Nr. 262 Ministerrat, Wien, 29. September 1862 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 1. 10.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw.abwesend Pratobevera, Wickenburg, Burger; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 9. 10.
MRZ. 1067 – KZ. 3026 –
Protokoll des zu Wien am 29. September 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Steuererhöhung auf ein oder drei Jahre
Im Finanzausschusse des Abgeordnetenhauses macht sich die Ansicht geltend, daß sämtliche Erhöhungen der am 26. Februar 1861 bereits bestandenen direkten Steuern von Jahr zu Jahr durch die Regierung beim Reichsrate in Anspruch genommen || S. 205 PDF || und bewilligt werden müssen1. Se. k. k. apost. Majestät geruhten Allerhöchst Ihre Minister aufzufordern, sich zu äußern, welche Haltung die Regierung in dieser Angelegenheit zu beobachten hätte.
Der Finanzminister referierte über die diesfälligen Verhandlungen im Schoße des Finanzausschusses mit dem Beifügen, daß er in der Verfassung vom 26. Februar keinen Stützpunkt für die Meinung zu finden vermöge, daß solche Steuererhöhungen alljährlich im verfassungsmäßigen Wege neu angeordnet werden müßten. Bei der neuen Branntweinsteuer habe man auch im Gesetze durchaus keine zeitliche Beschränkung ausgesprochen2. Um jedoch dieser allerdings disputablen Frage dermal auf eine Art aus dem Wege zu gehen, wobei das Prinzip unpräjudiziert bliebe, gebe es einen Weg: nämlich, wenn die Regierung selbst nicht die ader Zeit nacha unbegrenzte Erhöhung der direkten Steuern in Anspruch nimmt, sondern dieselbe nur auf etwa drei Jahre — bis 1865 — begehrt. Die plausible Motivierung des dergestalt begrenzten Anspruches werde keiner Schwierigkeit unterliegen.
Der Staatsratspräsident findet gleichfalls, daß in den Bestimmungen der Verfassung keine Nötigung zur bloß einjährigen Bewilligung von Steuererhöhungen gelegen sei. Andererseits könne man der Reichsvertretung das Recht nicht absprechen, ihre Zustimmung zur Steuererhöhung bloß auf ein Jahr zu beschränken, da ja der Reichsrat selbst gegen jede Erhöhung einer bestehenden Steuer Verwahrung einlegen kann (§ 10)3. Der ungarische Hofkanzler würde es rätlich halten, daß von Regierungs wegen die Erhöhung bloß auf ein Jahr in Anspruch genommen würde, indem durch das Verlangen einer dreijährigen Erhöhung der Prinzipienstreit hervorgerufen wird, der zu einer langen leidenschaftlichen Diskussion und dazu führen dürfte, daß die Regierung in der Minorität bleibt. Durch die vorläufige Beschränkung auf ein Jahr werde derselbe finanzielle Zweck erreicht und das Prinzip gerettet. Der Staatsminister , von dem die Idee, die Steuererhöhung auf ein Triennium zu begehren, ausging, glaubt dagegen hoffen zu können, daß ein darauf gerichteter Antrag die Majorität erhalten werde. Wer nicht seine Augen verschließen will, müsse einsehen, daß zur Beseitigung des Defizits und des Silberagios die Fortdauer der Steuererhöhung durch wenigstens drei Jahre unumgänglich sei, so wie auch ein umsichtigerb Finanzplan nicht entworfen werden kann, wenn der Minister nicht weiß, auf welche Steuereinnahme er binnen der nächsten Jahre rechnen kann. Andererseits wird die auf drei Jahre beschränkte Bewilligung den Steuerträgern die Beruhigung gewähren, daß die Erhöhung nicht durch alle Zukunft fortbestehen werde. Endlich dürfte auch die Hinweisung auf den „parlamentarischen Musterstaat“, England, Eindruck machen, woselbst die neue Einkommensteuer nicht auf ein, sondern sofort auf fünf Jahre votiert worden ist. Die || S. 206 PDF || Minister des Äußern, der Polizei und Graf Esterházy, traten der Meinung des Staats- und des Finanzministers bei.
Se. k. k. apost. Majestät geruhten Allerhöchst sich für die Anforderung der Steuererhöhung auf drei Jahre zu entscheiden, zumal dadurch jährlich wiederkehrenden aufregenden Debatten über diesen Punkt ausgewichen wird4.
II. „Genehmigung“ oder „Feststellung“ der Dotationen
Bezüglich der hierauf Allerhöchstenortes zur Sprache gebrachten Polemik über die Ausdrücke „Genehmigung“, „Einstellung“, „Festsetzung der Dotationssumme des Budgets“ äußerte der Staatsminister , es sei alle Aussicht vorhanden, daß im Abgeordnetenhause selbst der Antrag auftauchen wird, den Ausdruck „wird bewilligt“ bei den wenigen Positionen, wo er ausnahmsweise gebraucht wurde, zu beseitigen5.
III. Unterteilungen der verschiedenen Budgets
Infolge einer Ah. Erinnerung brachte der Finanzminister zur Ah. Kenntnis, daß man sich im Finanzausschusse zu überzeugen anfange, wie die Durchführung der cganz getrenntenc Unterteilungen der Budgets unpraktisch und dem Interesse des Staatsschatzes zuwiderlaufend sei6.
IV. Beschleunigung der Arbeiten des Abgeordnetenhauses
Bei dem Umstande, daß die Landtage in naher Zukunft sich versammeln sollen7, erscheint es umso notwendiger, daß der Reichsrat mit möglichster Beschleunigung seine Arbeiten — vor allem das Budget für 1863 — zu Ende bringe. Se. Majestät geruhten die Frage aufzuwerfen, ob und auf welche Art die Sache zu urgieren wäre.
Der Staatsminister glaubte, daß ein solcher Einfluß kaum nötig sein dürfte, da die Referate über die Hauptteile des Budgets größtenteils fertig sind und der neue Finanzausschuß, in welchen zwei entschieden opponierende Mitglieder des alten nicht gewählt wurden, die Dringlichkeit selbst anerkennt8. Bis 15. Oktober dürften die Beratungen geschlossen werden können. Der Präsident des Staatsrates glaubt, diese Möglichkeit — selbst bei dem besten Willen des Abgeordnetenhauses || S. 207 PDF || — bezweifeln zu müssen, weil noch mehrere Differenzpunkte durch kommissionelle Verhandlungen von Delegierten beider Häuser beigelegt werden müssen. Nun fällt es aber sehr schwer, während der gegenwärtigen Jahreszeit auch nur zu den Kommissionen Mitglieder des Herrenhauses in erforderlicher Anzahl zu versammeln — abgesehen davon, daß die Delegierten bloß sub spe rati9 vom Präsidenten Fürst Auersperg bestellt und nicht vom Herrenhause selbst dad hocd gewählt wurden, was vielleicht im anderen Hause Anstände finden dürfte. Bei diesen Umständen scheint eine Urgierung des Abgeordnetenhauses nicht an der Zeit zu sein10.
Wien, 1. Oktober 1862. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Ischl, 7. Oktober 1862. Empfangen 9. Oktober 1862. Erzherzog Rainer.