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Nr. 413 Ministerrat, Wien, 3. November 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Schwarzenberg; BdE. und anw. (Schwarzenberg 4. 11.), Krauß 6. 11., Bach 5. 11., Schmerling 6. 11., Bruck, Thinnfeld, Thun, Csorich; abw. Stadion, Kulmer.

MRZ. 4484 – KZ. 3944 –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates, gehalten zu Wien am 3. November 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.

I. Telegraphische Depeschen aus Berlin

Der Ministerpräsident teilte den Inhalt der neuesten telegraphischen Depeschen aus Berlin mit, wornach im dortigen Ministerrate die Mobilmachung der ganzen preußischen Armee nicht angenommen, vielmehr die Unterhandlung auf der Basis der Warschauer Konferenzen beschlossen, die sofort vom General Radowitz verlangte Entlassung vom Ministerium des Äußern vom Könige angenommen und den in Hessen-Kassel eingerückten preußischen Truppen der Befehl erteilt worden ist, Konflikte mit den Bundestruppen zu vermeiden1.

Der Ministerpräsident hat nichtsdestoweniger zur Erprobung, ob mit der Person des abgetretenen Ministers auch der Geist der preußischen Politik sich geändert habe, den k. k. Gesandten in Berlin durch den Telegraphen angewiesen, auf Grund der Protestation des Kurfürsten die Räumung Kurhessens von preußischen Truppen zu verlangen2.

II. Geheimratswürde für Johann Bernhard Graf v. Rechberg und Rothenlöwen

Dem Antrage des Ministerpräsidenten auf Erwirkung der geheimen Ratswürde für den zum Bundeskommissär in Kurhessen ernannten Grafen Rechberg ward allseitig beigestimmt3.

III. Todesurteil gegen Agnes Németh

Der Minister der Justiz referierte über das Todesurteil wider die Kindsmörderin Agnes Németh mit dem Antrage auf Nachsicht der Todesstrafe, wogegen nichts zu erinnern befunden wurde4.

IV. Revision des Tiroler Landesverteidigungswesens

Nachdem Se. Majestät zu befehlen geruht haben, daß das im Wege der tirolischen Landesbehörden zustande gebrachte Operat über die Reorganisierung des Defensionswesens in Tirol von einem durch den Statthalter und den Kommandierenden zu bestimmenden Komitee geprüft und unter Beachtung der eintretenden militärischen Momente Sr. Majestät die Vorschläge zu dessen definitiven Einrichtung erstattet werden sollen5, so verlangte und erhielt der Minister des Inneren die Zustimmung des Ministerrates, damit zu diesem Ende seinerseits an den Statthalter und von Seite des Kriegsministers an den Kommandierenden in Tirol der entsprechende Auftrag zur Aktivierung der Kommission und Beschleunigung ihrer Arbeit erlassen werde6.

V. Orden für Karl Ritter v. Urban

Der Absicht des Ministers des Inneren, für den Generalmajor Urban aus Anlaß der von ihm rühmlich beendeten Zivilverwaltung als Chef eines Distrikts in Siebenbürgen auf Verleihung des Komturkreuzes des Franz-Joseph-Ordens anzutragen, ward allseitig beigepflichtet7, nicht minder,

VI. Verdienstkreuz für Friedrich Wallbaum

dem beabsichtigten Antrage auf Erwirkung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone für den Kronstädter Bürger Friedrich Wallbaum, der sich beim Abzuge der k. k. Truppen aus Siebenbürgen wesentliche Verdienste durch Unterstützung dieser sowohl als der Geflüchteten erworben hat8.

VII. Ungarische Distriktsobergespansstellen

Als erster, wesentlichster Schritt zur Durchführung der neuen Organisierung der politischen Verwaltung in Ungern stellt sich die Besetzung der fünf Distriktualobergespanstellen dar9.

Der Minister des Inneren schlug mit Berücksichtigung aller zu beobachtenden Sach- und Personenverhältnisse vor, 1. für den Preßburger Distrikt den bisherigen Ministerialkommissär Grafen Attems, 2. für den Oedenburger den dermaligen Ministerialkommissär Baron Hauer, 3. für den Kaschauer den ehemaligen Preßburger Zivildistriktskommissär Anton Grafen Forgách, 4. für den Pester den Tolnaer Distriktskommissär v. Augusz, nachdem der bisherige Ministerialkommissär Koller eine andere Bestimmung wünscht, 5. für der Großwardeiner den gewesenen Distriktsobergespan in Stuhlweißen­burg Gabriel v. Döry.|| S. 40 PDF ||

Gegen die Eignung des sub 3. benannten Grafen Forgách für den Kaschauer Distrikt erhob der Kultusminister das Bedenken, daß Graf Forgách viel Gewicht auf das Zustandekommen des Landtags lege und als ein den Slawen abholder Magyar bekannt sei, welches Bedenken jedoch der Minister des Inneren und der Justiz nicht teilten, weil im Kaschauer Distrikt, der nicht von eigentlichen Slowaken sondern von Ruthenen bewohnt ist, das slawische Moment nicht so vorherrschend ist, als etwa im Preßburger Distrikte, und weil andererseits nicht vorauszusetzen ist, daß Graf Forgách – gegen sein eigenes Interesse – sich mit der Regierung Sr. Majestät werde in Opposition setzen wollen.

Da indessen der Finanzminister den Wunsch aussprach, daß über diesen Gegenstand die Ansicht des mit den einschlägigen Verhältnissen vertrauten Ministers Baron Kulmer gehört werden möge, so behielt sich der Minister des Inneren vor, den Gegenstand in Anwesenheit jenes Ministers nochmals in Vortrag zu bringen10.

VIII. Organisierung des Kanzleipersonals des Innenministeriums

Der Minister des Inneren referierte über die Organisierung des Kanzleipersonals in dem ihm anvertrauten Ministerium. Es wird von ihm – bei Verminderung des Personalstatus – eine Aufbesserung bei den Gehalten der unteren Kategorien in der Art beabsichtigt, daß statt der Akzessisten, Kanzlisten und Registranten mit 300, 400 etc. bis 800 f. künftig (wie beim Handelsministerium) nur Offiziale mit vier Kategorien von 500 bis 800 f., dann bei der Dienerschaft statt der Hausknechte Kanzleidienergehilfen mit 240 f. (statt 216 f.) Löhnung zu bestehen hätten.

Vorläufig teilte er aber den Vortrag dem Finanzminister auf dessen Wunsch zur Vereinbarung der diesfälligen, sowohl auf die Finanzen als auch auf die Einrichtung bei den anderen Ministerien rückwirkenden Prinzipien mit11.

IX. Zeitungsartikel über Ergänzung der Armee

Der Minister des Inneren wird – mit Zustimmung des Ministerrates – in einem Zeitungsartikel die zur Komplettierung der Armee getroffenen Vorkehrungen besprechen12.

X. Auszeichnungsanträge des Handelsministeriums

Der Minister für Handel und öffentliche Bauten brachte folgende Auszeichnungsanträge in Vortrag: für den Sektionschef Esch in seinem Ministerium das Komturkreuz des Franz-Joseph-Ordens, für den Generalkonsul in Konstantinopel Mihanovich den Eisernen Krone Orden 3. Klasse, endlich für den Sektionsrat der Generalbaudirektion Pasetti das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens13.

XI. Trikoloreflagge in Fiume

Laut des der Zentralseebehörde abgeforderten Berichts über das vor einigen Monaten stattgehabte Aufziehen der dreifärbigen slawischen Flagge auf dem Molo in Fiume ist nunmehr auf Anordnung des Banalrates das Zurückziehen dieser Flagge auf den Fischmarkt veranlaßt worden14.

Unter diesen Verhältnissen würde sich die Wirksamkeit des Handelsministeriums darauf zu beschränken haben, nach Hinwegschaffung des der Stadt gehörigen Flaggenstockes vom Molo daselbst einen neuen Flaggenstock aufrichten zu lassen, um auf demselben bei den üblichen Gelegenheiten die k. k. österreichische Flagge aufziehen zu können.

Der Ministerrat war hiermit einverstanden, dem Banus die weitere Verfügung in betreff der Flagge am Fischmarkte überlassend15.

XII. Steuerverweigerung in Brüx

Der ehemalige Justitiär und Bürger zu Brüx, J. Galle, hatte sich beigehen lassen, vor der behufs der Einkommensteuer zusammengesetzten Kommission zu erklären, daß er das Einkommensteuergesetz nicht für giltig anerkenne, weil es nicht im Einverständnisse mit dem Reichstage erlassen worden, daß der Kaiser sein Versprechen in Ansehung desselben nicht gehalten habe etc. Wegen dieser Äußerungen ward er vom Brüxer Bezirksgericht zu 14tägigem Arrest verurteilt, dieses Erkenntnis aber über Galles Rekurs vom böhmischen Landesgerichte aufgehoben, weil die neue Strafprozeßordnung vom 17. Juni derlei Handlungen der Wirksamkeit der Gerichte nicht zuweise.

Der Statthalter von Böhmen hielt sich für verpflichtet, diesen Vorgang dem Finanzminister anzuzeigen, nachdem das Beispiel Galles bereits Nachfolger gefunden und bei mehreren Insassen förmliche Steuerverweigerung veranlaßt hat16.

Der Finanzminister gedenkt zwar, dem Baron Mecséry dessen Antrage gemäß zu antworten, daß er sich keinenfalls von der Anwendung der gesetzlichen Zwangsmittel gegen die Steuerschuldner abhalten lasse, er hält aber auch eine Verfügung bezüglich jenes gerichtlichen Erkenntnisses für nötig, und in dieser Beziehung bemerkte der von dem Falle bereits in Kenntnis gesetzte Justizminister , daß er die Ergreifung des Kassationsrekurses von Seite des Staatsanwalts gegen das Erkenntnis des Landesgerichts und, wenn wider Verhoffen auch dieser Schritt erfolglos bleiben und das Urteil des Landesgerichts bestätigt werden sollte, die entsprechende Abhilfe wenigstens für die Zukunft im legislativen Wege veranlassen werde17.

XIII. Darlehen für Franz Grafen Schlik zu Bassano und Weißkirchen

Nachdem im Ministerrate vom 29. Juli 1850/III beschlossen worden, das Gesuch des GdK. Grafen Schlik um eine Donation in der Art zu berücksichtigen, daß ihm zur möglichen Ordnung seiner zerrütteten ökonomischen Verhältnisse ein Darlehen gegen mäßige Zinsen und unter sonstig billigen Bedingungen gewährt werde, hat sich der Finanzminister mit dem Grafen Schlik (dem inzwischen auf Abschlag seiner Urbarialentschädigungsforderung ein Vorschuß von 35.000, dann von 25.000 f. zuteil geworden)|| S. 42 PDF || ins Einvernehmen gesetzt und von ihm vernommen, daß eine seiner drückendsten Schulden diejenige sei, welche er mit 329.000 f. bei der Kastell’schen Kreditskasse gegen jährliche Abstattung von 18.000 f. an Zinsen und Tilgungsquote kontrahiert hat und wovon er per 1849 und 1850 die Jahresrate zusammen per 37.000 f. rückständig ist18.

Da die Schuld auf den Gütern des Grafen in guter und sicherer Priorität intabuliert ist, so wäre das Ärar gegen Abtretung der Rechte der genannten Kasse nicht gefährdet, wenn es die Zahlung der beiden fälligen Raten übernähme. Indem daher der Finanzminister auf die Übernahme dieser 37.000 f. auf das Ärar unter der bemerkten Bedingung antrug, glaubte er damit zugleich die weitere Andeutung verbinden zu sollen, wie weit überhaupt in dieser Angelegenheiten zu gehen sein dürfte, in welcher Beziehung er sich den Antrag erlaubte, daß der Betrag mit 150.000 f. festzusetzen wäre, bis zu welchem die dem Grafen Schlik vom Ärar zu gewährenden verzinslichen Vorschüsse gegeben werden könnten.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Anträgen einverstanden, zu deren Ausführung sofort die Ah. Genehmigung Sr. Majestät einzuholen sein wird19.

XIV. Verdienstkreuze für Schullehrer

Der Unterrichtsminister erhielt die Zustimmung des Ministerrats zu dem Antrage auf Erwirkung des silbernen Verdienstkreuzes mit der Krone für die beiden Schullehrer Franz Hiebel und Franz Stanzky20.

Ebenso teilte der Ministerrat die Auszeichnungsanträge des Justizministers

XV. Orden für Justizbeamte

für die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Pederzani, Lanfranchi, Ronner, Torkos, Peller und Stoynowski, sämtlich mit dem Ritterkreuze des Leopoldordens, für die Hofräte Kindinger und Ghegnier mit dem Orden der Eisernen Krone III. Klasse, endlich für den Generalprokurator in Pest Hegyessy mit dem Ritterkreuze des Franz-Joseph-Ordens21.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 12. November 1850.