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Nr. 20 Ministerrat, Wien, 26. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Ficquelmont; anw. Pillersdorf, Krauß, Sommaruga, Zanini; BdE. Ficquelmont (29. 4.), Franz Karl (29. 4.).

MRZ. 391 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 26. April 1848.

I. Dank des Kaisers an die Wiener für das Begehen seines Geburtstages

Der Minister des Inneren eröffnete, es sei ihm soeben durch den Oberstkämmerer der Wunsch Ew. Majestät bekannt gemacht worden, der Bevölkerung Wiens für die gestern gegebenen Beweise von Treue und Anhänglichkeit, insbesondere der Nationalgarde und dem juridisch-politischen Leseverein Ah. Ihren Dank auszudrücken1. Zu diesem Ende habe er sogleich den angeschlossenen Entwurf eines Ah. Kabinettschreibens vorbereitet, welcher mit Zustimmung sämtlicher Minister sogleich der Ah. Sanktion unterzogen worden ist2, um womöglich noch heute, oder doch zuverlässig morgen, mittelst gedruckter Kundmachung zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden zu können3.

II. Aufhebung der Robot in Galizien

Der Minister des Inneren bemerkte ferner: infolge des Ministerratsbeschlusses vom 17. April, MRZ. 3134, sei an den Gouverneur von Galizien die Weisung ergangen, die Aufhebung der Robot (in thesi) gegen seinerzeit auszumittelnde Entschädigung der Berechtigten sogleich auszusprechen. Graf Stadion habe infolgedessen unverzüglich mittelst Zirkulare an die Kreisämter den Auftrag erlassen, zu verfügen, daß mit 15. Mai d. J. alle Robotleistung im Lande – mit Vorbehalt der Entschädigung – aufzuhören habe5.

|| S. 108 PDF || Nun sei ihm aber der infolge Ministerratsbeschlusses vom 20. April, Z. 340 MR.6, ausgefertigte Patentsentwurf zugekommen, wornach die Naturalfrone in drei Terminen, deren erster auf den 1. Juli festgesetzt worden, sukzessive aufzuhören haben sollte.

Graf Stadion bittet nun zur Vermeidung einer unliebsamen Kompromittierung durch Zurücknahme seiner, wie er meinte, ganz im Geiste des Ministerratsbeschlusses vom 17. getroffenen Verfügung, die, wenn auch vielleicht nicht überall offiziell kundgemacht, doch sicher bekannt geworden ist, daß es von dem mittelst des späteren Ministerratsbeschlusses vom 20. angeordneten terminweisen Erlöschen der Robot abkommen möge, und seine, des Gouverneurs Verfügung, aufrecht erhalten werden möge7.

Nachdem der Zweck der ganzen Maßregel nur der war, die Anhänglichkeit des untertänigen Landvolkes in Galizien an die österreichische Regierung zu befestigen und den Anhängern des Polentums dieses wichtige Mittel, das Landvolk für ihr Interesse zu gewinnen, zu entziehen, dieser Zweck aber durch die Verfügung des Gouverneurs nun mit einem Schlage erreicht ist, ferner in der Zeit vom 15. Mai bis 1. Juli nur wenig Feldarbeiten vorfallen, mithin auch wenig Robotleistungen verlangt werden, nach dem 1. Juli aber, wenn dem Patent vom 20. gemäß ein Teil der Roboten aufzuhören hätte, die Obrigkeiten ohnehin kaum mehr auf irgend welche Robotleistungen würden rechnen können, so glaubte der Minister, daß dem Antrage des Gouverneurs, es von den Bestimmungen des Patentes vom 20. April, so weit es mit der Verfügung des Grafen Stadion über den Beschluß vom 17. nicht vereinbarlich ist, abkommen zu lassen; die Genehmigung zu erteilen wäre.

Hiermit waren alle Stimmen einverstanden; der Finanzminister Baron Krauß machte dabei nur diese (vom Minister des Inneren auch sogleich in seinem mitgebrachten Entwurfe eines Schreibens an den Grafen Stadion benützte) Bemerkung, daß die näheren Bestimmungen über die Aufhebung der Robot jedenfalls in der Form eines Ah. Patentes im Lande kundzumachen wären, weil der galizische Bauer den Kreisschreiben mißtraut und ein so wichtiges Geschenk nur aus den Händen des Monarchen und unter dessen Unterschrift als wirklich gegeben anerkennen würde8.

III. Anstellung des Baron Metzburg im Ministerium des Inneren

Der Minister des Inneren bemerkte weiters, daß, nachdem die Hauptwühlereien für die Sache des Polentums von den in Wien befindlichen Polen ausgehen, welche sich der Studenten, der Emigration und der Presse zur Verbreitung ihrer Grundsätze bedienen, wogegen die Regierung in den Mitteln, solchem Treiben Einhalt zu tun, sehr beschränkt ist, es sehr wünschenswert erscheine, hier einen gediegenden Mann zu gewinnen, der Fähigkeit und Zeit hätte, die Regierung in dieser Beziehung zu unterstützen. Bei der seiner Leitung anvertrauten Hofkanzlei befinde sich kein hiezu geeignetes Individuum; der galizische Landesreferent9, obwohl gut gesinnt, befinde sich immerhin in einer nicht ganz unbefangenen Stellung und der nächste nach ihm besitze durchaus nicht jene Eigenschaften, die zu dem angedeuteten Zwecke erforderlich sind.

|| S. 109 PDF || Diese Eigenschaften nun glaube der Minister in dem galizischen Gubernialsekretär, Baron Metzburg, dem Überbringer der oben besprochenen Depesche des Grafen Stadion10, gefunden zu haben, und da er in diesem Urteile vom Finanzminister bestätigt wurde, freilich mit dem Zweifel, ob der Gouverneur den Baron Metzburg werde entbehren können, so gedächte er den Grafen Stadion zur Äußerung aufzufordern, ob es ihm erwünscht sei, ein in dem angedeuteten Sinne für die Regierung wirkendes Organ in Wien bestellt zu sehen, und ob er hiezu den Baron Metzburg ohne Nachteil für wichtigere Zwecke zur Disposition des Ministers stellen könne11.

IV. Konstitutionskundmachung in Brünn

Der Minister bringt weiters zur Kenntnis des Ministerrates eine telegraphische Depesche aus Brünn über den Enthusiasm[us], den die Publizierung der Konstitution unter der dortigen Bevölkerung erregt hat12, – dann eine mündliche Nachricht aus Prag über das Eintreffen des diesfälligen Patentes daselbst.

Hierüber wäre nichts zu verfügen.

V. Mißliche Lage der galizischen Gerichtsbehörden

Über einen weiteren Polizeibericht aus Lemberg über die dortige ziemlich beruhigende Stimmung13 fand sich der Justizminister zu der Bemerkung über die mißliche Lage der galizischen Gerichtsbehörden, die fast alle ihre Präsidenten verloren haben, veranlaßt und

VI. Baldige Erledigung der galizischen Petition

der Finanzminister knüpfte folgende Bemerkungen daran: 1. Es sei zu wünschen, daß der noch immer in Wien anwesenden Deputation aus Galizien über ihre jüngst Ew. Majestät überreichte Petition14 eine Erledigung hinausgegeben werde, um ihr den Vorwand zum längeren – gewiß nicht gerne gesehenen – Verweilen in Wien zu benehmen. Hierüber erinnerte der Minister des Inneren , er habe über diese Petition vom Grafen Stadion das Gutachten abverlangt, welches bisher noch nicht erstattet worden15, wahrscheinlich, weil der Gouverneur den Zusammentritt des auf den 26. d. [M.] einberufenen Provinziallandtages16, wo die Gegenstände jener Petition zur Sprache kommen dürften, abwarten wollte.

|| S. 110 PDF || Ohne Vernehmung des Gouverneurs glaubte der Minister eine Erledigung jener Petition nicht hinausgeben zu können, was er denn auch der Deputation selbst – über deren wiederholtes Andringen – eröffnet und nur bezüglich des einen Punktes wegen Anerkennung der polnischen Nationalität durch Gleichstellung der Landes- mit der deutschen Sprache die Versicherung beigefügt habe, daß die Regierung derselben sich im Prinzipe nicht widersetzen werde17.

VII. Errichtung der Nationalgarde in galizischen Landgemeinden

Die zweite Bemerkung des Baron Krauß bezog sich auf die Bestimmung im Gesetze über die Nationalgarde, wornach nur Gemeinden mit einer Bevölkerung von 1000 Seelen und darüber zur Errichtung einer Nationalgarde berechtigt sind18.

Solcher Gemeinden – sagte Baron Krauß – gibt es auf dem flachen Lande in Galizien nur wenige, und wo deren sind, besteht die Mehrzahl der Bewohner aus Kleinhäuslern und unbestifteten Inleuten. Bei Aufrechterhaltung dieser gesetzlichen Beschränkung würde der größte Teil der besser bestifteten und der Regierung ergebenen Untertanen von der Teilnahme an der Nationalgarde ausgeschlossen und diese wesentliche Stütze der Regierung sehr geschwächt werden. Der Gouverneur von Galizien dürfte daher ermächtigt werden, auch in Landgemeinden von weniger als 1000 Seelen, wo er es angemessen fände, dieses Institut ins Leben zu rufen.

Da das Gesetz über die Nationalgarde nur ein provisorisches ist und Änderungen zuläßt, so erklärte sich der Minister des Inneren bereit, von dieser Andeutung den geeigneten Gebrauch zu machen19.

VIII. Behandlung der Krakauer Deputation

Derselbe teilte weiters eine ihm vom Kriegsminister abgetretene Depesche aus Krakau mit, worin die beabsichtigte Errichtung einer polnischen Legion und die Absendung einer Deputation hierwegen nach Wien mit dem Antrage gemeldet wird, dahin zu wirken, daß dieser Deputation der Zutritt zu Ew. Majestät nicht gestattet werde20.

Nach dem Grundsatze, daß solcher nur den Ständen oder anderen besonders ausgezeichneten Korporationen zu bewilligen sei, versicherte der Minister Baron Pillersdorf auch die hier in Rede stehende Deputation behandeln zu wollen.

IX. Englische Schiffe in Triest; englische Erklärung über die Blockade von Venedig; Schutz österreichischer Schiffe durch eine große Seemacht

Zwei Berichte des Gouverneurs von Triest, woraus hervorgeht, daß die Ankunft einer englischen Fregatte und einiger kleiner Fahrzeuge im dortigen Hafen bevorstehe, und daß man eine offizielle Erklärung von Seite der großbritannischen Regierung zugunsten Triests und der eingeleiteten Blockade von Venedig erwarte, endlich daß || S. 111 PDF || man bei der Schwäche der k. k. Kriegsmarine und der schlechten Beschaffenheit der k. k. Schiffe den – auch vom Gouverneur gebilligten – Wunsch äußere, die Handelsmarine Österreichs unter den Schutz einer der großen Seemächte zu stellen21, trat der Minister des Inneren an den vorsitzenden Minister der auswärtigen Angelegenheiten Grafen Ficquelmont zur geeigneten Verfügung ab.

Graf Ficquelmont erklärte, diese Depesche dahin beantragen zu wollen, daß, nachdem Triest dermalen armiert und ein offizielles Aktenstück vorhanden ist, welches die Absicht der sardinischen Regierung, Österreich zur See nicht anzugreifen22, erklärt, für den Fall eines wirklichen Angriffes aber auf den Beistand der britischen Flotte nicht zu rechnen sein dürfte, der Gouverneur in seinen im Sinne obiger Depeschen etwa beabsichtigten Einleitungen nicht zu weit gehen möge, zumal da, wie die Erfahrung lehrt, die britischen Kriegsschiffe überhaupt vor fremden Häfen nie zum Vorteile derselben, sondern immer nur im Interesse ihrer eigenen Regierung oder deren Angehörigen erschienen sind23.

X. Die k. k. Reitschule als provisorisches Versammlungslokal des Reichstages

Der Minister des Inneren erklärte über die vom Oberststallmeister im Vortrage vom 25. April 1848, KZ. 151424, gestellte Anfrage über die Dauer der Verwendung der k. k. Winterreitschule zu den Sitzungen des künftigen Reichstages, daß solche jedenfalls auf das laufende und das nächste Jahr sich erstrecken werde. Graf Ficquelmont meinte zwar, dies dürfte von der Bestimmung des Reichstages selbst abhängen.

Über die Bemerkung des Finanzministers aber, daß, wenn der heurige Reichstag über sein künftiges Versammlungslokale definitiv beschließt, die Herstellung desselben kaum vor zwei Jahren bewerkstelligt werden kann, vereinigten sich alle Stimmführer dahin, daß die Benützung der k. k. Reitschule als provisorisches Versammlungslokale des Reichstages für drei Jahre anzusprechen wäre.

Der diesem Beschlusse entsprechende Resolutionsentwurf zur KZ. 1514 folgt weitet unten25.

XI. Unzulässigkeit der Bekanntmachung des Kabinettsschreibens über das Bewahren von Amtsgeheimnissen

Der Finanzminister bemerkte, er habe von seinem Amtsvorgänger das Ah. Kabinettschreiben vom 19. März 1848 26, womit den lf. Beamten die Beobachtung des Amtsgeheimnisses eingeschärft wird, unerledigt übernommen, nachdem der Entwurf || S. 112 PDF || der diesfälligen Expedition von dem Vizepräsidenten v. Mayer wegen des Bedenkens der Unvereinbarlichkeit mit der Ah. bewilligten Preßfreiheit unvollzogen gelassen worden27. Er glaube sonach vor allem anfragen zu müssen, wie sich diesfalls bei den übrigen Hofstellen benommen worden sei?

Der Minister des Inneren erklärte, er habe sich nicht getraut, den Inhalt dieses Ah. Kabinettschreibens bekannt zu machen. Der Justizminister : es sei von der Obersten Justizstelle dem Präsidio des niederösterreichischen Appellationsgerichtes eröffnet, von diesem aber auf seine (des Ministers als damaligen zweiten Appellationsgerichtspräsidenten) Veranlassung nicht weiter intimiert worden.

Der vorsitzende Minister der auswärtigen Angelegenheiten endlich bemerkte, er habe das Ah. Kabinettschreiben nur im Inneren der Staatskanzlei zirkulieren lassen.

Unter solchen Umständen erachtete der Finanzminister diese Ah. Weisung lediglich mit der Bemerkung, daß der Zeitpunkt ihrer allfälligen Bekanntmachung wahrzunehmen sein werde, um so mehr ad acta legen zu dürfen, als die darin enthaltene Bestimmung, daß ein Beamter bei Verletzung des Amtsgeheimnisses ipso facto des Dienstes verlustig sein solle, sogar über die bisher hierwegen bestandenen Vorschriften hinausgeht28.

XII. Vorstellung Johann Ludwig Freiherrn Dercsényis v. Dercsén gegen das Kabinettsschreiben über das Bewahren von Amtsgeheimnissen

Hiermit in Verbindung steht eine Eingabe des Hofrates der allgemeinen Hofkammer, Freiherrn v. Dercsényi, welche eben auch eine Vorstellung gegen dieses Ah. Kabinettschreiben und – für den Fall der Nichtberücksichtigung derselben – die Bitte um seine Pensionierung enthält29.

Was die Vorstellung betrifft, so gedenkt der Finanzminister dieselbe durch Hinweisung auf den § 19 der Konstitutionsurkunde30 mit dem Bemerken zu erledigen, daß das fragliche Ah. Kabinettschreiben nicht kundgemacht worden, über seine Bitte um Pensionierung aber ihm zu bedeuten, er habe den Zeitpunkt abzuwarten, wann über die Behandlung der Beamten der ungarischen Abteilung der Hofkammer entschieden sein werde31.

XIII. Rücktritt des Lemberger katholischen Erzbischofs

Sodann wurde unter der KZ. 171132 ein Vortrag des Ministers des Inneren vom 22. April 1848 über die Resignation des ernannten Fürsterzbischofs von Lemberg Václavíček33,

XIV. Rücktritt Graf Clemens Brandis' als Landeshauptmann von Tirol

dann unter der KZ. 151634 ein Vortrag eben desselben vom 24. April über die Resignation des Grafen Brandis als Landeshauptmann von Tirol35 zur Kenntnis des Ministerrates gebracht, welche Resignationen anzunehmen beschlossen wurde36.

XV. Pferdeankauf für das Isonzokorps

Schließlich wird bemerkt, daß die sub MZ. 368 angesprochene Dotation zum Ankauf von Artilleriepferden bewilligt und der Finanzminister hievon brevi manu in die Kenntnis gesetzt worden sei37.

Die Entwürfe zu den Erledigungen der hier berufenen und angeschlossenen Vorträge werden Ew. Majestät hier au. gegenwärtig gehalten.

Ges. 29. April. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 30. April 1848.