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Nr. 103 Ministerrat, Wien, 14. August 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. fehlt; Bde. und anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Schwärzer, Hornbostel; abw. Wessenberg; BdE. Franz Karl (17. 8.).

MRZ. 1992 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 14. August 1848.

I. Tragen der deutschen Farben beim österreichischen Militär

Zur näheren Begründung des in dem Ministerratsprotokolle vom 13. d. M.1 erwähnten beständigen Hängenbleibens und Tragens der Bänder mit deutschen Farben auf den Fahnen des österreichischen Militärs aus den zum Deutschen Bunde gehörigen Provinzen wurde vom Minister der öffentlichen Arbeiten und den übrigen Stimmführern bemerkt, daß man zwischen dem inneren und dem äußeren Bundesdienste unterscheiden müsse. In dem ersteren, wozu auch der Garnisonsdienst der Truppen jener Provinzen im Inneren des Landes gehört, wären die deutschen Farben auf den Fahnen fortan zu belassen, ohne daß dieses Militär auch die deutsche Kokarde anzulegen hätte. Bei dem äußeren Bundesdienste, wenn nämlich dieses Militär in deutschen Bundesangelegenheiten außer den Grenzen Österreichs verwendet wird, hätte dasselbe überdies noch die deutsche Kokarde anzulegen. Hierdurch, glaubt man, würden alle Rücksichten für das übrige österreichische Militär beobachtet2.

II. Bezüge Erzherzog Johanns

Der Kriegsminister Graf Latour teilte dem Ministerrate mit eine an ihn (Grafen Latour) gerichtete Eingabe Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Johann3, deutschen Reichsverwesers, worin derselbe infolge seiner provisorischen Stellung als Reichsverweser4 und seines notwendigen Aufenthaltes in Frankfurt rücksichtlich seiner Gebühren das Ansuchen stellt: a) daß das Festungskommando in Mainz beauftragt werde, seine hier genossenen Bezüge (12.000 fr. an Gehalt und 6000 an Tafelgeldern) bei der dortigen Kasse auszuzahlen, b) daß ihm ebendort 24 Pferdeportionen ausgefolgt werden, und c) daß den ihm beigegebenen, im Auslande kommandierten drei Offizieren auch die Quartiergelder für die Zeit ihrer Verwendung bei der Kasse in Mainz angewiesen werden.

Es ist bekannt, daß der Herr Erzherzog Reichsverweser während seiner provisorischen Stellung vom deutschen Reiche nichts annehme, keine Zivilliste habe und rücksichtlich seiner Bezüge auf dasjenige angewiesen sei, was er hier als Geniedirektor bezog5.

|| S. 564 PDF || Für die Gewährung des erwähnten Ansuchens Sr. kaiserlichen Hoheit würde dessen derzeitige provisorische Stellung und der Umstand sprechen, daß er auf seinen Dienst und seine Bezüge in Österreich nicht Verzicht geleistet hat, ferner, daß gegenwärtig jeder österreichische Staatsbürger im ganzen deutschen Reiche unbeanständet Dienste leisten kann, was früher, wo man Deutschland als Ausland ansah, nicht der Fall war. Gegen die Gewährung ließe sich geltend machen, daß der Herr Erzherzog gegenwärtig als Geniedirektor nicht in der Aktivität sei, da der FML. Graf Caboga diesen Dienst versieht6, und daß es in Frankfurt keinen guten Eindruck machen würde, wenn man erführe, daß der Erzherzog fortan seine Besoldung von Österreich bezieht.

Es wurde beschlossen, diese auch äußere Rücksichten berührende Angelegenheit bis zu der nahe bevorstehenden Ankunft des Ministers des Hauses und des Äußern Freiherrn v. Wessenberg einstweilen zu ajournieren7.

III. Beförderung Major Friedrich Greschkes zum Oberstleutnant

Mit dem au. Vortrage vom 11. August d. J., Z. 21708, trägt der Kriegsminister auf die außertourliche Beförderung des Majors Friedrich Greschke vom 3. Wiener Freiwilligenbataillon zum Oberstleutnant an.

Dieses Bataillon hat sich vor dem Feinde stets mit Auszeichnung gehalten, was der Tätigkeit und Umsicht seines bereits 23 Jahre mit Eifer dienenden Kommandanten vorzüglich zuzuschreiben ist. Auch wurde dem Major Greschke schon bei seiner Beorderung zum Freibataillon eine außertourliche Beförderung in Aussicht gestellt.

Diesem Antrage wurde beigestimmt9.

IV. Fourageportionen für Bernhard Graf Caboga als Leiter der Artilleriedirektion

Mit dem weiteren au. Vortrage vom 9. August d. J., Z. 216910, unterstützt der Kriegsminister die Bitte des mit der Leitung der Generalgeniedirektionsgeschäfte beauftragten FML. Grafen Caboga11 um Bewilligung der charaktermäßigen Fourageportionen gegen Regulamentarvergütung mit dem Beisatze, daß auch der mit der Leitung der Artilleriedirektion beauftragte FML. Baron Augustin12, welcher mit ihm in ganz gleicher Lage sei, Pferdeportionen bezieht, so wie auch jeder an der Spitze der Generalgeniedirektion gestandene General Pferdeportionen bezogen habe.

Der Kriegsminister, welcher selbst in einer gleichen Lage war, und in der Eigenschaft eines Stellvertreters Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzoges Johann13 Pferdeportionen bezogen hat, trägt auf fünf Pferdeportionen für den FML. Grafen Caboga gegen Regulamentarvergütung während seiner dermaligen Verwendung an.

Gegen diesen Antrag wurde in der Wesenheit nichts erinnert, nur bemerkte der Finanzminister , daß, wenn der Bezug der gedachten Pferdeportionen systemmäßig ist, die Erstattung eines Vortrages nicht notwendig erscheine. Dagegen bemerkte der || S. 565 PDF || Kriegsminister , daß er, als er von Frankfurt hierher und in eine gleiche Stellung wie Caboga kam, um diese Bezüge gleichfalls einkommen mußte14.

V. Besondere Auszeichnungen für treugebliebene Soldaten der Armee in Italien

In dem weiteren au. Vortrage vom 14. August d. J., Z. 217115, macht der Kriegsminister den doppelten Antrag: a) auf dem Grunde einer Motion des Feldmarschalls Grafen Radetzky16, daß jedem Manne vom Feldwebel abwärts der treu gebliebenen Soldaten der italienischen Armee, deren Treue und Tapferkeit umso mehr Anerkennung verdiene, als sie allen, auch den fanatischsten Verführungen zum Abfalle widerstanden und im Kriege sich tapfer benahmen, ein kleines silbernes Kreuz, das auf einer Seite die Ah. Namenschiffre Sr. Majestät eingraviert, auf der anderen Seite aber die Inschrift: „Fedeltà e valore“ in erhobener Präge zu zeigen hat und mit dem Bande des eisernen Kronordens an der linken Brust zu tragen ist, verliehen und hiebei unter angemessener Feierlichkeit das Ah. Wohlgefallen zu erkennen gegeben werde; b) daß zum Beweise der Anerkennung solcher tapferen Taten der Mannschaft vom Feldwebel und Wachtmeister abwärts, welchen die Verleihung der mit Bezügen von Löhnungszulagen verbundenen goldenen oder silbernen Tapferkeitsmedaillen nicht zuerkannt wird und welche bisher mit einem Geldgeschenke, gewöhnlich in Dukaten, belohnt worden sind, von nun an eine zweite, mindere Klasse der silbernen Tapferkeitsmedaille eingeführt werde. Diese Medaille zweiter Klasse wäre in derselben Gestalt, nur in merkbar kleinerem Umfange, an dem gewöhnlichen Medaillenbande an der Brust zu tragen, mit ihrem Besitze aber keine Löhnungszulage zu verknüpfen. Diese Art der Auszeichnung wäre jedem braven Soldaten willkommener als die Geldbelohnung, welche künftig nur ausnahmsweise nebenbei noch einzutreten hätte.

Der Feldmarschall Graf Radetzky wäre zu ermächtigen, die vorzüglicheren der tapferen Krieger noch nachträglich mit der Tapferkeitsmedaille zweiter Klasse zu beteilen, so wie auch dieses Ehrenzeichen als eine Stiftung zur Auszeichnung solcher Mannschaft dienen könnte, welche in Friedenszeiten unter besonderen Verhältnissen durch Beweise höheren Mutes sich hervortun wird.

Was den Antrag ad a) anbelangt, hat man sich gegen diese spezielle Auszeichnung der treu gebliebenen italienischen Soldaten erklärt. Man verkennet keineswegs, daß ihre Treue und Tapferkeit eine Anerkennung verdiene, aber ein spezielles Zeichen für dieselben zu kreieren, würde als Hostilität gegen die italienische Nationalität ausgelegt werden. Die treu gebliebenen Italiener werden in die neue italienische Armee eingereiht und die so ausgezeichneten würden ein bleibender Vorwurf, eine Schmach für die anderen und der Gegenstand ihrer Abneigung, ja ihres Hasses sein. Die sich von ihnen im Kampfe ausgezeichnet haben, mögen mit Orden oder Medaillen beteilt werden.

In Würdigung dieser Gründe trat der Kriegsminister von seinem Antrage hinsichtlich eines besonderen Zeichens für die treu gebliebenen Italiener zurück, wornach es von diesem Antrage in dem gedachten au. Vortrage und von dem diesfälligen Entwurfe eines Ah. Kabinettschreibens sein Abkommen erhält.

|| S. 566 PDF || Hinsichtlich des Antrages ad b) stimmte dagegen die Mehrzahl dem Kriegsminister bei, der Finanzminister Freiherr v. Krauß mit der Beschränkung, daß die gedachte kleinere Medaille, da der Gegenstand der Frage immerhin eine Änderung der diesfalls bestehenden Gesetzgebung in sich begreift, nur für diesen Krieg zu bewilligen wäre. Der Minister des Inneren Freiherr v. Doblhoff trennte sich dagegen ganz von dem Antrage ad b), indem nach seiner Ansicht eine solche Änderung des Statuts über militärische Belohnungen ohne ein neues Gesetz nicht zulässig erscheint, zumal in einem konstitutionellen Staate, wo die Beseitigung der mit solchen Auszeichnungen möglichen Mißbräuche umso notwendiger ist.

Wenn Se. Majestät die oben angetragene kleinere silberne Medaille zu genehmigen geruhen, so wäre bei deren Verteilung auf die treu gebliebenen Italiener (nebst sonstigen verdienten Auszeichnungen) vorzüglicher Bedacht zu nehmen17.

VI. Maßnahmen gegen ein mögliches ungarisches Getreideexportverbot

Der Handelsminister etc. v. Hornbostl bemerkte, in Erfahrung gebracht zu haben, daß die ungarischen Minister beabsichtigen sollen, das Verbot, Getreide aus Ungarn nach Österreich auszuführen, zu erlassen, vorgebend, daß sie das Getreide selbst im Lande benötigen, da die Ernte nicht ergiebig genug ausgefallen ist und im Banate die Hälfte des Getreides aus Mangel an arbeitenden Händen auf dem Felde zugrunde gegangen sein soll. Derselbe stellte daher aus Rücksicht für die Approviantierung der Stadt Wien und Niederösterreichs die Anfrage, ob und was allenfalls für Vorkehrungen in der Voraussetzung des oberwähnten Verbotes zu treffen wären.

Obgleich das Ministerium dafür hält, daß es mit dem gedachten Ausfuhrverbote nicht voller Ernst sein dürfte, weil das ungarische Ministerium sich dadurch, daß es dem dortigen Landmanne seinen einzigen Erwerb schmälerte, seinen eigenen Untergang bereiten, das erwähnte Verbot daher von keiner langen Dauer sein würde, so wurde doch für zweckmäßig erachtet, an alle Länderstellen den Auftrag zu erlassen, daß sie schleunig die gewöhnlichen Berichte über den Ausfall der heurigen Ernte erstatten18 und einen vertrauenswürdigen Beamten der Militärverpflegsbranche nach Ungarn zu schicken, um über die erwähnten Verhältnisse nähere Erkundigungen einzuziehen und darüber zu berichten19.

VII. Unterschiedliche Berichte über die Lage in Prag; Entsendung eines Beamten dorthin

Der Minister des Inneren brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß zwei Deputationen aus Prag bei ihm gewesen seien, von denen die eine über die Fortdauer des Quasi-Belagerungsstandes in Prag bitter klagt, vorgebend, daß man fast jeden Schritt auf einen Soldaten stoße, der einen anzufallen drohe, während die andere (deutsche) gerade das Gegenteil behaupte, nämlich, daß in Prag fast kein Militär zu sehen und überhaupt der normale Zustand eingetreten sei20.

|| S. 567 PDF || Um in dieser Sache klar zu sehen, wäre es am zweckmäßigsten, einen unparteiischen Mann nach Prag zu schicken, der die Stadt selbst in Augenschein nehme, sich durch Autopsie von dem Stande der Dinge überzeuge, Erkundigungen einziehe und darüber nach der Zurückkunft relationiere. Diesem Abgeordneten wäre, nach der Bemerkung des Justizministers , auch der Auftrag zu erteilen, die Gefängnisse der infolge der letzten Ereignisse in Prag Verhafteten gleichfalls in Augenschein zu nehmen, da auch über dieselben verschiedene Klagen ruchbar werden21.

VIII. Abschaffung der politischen und KameraIrepräsentanten bei den Justizverhandlungen

Der Justizminister Dr. Bach erklärte die Absicht, um die Ermächtigung einzuschreiten, die politischen und Kameralrepräsentanten bei den Justizverhandlungen abzuschaffen, da sich diese Einrichtung vom Rechtsstandpunkte nicht wohl, zumal unter den gegenwärtigen Verhältnissen, rechtfertigen lasse.

Über die Bemerkung des Finanzministers , daß diese Repräsentation bald eine Änderung erleiden werde, sie nur selten eintrete, aber solange dafür nicht etwas anderes eingeführt wird, notwendig sei, um in administrativen Angelegenheiten, worüber der Richter nicht zu entscheiden hat, die öffentlichen Interessen auf eine genügende Art zu wahren, erklärte der Justizminister auf seiner Motion derzeit nicht bestehen, aber später einen bestimmten Antrag diesfalls stellen zu wollen.

Diese Angelegenheit erscheint daher nur aufgeschoben, nicht aufgehoben22.

Ges. 17. August. Franz Karl. Vidi.