Nr. 522 Ministerrat, Wien, 21. Dezember 1864 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Hueber; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 21. 12.), Mensdorff, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy (empfangen und expediert 7. I. 1865), Burger, Hein (empfangen und expediert 4. 1. 1865), Franck, Zichy 6. 1., Kalchberg 7. 1.; außerdem anw.anwesend Blaschier; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 15. 1. 1865.
MRZ. 1327 – KZ. 3944 –
Protokoll des zu Wien am 21. Dezember 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Organisation der Gerichte in Ungarn
Die zuerst vorgenommene Fortsetzung der Beratung über die Justizorganisation in Ungarn wurde des Zusammenhanges wegen dem Protokolle vom 19. Dezember 1864 beigefügt.
II. Grundsätze für die Errichtung einer Immobilienbank
Der Minister Ritter v. Lasser brachte die Frage wegen Errichtung einer Immobilienbank in Österreich wiederholt mit dem Bemerken zur Sprache, daß im Ministerrate vom 15. September l. J.1 beschlossen worden sei, es seien vorläufig über die Vertrauenswürdigkeit der Person des Konzessionswerbers Langrand-Dumonceau, dann über die Solidität und das gegenseitige Verhältnis seiner Unternehmungen im In- und Auslande die Erhebungen zu pflegen, was inzwischen geschehen sei2. Während dieser Verhandlung habe Langrand ein neuerliches Einschreiten um Änderung der Statuten überreicht, worüber die Vereinskommission neuerlich ihr Gutachten abgegeben habe, sodaß das Staatsministerium in der Lage wäre, über die Grundsätze für das Statut einer Immobilienanstalt für Österreich einen au. Vortrag zu erstatten3. Aus den über die Person des Langrand gepflogenen Erhebungen ergab sich, daß gegen seine Redlichkeit keine Bedenken bestehen, daß er über bedeutende Kapitalien verfüge, mit den Immobiliengeschäften vieler ausländischer Gesellschaften wohl vertraut sei, und daß überhaupt kein überwiegender Anlaß dazu vorhanden sei, ihn als Gründer einer solchen Anstalt in Österreich auszuschließen. Für eine solche Anstalt liege auch ein zweites Projekt des Altgrafen Salm-Reifferscheidt, des Grafen Otto Chotek und des Louis und Samuel v. Haber vor4. Auch dieses habe bereits den Weg durch die Vereinskommission gemacht und könne gleichzeitig mit jenen des Langrand in Verhandlung genommen werden. Es sei nun die Inzidenz eingetreten, daß von Seite des Finanzministeriums eine Kreditoperation mit den Staatsgütern durchgeführt werden will und daß beide Projektanten gegen die käufliche Übernahme der Staatsgüter die Erlangung der Konzession für eine Immobilienbank als Conditio sine qua non hinstellen. Stante hoc habe der Finanzminister geltend gemacht, daß die Zeit wegen Beschaffung des Kaufpreises für || S. 47 PDF || die Staatsgüter so drängend geworden sei, daß man nicht beide Projekte nebeneinander ihren Weg machen lassen könne, weil, wenn beide genehmigt würden, der Hauptzweck nicht erreicht würde. Man habe daher einen anderen Weg aufsuchen müssen. Die Konferenz habe beschlossen, daß, falls die vorläufigen Erhebungen für Langrand günstig wären, der prinzipielle au. Vortrag an Se. Majestät zu erstatten wäre5. Referent glaube, daß der au. Vortrag nicht in der Richtung, daß die hauptsächlichen Berechtigungen und Verpflichtungen des Konzessionärs der Ah. Genehmigung unterzogen würden, zu erstatten wäre, daß der au. Antrag vielmehr dahin gerichtet werden soll, Se. Majestät möge die Ah. Geneigtheit auszusprechen geruhen, demjenigen, mit welchem die Finanzoperation bezüglich der Staatsgüter zustande gebracht sein wird, die Bewilligung zur Gründung einer Immobilienanstalt (als Prämie für das Geschäft) zu erteilen. Es sei weiters die Vorfrage ventiliert worden, ob dieses Geschäft lediglich auf die Staatsgüter beschränkt werden soll. Dem sei Referent entschieden prinzipiell entgegen, denn was diesfalls für die Staatsgüter als erlaubt und zulässig angesehen werde, müsse auch für alle übrigen Immobilien als erlaubt und zulässig erkannt werden, abgesehen davon, daß keiner der Offerenten geneigt wäre, auf so beschränkter Basis das Geschäft einzugehen. Im Staatsministerium seien die in der Anlage anverwahrten Grundsätze für das Statut einer Immobilienanstalt in Österreicha zusammengestellt und in diesem Akt die besonderen Bedingungen beider Offerenten aufgenommen worden. So seien die Anforderungen in Art. 3 nur aus dem Langrandschen Projekte hingestellt worden. Diese Grundzüge seien somit ein Auszug aus den beiden Statuten des Langrand und Altgrafen Salm, und dieselben enthalten ein Bild der Berechtigungen und Verpflichtungen des Konzessionärs, und Referent glaube zwischenweilig nur bemerken zu sollen, daß bezüglich des Art. 1 die vorliegenden Grundsätze durch einen Beisatz an geeigneter Stelle zu vervollständigen sein werden, wodurch auszusprechen wäre, daß, wenn unter den in Art. 1 aufgeführten Geschäften solche vorkommen sollten, die einer besonderen staatlichen Bewilligung unterliegen, wie z. B. eine Bau- oder Gewerbsunternehmung, mit der allgemeinen Konzesion nicht auch schon implizite die Bewilligung hinzu erteilt sei, sondern daß diesfalls die besondere Konzession nachzusuchen sei.
Was prinzipiell das System der Immobilienbanken betreffe, glaubte Referent die Errichtung einer Immobilienbank in Österreich für gesetzlich zulässig, nationalökonomisch wohltätig und politisch nicht gefährlich halten zu sollen. Bei Latifundien habe die Durchführung der Grundentlastung eine Hemmung des Verkehres hervorgerufen, da könne es nur als zuträglich erscheinen, wenn im Wege der Assoziation Gelder gesammelt werden, mit denen eine solche Anstalt als Käufer von Immobilien auftritt, welche sie wieder mit langen Krediten verkauft. Hypothekenbanken seien für jene wohltätig, welche ihren Grundbesitz behalten können, Immobilienbanken für jene, || S. 48 PDF || welche ihren Grundbesitz in Gänze zu behaupten nicht imstande sind. Die Haupteinwendungen seien nicht gegen die einzelnen Geschäfte dieser Bank gerichtet, sie konzentrieren sich vielmehr dahin, daß man zu solchen Geschäften eine Gesellschaft etabliere, von der man als einer großen Geldmacht Nachteile in politischer und nationalökonomischer Hinsicht besorge. So glaube man auch, daß durch eine solche Anstalt dem Großgrundbesitze, einem Hauptfaktor des konservativen Elementes, der Todesstoß versetzt würde. Referent hege diese Besorgnis nicht, denn abgesehen davon, daß ein großer Teil des Großgrundbesitzes durch das Fideikommiß und Lehenband gebunden ist, finde der übermäßige Verkauf und die Zertrümmerung größerer geschlossener Güterkomplexe ihre natürliche Grenze in den Normen des allgemeinen Verkehres, auch sei der Stock des Großgrundbesitzes in Österreich so groß, daß eine solche Anstalt niemals im Stande sein wird, auch nur einen merkbar aliquoten Teil derselben zu erwerben. Die Großgrundbesitzer werden in Hinkunft weniger Land und mehr Geld besitzen, dies werde aber in finanzieller und volkswirtschaftlicher Hinsicht nur vom Nutzen sein und auch die Steuerkraft erhöhen. Eine weitere Einwendung sei, daß man durch die Berechtigung einer solchen Anstalt, landwirtschaftliche Realitäten zu erwerben und dieselben zu parzellieren, den Bauernstand, das hauptsächlichste konservative Element und den Hauptstamm des Heeres, ruiniere. Da könne Referent mit Beruhigung auf den § 4 der Grundzüge hinweisen, gemäß welchen der Anstalt untersagt werde, Bauernwirtschaften oder zu diesen gehörige Gründe zu kaufen, in Pacht oder in Verwaltung zu nehmen, wenn sie nicht hiezu von Fall zu Fall die Bewilligung der Staatsverwaltung erwirkt haben wird. Der weiteren Besorgnis endlich wegen Entstehung eines Bauernproletariates werde durch die aufgenommene Bestimmung eines Parzellierungsminimums in der Größe eines wenigstens mittleren Bauerngutes begegnet. Die Meinung aber, der ganze Verkehr mit Grund und Boden werde von der Anstalt an sich gerissen werden, sei unbegründet, denn Referent glaube, daß, wenn eine solche Anstalt etabliert werde, die die Staatsgüter zu verdauen haben wird, dieselbe für lange Zeit hinlänglich gesättigt sein werde und, wenn sie nebenbei ein anderes Gut zur besseren Arrondierung oder Erhöhung der Rentabilität ankaufe, nicht staatsgefährlich sein werde. Was schließlich die Privilegien dieser Anstalt betrifft, so sollen die Ausnahmen von den allgemeinen Gesetzen hauptsächlich in der Beweiskraft ihrer Bücher und in der leichteren Exequierbarkeit ihrer Forderungen bestehen.
Der Staatsratspräsident bemerkte, daß er über die Person des Langrand nicht absprechen wolle, daß er über das Prinzip schon in der Konferenz vom 15. September l. J. die Ansicht des Staatsrates, der sich entschieden gegen die Konzessionierung einer solchen Anstalt ausgesprochen, auseinandergesetzt habe und auch heute sich gegen das Projekt auf das bestimmteste aussprechen müsse6. Die Wesenheit der Geschäfte dieser Anstalt soll darin bestehen, daß sie Realitäten kauft, dieselben wieder gegen Annuitäten verkauft, welche sie wieder verkauft. Aus diesem Erlöse wird sie abermals Realitäten kaufen und ebenso wieder verkaufen. Der Gesellschaft soll erlaubt sein, verzinsliche Obligationen bis zum doppelten Betrage des jeweilig eingezahlten Aktienkapitales ohne besondere Bewilligung der Staatsverwaltung auszugeben, neue Gesellschaften und Filialen || S. 49 PDF || zu errichten und hiebei noch mehr Kapital in ihren Bereich zu ziehen, endlich Bankgeschäfte im ungemessensten Maßstabe zu machen. Wenn auch Votant zugebe, daß solche Geschäfte einzeln gemacht werden können und daß auch die Parzellierung in einem gewissen Maße zuträglich sein könne, so gestalte sich die Sache doch ganz anders, wenn man eine Gesellschaft mit solchen Kräften hiezu etabliere und dieselbe noch dazu mit so ausgedehnten Privilegien ausstatte. Im Interesse der Volkswirtschaft sei es gelegen, daß die Landgüter möglichst im konstanten Besitze bleiben und daß in ihrem Bestande keine anderen Veränderungen vorgenommen werden, als welche die Beförderung der Kultur bezwecken. Hiefür erweisen sich Bodenkreditanstalten vom Nutzen, die Immobilienanstalt verfolge aber eine umgekehrte Tendenz. Dieselbe sucht ihren Gewinn im fortwährenden Kaufe und Verkaufe von Gütern und agitiere daher für den Wechsel des Besitzes. Es sei daher klar, daß dieselbe zu diesem Behufe alle nur möglichen demoralisierenden Mittel in Anwendung zu bringen sich nicht scheuen werde. Schon der Anfang der Tätigkeit des Langrand in Ungarn habe dieses gezeigt; man sage diesfalls, daß ein Agent desselben die bekannten Bedrückungen vorgenommen habe, Langrand werde einfach diesen Agenten wegjagen und einen anderen solchen nehmen. Der Minister Ritter v. Lasser sage, die Anstalt verfolge den Zweck, die gekauften Realitäten zu verbessern und sie dann wieder zu verkaufen, dies werde aber nicht geschehen, die Ameliorierung eines Gutes erfordere einen längeren Zeitraum, und die Anstalt werde sich mit diesem geringen Gewinne nicht befriedigen. Die Hauptrücksicht sei jedoch auf die Parzellierung zu nehmen, die die Anstalt als die beste Spekulation und in einem Maße betreiben wird, daß es dem landwirtschaftlichen Interesse den empfindlichsten Abbruch bereiten wird. Hiebei werde Gefahr entstehen einerseits für den Großgrundbesitz, der tiefer parzelliert werden wird, als dies nach Verlauf des gewöhnlichen Verkehres der Fall wäre; denn das Fidekommißband und der Lehennexus könne dabei nicht in Rechnung gebracht werden, da dieses Verkehrshindernis in Österreich nicht von bedeutender Ausdehnung ist. Anderseits werden die Käufer gefährdet sein, welche keinen Begriff davon haben, welche hohe Verzinsungslast sie mit der Annuitätenabstattung übernehmen. Das Beispiel in Ungarn habe gezeigt, welches Mittel hierin liege, die Leute schnell aus ihrem Besitze zu bringen. In dem baierischen Strafgesetze seien sogar Strafbestimmungen gegen die gewerbsmäßige Betreibung der Parzellierung enthalten, die man jetzt bei uns ohneweiters zulassen wolle. Die Steigerung des Geschäftes der Anstalt lasse sich derzeit gar nicht übersehen. Die Einlage soll 50 Millionen Gulden betragen, und Langrand sage selbst, daß die Gesellschaft innerhalb eines Zeitraumes von 5 bis 6 Jahren mit Liegenschaften in Österreich im Gesamtwerte von 200 Millionen Gulden operieren werde. Bringe man hiezu noch das Recht, verzinsliche Obligationen auszustellen, alle Gattungen von Bankgeschäften zu betreiben, neue Gesellschaften und Filialen zu errichten, in Anschlag, so könne man sich eine Vorstellung von der Ungeheuerlichkeit ihres Wirkens machen und mit Recht den Schluß ziehen, daß ein bedeutender Teil des österreichischen Grundbesitzes in kurzer Zeit mobilisiert sein wird. Diese Folgen müsse man vor Augen haben und da werde man zur Überzeugung gelangen, wie bedenklich es wäre, die monopolistische Stellung solcher Kräfte noch durch Privilegien zu erweitern. Der Einfluß dieses Institutes, welches die Annuitäten im Auslande verkaufen wird, auf die österreichischen Kreditverhältnisse werde ein ungeheurer werden, und die Rückwirkung, die in Zeiten einer || S. 50 PDF || Krisis bei einer der mehreren Banken, mit denen die Gesellschaft im Auslande im engsten Zusammenhange zu operieren beabsichtiget, auf die Interessen der dabei beteiligten österreichischen Untertanen hereinbrechen wird, lasse sich gar nicht berechnen. Man verspreche sich eine gute Wirkung von der Überwachung des lf. Kommissärs, dieser werde aber ein so riesiges Geschäft gar nicht zu übersehen imstande sein. Was die Pachtungen betreffe, sei es klar, daß solche Gesellschaften nicht selbst Landwirtschaft treiben können, sie werden daher Afterpächter bestellen. Die Gesellschaften werden sich aber überall hineindrängen, und Raubbau und Unterdrückung der Pächter werde die Folge sein. Es sei bedauerlich, daß die Zulassung dieser Anstalt als Prämie für eine Finanzoperation gegeben werden wolle. Eine Gründung eines solchen Institutes, welches in so eklatantem Widerspruche mit den Interessen der Volkswirtschaft stehe, könne Votant nicht empfehlen, zumal er glaube, daß es möglich sein werde, das finanzielle Ziel durch Bildung von Konsortien oder aber durch eine Beschränkung auf die Staatsgüter zu erreichen. Das Prinzip sei wohl jedenfalls schlecht, wenn jedoch die bedrängte Lage der Staatsfinanzen einen Entschluß unbedingt erfordere, so wähle man das angedeutete kleinere Übel.
Was die punktierten speziellen Grundsätze betrifft, bemerkte Votant: 1. das vorliegende Operat sei, wie Minister Ritter v. Lasser sage, durch eine Amalgamierung der von Langrand und von dem Konsortium Salm-Chotek-Haber angesprochenen Befugnisse entstanden. Salm habe die Berechtigung, Obligationen auszugeben, hypothekarische Forderungen zu versichern, neue Institute zu errichten, nicht begehrt, was alles Langrand wolle. Es bestehe daher kein Grund, den Unterhandlungsgrundsätzen die ganze größere Ausdehnung zu geben, die Berechtigung soll daher auf das, was die Mindestfordernden wollen, daher auf das, was die Gründer der Boden-Credit-Anstalt wollen, beschränkt werden. 2. In diesen Grundsätzen werde über den Fonds der Gesellschaften keine Bestimmung gegeben, darüber könne aber nicht stille geschwiegen werden, das Maximum dieses Fonds müsse mit dem Bedeuten fixiert werden, daß zu jeder Erweiterung desselben die staatliche Genehmigung erforderlich sei. Als Maximum dürften 20 Millionen nach dem ursprünglichen Antrage des Ministers Ritter v. Lasser bestimmt werden. 3. Die Gesellschaft könne nicht als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuches angesehen werden, Verträge über unbewegliche Güter seien nämlich keine Handelsgeschäfte. Schon in die Statuten der Boden-Credit-Anstalt sei diesfalls eine Bestimmung aufgenommen worden, welche Votant auch in die vorliegenden Grundsätze aufzunehmen für notwendig erachte. 4. Die Grundzerstückung der landwirtschaftlichen Realitäten wäre, wie Minister Ritter v. Lasser sage, durch den § 4 beschränkt. Das sei nicht der Fall, denn hienach soll ohne besondere Bewilligung der Staatsverwaltung der Kauf, [die] Pacht und die Parzellierung von landwirtschaftlichen Realitäten bis zum Ausmaße eines wenigstens mittleren Bauerngutes stattfinden können. Im Grunde der Ah. Entschließung vom Jahre 1803 und der Verordnung vom 30. Juni 1858, RGBl. Nr. 100, sei jedoch zu jeden Zerstückungen von Landtafelkörpern der Konsens der politischen Landesstelle erforderlich7. Hierüber wäre daher eine besondere || S. 51 PDF || Bestimmung aufzunehmen. In einem Absatze des § 4 werde gesagt: „Das Ausmaß der Grundfläche, welche in den verschiedenen Landesgebieten der Monarchie zu einem mittleren Bauerngute gerechnet werden soll, wird von der Staatsverwaltung festgesetzt werden“. Dann: „Die Gesellschaft wird die Parzellierungspläne, dann die Kauf- und Verkaufsverträge vor dem endgiltigen Abschlusse derselben dem lf. Kommissär zur Einsicht vorzulegen haben“. Diese Anträge seien nicht praktisch, denn daß die Staatsverwaltung das oben bezeichnete Ausmaß der Grundfläche bestimme, sei nicht möglich, hierüber kann eine Beurteilung nur mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Landesverhältnisse stattfinden, in den ungarischen Ländern besteht vielleicht hierüber gar keine Beschränkung. Wie aber der in Wien befindliche lf. Kommissär diesfalls nützlich wirken könnte, sei gar nicht abzusehen; aus den ihm gemachten Vorlagen wird er in den wenigsten Fällen ohne zeitraubende Einvernehmung der Behörden einen Einfluß auf das spezielle Geschäft auszuüben imstande sein. 5. Damit die Käufer durch die Bestimmung der Annuitäten nicht geprellt werden, müßten in den Verkaufs- und in den Darlehensverträgen die Kaufpreis- und beziehungsweise die Darlehenstilgungsquoten abgesondert von den bedungenen Zinsen ersichtlich zu machen sein, worüber eine ausdrückliche Bestimmung in die Grundsätze aufzunehmen wäre. 6. Bezüglich der Privilegien sei der § 15 so textiert, daß der Gesellschaft versprochen werde, es werde für die Ausnahmen die verfassungsmäßige Genehmigung erwirkt werden. Es müsse jedoch der Regierung vorbehalten werden, ob Begünstigungen überhaupt und in welchem Maße erteilt werden sollen. Salm habe gar keine gesetzlichen Ausnahmen angesprochen. Votant glaube daher, daß der § 15 ganz weggelassen werden, oder daß derselbe mindestens so textiert werden soll, daß der Staatsverwaltung die Erwägung vorbehalten werde, ob sie diese oder jene Ausnahme von bestehenden Gesetzen als notwendig anerkenne.
Der Minister Ritter v. Lasser erwiderte, es sei richtig, daß die Operation zunächst einen Wechsel des Grundbesitzes bezwecke. Eine Meliorierung des Grund und Bodens wird aber jedenfalls eintreten, weil der Grundbesitz aus schlecht wirtschaftenden Händen in solche gelangen wird, die ihn zu behaupten vermögen. In der Zwischenzeit wird es aber gewiß nicht das Streben der Anstalt sein, ihren Besitz zu deteriorieren. Die Einwendung, daß die Gesellschaft durch Parzellierungen ihren Gewinn suchen werde, mag richtig sein, da aber hiebei ein bestimmtes Maß eingehalten werden muß, wird hiemit auch ein nationalökonomischer Vorteil verbunden sein, denn es sei notorisch, daß die kleinen Güter rentabler und verhältnismäßig wertvoller sind als die großen, weil sie besser bewirtschaftet werden. Es sei daher hieraus nicht nur kein Nachteil zu besorgen, vielmehr ein immenser Einfluß auf den Wohlstand und die Steuerkraft abzusehen, wie denn auch dadurch eine reiche Quelle des Einkommens an den Staatsschatz durch die Vermögensübertragungsgebühren werde erschlossen werden. Ein anderes Moment, welches für den Antrag spreche, habe die Erfahrung an die Hand gegeben. Langrand habe keine Gesellschaft gebraucht, um bereits solche Geschäfte einzugehen. Ein gesetzliches Mittel entgegenzuwirken gebe es nicht. Wenn man aber solche Geschäfte nicht hindern könne, sei es besser, die ganze Sache ins Geleise zu bringen, als sie regellos sich entwickeln lassen. Eine Ungeheuerlichkeit der Ausdehnung der Geschäfte sei gleichfalls nicht zu besorgen. Beim Kauf und Verkaufsgeschäfte von Liegenschaften lassen sich die natürlichen Grenzen des Verkehres nicht überschreiten.
|| S. 52 PDF || Die Ausgabe der Obligationen werde aber von den Geldgebern bedingt sein. Daß aber das Geld bei uns nicht so leicht ankomme, habe die Erfahrung bei allen unseren Verkehrs- und Kreditanstalten gelehrt. Auf die Berechtigung zur Gründung neuer Gesellschaften könne aber von Seite der Regierung kein großer Wert gelegt werden. Eine Gefahr könne ja doch nicht darin erblickt werden, wenn die Anstalt eine Baugesellschaft oder ein Bodenkreditinstitut bilde.
Nachdem Minister Ritter v. Lasser noch besonders wiederholt betont hatte, daß das durchschlagendste bei seinem Antrage für ihn die finanzielle Frage sei, ging er auf die Detailbestimmungen über und bemerkte zu den vom Staatsratspräsidenten in 6 Punkten vorgeschlagenen Modifikationen ad 1., daß es keinem Anstande unterliegen könne, in die Unterhandlungsgrundsätze nicht nur die Forderungen des Konsortiums Salm-Chotek-Haber, sondern auch jene des Langrand aufzunehmen, welche letztern weitergehen. Der Finanzminister brauche ja bei der Unterhandlung dem Konsortium Salm etc. nicht mehr zu oktroyieren als es selbst verlange und könne bei der Unterhandlung mit jedem der beiden Konzessionswerber die einzelnen Punkte trennen. Ad 2. Mit der Aufnahme einer Bestimmung über das Maximum des Fonds, welches auf 50 Millionen festzusetzen wäre, erklärte er sich einverstanden. Ad 3. Dem diesfalls erhobenen Anstande könnte nach seiner Ansicht durch die Einschaltung eines Artikels zwischen 2 und 3 des Inhaltes begegnet werden: „Insoferne die in den vorstehenden Artikeln angeführten Berechtigungen Handelsgeschäfte im Sinne des Handelsgesetzbuches zum Gegenstande haben, wird die Immobilienanstalt den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches, in den übrigen aber den allgemeinen bürgerlichen Gesetzen unterliegen. Die Anstalt wird insbesondere bei Ausübung ihrer einzelnen Geschäftsbefugnisse die bestehenden einschlägigen Gesetze und Vorschriften zu beobachten haben.“ Ad 4. Eine besondere Zitation der Verordnung vom 30. Juni 1858, RGBl. Nr. 100, daß zu jeder Zerstückung eines Landtafelkörpers der Konsens der politischen Landesbehörde erforderlich sei, könne unterlassen werden, weil obenstehender Satz „die Anstalt wird die bestehenden Gesetze und Vorschriften zu beobachten haben“ so allgemein laute, daß auch die von dem Staatsratspräsidenten gewünschte Verpflichtung schon darin enthalten ist und sonst mit gleichem Grunde eine Masse einschlägiger Gesetze und politischer Verordnungen in den Grundsätzen aufgeführt werden müßte, wobei eine reine Kasuistik entstehen würde. Ad 5. Mit dem Antrage wegen besonderer Ersichtlichmachung der Kaufpreis- und Darlehenstilgungsquote und der Zinsen in den bezüglichen Verträgen erklärt sich Minister Ritter v. Lasser einverstanden.
Ad 6. stimme er endlich zu, daß die Textierung des § 15 wegen der Privilegien vorsichtiger gehalten werden könne, etwa in der Art: „Begünstigungen, welche Ausnahmen von den allgemeinen Gesetzen enthalten, können, vorausgesetzt, daß deren Notwendigkeit für die Anstalt durch die Staatsverwaltung erkannt wird, für die Immobilienanstalt speziell im verfassungsmäßigen Wege erwirkt werden“.
Der Finanzminister bemerkte, daß die vorliegende Frage sich in zwei Teile sondere, in die volkswirtschaftliche und in die finanzielle. Was den ersten Teil betreffe, habe er den Anschauungen des Ministers Ritter v. Lasser, mit denen er vollkommen einverstanden sei, nur wenig beizufügen. Die Einwendung wegen der Ungeheuerlichkeit des Geschäftes der Immobilienanstalt wäre allerdings begründet, wenn eine Beschränkung in bezug auf das Kapital nicht vorgenommen würde. Da dieses aber geschehen wird, || S. 53 PDF || sei von dem Wirken der Gesellschaft, das sich auf die ganze Monarchie ausdehnen und verteilen wird, nichts zu besorgen. Der Einfluß dieser Anstalt auf den erleichterten Umsatz werde vielmehr ein wohltätiger sein, die Klagen der Großgrundbesitzer, die oft mitten im Reichtum von Grundbesitz verarmen, denen ihr großer Besitz kaum 3% Rente abwirft, die selbst einsehen, daß sie zu viel Grundbesitz haben und nicht selten in die Lage kommen, einen Teil ihres Reale für die Last der Steuern anzubieten, werden verstummen. Dieselben werden das, was sie an Besitz zu viel haben, abgeben, und das, was sie behalten, besser investieren und rentabler machen. Daß die Gesellschaft bei ihren Geschäften eine monopolistische Stellung erreichen werde, sei nicht zu besorgen, ein Analagon hiefür sei, daß neben den großen Banken noch immer die Bankiers bestehen, welche eine eingreifende Konkurrenz ausüben. Daß sich aber der ganze große Grundbesitz durch die Aktion der Immobilienanstalt werde düpieren lassen, könne doch nicht angenommen werden. Übrigens lasse sich schon jetzt absehen, daß die Gesellschaft mit der großen Menge der Staatsgüter durch ein Dezennium so viel zu tun haben werde, daß sie hiefür alle ihre Kräfte wird zusammenhalten müssen, und wenn sie noch ein oder das andere Gut zur besseren Arrondierung eines Staatsgutes dazu erwerbe, werde dieses nur in selteneren Fällen geschehen. Was die vorgeschlagenen einzelnen Modifikationen betreffe, habe Votant gegen die Punkte 2, 3, 5 und 6 nichts zu erinnern. Zum Punkte 1, wobei Baron Lichtenfels meine, daß man die geringere Forderung des Grafen Salm aufnehmen solle, Ritter v. Lasser aber glaube, daß man die Begünstigungen bei der Unterhandlung mit den einzelnen Konzessionswerbern je nach ihrer Anforderung teilen solle, müsse er vor allem erwähnen, daß nach den Besprechungen, die er mit Salm gehalten, auch dieser dasselbe verlange wie Langrand. Nach der Idee des Ritters v. Lasser müßte aber für ihn bei der Unterhandlung ein Vorgang der zweideutigsten Art sich ergeben, für Salm müßte es ein Geheimnis bleiben, was Langrand beanspruche. Er müsse beiden das gleiche anbieten können, sonst wäre der Vorwurf eines nicht ehrlichen Vorganges gerechtfertigt. Wenn jedoch nach der Meinung des Staatsratspräsidenten beiden das gleiche, aber nach der minderen Anforderung angeboten würde, werde man den Konkurrenten Langrand, der die besonderen Bedingungen als eine Lebensfrage für die Anstalt betrachtet, verlieren, und das Geschäft werde wahrscheinlich gar nicht zustande kommen. Zudem seien die besonderen Bedingungen des Langrand keine gefährlichen und das staatliche Interesse durch den nach der früheren Andeutung aufzunehmenden Beisatz „nach Maßgabe der bestehenden Gesetze und Vorschriften“ genügend gewahrt. Nach Ansicht dieses Votanten könnten daher die Grundsätze in dieser Beziehung in der vorliegenden Fassung bleiben, nur müßte er berechtigt sein, beiden Paziszenten je nach Erfordernis das Gleiche anzubieten. Was endlich die finanzielle Seite betrifft, bemerkte der Finanzminister, daß man nicht außer Augen lassen dürfe, daß zur Vollziehung des Bankstatutes in kurzer Zeit eine Schuld von 55 Millionen Gulden an die Nationalbank abgestattet werden muß8. Ein anderes Mittel, diesen Betrag aufzubringen, gebe es nicht, wie er bestimmt erklären || S. 54 PDF || müsse, als durch den Verkauf der Staatsgüter. Die Einhaltung des Bankstatutes aber zu brechen und etwa ein finanzielles Kunststück durch Ausgabe von 200 Millionen Zetteln zu machen, darauf könne er wohl nicht einraten. Die große Menge der Staatsgüter könne aber nur in der erforderlichen Raschheit dann verkauft werden, wenn sie eine Gesellschaft kaufe, die den ganzen Betrag in längstens zwei Jahren zahlt. Einzelnen mangle es an Geld und Kauflust. Diese Maßnahme sei dringend und des Vorteiles wert, den man der Gesellschaft einräume. Votant müsse daher entschieden für den Antrag des Ministers v. Lasser stimmen. Zum Schlusse erwähnte Votant, daß der lf. Kommissär allerdingsb einec ausgedehnte Arbeit haben werde, und daß der ganze Mann für dieses Geschäft erforderlich sein werde, so daß es nicht angehen werde, denselben nebenbei mit Referatsarbeiten bei seiner Behörde zu beschäftigen. Es sei daher, wie auch in der Vorlage vorgesehen, ganz in der Ordnung, daß die Gesellschaft die Bestreitung der Bezüge des lf. Kommissärs übernehme.
Der Leiter des Handelsministeriums gestand, daß er sich ursprünglich dem Bedenken des Staatsratspräsidenten angeschlossen und durch die Konzessionierung einer Immobilienanstalt ein den volkswirtschaftlichen Interessen wenig günstiges Resultat sich versprochen habe. Durch den jetzigen Entwurf seien jedoch mehr Vorsichten geboten und die staatliche Wachsamkeit zur Hintanhaltung von Übergriffen besser gewahrt worden. Der Verkehr werde jedenfalls mehr entwickelt werden, und man brauche nicht ängstlich zu sein, auf das Projekt einzugehen. Vorzugsweise bestimme ihn hiebei die finanzielle Rücksicht. Die Verpflichtungen gegenüber der Nationalbank müsse man ganz rechtzeitig nicht bloß wegen des gegebenen Wortes, sondern auch deshalb einhalten, weil sonst die empfindlichsten Nachteile für den Geldmarkt und für das volkswirtschaftliche Interesse hereinbrechen müßten. Votant hätte es gerne gesehen, wenn das Geschäft auf die Staatsgüter beschränkt worden wäre, einzelne Ankäufe zur besseren Arrondierung hätte man noch immer der speziellen Bewilligung vorbehalten können. Er kompromittiere aber diesfalls auf den Finanzminister und stimme dem Antrage mit den vom Staatsratspräsidenten beziehungsweise vom Minister v. Lasser vorgeschlagenen Modifikationen zu den Einzelbestimmungen bei. Schließlich bemerkte Votant, die Ah. Resolution Sr. Majestät über die Vorlage als eine Vollmacht für den Finanzminister zu betrachten, bei der Unterhandlung mit Sparsamkeit vorzugehen. Dem Staatsminister ergab sich, was das Prinzip betrifft, kein Bedenken gegen den Antrag des Ministers Ritter v. Lasser, und er glaubte von seinem Standpunkte nur die zwei Fragen sich vor Augen halten zu sollen, ob der Großgrundbesitz und ob der Bauernstand bedroht sei. Der Großgrundbesitz sei es nicht, weil, wenn auch Parzellierungen vorgenommen werden, dessen Besitz noch ein großer bleiben werde. Es werde dann mehr mittlere bedeutende Besitzer von Grund und Boden geben. Von einer Bedrohung des Bauernstandes könne aber nach dem Inhalte des Art. 4 gar nicht die Rede sein. Die von dem Staatsratspräsidenten ausgesprochenen Besorgnisse teile Votant im ganzen und großen nicht, jeder werde schon selbst die Augen offenhalten. Die Zeit, den Einzelnen zu schützen und zu bevormunden, sei vorüber. Votant stimmte daher || S. 55 PDF || für den Antrag mit den vorgeschlagenen Modifikationen. Der Polizeiminister , dem auch die Minister Graf Mensdorff, Graf Esterhazy und Ritter v. Hein beistimmten, erklärte, daß er sich prinzipiell wohl den Bedenken des Staatsratspräsidenten angeschlossen haben würde, wenn die Angelegenheit nicht dadurch, daß mit ihr eine Finanzmaßregel verbunden wurde, in ein anderes Stadium getreten wäre. Bedenklich sei es jedenfalls, wenn die Regierung mit Akten ihrer Gewalt Handel treibe, da aber der Fall der Notwendigkeit eintrete, könne er darauf kein größeres Gewicht legen und insoferne stimme er für den Antrag. Gerne würde er es übrigens sehen, wenn der Finanzminister die Wahl hätte, lieber etwas weniger zu bekommen, dafür aber auf nachteilige Zugeständnisse nicht einzugehen brauchte. Der Minister Graf Nádasdy, der Marineminister, der Kriegsminister und der ungarische Hofkanzler traten dem Antrage der Minister Ritter v. Lasser und v. Plener unbedingt bei.
Es ergab sich sonach mit allen Stimmen – gegen jene des Staatsratspräsidenten9 – der Beschluß, es seien die vorgelegten Grundsätze mit den vorgeschlagenen Modifikationen 2, 3, 5 und 6 der Ah. Schlußfassung zu unterziehen10.
Wien, am 21. Dezember 1864. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 13. Jänner 1865. Empfangen 15. Jänner 1865. Erzherzog Rainer.