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Nr. 14 Ministerrat, Kremsier, 9. Jänner 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; anw. Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Cordon, Thinnfeld; BdE. (Schwarzenberg 11. 1.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4. Bruck, Thinnfeld, Kulmer.

MRZ. 524 – KZ. fehlt –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Kremsier am 9. Jänner 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten zu Schwarzenberg.

I. Besetzung des Lemberger Erzbistums

Der Minister des Inneren trug vor den Besetzungsvorschlag des Landeschefs von Galizien für das Erzbistum von Lemberg.

Da keiner der Vorgeschlagenen für den Posten vollkommen geeignet erscheint, so wird der Minister nach Andeutung des Freiherrn v. Krauß weitere Nachforschungen über geeignete Kandidaten, etwa aus dem Stande der Pfarrer, einleiten1.

II. Behandlung der nach Galizien geflüchteten ungarischen Aufständischen

Derselbe referierte über eine Anfrage des Lemberger Gouverneurs, was mit den aus Ungern geflüchteten Teilnehmern an der dortigen Insurrektion zu geschehen habe.

Graf Stadion gedächte die Antwort dahin zu erteilen, sie seien nach den bestehenden Gesetzen zu behandeln, und der Justizminister setzte hinzu, daß, wenn solche Flüchtlinge en masse kämen, eine Sichtung derselben vorgenommen, die minder Beinzichtigten entlassen, die schwerer Beschuldigten aber (insofern sie nicht Galizianer sind, welche, wie Baron Krauß meinte, im Lande zu behalten wären) an die in Ungern zu errichtenden Militärgerichte abgeliefert werden sollten2.

Bei dieser Gelegenheit erinnerte der Ministerpräsident , daß er auf eine ähnliche Anfrage von Seite des k.k. Konsuls in Odessa bezüglich der von den Okkupationstruppen in den Fürstentümern Moldau und Walachei gefangenen, nach Odessa abgeführten Polen die Antwort dahin erteilt habe, daß eine Reklamierung derselben nicht stattfinde, vielmehr deren Behandlung der dortigen Regierung zu überlassen sei3.

III. Abberufung des galizischen Gouverneurs Wenzel Ritter v. Zaleski; Berufung des galizischen Vizepräsidenten Agenor Graf Gołuchowski an seine Stelle

Der Minister des Inneren trug weiters das Einschreiten des Kommandierenden von Galizien um Abberufung des Gouverneurs Zaleski von seinem Posten vor und sprach sich für dessen Genehmigung mit dem Bemerken aus, daß dieser sonst tüchtige und redliche, aber wegen seiner Vorliebe für die polnische Nationalität auf seinem gegenwärtigen Posten nicht entsprechende Landeschef daselbst durch den Vizepräsidenten Gołuchowski zu ersetzen und in Anbetracht seiner sonstigen Verwendbarkeit für die durch Wickenburgs Beurlaubung erledigte Gouverneurstelle in Steiermark zu bestimmen wäre4.

Der Minister wird demgemäß mit Zustimmung des Ministerrates den Vortrag an Se. Majestät erstatten5.

IV. Duldung Leopold Häfners in Wien

Meldung des Gouverneurs von Wien FML. Baron Welden, daß der berüchtigte Häfner, seiner Haft entlassen, in Wien ankommen werde, mit der Anfrage, ob derselbe nicht von da weggewiesen werden solle.

Nachdem diese Maßregel gegen Häfner, einen geborenen Wiener, nicht anwendbar ist, er auch bei etwaigen Übergriffen dem Gesetze verfallen würde, so glaubte der Ministerrat hierauf nicht eingehen zu können6.

V. Interimistische Verwaltungsorganisation Ungarns

Anträge des Freiherrn v. Kübeck zur interimistischen Organisierung der Verwaltung im Königreiche Ungern unter militärischer Oberleitung7.

Diese wären dem Feldmarschall Fürsten Windischgrätz zur Vergutachtung mitzuteilen und derselbe zugleich aufzufordern, wegen Beseitigung der bestehenden Übelstände in Ansehung der Suprematie der magyarischen Sprache nach dem Antrage des Justizministers unverweilt die geeigneten Maßregeln einzuleiten oder vorzuschlagen, jedoch, wie der Finanzminister hinzusetzte, mit der gehörigen Vorsicht, damit das Prinzip der Gleichberechtigung der Nationalitäten auch in Ansehung der Magyaren nicht beeinträchtigt werde. Und da Baron Kübeck in seinem Vortrage von der Voraussetzung ausgeht, das Ministerium beabsichtige die Verwerfung der ungrischen Konstitution, so || S. 89 PDF || meinte der Handelsminister noch, es sei dem Fürsten zu erklären, daß diese Voraussetzung nicht bestehe8.

VI. Unruhen im Salzburgischen anläßlich der Verhaftung zweier Wilddiebe

Bericht des obderennsischen Landeschefs über einen aus Anlaß der Arretierung zweier Wilddiebe im Salzburgischen vorgefallenen Exzeß, wobei die Verhafteten gewaltsam befreit und dieser Vorgang damit entschuldigt wurde, daß die Beteiligten durch die Äußerung eines Reichstagsabgeordneten, die Jagd sei nun frei, in Irrtum geführt worden seien9.

In letztrer Beziehung wurde nun zwar die vom Landeschef beantragte Belehrung der Irregeleiteten auch vom Ministerrate für notwendig erkannt, allein darum die Wilddiebe und die Exzedenten straflos durchkommen zu lassen, ginge nach dem Erachten des Justizministers nicht an, vielmehr wäre die Untersuchung gegen die erstern aufrechtzuerhalten, gegen die Rädelsführer der letztern aber sofort einzuleiten, zu welchem Ende der Minister des Inneren den Gegenstand dem Justizminister zur weitern Verfügung abtreten wird10.

VII. Entwurf des provisorischen Jagdgesetzes

Der Minister für Landeskultur übergab den Entwurf eines provisorischen Jagdgesetzes11. Von der Voraussetzung ausgehend, daß durch die in dem Gesetze vom 7. September 1848 ausgesprochene Entlastung des Grundbesitzes das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden aufgehoben sei, glaubte der Minister im Interesse der Erhaltung des Wildstandes und mit Beachtung der bei der Ausübung des Jagdrechts eintretenden polizeilichen Rücksichten folgende Grundzüge des neuen Jagdgesetzes in Antrag bringen zu sollen: In Tiergärten, eingefriedeten Gründen, dann auf einem Besitzer gehörigen Flächen von 200 Joch Feld oder 500 Joch Wald steht das Jagdrecht dem Grundeigentümer zu. Auf allen kleineren Parzellen (vorbehaltlich des k.k. Leibgeheges, in Ansehung dessen eine besondre Vorschrift erteilt werden soll) übergeht das Jagdrecht auf die Gemeinde, welche dasselbe entweder durch einen eigens bestellten Jäger oder durch einen Pächter auszuüben hat. Der Ertrag der Gemeindejagd wird zugunsten der Besitzer der zum Jagdbezirke gehörigen Grundstücke in der Art verwendet, daß denselben ihre Tantiemen bei den Gemeindeauflagen zugute gerechnet werden.

Gegen diese Grundsätze ergaben sich bei der Debatte einige Bedenken. Zuvörderst bezweifelte der Finanzminister die unbedingte Richtigkeit der Voraussetzung, daß durch das Gesetz vom 7. September 1848 das Jagdrecht auf fremden Grund und Boden aufgehoben worden sei, nachdem darin nicht alle Beschränkungen des Grundbesitzes, namentlich nicht die Servituten unter den aufgehobenen Lasten aufgeführt sind. Weiters fand der Minister des Inneren es bedenklich, das Jagdrecht, welches nicht || S. 90 PDF || immer ein obrigkeitliches, sondern häufig ein titolo oneroso erworbenes Privatrecht ist, den bisherigen Besitzern zu entziehen und auf andere zu übertragen, welche, wie auch der Ministerpräsident bemerkte, gar keinen Anspruch darauf haben. In dieser Rücksicht müßte sich insbesondere gegen die Verteilung des Jagdertrags der der Gemeinde zuzuweisenden Bezirke an die einzelnen Grundbesitzer derselben erklärt werden. Der Minister der Landeskultur suchte zwar diese Bestimmungen durch die Betrachtung zu rechtfertigen, daß das auf einem Grunde vorhandene Wild dem Eigentümer des Grundes gehöre und daß den bisherigen Jagdinhabern für das ihnen entzogene Recht die Entschädigung nach den über die Ablösung der Grundlasten hinauszugebenden Bestimmungen vorbehalten bleibe.

Allein, die Minister des Inneren, der Finanzen und der Justiz vereinigten sich in der Ansicht, daß mit Beseitigung aller Entscheidung über das Jagdrecht selbst und den Ertrag desselben sich nur auf die polizeiliche Normierung der Ausübung der Jagd von Seite der Regierung eingelassen werden könne. Hiernach würde die Ausübung der Feldjagd ohne Rücksicht auf das Ausmaß der Grundflächen den Gemeinden aus polizeilichen Rücksichten zu übertragen sein.

Anders verhält es sich mit den Waldungen. Dort gebieten außer den allgemeinen auch noch die besonderen Forstpolizeirücksichten besondere Bestimmungen, so daß es keinem Anstande unterläge, dem Besitzer einer größeren Waldfläche die Ausübung der Jagd auf derselben zu überlassen. Für eingefriedete Grundflächen ist eine Regulierung der Jagdausübung nicht erforderlich. Die aus der Zuweisung der Jagdausübung an die Gemeinden oder an einzelne Waldbesitzer entspringenden Entschädigungsansprüche bleiben den bisher Berechtigten natürlich vorbehalten.

Mit diesen Grundsätzen vereinigten sich sofort auch die übrigen Minister, nur in Ansehung des Ausmaßes der zur eigenen Jagd zuzuteilenden Waldflächen ergab sich eine Differenz, indem die Minister des Inneren und der Finanzen sich nur für 200 Joch erklärten, während die übrigen, also mehreren Stimmen sich für die Beibehaltung der vom Minister für Landeskultur angetragenen 500 Joch aussprachen.

Außerdem wurde vom Justizminister auf die Notwendigkeit hingewiesen, für die Beobachtung des Jagdgesetzes durch eine Strafsanktion auf Übertretungen desselben Sorge zu tragen, und insbesondere rücksichtlich der Wilddiebstähle auf die bestehenden Strafgesetze zu verweisen. Auch erklärte sich dieser Minister gegen jede Beschränkung der Jagdpachtvertragsdauer.

Schließlich vereinigte sich der Ministerrat in dem Beschlusse, daß über den Erfolg des nach diesen Grundsätzen hinauszugebenden Jagdgesetzes nach drei Jahren von den Länderchefs Bericht abgefordert werde.

Der Minister für Landeskultur behält sich vor, demgemäß an Se. Majestät Vortrag zu erstatten12.

VIII. Einführung der Einkommensteuer

Der Finanzminister erbat sich die Ermächtigung seines bereits in mehreren Konferenzen beratenen Gesetzvorschlags wegen Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer13. || S. 91 PDF || Er hält denselben für dringend notwendig, weil die immer steigenden Staatsbedürfnisse eine Erhöhung des Staatseinkommens erheischen und er kein anderes Mittel kennt, diesen Anforderungen zu genügen. Er hält aber auch den gegenwärtigen Moment zur Einbringung des Vorschlags für den geeignetsten, weil die allgemeine Meinung sich für die Einführung einer Einkommensteuer ausgesprochen, er selbst auch hierwegen bereits im Reichstage die vorläufige Ankündigung gemacht hat und der günstige Umstand eintritt, daß eben jetzt ein großer Teil der Steuerpflichtigen durch das Patent vom 7. September 1848 in seinen Lasten wesentlich erleichtert worden ist.

Der Justiz- und der Handelsminister erklärten sich, abgesehen vom finanziellen Standpunkte, aus politischen Rücksichten gegen die sofortige Einbringung dieses Gesetzvorschlags. Sie besorgen, daß bei der Höhe des Steuersatzes, der auf dem Grundbesitze lastet, eine weitre Erhöhung desselben mittelst der Einkommensteuer eine unerschwingliche Last und dadurch der Grund zum Mißvergnügen und zur Aufregung sein würde, welche im gegenwärtigen Augenblicke, wo das Land in der Konstituierung begriffen ist, zu den bedenklichsten Folgen führen würde.

Allein, das dringende Gebot der Notwendigkeit einer Erhöhung des Staatseinkommens, die vom Ministerpräsidenten gemachte Bemerkung, daß die politische Zweckmäßigkeit dieser Steuer der Reichstag zu vertreten haben werde, endlich die Aufklärung des Finanzministers , daß der Grundbesitzer die Einkommensteuer von den Zinsen der auf seinem Besitztume haftenden Kapitalien dem Gläubiger abzuziehen berechtigt ist, dann die Erklärung des Ministers, daß er bereit sei, von dem ursprünglich beantragten Ansatze mit 33 auf 25% herabzugehen, bestimmten den Ministerrat, in die Einbringung des gedachten Gesetzvorschlags beim Reichstage zu willigen, wobei übrigens die Minister der Justiz und des Handels eine besondere Berücksichtigung der Städte, insbesondre Wiens, wo die Wirkungen des Patents vom 7. September minder fühlbar und die Verhältnisse weniger günstig sind, empfehlen zu sollen erachteten14.

IX. Erhöhung der Verzehrungssteuer für Branntwein

Der Finanzminister machte den vom Ministerrate auch angenommenen Vorschlag, die A[h]. genehmigte Erhöhung der Verzehrungssteuer vom Branntwein mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse Galiziens, welches vorzugsweise dadurch hart betroffen werden würde, nicht sogleich, sondern erst im nächsten Jahre ins Leben treten zu lassen und hiernach dem Reichstage die Vorlage zu machen15.

X. Ahndung eigenmächtiger Veröffentlichungen über Amtssachen oder persönlichen Dienstangelegenheiten durch Beamte

Ebenderselbe Minister machte aus Anlaß eines speziellen Falles, wo ein Kameralbeamter eine in seiner persönliche Angelegenheit seinem Vorgesetzten übergebene Vorstellung durch die Zeitung veröffentlichte, den Antrag, im allgemeinen jede eigenmächtige Veröffentlichung von Amtssachen oder persönlichen Dienstangelegenheiten von Seite eines Beamten für ein Dienstvergehen zu erklären und als solches zu ahnden16.

Der Ministerrat, hiermit einverstanden, überließ es den einzelnen Ministern, hiernach in ihren Departements die erforderliche Verfügung zu treffen. Nur der Justizminister äußerte das Bedenken, daß die Bestrafung eines Beamten wegen eines solchen Vorgangs ohne förmlichen Prozeß nicht stattfinden könne, wogegen jedoch der Finanzminister erinnerte, daß auch er eine derlei Bestrafung ohne vorausgegangene Untersuchung und Erkenntnis nicht gemeint habe17.

Kremsier, am 11. Jänner 1849. F. Schwarzenberg. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph.