Nr. 235 Ministerrat, Wien, 30. Mai 1862 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Schurda; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 30. 5.), Mecséry, Nádasdy, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, FML. Schmerling; abw.abwesend Degenfeld, Schmerling, Pratobevera; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 12. 6.
MRZ. 1039 – KZ. 1701 –
Protokoll des zu Wien am 30. Mai 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.
I. Haltung der Regierung zum Gesetz über die Branntweinbesteuerung
In der Sitzung des Herrenhauses vom 28. Mai l. J. wurde bei der Beratung des Gesetzes über die künftige Art der Branntweinbesteuerung der vom Freiherrn v. Komaszkan zu Art. III gestellte Antrag, den Steuersatz auf 4,3 Kreuzer festzusetzen, mit einer Majorität von 35 gegen 32 Stimmen angenommen1. Nach dieser Abstimmung glaubte der Finanzminister nicht mehr das Wort nehmen zu können, und da auch bei der dritten Lesung in dieser Sache im Herrenhause sich nichts mehr tun lassen dürfte, so frage es sich, auf welche Weise diesem unliebsamen Beschlusse entgegengewirkt werden könnte. Der Finanzminister würde in dieser Beziehung meinen, daß sich hiezu die beste Gelegenheit erst bei der gemeinschaftlichen Beratung der beiden Häuser ergeben wird, indem er dann bei dieser Konzertation intervenieren und dahin zu wirken trachten würde, daß wenigstens der Steuersatz mit sechs Kreuzern angenommen werde, was seines Erachtens durchaus auf keine Schwierigkeit stoßen dürfte2.
Bei der Erörterung hierüber war der Ministerrat mit diesem Vorgange einverstanden, nur wurde hiebei in Erwägung gezogen, ob die Minister, welche Mitglieder des Hauses sind, bei der dritten Lesung auch für das Gesetz im ganzen stimmen können, aohne sich ein Dementi zu geben,a und wurde sich hierwegen über Anregung des Vorsitzenden Ministers des Äußern dahin geeinigt, daß die Minister von der fraglichen Sitzung wegbleiben sollen. Ferner wurde im Hinblick auf die zweifelhafte Stimmung des Hauses für notwendig erkannt, geeignete Vorsorge zu treffen, daß das Gesetz bei der dritten Lesung auch wirklich angenommen werde, in welcher Richtung der Staatsratspräsident seine Einwirkung zusagte und der || S. 38 PDF || Finanzminister sich vorbehielt, mit dem Präsidenten des Hauses die geeignete Rücksprache hierwegen zu nehmen3.
II. Haltung der Regierung zu der vom Finanzausschuß beantragten Kuponbesteuerung
Gegenstand der Beratung war die Frage über die Haltung der Regierung in Absicht auf die vom Finanzausschusse beantragte Erhöhung der Kuponsteuer auf 10%. Der Finanzminister berief sich auf seine hierwegen schon in früheren Konferenzen gemachten Bemerkungen, schilderte die Sensation, welche die Sache bereits im Auslande hervorgerufen hat, wies auf die vielen dagegen gerichteten Artikel der ausländischen Presse und hob insbesondere hervor, wie nachteilig und störend eine solche Maßregel auf die beabsichtigte Operation mit den 1860er Losen einwirken würde4. Der allgemeine Eindruck sei also ein solcher, daß sich die Regierung nicht länger entschlagen kann, etwas dagegen zu tun. Edler v. Plener gedenkt demnach bei nächster Gelegenheit im Finanzausschusse mit der Erklärung vorzutreten, daß die Regierung diesem Antrage in keinem Falle zustimmen, mithin denselben nicht zur Ah. Sanktion vorlegen könne, und daß die Regierung gesonnen ist, keine höhere Belastung der Obligationszinsen als mit 7% eintreten zu lassen. Diese Erklärung würde er selbstverständlich mit einer eingehenden Motivierung begleiten.
Bei der hierüber gepflogenen Erörterung wurde allseitig anerkannt, daß eine solche Belastung der Zinsenkupons, wie sie der Finanzausschuß beantragt, nicht zugegeben werden könne. Was jedoch die Notwendigkeit einer öffentlichen Erklärung über den Standpunkt der Regierung in dieser Frage betrifft, so war die Majorität des Ministerrates von der Anschauung geleitet, daß eine derlei Erklärung im Hause gegenwärtig nicht opportun wäre, eine Erklärung im Finanzausschusse aber keineswegs den beabsichtigten Zweck erreichen dürfte. Der vorzüglichste Grund, warum der Finanzminister jetzt schon eine Kundgebung der Regierungsmeinung für wünschenswert hält, sei der, um die bevorstehende Operation mit den 1860er Losen zu fördern, und in dieser Hinsicht dürfte es nach der Ansicht der Majorität genügen und den Zweck vollkommen erreichen, wenn den beteiligten Bankiers im vertraulichen || S. 39 PDF || Wege die Anschauung und das Vorhaben der Regierung mitgeteilt werde. Es sei, meinte Minister Graf Nádasdy , umso weniger ratsam, eine so kategorische Erklärung babzugeben, als man heute nicht wissen kann, was die nächste Zeit bringt und wozu man wird greifen müssen, um unvorhergesehene Auslagen oder das unausweichlicheb Defizit pro 1863 zu decken. Auf den Finanzausschuß selbst, bemerkte der Polizeiminister , könne diese Erklärung von keiner Wirkung sein, da die Sache dort schon abgetan und eine Wendung dort deswegen nicht zu erwarten ist. Für den Staatsgläubiger, wie Minister Ritter v. Lasser beifügte, sei eine solche Erklärung, die im Finanzauschusse abgegeben wird, auch von keinem Werte, was aber das Konsortium betrifft, so werde dasselbe, wenn ihm schon eine derlei Erklärung Gewähr geben soll, doch auch die gleiche Beruhigung finden, wenn ihm hievon die Mitteilung in camera caritatis vom Finanzminister gemacht wird.
Nachdem der Finanzminister noch die Bedenken gegen die gedachte Erklärung im Finanzausschusse namentlich mit Hinweis auf sein ähnliches Vorgehen bei der Bankvorlage zu entkräften suchte und es sodann als unerläßlich darlegte, daß er wenigstens dem Konsortium gegenüber im Namen der Regierung seine Erklärung abgebe, gelangte man zu dem Beschlusse, daß vorläufig von einer öffentlichen Erklärung der Regierung in dieser Frage Umgang genommen und der Finanzminister vorderhand nur den betreffenden Bankiers offen den Entschluß der Regierung bekanntgeben soll.
Der Finanzminister referierte sodann: Es scheine sich im Finanzausschusse die Meinung geltend machen zu wollen, daß die Kupons der im Auslande aufgenommenen und dort verzinslichen Obligationen, welche bisher von der Steuer befreit waren, künftig ebenso wie die Zinsen der anderen Staatseffekten belastet werden sollen, weil angeblich diese Ausnahme nicht gerechtfertigt sei und auch nicht mit der kaiserlichen Verordnung vom 28. April 1859 [überein]stimme5. Indem Edler v. Plener die Verwerflichkeit dieser Idee darlegt und es für unmöglich hält, daß je ein rechtschaffener Finanzminister eine solche Maßregel vertreten könnte, ist er der Meinung, daß, soferne diese Frage zur Sprache kommen sollte, von seiten der Regierung ganz entschieden und klar die Erklärung gegeben werden müßte, daß bezüglich dieser Obligationen wie bisher auch künftig vorgegangen wird und daß diese cim Auslande zahlbaren und in Silber verzinslichenc Staatseffekten wie bis jetzt von der 5%igen Besteuerung auch weiterhin von jedem Abzuge freigelassen werden müssen6.
|| S. 40 PDF || Hiermit erklärten sich alle Stimmführer des Ministerrates einverstanden.
Wien, am 30. Mai 1862. Rechberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Laxenburg, 12. Juni 1862. Empfangen 12. Juni 1862. Erzherzog Rainer.