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Nr. 115 Ministerrat, Wien, 10. Juli 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Gyulai, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 11. 7.), Krauß 14. 7., Bach 13. 7., Gyulai 13. 7., Kulmer 13. 7.; abw. Stadion, Bruck, Thinnfeld.

MRZ. 2301 – KZ. 2017 –

Protokoll der am 10. Juli 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Äußern und des Hauses Fürsten Felix v. Schwarzenberg.

I. Deutsche Nationalfarben bei der österreichischen Armee

Nach einem dem Ministerpräsidenten zugekommenen Schreiben des FML. Carl Fürsten v. Schwarzenberg, womit derselbe den Empfang der Zuschrift vom 2. d.M. bestätiget, ist bei der Brigade in Vorarlberg zwar nicht die deutsche Kokarde, sondern ein Band mit den deutschen Farben in der Fahne oder Estandarte in Anwendung1.

Er habe sogleich den Befehl erlassen, daß die deutschen Nationalfarben und Zeichen bei den unter seinem Befehl in Vorarlberg konzentrierten k.k. Truppen so lange nicht gebraucht werden, als diese Truppen nicht in die benachbarten deutschen Länder vorrücken. Ob aber dann die deutsche Kokarde gebraucht werden dürfe, darüber erbittet er sich die Weisung.

Der Kriegsminister Graf Gyulai wird dem FML. Carl Fürsten v. Schwarzenberg bezüglich des Gebrauchs der deutschen Farben bei dem österreichisch-deutschen Militär die den diesfalls bestehenden Anordnungen entsprechende Weisung zukommen lassen2.

II. Friedensverhandlungen mit Sardinien

Der Ministerpräsident las hierauf die Antwort vor, welche dem Minister Ritter v. Bruck auf seinen Brief vom 5. d.M. zu erteilen wäre. Der wesentliche Inhalt dieser Antwort ist3: Wenn Sardinien dem Abschlusse des Friedens so viele Hindernisse in den Weg legt, so sei das Geschäft des von Bruck als beendet oder sistiert anzusehen, und er hätte sich auf seinen Posten nach Wien zu begeben. Mit einer Macht, die den billigsten Bedingungen keinen Eingang gewährt, könne kein Friede geschlossen werden. Es wäre|| S. 480 PDF || mit der Würde Österreichs unvereinbar, den Minister wegen dieses Zweckes länger dort verweilen zu lassen. Derselbe hätte der sardinischen Regierung kategorisch das Ultimatum zu erklären und dann abzureisen. Was insbesondere die Person des v. Bruck betreffe, habe das Ministerium beschlossen, wegen keines Artikels einer Zeitung eine gerichtliche Verfolgung einleiten zu lassen; der gegen ihn gerichtete Artikel müsse daher als bloßes Journalistenwerk angesehen werden usw4.

Gegen diese Erwiderung ergab sich von keiner Seite eine Erinnerung5.

III. Geldbewilligung für Eisenbahnbauten im lombardisch-venezianischen Königreiche

Im lombardisch-venezianischen Königreiche bestehen zwei Eisenbahnen, welche Privatgesellschaften gehören, die Mailand-Venediger und die Comer Eisenbahn6. Von der ersteren Eisenbahn ist der Staat im Besitze eines großen Teils der Aktien, von der Comer nicht. Auf den Weiterbau der ersteren Bahn wurden heuer früher 732.000 Lire, später schon während der Anwesenheit des Ministers v. Bruck 1,431.000 Lire bewilligt, und jetzt werden, nach einer Zuschrift des Grafen Montecuccoli an den Finanzminister, 400.000 Lire verlangt7. Der Comer Gesellschaft seien 600.000 Lire bewilliget worden, ohne daß dem Finanzminister eine Mitteilung gemacht worden wäre.

Wie die Sachen jetzt stehen, kann man nach der Ansicht des Finanzministers nicht mehr wohl zurück. Die gedachten Geldbewilligungen wären daher zur Wissenschaft zu nehmen und die für die Mailand-Venediger Eisenbahn angesprochenen 400.000 Lire in Schatzscheinen hinauszugeben. Für die Zukunft wäre aber dem Grafen Montecuccoli mitzugeben, über solche Ausgaben mit dem Finanzministerium vorläufig das Einvernehmen zu pflegen, um sie im Zusammenhange mit den übrigen Auslagen des Staates würdigen und bewilligen zu können8.

Ferner bemerkte der Finanzminister Freiherr v. Krauß, daß auch die Bauauslagen in den übrigen Provinzen heuer ungeheuer seien. So habe man für die Eisenbahnen allein einen Nachtrag von 1,314.000 fr. als notwendig erklärt, später bemerkt, daß 800.000 fr. dazu genügen werden, und jetzt findet man sogar eine Mehrauslage von 1,794.000 fr. als notwendig. Ertrag von den Eisenbahnen ist gar keiner9. Der Finanzminister findet es zu wichtig, als die Sache so hingehen zu lassen. Nach seiner Meinung wäre eine gemischte Kommission mit Zuziehung des Handelsministeriums abzuhalten, welche die Mehrforderungen für die Bahnauslagen Post für Post durchzugehen und das durchaus Notwendige und Unverschiebliche zu ermitteln hätte. Schon der Kriegsaufwand sei heuer ungeheuer,|| S. 481 PDF || und auch zu den Friedensbauten große Überschreitungen zu bewilligen, könnte vor der Kammer nicht wohl gerechtfertigt werden.

Mit diesen Anträgen erklärte sich der Ministerrat einverstanden10.

IV. Steuerverminderung in Tirol

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte weiter, in Tirol bestehe ein azweifaches Grundsteuersystem, das Tiroler und das baierschea . Dem ersteren liegt der Tiroler, dem anderen (in einem Teile des Landes) der baiersche Kataster zum Grunde. In dem letzteren Kataster sind auch die Urbarialien begriffen, und es entstand nun die Frage, ob, da die Urbarialien aufgehoben sind, nicht auch die Steuer um den entsprechenden (zwei tausend und einige hundert Gulden ausmachenden) Betrag vermindert werden sollte11. Obgleich gegen die Verminderung der Steuer geltend gemacht werden könnte, daß der entlastete Grund mehr zahlen kann, so gedenkt der Finanzminister dennoch in die Verminderung der Steuer einzugehen, weil der Betrag für das Ärar von keiner Bedeutung ist und die Verminderung der Steuer dem Geiste der diesfälligen Anordnungen entspricht. Hiernach würde er den erwähnten Betrag der Steuer abschreiben lassen.

Der Ministerrat stimmte diesem Antrage vollkommen bei12.

V. Zentraldirektion für die lombardisch-venezianischen Bausachen

Der Minister Dr. Bach erklärte sich hinsichtlich der einzuführenden (aus lauter Baubeamten bestehenden) Zentraldirektion für die lombardisch-venezianischen Bausachen im Prinzipe nicht einverstanden. Nach dem Antrage würden die politischen Behörden alles Einflusses auf Kommunalsachen, Wasserbauten u. dgl. beraubt und von den technischen Beamten ganz abhängig gemacht13. Nach der Ansicht des Ministers Dr. Bach sollte es vorläufig und vorbehaltlich der weiteren Ah. Bestimmung bei dem jetzigen Verhältnisse zwischen den Bau- und politischen Behörden sein Bewenden haben.

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte hierbei, bei jedem Baue komme eine technische und eine ökonomische Aufgabe vor. Das Streben der Techniker gehe dahin, große und schöne Bauten ohne Rücksicht auf die Kosten auszuführen; würde man einer Baubehörde auch den ökonomischen Teil anvertrauen, so würde man, was den Kostenpunkt anbelangt, gewiß schlecht fahren; diesen müssen die politischen Behörden überwachen.

|| S. 482 PDF || Es wurde beschlossen, diesen Gegenstand bis zur Zurückkunft des Ministers v. Bruck, die ohnedies bald erfolgen dürfte, ruhen zu lassen14.

VI. Auskünfte über Joseph Bonaventura Ignaz Graf Załuski

Derselbe Minister [Bach] brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß die von dem Gouverneur Grafen Gołuchowski über Załuski abgeforderte Auskunft ungünstig ausgefallen ist15. Załuski wird als ein schlechtes Subjekt geschildert. Er ist von Ojców in ehemals österreichisch Westgalizien gebürtig, wurde im Theresianum erzogen, diente bis zum Jahre 1820 in Warschau, hat den Türkischen Krieg mitgemacht und wurde sodann durch russische Verwendung Kurator der Akademie in Krakau, wo er sich im geheimen Kundschaftsamte verwenden ließ. Im Jahre 1833 begab er sich nach Österreich, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft erlangte. Von dieser Auskunft wird der Minister des Äußern den entsprechenden Gebrauch machen16.

VII. Schreiben Janusz Woronicz’ im Auftrage Adam Fürsten Czartoryski

Ferner teilte der Minister Dr. Bach den Inhalt eines Briefes mit, welcher unter den Papieren der in Dresden Arretierten gefunden worden ist. Der Brief wurde von einem gewissen Woronicz im Auftrage des bin Parisb weilenden Fürsten Adam Czartoryski geschrieben und betrifft die Organisierung der Revolution in Polen und anderwärts. Dieser Brief, welcher interessante und wichtige Daten enthält, würde sich zur Bekanntmachung durch die Zeitungen eignen, wenn, wie der Minister Dr. Bach bemerkte, die Untersuchung schon so weit gediehen wäre, daß diese Bekanntmachung Bekanntmachung ohne Nachteil für die Untersuchung erfolgen könnte. Auch sei zu berücksichtigen, daß die Dresdner Regierung diesen Brief aus Gefälligkeit aus den dortigen Akten mitgeteilt habe und eine Bekanntmachung desselben schon jetzt vielleicht ungern sehen würde17.

VIII. Unterstützung für mehrere Grundwirte in Galizien

Nach dem Antrage des Ministers Dr. Bach wird den 53 Grundwirten, welche in dem Treffen bei Barko beraubt worden sind und einen Schaden von 6000 f. erlitten haben, und denen der Gouverneur zum Ankaufe des notwendigsten Viehstands einige || S. 483 PDF || hundert Gulden bereits bewilliget hat, eine Unterstützung von 1000 f. bewilliget, welche der Finanzminister denselben anweisen wird18.

IX. Weglassung zweier zur Einschaltung in das Reichsgesetzblatt vorgesehener Zirkularien

Nach einem weiteren Antrage desselben Ministers wären zwei Zirkularien, welche das Kriegsministerium zur Aufnahme in das Reichsgesetzblatt bestimmt hat, als wegen ihrer untergeordneten Wichtigkeit dahin nicht gehörig, aus demselben wegzulassen. Sie betreffen a) die halbe Quartierkompetenz für die zurückbleibenden Frauen der im Felde stehenden Militärbeamten, und b) die Ausstattung der Kochmaschinen und die diese betreffenden Auslagen.

X. Einberufung des Generalkonsuls Antun Mihanovich

Ferner eröffnete der Minister Dr. Bach, daß ihm gestern die Nachricht zugekommen, der Generalkonsul in Konstantinopel, Mihanovich, welcher die Bestimmung erhalten soll, dem Generalmajor Grafen Coronini in Kroatien als Zivilkommissär bei der Leitung der Zivilangelegen­heiten zur Seite zu stehen, habe den Urlaub zur Reise nach Wien angesucht, aber vom Grafen Stürmer nicht erhalten19. Der cMinisterpräsident erließ sogleich ex consilio die nötigen Weisungen an den Internuntius Mihanovich, damit der letztere sich sofort unbehindert nach Wien begeben könnecc .20

XI. Verwaltung in den südslawischen Landesteilen und in Siebenbürgen

Schließlich las der Minister Dr. Bach die infolge der Beschlüsse des Ministerrates vom 6. und 8. d.M. an Se. Majestät zu erstattenden au. Vorträge a) wegen Organisierung der provisorischen Verwaltung in den von dem FZM. Baron Jellačić besetzten südslawischen Landesteilen, insbesondere in dem provisorisch als serbische Woiwodschaft bezeichneten Gebiete, b) wegen der Zivil- und Militärverwaltung in Siebenbürgen und die diesfalls an die FZM. Baron Haynau, Baron Jellačić und den Patriarchen Rajačić zu erlassenden Ah. Kabinettschreiben vor, worüber von keiner Seite etwas zu erinnern gefunden wurde21.

Ah. E. Der Inhalt dieses Protokolles dient zur Wissenschaft. Franz Joseph. Schönbrunn, den 15. Juli 1849.