. Martini zu bestimmen, welcher die nötigen Eigenschaften zu diesem Posten besitzt, bei der k.k. Marine disponibel geworden ist und in seiner Eigenschaft als Militär dem ausdrücklichen Wunsche des Königs von Neapel entsprechen würde. Der König hat sich auch bereit erklärt, seine eigenen Kriegsdampfschiffe für die Operationen der österreichischen Marine zur Verfügung zu stellen, ein Vorschlag, der nur sehr erwünscht kommen kann.
Die Anträge des Ministers Fürsten Schwarzenberg wurden einstimmig angenommen5.
III. Militärangelegenheiten in Siebenbürgen
Der Ministerpräsident teilte den Inhalt eines aus Siebenbürgen erhaltenen Berichts mit, wonach die dortigen militärischen Angelegenheiten eine für die gute Sache immer nachteiligere Wendung nehmen, Oberst Urban nach der Bukowina zurückgedrängt wird, und die überlegene magyarische Streitmacht unter General Bem mit einem Einfalle nach Galizien droht. In Anbetracht dieser gefährlichen Lage und der geringen Zahl der k.k. Truppen in Siebenbürgen wird selbst darauf hingedeutet, den Beistand der dort an der Grenze stehenden russischen Truppen in Anspruch zu nehmen6. Fürst Schwarzenberg erklärte sich umso mehr gegen die Anwendung dieses bedenklichen Auskunftsmittels, als die in Galizien oder der Bukowina einfallenden rebellischen Scharen dort gar keine Sympathien finden werden, und als Baron Hammerstein in den ihm zu Gebote stehenden Truppen die Mittel finden wird, allfällige Angriffe zurückzuweisen und den Oberst Urban sowie FML. Baron Puchner zu unterstützen7.
IV. Abberufung des galizischen Gouverneurs Wenzel Ritter v. Zaleski; Berufung des galizischen Vizepräsidenten Agenor Grafen Gołuchowski an seine Stelle
Der Minister des Inneren stellte die Notwendigkeit dar, in der Person des Landeschefs von Galizien eine Veränderung vorzunehmen8. Der Gouverneur v. Zaleski besitze viele schätzenswerte Eigenschaften und sei ein redlicher Mann, aber zu sehr von den polnischen nationalen Ideen und Gefühlen durchdrungen, um unter den gegenwärtigen schwierigen Verhältnissen die politische Administration dieser Provinz in einem den Interessen der Gesamtmonarchie ganz entsprechenden Geiste mit der nötigen Energie zu leiten. Graf Stadion würde daher vorschlagen, den dermaligen Vizepräsidenten zu Lemberg, Grafen Agenor Gołuchowski, welcher seine Talente, Gesinnung und Energie bei mehreren Anlässen rühmlich bewährt hat und bei den Ruthenen beliebt ist, zum Landeschef zu ernennen und ihm nebst dem Gehalte von 8000 f. eine Funktionszulage im gleichen Betrage zu bewilligen, Zaleski aber vorderhand zu quieszieren.
Mit der Ernennung des Grafen Gołuchowski waren sämtliche Minister einverstanden. Was aber die Quieszierung des v. Zaleski betrifft, welche immerhin für denselben eine unverdiente Kränkung in sich schließen würde, vereinigte man sich nach längerer Diskussion zu dem Antrage, daß diese Maßregel nicht einzutreten hätte und Zaleski vorderhand auf die durch die Pensionierung des Sektionschefs v. Weingarten offen werdende Stelle im Ministerium des Inneren zu versetzen wäre.
|| S. 95 PDF || Graf Stadion wird diese Anträge des Ministerrates mittelst eines besondern au. Vortrages der Ah. Sanktion unterziehen9.
V. Dienstentlassung des ehemaligen Gouverneurs von Venedig Grafen Aloys Pálffy
Der Minister des Inneren eröffnete, die Akten der Untersuchung über die Schuld des ehemaligen Gouverneurs Grafen Pálffy an dem Falle Venedigs seien von einer eigens dafür zusammengesetzten Kommission (Sektionschef Baron Buol, die Ministerialräte v. Fölsch und Klezansky, der Rat des Obersten Gerichtshofes Raule und der Reichstagsabgeordnete Dr. Gredler) geprüft und ihr Gutachten dahin abgegeben worden, Graf Pálffy könne von Schuld nicht freigesprochen werden, doch bestünden zu seinen Gunsten auch mehrere Milderungsumstände, sodaß die Kommission darauf antragen müsse, ihn seines Gouverneurpostens definitiv zu entheben und ihm gleichzeitig die normalmäßige Pension anzuweisen10. Der Minister des Inneren kann sich mit diesem Antrage nicht vereinigen. Graf Pálffy hat sich schwere Unterlassungssünden zuschulden kommen lassen, welche die nachteiligsten Folgen auf sich zogen. Seine Schwäche und seine Untätigkeit sind vor den Augen von ganz Europa enthüllt worden. Graf Stadion müsse also hier auf Anwendung von Strenge antragen und würde glauben, daß die Dienstesentlassung zu verfügen wäre. Wenn einmal diese Strafe Allerhöchstenorts ausgesprochen ist, bleibt es dem Grafen Pálffy unbenommen, von der Ah. Gnade einen jährlichen Beitrag zu erflehen, dessen er in Ermangelung eines Vermögens allerdings bedarf.
Im Verlaufe der hierüber stattgefundenen Beratung entwickelte der Finanzminister Baron Krauß seine Ansicht im wesentlichen folgendermaßen: a) Graf Pálffy hat sich zwar keines Verbrechens, denn hiezu gehört böse Absicht, wohl aber eines groben Dienstvergehens durch außerordentliche Vernachlässigung seiner Dienstesobliegenheiten schuldig gemacht. Er ist Allerhöchstenorts zum Gouverneur ernannt, und der Ausspruch über dessen Entlassung kann nur Allerhöchstenorts erfolgen. Für die zur Sprache gebrachte Verweisung des Ausspruchs an eine Gerichtsbehörde könne Baron Krauß umso weniger stimmen, als man im Publikum darin nur einen Ausweg erblicken würde, um den Grafen Pálffy der verdienten Disziplinarstrafe zu entziehen. b) Es sei allerdings wünschenswert, über das Schicksal der beiden Mitschuldigen Pálffy und Zichy zugleich die Entscheidung fällen zu sehen. Allein, da die vor den Militärgerichten anhängige Untersuchung des letzteren sich sehr in die Länge zieht, so müsse man wohl darauf verzichten11. c) Pálffy ist aber nicht nur straffällig, sondern auch ersatzpflichtig für die wesentlichen Verluste, welche er dem Ärar und den Privaten zugezogen hat. Über diese Ersatzpflicht kann jedoch nicht im administrativen Wege entschieden werden, sondern es wäre darüber den Gerichtsbehörden die Amtshandlung zu überlassen.
|| S. 96 PDF || Man vereinigte sich sofort zu dem au. Antrage, Se. Majestät wollen geruhen auszusprechen, „daß Graf Pálffy wegen seiner Dienstesvernachlässigungen des Dienstes zu entlassen sei und über die Frage, ob er eine Entschädigung zu leisten habe, die Behörden ihr Amt zu handeln haben.“ Graf Stadion wird in diesem Sinne einen Vortrag au. erstatten12.
VI. Stellung der Protestanten
Der Minister des Inneren entwickelte (im Nachhange zu mehreren früheren Beratungen des Ministerrates über denselben Gegenstand) seine Anträge über die zu treffenden Änderungen in der Stellung der Protestanten und Kalvinisten in den deutschen Provinzen13.
Die Wünsche der sogenannten Akatholiken zerfallen in zwei Hauptteile a) Zugeständnisse, welche mit den Rechten und Satzungen der katholischen Kirche im Zusammenhange stehen, und b) Zugeständnisse anderer Art. Die Zugeständnisse unter a), wohin vorzüglich die Bestimmungen über Mischehen und die religiöse Erziehung der daraus entsprungenen Kinder gehören, wären vorläufig einer Verhandlung mit dem Heiligen Stuhle zu unterziehen, der sich zu deren Sanktion umso eher herbeilassen dürfte, als man für diese Konfessionen nur dieselben Rechte erwirken will, welche der letze Papst Gregor bereits mittelst Breve den Protestanten in Ungarn eingeräumt hat. Über die Zugeständnisse ad b) wäre nach dem Antrage des Grafen Stadion schon jetzt eine Vorschrift zu erlassen, deren Entwurf er verlas, und der auch mit kleinen Modifikationen der Textierung angenommen wurde. Bei Kundmachung dieser Vorschrift wäre zur Beruhigung der augsburgischen und helvetischen Konfessionsverwandten zugleich auszusprechen, daß über die Verhältnisse derselben, welche zur Kategorie a) gehören, die Entscheidung später folgen werde.
Graf Stadion wird den Entwurf der diesfälligen Kundmachung mittelst besonderen Vortrags der Ah. Sanktion unterziehen14.
VII. Pensionierung des Ministerialrates Joseph Witteczek
Der Finanzminister Baron Krauß erhielt hierauf die Zustimmung des Ministerrates zu dem in einem nächstens zu erstattenden Vortrage zu stellenden Antrag wegen Pensionierung des Ministerialrates im Finanzministerium Joseph Witteczek unter Belassung seines vollen Gehalts15.
VIII. Behandlung der ungarischen Banknoten
Der Finanzminister brachte hierauf aus Anlaß einer vom Feldmarschall Fürsten Windischgrätz an den Ministerpräsidenten erlassenen Zuschrift die Behandlung der ungarischen Banknoten zur Sprache16. Gegenwärtig sei es kaum möglich, mit der nötigen || S. 97 PDF || Umsicht einen Beschluß über diesen wichtigen Punkt zu fassen, da man den Umfang der Notenemission und die Modalitäten ihrer Verteilung noch nicht genau kennt und selbst darüber nicht im klaren ist, ob die Hinausgabe der 2-Gulden Noten die Sanktion des Palatins erhalten hat. Der Gegenstand habe überdies nebst der rechtlichen und finanziellen auch noch eine politische Seite, denn in dem gegenwärtigen Augenblicke, wo noch ein Teil Ungarns in der Macht der Rebellen ist und die Noten sich in den Händen aller Volksklassen, bis zum gemeinen Mann herab, befinden und Kredit genießen, würde ein Ausspruch über deren völlige oder teilweise Entwertung ungeheure Verluste bei Privaten nach sich ziehen und eine gefährliche Aufregung hervorbringen.
Es wurde unter diesen Umständen nach dem Antrage des Fürsten Windischgrätz beschlossen, dermal in die Frage über die Gültigkeit der Noten gar nicht einzugehen, sondern sich darauf zu beschränken, dieselben von der Annahme bei öffentlichen Kassen auszuschließen und ihnen keinen Zwangskurs im Privatverkehre zuzuerkennen17.
IX. Errichtung von Bergschulen in Vordernberg und Příbram
Der Minister für Landeskultur und Bergwesen beleuchtete das vorhandene Bedürfnis praktischer Bergschulen in Österreich, da die Akademie zu Schemnitz, wo zum Überfluß jetzt die Vorträge in ungarischer Sprache gehalten werden, dem Bedarfe keineswegs genüge18. Ritter v. Thinnfeld brachte sofort in Antrag, zwei derlei montanistische Lehranstalten mit vorwaltend praktischer Tendenz in den deutschen Provinzen zu errichten, und zwar die eine zu Vordernberg in Steiermark, wobei es nur darauf ankäme, ein daselbst befindliches ständisches Institut dieser Art, welches bereits wesentlich genützt hat, auszubilden und zu erweitern. Die zweite Anstalt wäre zu Přibram in Böhmen zu errichten, woselbst in den Gruben und Hütten alle Mittel zur gründlichen praktischen Ausbildung von Bergleuten geboten sind19. Das Personal jedes dieser Institute hätte aus einem Direktor, zwei Professoren und zwei Assistenten zu bestehen. Die Bezüge der Direktoren wären mit 2000 fl. Gehalt (Vorrückung auf 2500 fl.), die der Professoren mit 1500 fl. (Vorrückung auf 2000 fl.) und die der Assistenten in 500 bis 600 fl. zu bemessen. Auf Nebenauslagen für Sammlungen, Apparate, Experimente, montanistische Exkursionen und Herausgabe eines technischen Journals wären für jedes Institut 5000 fl. jährlich zu bewilligen. Die Gesamtauslage würde sich anfangs auf 22.000 fl. jährlich im ganzen stellen und in dem zu erwartenden Nutzen durch Gewinnung praktisch gebildeter Berg- und Hüttenmänner für den Betrieb der vielen Staats- und Privatbergwerke, Hütten, Hochöfen etc. überwiegende Vorteile gewähren.
Diese Anträge wurden von dem Ministerrate einstimmig angenommen, und Ritter v. Thinnfeld behält sich die Erstattung eines au. Vortrages über diesen Gegenstand vor20.