Nr. 13 Ministerrat, Kremsier, 8. Jänner 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Stadion, Krauß, Bach, Bruck, Cordon, Thinnfeld; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 10. 1.), Krauß 23. 4., Bach 24. 4., Bruck, Thinnfeld, Kulmer.
MRZ. 523 – KZ. fehlt –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Kremsier am 8. Jänner 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten zu Schwarzenberg.
I. Entschädigungsmodalitäten für die aufgehobenen Urbariallasten
Der Finanzminister verlas den Entwurf eines im Reichstage einzubringenden Vorschlages über die Modalitäten der Entschädigung für die durch das Gesetz vom 7. September 1848 aufgehobenen Urbarialleistungen1.
Dabei ergaben sich folgende Bemerkungen: Minister v. Thinnfeld wünschte, daß bezüglich der Zehenten die Verpflichteten von jedem Beitrage zur Entschädigungsquote befreit werden, weil die Zehntenabgabe in der Regel nicht auf Privatverträge, sondern auf Patente und uralte Gewohnheiten sich gründet. Der Justizminister beanständete bezüglich der auf Verträgen beruhenden Giebigkeiten den Zusatz „auf rechtsgültig eingegangenen Verträgen“, daher man sich für die Weglassung dieses Zusatzes bestimmte, indem die bloße Hinweisung auf den vertragsmäßigen Bestand solcher Gaben für deutlich genug erkannt wurde. Ferner beantragte derselbe, daß nach der Bestimmung über die bis zur Kundmachung des Gesetzes vom 7. September 1848 fälligen Gaben zur Beseitigung allfälliger wegen des Bezuges der Laudemien und Mortuarien etc. entstehenden Zweifel noch der Zusatz eingeschaltet werde „oder rücksichtlich deren das Bezugsrecht wirksam geworden ist“, indem bei diesen Giebigkeiten der Zeitpunkt der eigentlichen Fälligkeit von gewissen Bedingungen abhängt, welche von dem Verpflichteten, zum Nachteile des Berechtigten, hinausgeschoben werden können. Derselbe wünschte auch, daß die Aufhebung der Inleute- und Häuslerrobot ohne Entschädigung ausgesprochen werde, wozu sich sofort der Finanzminister bezüglich der Inleute unbedingt, bezüglich der Häusler aber nur insoferne verstand, als dieselben Rustikalbesitzer sind, indem bei den Dominikalisten andere Verhältnisse obwalten. Auf den weiteren Vorschlag des Justizministers , die Ausarbeitungen der in den Provinzen zur Ausmittlung der Entschädigungsquoten aufzustellenden Kommissionen unmittelbar der Entscheidung des Ministeriums unterziehen zu lassen, damit nicht etwa der gegenwärtige Reichstag sich dieses Geschäfts bemächtige und darin Anlaß zu einer Permanenz finde, glaubte der Finanzminister gegenwärtig nicht eingehen zu sollen, weil über jene Ausarbeitungen noch geraume Zeit vergehen und die Verlängerung des konstituierenden Reichstages bis dahin kaum zu besorgen sein dürfte2. Dagegen erklärte || S. 83 PDF || er mit dem Antrage des vorgenannten Ministers einverstanden zu sein, daß bezüglich der Bestimmungen über die Servituten, namentlich das Holzungs- und Weiderecht, sich auf das Patent vom 7. September 1848 berufen werde3. Die Frage des Ministers der Landeskultur , was bezüglich Steiermarks zu geschehen habe, wo nach einem von der Regierung genehmigten Beschlusse des Prov[inzial]landtags alle Naturalleistungen mit 20. Juni 1848 aufzuhören hatten, beantwortete der Finanzminister durch den Antrag auf Einschaltung eines eigenen Paragraphen, welcher bestimmen würde, daß da, wo bezüglich des Aufhörens der Naturalleistungen ein früherer Termin als durchs Patent vom 7. September festgesetzt worden, derselbe zu gelten habe4. Dieses würde auch auf Galizien Anwendung finden, nachdem dort bereits mit Patent vom 17. April alle Naturalleistungen vom 15. Mai 1848 an aufgehoben worden sind5. Insofern übrigens auch in Tirol von Seite der Provinz selbst andere Ausgleichungsmodalitäten beschlossen und teilweise schon in Ausführung gebracht worden sind, würde sich dort umso mehr an diese besondern Bestimmungen zu halten sein, als nach denselben das Ärar mit einer Entschädigungsquote gar nicht in Anspruch genommen worden ist6. In Ansehung der vor dem Gesetze vom 7. September bestandenen Naturalleistungsablösungsverträge hat der Finanzminister in den gegenwärtigen Gesetzentwurf keine Bestimmung aufgenommen, weil dieselben juridischer Natur sind und von Fall zu Fall beurteilt werden müssen, vielleicht, daß später ein eigenes Gesetz hierwegen erlassen werde. aÜbrigens ist der Finanzminister mit dem Antrage, daß den Verhandlungen über diesen Gegenstand die Stempelfreiheit zugestanden werde, einverstanden. a Übrigens ist der Finanzminister mit dem Antrage, daß den Verhandlungen über diesen Gegenstand die Stempelfreiheit zugestanden werde, einverstanden7.
Die definitive Redaktion des vorliegenden Gesetzentwurfes endlich wurde über Antrag des Handelsministers dem Einvernehmen des Finanz-, Innen-, Justiz- und Landeskulturministers überlassen8.
II. Lombardisch-venezianische Eisenbahn
Der Handelsminister brachte die Verhältnisse der lombardisch-venezianischen Eisenbahn zur Sprache, welche im Jahre 1840 von einer Aktiengesellschaft mit einem Kapitale von 50 Millionen Lire zu bauen unternommen worden ist9. Zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft sind fünf Personen bestellt: Pereira und Eskeles in Wien, Reali und Avesani in Venedig und der gegenwärtige Handelsminister, damals für Triest. Letzterer kann vermöge seiner dermaligen Stellung keinen Anteil an der Geschäftsführung mehr nehmen, die beiden Venezianer sind bei der Empörung beteiligt, es haben || S. 84 PDF || also die Komiteeglieder für Wien mit Beziehung auf die Bestimmung der Vollmachten des Komitees, wornach „in caso di mancanza ai vivi o di rinunzia degli altri un solo membro del comitato“ zur Geschäftsführung im Namen der Gesellschaft berechtigt sein soll, in einer dem Handelsministerium überreichten Eingabe dargestellt, daß das Vermögen der Gesellschaft erschöpft, durch Zerstörungen im Kriege an der vollendeten Strecke der Bahn ein Schaden von 7 Millionen Lire angerichtet und zum Ausbau derselben noch eine Summe von 55 Millionen Lire erforderlich sei. Sie haben weiters im Grunde der Ah. Zusicherungen vom Jahre 1841 und 184210, insonderheit der Ah. Entschließung vom 18. Jänner 1846 11, die Hilfe des Staats in der Art in Anspruch genommen, daß entweder der Gesellschaft die zur Vollendung der Bahn noch erforderlichen 55 Millionen vom Ärar vorgeschossen oder der Ausbau vom Staate selbst übernommen und die für jede vollständig eingezahlte Aktie des ursprünglichen Gesellschaftskapitals garantierten 4%igen Zinsen aus dem Ärar fortan gezahlt werden. Zur Bestimmung, welche dieser beiden Modalitäten zu wählen sei, ist die Einberufung einer Generalversammlung nötig. Überdies wurden im Jahre 1847 von der damaligen Finanzverwaltung 29.650 Aktien der Gesellschaft nach dem Kurs von 108 angekauft, wovon über 12.000 Stück in dem insurgierten Venedig sich befinden, ohne daß sie amortisiert worden wären. Es wurden ferner infolge Ah. Entschließung vom 3. Juli 1847 12 der Gesellschaft zur Fortsetzung des Baus Vorschüsse aus der Staatskasse bis 1,600.000 Lire erfolgt, und es sind gegenwärtig zur Vollendung der Bahnstrecken von Vicenza bis Verona 8–9, von Treviglio nach Brescia (welche von dem Generalinspektor der Eisenbahnen für besonders wichtig und dringend bezeichnet worden) noch 15 Millionen Lire erforderlich.
Dies vorausgelassen, handelt es sich um folgende Fragen 1. sind die zwei Komiteemitglieder für Wien, nachdem die drei andern keinen Anteil an der Geschäftsführung nehmen, ohne daß die Bedingnis der Vollmacht „in caso di mancanza ai vivi o di rinunzia degli altri“ buchstäblich eintritt, als die legalen Vertreter der Gesellschaft anzusehen, und kann die Einberufung der Generalversammlung veranlaßt werden, 2. was soll mit den in Venedig befindlichen, dem Ärar gehörigen Aktien geschehen, 3. welche Maßregeln sollen von Seite der Staatsverwaltung dem Generalkongresse gegenüber beschlossen werden?
Ad 1. vereinigte man sich in der Ansicht, daß die Staatsverwaltung als Besitzerin des größern Teils der Aktien ohne weiters zur Einberufung der Generalversammlung schreiten könne, ohne Rücksicht auf die Zustimmung der zwei Komiteeglieder in Venedig, welche, wie der Justizminister bemerkte, als stillschweigend auf ihre Stellen verzichtend angesehen und, wie der Finanzminister hinzusetzte, allenfalls auch edictaliter vorgeladen werden können. Ad 2. Da nach den Gesellschaftsstatuten für die Gesellschaft die Tribunale || S. 85 PDF || in Venedig und Mailand als Gerichtsstand bestimmt sind, so unterliegt es keinem Anstande, die in Venedig befindlichen Aktien des Ärars bei dem Tribunale in Mailand amortisieren zu lassen. Ad 3. würde der Handelsminister vorschlagen a) den gegenwärtigen Moment, wo der Wert der Aktien dieser Gesellschaft sehr gesunken ist, zu benützen und deren so viel als möglich zu guten Preisen einzukaufen, um hierdurch einerseits den Verlust auszugleichen, den das Ärar bei dem frühern Einkaufe zu hohem Kurs erlitt, andererseits um sich, da nun einmal die Bahn infolge früherer Ah. Entschließung für eine Staatsbahn erklärt worden ist, von dem Einflusse fremder Aktionäre auf die Unternehmung zu befreien, b) zu diesem Behufe und zur Aufbringung des für den Ausbau der Bahn und insbesondere der gegenwärtig schon als dringend erforderlich bezeichneten Vollendung einiger Strecken nötigen Geldes 4%ige, auf die Bahnerträgnisse und sofort überhaupt auf die Renten des lombardisch-venezianischen Königreichs hypothezierte Papiere hinauszugeben. Der Finanzminister erklärte sich nur mit dem Vorschlage ad b) zur Aufbringung des für den dringenden Fortbau erforderlichen Geldes durch Hinausgabe der angedeuteten Papiere einverstanden, nicht so mit jenem ad a), weil es kaum möglich sein dürfte, beide Zwecke durch Hinausgabe einer so großen Masse von Staatspapieren (bei 30 Millionen) auf einmal zu erreichen, der wichtigere Zweck offenbar der Ausbau der Bahn ist, wogegen die Einlösung der Aktien bei dem Umstande, daß die Staatsverwaltung ohnehin im Besitze des größern Teils derselben sich befindet, wohl als minder wichtig und dringend erscheint.
Die übrigen Stimmführer fanden jedoch aus den vom Handelsminister ad a) angeführten Rücksichten und aus dem weiters geltend gemachten Grunde, daß ja auch für die noch im Umlaufe befindlichen Aktien der Gesellschaft die garantierten 4% Zinsen vom Staate geleistet werden müssen, weder gegen den Antrag ad a) noch gegen jenen ad b) etwas zu erinnern, nur konnte der Justizminister die Besorgnis nicht verbergen, daß vielleicht im gegenwärtigen Augenblicke, wo der Frieden in Italien nicht hergestellt ist, die ganze Operation nicht an der Zeit sein dürfte. Der Handelsminister wird im Sinne obiger Beschlüsse den Vortrag an Se. Majestät erstatten13.
III. Einsparungen bei der Armee in Italien
Der Ministerpräsident verlas die Antwort des Feldmarschalls Graf Radetzky auf das demselben mitgeteilte Ansinnen wegen Einführung von Ersparungen bei den außerordentlichen Ausgaben der Armee14. Der Feldmarschall gibt darin die Möglichkeit einer Ersparung bei zwei Ausgabsrubriken, Etappen- und bei der Naturalverpflegung, im Anschlage von 2 1/2 und 1 Million 200.000 fr. aufs Jahr zu. Allein, er findet sie im Verhältnisse zu dem Gesamtaufwande zu unbedeutend, um den braven Truppen ein – ihnen immer empfindliches – Opfer aufzuerlegen; andrerseits erscheinen sie ihm nicht nötig, weil für die vollständige Bedeckung des bisherigen Aufwands der Armee bereits bis Juni 1849 Vorsorge getroffen worden ist.
|| S. 86 PDF || Diese Vorsorge, bemerkte der Finanzminister , drückt aber das Land, denn sie ist dadurch bewirkt worden, daß die ganzjährige Grundsteuer als Zuschlag mit der bis Juni entfallenden Steuerquote eingehoben wird. Es ist die Frage, ob das Land dabei bestehen kann, jedenfalls müßte die längere Fortdauer eines solchen Drucks die Stimmung im Lande sehr verschlimmern. Der Finanzminister müßte daher auf die Realisierung der vom Grafen Radetzky selbst als möglich zugegebenen Ersparungen bei den Etappen mit 2 1/2 Millionen und 1,200.000 fr. bei der Naturalverpflegung durch Einführung der Subarrendierungsverhandlung umso mehr dringen, als eine Ersparung von mehr als 3 1/2 Millionen des Jahrs doch nicht als gar so geringfügig angesehen werden kann; ja, er würde sich auf eine weitre Ersparung bei den Auslagen für die Mobilität durch Reduzierung der Gebühren für die Packpferde der Offiziere hinzudeuten erlauben, wenn nicht der Kriegsminister im Interesse des Dienstes sich auf das entschiedenste dagegen erklärt hätte.
In diesem Sinne würde der Finanzminister eine Zuschrift an den Ministerpräsidenten zur weiteren Verständigung des Feldmarschalls Graf Radetzky richten15.