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Nr. 231 Ministerkonferenz, Wien, 19. November 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet (RS. Klaps); VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 22./28. 11.), Gołuchowski 23. 1., Mecséry 23. 11., Degenfeld 24. 11., Lasser 26. 11., Szécsen 26. 11., Plener 27. 11.; abw. Vay.

MRZ. – KZ. 3862 –

Protokoll vom 19. November 1860 (10 Uhr nachts) unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten Grafen Rechberg.

I. Steuerverweigerung in Ungarn

Der Leiter des Finanzministeriums referierte, es seien ihm Berichte zugekommen, wonach in Gran die Entrichtung der Verzehrungssteuer und in mehreren Gemeinden des Großwardeiner Bezirks die Zahlung der direkten Steuern verweigert wird1.

Minister Graf Szécsen glaubte, daß das Finanzministerium sich diesfalls ohne Verzug an die ungarische Hofkanzlei wegen Abhilfe wenden dürfte, indem man solchen Renitenzen sobald als möglich begegnen müsse2.

II. Zusammenlegung der galizischen Finanzlandesdirektion und der Bukowinaer Steuerdirektion; Verhältnis des Statthalters zum Finanzlandesdirektor; Titel und Bezüge des letzteren; Besetzungsvorschlag

Reichsrat v. Plener referierte über die Modalitäten, unter welchen die Krakauer und Lemberger Finanzlandesdirektion, dann die Steuerdirektion in der Bukowina zuammenzulegen wären3.

Der Gesamtaufwand wäre 143.000 fl. jährlich, wobei sich eine Ersparung gegen die dermaligen Auslagen mit jährlich 46.000 fl. herausstelle, gleichzeitig aber doch auch die Möglichkeit ergeben würde, die Gehalte der Finanzbeamten, namentlich der Finanzräte, mit jenen der Räte bei den politischen und Gerichtsbehörden gleichzustellen, was auf die Hebung der jetzt sehr zurückgesetzten Finanzbeamten, auf die Bewerbung ausgezeichneter Individuen um erledigte Posten und somit auf das Beste des Finanzdienstes den besten Einfluß äußern würde. Gegen den vom Minister Ritter v. Lasser erhobenen Anstand, daß gerade in Galizien, dem wohlfeilsten Kronlande, mit der Erhöhung der Gehalte der Anfang gemacht werde, während sie anderwärts weit dringender ist, machte Reichsrat v.Plener geltend, daß er dort beginne, weil die dermal eintretenden Ersparnisse || S. 69 PDF || dazu die Möglichkeit ohne große Belastung des Staatsschatzes bieten, und daß er in den übrigen Kronländern nach Tunlichkeit auf gleiche Weise vorzugehen gedenke.

Was die Stellung des Chefs der Finanzlandesdirektion in Galizien betrifft, so hält es Reichsrat v. Plener für sehr dienstförderlich und wünschenswert, daß der Statthalter aufhöre, Präsident der Finanzlandesdirektion zu sein, und daß sein Einfluß auf die Finanzgeschäfte in der Art geregelt würde, wie es zuletzt unter FZM. Ritter v. Benedek in Ungarn bestand4. Auf diese Weise wird der Statthalter aller Details des Finanzdienstes enthoben, es werden eine Menge Anlässe zu nachteiligen Hemmungen, Streitigkeiten und Konflikten desselben mit dem Vorstande der Finanzlandesdirektion beseitigt, und andererseits wird demselben jener Einfluß gewahrt, den der Landeschef auf organisatorische, legislative, administrative und Personalangelegenheiten des Finanzdienstes üben muß, um zugleich den höheren politischen Rücksichten Geltung zu verschaffen und die finanziellen Interessen durch die ihm unterstehenden Organe unterstützen zu können. In Venetien, in Ungarn, Siebenbürgen und der Woiwodschaft hat sich ein ähnliches freieres Verhältnis als zweckmäßig oder doch anstandslos bewährt, während die Führung des Präsidiums der Finanzlandesdirektion durch den Statthalter nach den gemachten Erfahrungen an vielen Orten, so z. B. in Steiermark, sich als dienstabträglich erwiesen hat. Wenn zur Zeit, wo Reichsrat v. Plener als Finanzlandesdirektor in Galizien amtierte, nicht der geringste Übelstand, sondern nur Vorteile aus dem gedachten Verhältnisse zu dem damaligen Landeschef und nunmehrigen Staatsminister entsprangen, so war dies wohl hauptsächlich die Folge des persönlichen vollkommenen Einverständnisses der beiden Funktionäre und einer Harmonie, auf die sonst nicht gerechnet werden kann, da sie zu den Ausnahmen gehört.

Der Staatsminister ist mit der beantragten Zusammenlegung der Finanzbehörden in Galizien und der Bukowina einverstanden und will auch gegen die höhere Besoldung der Räte keine Erinnerung erheben, allein, er spricht dagegen seine Überzeugung von der Notwendigkeit aus, daß der Landeschef zugleich Präsident der Finanzlandesdirektion und als solcher in der Lage sei, direkt und entscheidend in die Agenda der Finanzbehörden einzugreifen. Details untergeordneter Natur werde er selbstverständlich nicht an sich ziehen. Die abweichenden Einrichtungen eines so großen Kronlandes wie Ungarn können in Galizien dagegen nicht geltend gemacht werden, ebensowenig die auf rein persönlichem Verhältnisse beruhenden Übelstände in Gratz. aÜbrigens sei ihm bekannt, daß der Vorstand der Finanzlandesdirektion in Gratz dem Statthalter absichtlich Aktenstücke vorenthalten habe, welche ihm unmittelbar vom Finanzministerium zugekommen sind. Ein solcher inkorrekter Vorgang mußte Reibungen hervorrufen. Allein, die Schuld lag am Finanzlandesdirektor und teilweise am Finanzministerium selbst, weil es Verfügungen, welche [die] Finanzbehörde in Gratz betrafen, mit Ignorierung des Präsidenten der Finanzlandesdirektion an den Direktor dieser Behörde stilisierte.a In Galizien habe || S. 70 PDF || Graf Gołuchowski mit drei aufeinander folgenden Finanzlandesdirektoren vollkommen einträchtig gewirkt und die Überzeugung erhalten, daß dadurch die Stellung der finanziellen Beamten und das Interesse der Finanzen nur gewinnen können. Unleugbar ist der Einfluß des Landeschefs selbst in der politischen Sphäre gelähmt, wenn die Finanzangelegenheiten seiner steten Leitung entrückt sind und er auf ein bloß von Zeit zu Zeit wiederkehrendes Einvernehmen über organische oder legislative Fragen beschränkt wird. bDas Verhalten der Finanzbeamten gegenüber der Bevölkerung des Landes, mit welcher dieselben in steter Berührung stehen, ist von der größten Wichtigkeit und bedarf der unmittelbaren Überwachung desjenigen, dem die Leitung des Kronlandes übertragen wurde. Wie soll nur dieses effektuiert werden, wenn dem Statthalter die Finanzbeamten nicht unterstehen? Aus eigener Erfahrung muß der Staatsminister bestätigen, daß es ihm kaum möglich gewesen wäre, mit Erfolg dem Lande Galizien vorzustehen, wenn die Finanzbeamten seinem unmittelbaren Einflusse entrückt worden wären.b Die prinzipielle Frage über das Verhältnis der Chefs der politischen und Finanzverwaltung in den Ländern sei bereits vor mehreren Jahren vom Minister Baron Bach5 ventiliert worden. Die vernommenen Statthalter und Baron Bach stimmten damals alle für die Führung des Präsidiums der Finanzlandesdirektion durch den Landeschef. Die Verhandlung sei aber bei dem Finanzministerium (wie Reichsrat v. Plener aufklärte, aus Ersparungsrücksichten) ins Stocken geraten6. Die gegenwärtige Instruktion für die Finanzlandesdirektion7 findet Graf Gołuchowski genügend, aber die Hauptsache zur Bewahrung der Harmonie zwischen dem politischen und finanziellen Landeschef besteht hierin, daß die Zentralbehörden darauf hinwirken. In dieser Beziehung sei früher von Seite des Finanzministeriums8 durch Übergehung der Statthalter bei manchen Weisungen an den Finanzlandesdirektor oft geschadet worden. cAm Schlusse bemerkte der Staatsminister, daß es notwendig sei, das Verhältnis der Postanstalten und der Telegrafenämter gegenüber dem Statthalter zu regeln. In dieser Beziehung sei wohl über Anregung Sr. k. k. Hoheit des Herrn Statthalters von Tirol eine Zuschrift seit Monaten an das Finanzministerium gerichtet worden, allein dieselbe erfreute sich bis nun zu keiner Erledigungc .9 Der Polizeiminister trennt sich vom Reichsrat v. Plener in Absicht auf die Sonderstellung des Finanzlandesdirektors, da er ein tieferes und entscheidendes Eingehen des Statthalters auch in die laufenden Geschäfte des Finanzdienstes sehr nötig findet. Das dem Finanzlandesdirektor dermal instruktionsmäßig zustehende Sistierungsrecht gegenüber der Verfügung || S. 71 PDF || des Statthalters wäre, als dem Ansehen des letzteren nachteilig, aufzuheben und vielmehr genau zu bestimmen, daß und in welchen Fällen der Finanzchef nicht ohne Zustimmung des Statthalters vorgehen dürfe. Sollte diese Modalität nicht beliebt werden, so würde Baron Mecséry beantragen, daß das Verhältnis der beiden Chefs ungefähr in der Art geregelt werde, wie es unter FZM. Ritter v. Benedek in Ungarn bestand. Der Leiter des Justizministeriums , mit dem Staatsminister ganz einverstanden, erinnerte, man habe schon vor elf Jahren bei der Organisierung einen großen Wert darauf gelegt, daß alle Provinzialadministrationszweige sich möglichst in einer Hand konzentrieren. Die Finanzverwaltung könne Schutz und Stütze der politischen Behörden nicht entbehren, dwie dies gerade wieder der Vorgang beweise, welcher den Gegenstand des ersten Beratungspunktes der heutigen Konferenz betreffe.d Am dringendsten erscheint aber diese Konzentrierung zu bewegten Zeiten, wie die gegenwärtigen bereits sind, und ebei dem nahen Zusammentreten der Landesvertretungen könne nicht außer Acht gelassen werden, daß gerade der politische Landeschef berufen sein wird, den Standpunkt der Regierung gegenüber der Landesrepräsentanz in allen Administrationssachen zu vertreten. – Auch die vom Finanzministerium angestrebten Reformen im Steuersystem würden nur das Gewicht der Gründe für die direkte Einflußnahme des Landeschefs auf Finanzsachen vermehren.e

Die übrigen Minister traten gleichfalls dem Antrage des Staatsministers bei, wonach der Statthalter der erste und der Finanzlandesdirektor der zweite Vorsteher der Direktion zu sein hätte.

Auf der Basis dieses Majoritätsantrages erstattete Reichsrat v. Plener nunmehr seine weiteren Anträge, daß der Finanzchef den Titel eines zweiten Präsidenten der Finanzlandesdirektion, die vierte Diätenklasse und einen Gehalt von 6000 fl. zu erhalten hätte. Als Stellvertreter wäre ihm ein Ministerialrat mit 4000 fl. Gehalt und der fünften Diätenklasse beizugeben. Diese höhere Stellung beider in Rang und Bezügen würde dem Ansehen des Finanzdienstes bei Behörden und Parteien aufhelfen, und ebendarum lege Referent einen großen Wert darauf. Die Notwendigkeit eines Vizepräsidenten ergebe sich behufs der entsprechenden Vertretung des zweiten Präsidenten während der Bereisungen oder anderen dienstlichen Verhinderungen.

Der Staatsminister beantragte statt des Titels „zweiter Präsident“ jenen eines Vizepräsidenten, welche Bezeichnung die Präponderanz des Statthalters mehr hervortreten läßt. Das Bedürfnis eines Stellvertreters mit 4000 fl. Gehalt scheine nicht vorhanden. Der Polizeiminister stimmt mit Graf Gołuchowski bezüglich des Titels „Vizepräsident“, findet jedoch einen stellvertretenden Funktionär – Hofrat – notwendig. Minister Ritter v. Lasser stimmt für einen Vizepräsidenten mit 5000 fl. Gehalt wie bei den größeren Statthaltereien.

Die übrigen (mehreren) Stimmen traten dem Antrage des Reichsrates v. Plener bei.

Der Leiter des Finanzministeriums wendete sich hierauf zum Besetzungsvorschlag für den Posten des zweiten Präsidenten der galizischen Finanzlandesdirektion und äußerte, || S. 72 PDF || daß er niemand geeigneteren dafür in Antrag zu bringen wisse, als den gewesenen ungarischen Finanzlandesdirektor Konečnyf, von dessen Leistungen er ein glänzendes Bild entwarf und sich dabei auf ein Zeugnis des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Albrecht berief, welches über gKonečnys versöhnliches Benehmen und Wirkeng sich sehr lobend ausspricht und insbesondere bestätigt, daß er in Ungarn der Bevölkerung Vertrauen eingeflößt habe. Auf dem verhältnismäßig minder schwierigen Posten in Galizien (welches Land er aus früherer Zeit kennt) werde der Obgenannte ebenfalls vollkommen entsprechen. Der derzeitige Leiter der Finanzlandesdirektion in Galizien, Eminger, sei wegen Schüchternheit des Auftretens und Kränklichkeit diesem Posten minder gewachsen.

Der Staatsminister erklärte sich gegen die Versetzung des Konečny nach Galizien, wo er vor zehn Jahren einen so ungünstigen Ruf zurückgelassen habe, daß sein Wiederkehren im Lande einen mißliebigen Eindruck verursachen und vielleicht selbst Demonstrationen hervorrufen würde. Graf Gołuchowski gestehe, seine Abberufung damals gerne gesehen zu haben. hEs wäre politisch unklug, jemanden unter den dermaligen Verhältnissen ins Land zu schicken, welcher als eine mißliebige Persönlichkeit bei den Landesinsassen bezeichnet wird. Ein solches Experiment hat man in Galizien versucht, es wurde nämlich vor beiläufig fünf Jahren gegen meine entschiedene Einsprache der Polizeidirektor Chomiński nach Lemberg geschickt. Die Bevölkerung fühlte sich hiedurch empfindlich berührt, allein, alles schwieg, weil niemand seine Meinung auszusprechen wagte. Als im heurigen Jahre in allen Ländern die öffentliche Meinung sich zu regen anfing, wurde auch in Lemberg zu Demonstrationen geschritten, und die Regierung war genötigt, ohne dem Chomiński etwas nachsagen zu können, um größeren Übeln vorzubeugen, denselben in den Ruhestand zu versetzen. Daß aber durch ein derartiges Zusammentreffen der Umstände die Autorität der Regierung untergraben werde, liegt auf der Hand.h Minister Graf Szécsen äußerte, daß Konečny gutem Vernehmen nach in Ungarn persönlich geachtet und nicht unbeliebt war. Sein Abberufen erfolgte auch wohl nur deswegen, weil er kein Ungar ist. Indessen bei den vom Staatsminister gegen seine erneute Wirksamkeit in Galizien erhobenen politischen Bedenken müsse er in die Überzeugung desselben kompromittieren. Im selben Sinne sprachen sich der Minister Ritter v. Lasser und der Ministerpräsident aus. Die Minister der Polizei und des Krieges vereinigten sich mit dem Reichsrate v. Plener , welcher wiederholt versicherte, daß er in Galizien niemals über Konečny Klagen gehört habe; auch jetzt könne ihm kein spezielles Faktum zur Last gelegt werden10.

III. Vermehrung des Militärerfordernisses für 1861; Finanzoperation zu dessen Deckung

Der Kriegsminister referierte, er habe Sr. Majestät über die infolge der Erhöhung des Truppenstandes in Italien und der sonstigen militärischen Vorbereitungen zum Krieg eintretende Vermehrung des für 1861 präliminierten Militärerfordernisses au. Vortrag erstattet, da der Leiter des Finanzministeriums gegen diese Vermehrung Einsprüche erhoben hatte11. Nachdem Se. Majestät der Kaiser dem Minister zu befehlen geruht haben, den Inhalt seines Vortrages zur Kenntnis der Ministerkonferenz zu bringen, wolle er den Vortrag sofort hier vollständig vorlesen und die Beilagen desselben der Einsicht der Konferenzglieder unterziehen.

Nach geschehener Verlesung richtete Reichsrat v. Plener an den FZM. Grafen Degenfeld die Frage, ob sich denn nicht näher angeben lasse, zu welchem Termine und in wie großen Raten die auf Erfordernisse der Artillerie und des Geniewesens besonders geforderte Summe vom 14 Millionen von den Finanzen werde flüssig gemacht werden müssen. Vom finanziellen Standpunkte aus müsse nämlich darnach gestrebt werden, diesen Zahlungstermin möglichst weit hinauszuschieben, und zwar aus dem wichtigen Grunde, weil es dann vielleicht tunlich wäre, die bisher angesprochenen außerordentlichen Bedürfnisse der Armee in den nächsten Monaten zu decken, ohne zu einer Emission von Staatspapiergeld zu schreiten12. Dieses letzte und bedenklichste Mittel sollte nämlich wegen seiner traurigen Rückwirkung nicht nur auf den Staatskredit, sondern auch auf die Nationalbank und auf die Verhältnisse des bürgerlichen Lebens sowie auf die öffentliche Stimmung in allen Klassen womöglich bis zu dem Zeitpunkte, wo ein großer Krieg wirklich ausbricht, verschoben bleiben. Die Besorgnisse, welche sich an die Papiergeldemission knüpfen, haben auch die großen Bankiers in Wien dahin gebracht, daß sie zur Hintanhaltung dieses Übels der Regierung 30 – 40 Millionen Gulden im Wege eines Anlehens verschaffen wollen. Dadurch und durch andere gleichzeitige kleinere Finanzmaßregeln (welche bereits in der Ministerkonferenz früher besprochen wurden13) gedächte Reichsrat v. Plener die Erfordernisse des laufenden Dienstes der nächsten Monate in der Voraussetzung zu decken, daß es gelänge, die Zahlung der obgedachten 14 Millionen aufzuschieben oder doch auf eine längere Zeit zu verteilen. Wir stehen nahe an einem ernsten Wendepunkte; von der Gebarung mit der Militärdotation wird es abhängen, ob die verhängnisvolle Maßregel der Emission noch vertagt, ja vielleicht ganz erspart werden kann. Der Kriegsminister äußerte, er verkenne nicht die nachteilige Folge dieses Schrittes und er werde in seinem Bereiche das Möglichste tun, damit demselben noch ausgewichen werden könne. Genaues über die Zahlungstermine der 14 Millionen könne er heute noch nicht sagen, werde sich aber darüber informieren. FZM. Ritter v. Benedek wünscht das 8. Armeekorps zu mobilisieren; dies werde allerdings eine weitere Mehrauslage von 400.000 fl. für die erste Beschaffung von 2000 Pferden verursachen, || S. 74 PDF || wozu dann die Fourage kommt. So erwünscht es auch für die Finanzen sein mag, mit diesen Auslagen noch vorderhand verschont zu bleiben, so müsse der Kriegsminister doch aufmerksam machen, daß eine Truppe, die nicht armiert, nicht mobil ist, für den Felddienst nichts nütze und daß es auch sehr große militärische Nachteile hat, zu spät zu armieren. Diese Frage werde übrigens mit Berücksichtigung der dermaligen, vielleicht minder bedrohlichen politischen Lage Sr. Majestät dem Kaiser baldigst zur Ah. Entscheidung unterzogen werden14.

Minister Graf Szécsen äußert, daß die heutige Mitteilung des Kriegsministers noch kein Motiv geben dürfte, schon dermal zu einer großen Finanzoperation zu schreiten, zumal wenn die Bankiers, in der Hoffnung, daß kein großer Krieg eintritt, der Regierung durch ein Anlehen unter die Arme greifen wollen. Man könne darüber wohl eine offene Sprache mit ihnen führen; Garantien gegen das Eintreten eines großen Krieges kann man ihnen selbstverständlich nicht bieten; auch gibt sich die Finanzwelt darüber keinen großen Illusionen hin. Aber man dürfte sie bestimmen,i sich den Chancen der Zukunft bei dem bevorstehenden Anlehensgeschäfte zu unterziehen, jwenn ihnen die einfache Bemerkung gemacht werde, daß zwar trotz ihrer Dazwischenkunft im Falle eines Krieges die bedauerliche Papieremission kaum zu vermeiden sein dürfte, ohne diese Dazwischenkunft aber diese selbst dann eintreten müsste, wenn es nicht zum wirklichen Krieg kämej .

Sonst bot das Referat des Kriegsministers zu einer Erinnerung von irgendeiner Seite keinen Anlaß15.

IV. Sperrung des Telegrafen nach der Walachei

Der Ministerpräsident brachte zur Sprache, daß das Finanzministerium ohne Zustimmung des Ministers des Äußern die Sperrung des Telegrafen nach Bukarest wegen rückständiger Telegrafengebühren verfügt habe, was dort einen sehr unangenehmen Eindruck verursacht und Retorsionsmaßregeln hervorgerufen hat. Graf Rechberg müsse sich auf das entschiedenste dagegen verwahren, daß Anordnungen, welche sich auf das Ausland beziehen, ohne seine ausdrückliche Beistimmung getroffen werden und inländische Behörden in anderen als gerichtlichen Angelegenheiten direkt mit den österreichischen Repräsentanten im Auslande korrespondieren. Im gegenwärtigen Momente haben wir wichtige politische Gründe, die walachische Regierung, welche sich uns willfährig zeigt, nicht zu verstimmen16. Überdies hat diese Regierung laut der neuesten Berichte || S. 75 PDF || bereits die Zahlung der Rückstände eingeleitet, und Graf Rechberg gedenkt daher, vor allem den h[ierortigen] Residenten zu fragen, ob die Zahlungen begonnen haben17.

Der Leiter des Finanzministeriums gab eine Darstellung der Zögerungen und Winkelzüge der walachischen Regierung, welche in Absicht auf die fraglichen Rückstände stattgefunden haben. Letztere sind bereits auf 348.000 fl. angewachsen. Diese Angelegenheit und die Verfügung der Sperre sei schon lange Zeit mit dem Ministerium des Äußern im Korrespondenzwege verhandelt worden, und nach dem Inhalte des Notenwechsels habe Reichsrat v. Plener voraussetzen zu können geglaubt, daß das Ministerium des Äußern gegen die Sperre nichts zu erinnern fände, wenngleich die Zustimmung nicht explizit ausgesprochen wurde. Auch müsse er bemerken, daß im vorigen Jahre die Sperre des Telegrafen gegen die Walachei vom Finanzministerium ohne vorläufig erhaltene Zustimmung vom Ministerium des Äußern und zwar mit dem gewünschten Erfolge verfügt worden sei. Das Finanzministerium habe dermal keine Korrespondenz mit dem h[ierortigen] Residenten Baron Eder eröffnet, sondern dieser habe über Aufforderung walachischerseits selbst die Initiative mit einer Anfrage an das Finanzministerium ergriffen18.

Die übrigen Konferenzmitglieder erkannten einstimmig, daß derlei Vorgänge fremden Regierungen gegenüber nur nach erhaltener Zustimmung von Seite des Ministeriums des Äußern angeordnet werden sollen. –

In der Konferenz am 20. November 1860 gab der Leiter des Finanzministeriums noch einige faktische Aufschlüsse über denselben Gegenstand und über den Inhalt der diesfälligen ministeriellen Korrespondenz kund bemerkte, daß durch diese Telegrafen bis Bukarest die Verbindung zwischen Wien und Konstantinopel, welche seit jeher über Semlin und Aleksinac geht, nicht unterbrochen ward, dann daß sämtliche Noten des Finanzministeriums an das löbliche Ministerium des Äußern die bestimmte Erklärung der am festgesetzten Tage stattfindenden Sperre ausdrückten und die Ingerenz des Ministeriums des Äußern bloß in der Richtung der zu vermittelnden Mitteilung des gefaßten Beschlusses an die walachische Regierung beanspruchten, und daß gegen diesen Standpunkt vom Ministerium bisher prinzipiell nichts eingewendet und das Recht der Zustimmung nicht geltend gemacht worden ist, daß aber, falls der letzte Standpunkt für die Zukunft eingehalten werden will, derselbe selbstverständlich auch für das Finanzministerium maßgebend sein wirdk, worauf der Minister des Äußern entgegnete, die Frage über die diesfällige Kompetenz sei als durch den am 19. d. M. gefaßten Konferenzbeschluß bereits entschieden zu betrachten. Reichsrat v. Plener äußerte, daß er sich auch dagegen nicht || S. 76 PDF || aufzulehnen beabsichtige, sondern vielmehr anfragen wolle, ob es einem Anstande unterliegen würde, in die Wiener Zeitung einen nicht offiziellen Artikel über die stattgefundene Telegrafensperre einrücken zu lassen. Der Ministerpräsident ersuchte, jede Publikation darüber zu unterlassen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 29. November 1860.