Probleme der Edition - Retrodigitalisat (PDF)
|| S. 56 PDF || Zwei große Themen beschäftigen den Ministerrat während der letzten elf Monate der Ära Belcredi besonders: der Krieg gegen Italien und Preußen sowie die Neuorientierung der Innenpolitik, die in der Berufung Beusts ihren sichtbaren Ausdruck fand. Es erhebt sich sofort die Frage, ob die Protokolle auf diesen Gebieten neue Erkenntnisse bringen. Wenn dies auch für den Ablauf der Ereignisse nicht in spektakulärer Weise zutreffen mag, so vermitteln uns die Äußerungen der Teilnehmer an den Beratungen doch oft bisher zuwenig beachtete Details. Drückt sich etwa das ganze Dilemma der österreichischen Außenpolitik nicht zutreffender aus, als es subtilste Untersuchungen darstellen können, wenn Mensdorff im Ministerrat vom 23. April 1866 auf Heniksteins Feststellung, daß „Preußen wisse, was es wolle, wir aber müssen uns durch andere in unseren Handlungen bestimmen lassen“, resignierend antwortet: „Das sei leider die Lage von Österreich.“ Durch solche Äußerungen treten uns überdies Menschen mit allen ihren Fehlern, Vorzügen, Befürchtungen und Hoffnungen entgegen und keine unpersönlichen politischen Akteure.
Manchmal genügt auch ein Blick in die Teilnehmerliste und in die Tagesordnung, um die Bedeutung eines beigezogenen Referenten zu erkennen. Das beste Beispiel dafür bietet der Sektionschef im Finanzministerium, Baron Becke, dessen Einfluß auf die Finanzen der Monarchie dem seines Chefs, des Grafen Larisch, zumindest gleichkam.
Die wichtigsten neuen Ergebnisse sind in der vorangehenden Einleitung von F. Engel-Janosi enthalten, der auch auf Ungenauigkeiten bei der Wiedergabe von Protokollen durch J. Redlich hinweist.
Die Bedeutung der beiden zentralen Fragen bringt es mit sich, daß Wirtschafts-, Verkehrs- und Finanzprobleme im Ministerrat in geringerem Ausmaß zur Sprache kommen, als dies in den ersten Monaten des Kabinetts Belcredi der Fall war; für die innere Entwicklung der Monarchie sind jedoch auch sie nicht bedeutungslos.
|| S. 57 PDF || Es ist für die in diesem Band behandelte Zeit charakteristisch, daß besonders auf außenpolitischem Gebiet selten mehr als die offiziellen Schritte der kaiserlichen Regierung erörtert wurden, wie z. B. der Depeschenwechsel mit Preußen oder die Interpretation einzelner Artikel der Friedensverträge. Nur das Protokoll des Ministerrates vom 11. Juni 1866 bietet uns einen tieferen Einblick in die Entstehung des Abtretungsvertrages vom 12. Juni 1866. Im Gegensatz zu dieser nicht sehr erschöpfenden Besprechung außenpolitischer Fragen wird die administrative, finanzielle und militärische Vorbereitung des Konflikts sehr detailliert erörtert. Was den letzten Punkt betrifft, so unterscheiden sich die Protokolle des Jahres 1866 in mancher Hinsicht kaum von jenen des Jahres 1859. Einige Beispiele mögen dies illustrieren: Am 3. Mai 1859 diskutierte die Ministerkonferenz als zweiten Beratungspunkt die Verlegung der dalmatinischen Landesbehörde in das Innere des Landes bei einer eventuellen Seeblockade (vgl. dazu MR. v. 19. 5. 1866/IV); als nächstes Thema (fortgeführt im MR. v. 5. 5. 1859/II) stand dann die Verordnung über eine Regelung der Schiffahrt für die Kriegszeit zur Diskussion (vgl. MR. v. 4. 5. 1866/I und MR. v. 9. 5. 1866/I). Das Protokoll II vom 21. Mai 1859 hält die Beratung über die Behandlung der Beamten bei Verlegung der Ämter in das Innere bedrohter Landesteile fest (vgl. dazu MR. v. 4. 5. 1866/V und VI), und am 9. Juni 1859 stand die Behandlung der lombardischen Staatsbeamten auf der Tagesordnung der Konferenz (vgl. MR. v. 17. 12. 1866/II).
Einen besonderen Platz nehmen die Ministerratsprotokolle vom 4. und vom 9. Juli 1866 ein. Wir wissen, daß Franz Joseph und Franck noch am Abend des 3. Juli die Nachricht von der Niederlage der Nord-Armee erhielten (die endgültige Bestätigung durch Benedek traf am 4. Juli um 5 Uhr morgens in Wien ein); wann und wie dies die meisten anderen Minister erfuhren, ist uns dagegen nicht bekannt. Selbst wenn dies ebenfalls noch am 3. Juli geschah, dürfte der Ministerrat vom 4. Juli 1866 die erste Gelegenheit gewesen sein, sich gemeinsam über die nun einzunehmende Haltung der Monarchie zu beraten. Wir können hier nur bedauern, nicht im Besitz des Konzepts des Ministerratsprotokolls vom 4. Juli zu sein. Wieviel von der noch ganz von der Unglücksbotschaft geprägten Atmosphäre mag in der Reinschrift verlorengegangen sein! Die beiden Protokolle vom 9. Juli 1866 wiederum zeigen, wie stark man zunächst mit einer eventuellen Besetzung Wiens durch die Preußen rechnete.
In seinem den Staatsvoranschlag für 1866 begleitenden Vortrag vom 29. September 1865 hatte Larisch die Reduzierung des Defizits auf 40 Millionen Gulden angekündigt und die Hoffnung ausgesprochen, daß eine weitere Konsolidierung des Staatshaushaltes möglich sein würde, wenn man neben der Durchführung verschiedener finanzpolitischer Maßnahmen auf eine Periode des Friedens und die „durch die segensverheißende Initiative Eurer Majestät glücklich angebahnte Verständigung über die innenpolitischen Verhältnisse“ rechnen könne1. Zu Einsparungen hätte auch die Armee beitragen sollen, denn ihr wären für 1866 nur 88,763.000 fl. zugesprochen worden, gegenüber 89,982.772 fl. im Jahre 1865 oder 140,204.300 fl. im Jahre 18602. Allein die Hoffnungen, die Larisch in die Zukunft gesetzt hatte, || S. 58 PDF || erwiesen sich nur allzubald als trügerisch, denn bereits am 8. April 1866 zerbrach man sich im Ministerrat den Kopf, wie man den Krieg finanzieren sollte. Die Protokolle zeigen nun mit aller Deutlichkeit die steigende finanzielle Bedrängnis des Staates, die so weit führte, daß dieser die Bankakte brach. Was die Nationalbank dagegen unternehmen konnte, waren papierene Proteste, die der Ministerrat einfach ungerührt zur Kenntnis nahm (vgl. dazu MR. v. 5. 6. 1866/I, MR. v. 28. 9. 1866/III).
Auch gewisse militärische Aspekte wurden von den Ministern recht ausführlich behandelt, wie z. B. die Frage der zweiten Rekrutierung.
Die Bedeutung der außenpolitischen Ereignisse des Jahres 1866 macht es nur zu begreiflich, daß sich die internationale Forschung sehr bald mit ihnen zu beschäftigen begann. Der Versuch der Aufstellung einer auch nur einigermaßen vollständigen Bibliographie würde den Rahmen dieser Einleitung bei weitem sprengen. Es soll hier nur kurz auf die wichtigsten Quelleneditionen verwiesen werden. Wesentliche Aktenstücke wurden bereits in den seit 1861 erscheinenden Reihen „Archives diplomatiques“ und „Das Staatsarchiv“ publiziert3. Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurden dann nach Lockerung der Archivsperren immer neue Quellengruppen erschlossen4, die mit der Herausgabe der Bände von R. Blaas, N. Blakiston, G. Dethan und A. Filipuzzi ihren vorläufigen Abschluß fanden5.
Ähnlich groß ist das Interesse am Ausgleich mit Ungarn. Die Hundertjahrfeier dieses Ereignisses bot zuletzt in Preßburg Wissenschaftlern aus Ost und West die Möglichkeit eines eingehenden Meinungsaustausches und einer Darlegung ihrer Forschungsergebnisse6.
|| S. 59 PDF || Neben diesen beiden zentralen Themen stehen hauptsächlich Fragen wirtschafts- und finanzpolitischer Natur auf der Tagesordnung des Ministerrates. Auf Wirtschaftsfragen soll hier nicht näher eingegangen werden; die Fußnoten der einschlägigen Protokolle enthalten die wesentlichsten Erklärungen. Es mußte für diesen Teil des Kommentars hauptsächlich Aktenmaterial herangezogen werden, da auch die neuesten Arbeiten sich nicht mit den im Ministerrat angeschnittenen Problemen befassen7. Anders ist die Lage im Hinblick auf die Beratungen der finanziellen Situation der Donaumonarchie. Man kann hier, grob gesprochen, drei Themenkreise ansetzen. Die Finanzierung der Kriegserfordernisse für 1866 wurde noch nicht eingehend untersucht, insbesondere fehlt eine genaue Arbeit über das Domänenbeleihungsgeschäft. Zu zwei wichtigen Detailfragen der finanziellen Problematik, mit der sich der Ministerrat öfters auseinandersetzen mußte, gibt es dagegen Literatur, die eine Kommentierung der Protokolle wesentlich erleichtert. Der durch den Krieg sprunghaft anwachsende Finanzbedarf zwang die Regierung zu einem mehrmaligen Bruch der Bankakte vom 27. Dezember 1862; die Nationalbank erhob gegen diese Eingriffe des Staates schärfsten Einspruch, der auch dem Ministerrat zur Kenntnis gebracht wurde (siehe dazu MR. v. 22. 4. 1866/II, MR. v. 5. 6. 1866/I und MR. v. 28. 9. 1866/III). Diese Vorgänge sind in den Werken von J. Neuwirth8, S. Preßburger9 und G. Franz10 eingehend dargestellt worden. Auch die Vorstellungen der Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld gegen eine Verhinderung der ihr mit dem Gesetz vom 27. 10. 1865 (RGBl. Nr. 107) zugesicherten Publizierung des Jahresberichtes 1865 (MR. v. 19. 5. 1866/III, MR. v. 5. 6. 1866/III) sowie die Diskussion über die Emission von Staatsnoten (MR. v. 28. 9. 1866/IV, MR. v. 23. 11. 1866/III, MR. v. 17. 12. 1866/V und MR. v. 2. 1. 1867/II) sind bereits genau untersucht11.
In diesen Band wurden in den Anhang die Protokolle der Militärkonferenzen vom 7. und 14. März, vom 8. April sowie vom 13. und 17. Mai 1866 aufgenommen. Diese Besprechungen — H. v. Sybel bezeichnete sie als „Marschallsrat … zu welchem außer den betreffenden Ministern 18 höhere Generale geladen waren12“ — dienten dazu, || S. 60 PDF || dem Kaiser, vor allem jedoch den militärischen Führern, fallweise aber auch einem Minister einen zusammenfassenden Überblick über den jeweiligen Stand der militärischen Maßnahmen zu geben, eventuell offene Probleme einer Lösung näherzubringen oder diese zu beschleunigen13. Neben hohen Militärs nahm auch Mensdorff an den hier vorgelegten Beratungen teil, wohl nicht wegen seines militärischen Ranges, sondern wahrscheinlich, um die vorgeschlagenen militärischen Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit der Außenpolitik der Monarchie hin zu prüfen14. Diese Annahme wird noch dadurch erhärtet, daß der Minister des Äußern mit den militärischen Vorkehrungen ja in keiner Weise befaßt war. Die Protokolle vom 7. März, vom 8. April und vom 13. Mai tragen die Unterschriften der Teilnehmer auf der letzten Seite des Protokolls, unmittelbar an den Text anschließend, bei den Konferenzprotokollen vom 14. März und vom 17. Mai 1866 erfolgte die Kenntnisnahme des Schriftstückes durch die Anwesenden auf der ersten Seite neben der Anführung ihrer Anwesenheit — ausgenommen jene des Kaisers, der auch hier seine Unterschrift an den Schluß des Protokolls setzte.
Ähnlich wie in Band 1 der VI. Abteilung sollen im folgenden die für den Kommentar ausgewerteten Wiener Archivbestände, sofern sie nicht schon in Band 1 behandelt sind, beschrieben werden.
Die Akten der Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld - Retrodigitalisat (PDF)
An neuen Archivbeständen aus dem Bereich der staatlichen Verwaltung wurde zur Kommentierung der Protokolle dieses Bandes nur das Aktenmaterial der Kommission zur Kontrolle der Staatsschuld, das sich im Wiener Hofkammerarchiv befindet, herangezogen. Leider ist dieser Bestand nicht vollständig; er enthält nur die Akten der ersten Hälfte des Jahres 1866. Auf eine Darstellung der Entstehungsgeschichte, der Aufgaben und der Zusammensetzung der Kommission soll hier verzichtet werden, da G. Kolmer15 und besonders J. Püregger16 diese Fragen detailliert behandeln.
Nachlaß Plener - Retrodigitalisat (PDF)
Dieser Bestand im HHSTA. ist für die Ära Belcredi durch die Stellung der beiden Plener interessant. Ignaz Plener, der Vorgänger Larischs als Finanzminister, übte ja während der Sistierungsperiode seine Funktion als Abgeordneter des böhmischen Landtages weiterhin aus, und diese Tätigkeit fand in seiner Korrespondenz|| S. 61 PDF || oft schriftlichen Niederschlag; vor allem mit seinem Sohn Ernst, der seit dem Frühjahr 1865 an der österreichischen Botschaft in Paris beschäftigt war, stand er in ständigem brieflichem Verkehr. Dieser Gedankenaustausch betraf manche im Ministerrat zur Diskussion stehende Frage. Es scheint deshalb angebracht, sich etwas eingehender mit diesem Briefwechsel auseinanderzusetzen. Dabei darf vor allem nicht außer acht gelassen werden, daß einerseits Ignaz Plener seiner ganzen politischen Einstellung nach keinerlei Sympathie für die Maßnahmen des „Dreigrafenministeriums“ empfand und insbesondere die Finanzmisere des Reiches ausschließlich auf das Konto Larischs schrieb und andererseits Ernst auf dem diplomatischen Parkett noch zu unerfahren war, um in allen Fällen den Wert seiner Mitteilungen an den Vater richtig einschätzen zu können.
Die Briefe Ignaz Pleners vom Juni 1865 illustrieren vor allem die Krise des Ministeriums Schmerling17. Am 26. Juni 1865 erfolgte der Rücktritt des Ministeriums Schmerling, doch wurden die Minister gebeten, ihre Geschäfte bis zur Fertigstellung der neuen Ministerliste fortzuführen18. Wie Plener die ersten Versuche Larischs, der Finanzkalamität — über deren Existenz er sich gewiß im klaren war — Herr zu werden, einschätzte, darüber sind wir nur spärlich unterrichtet19, da Ernst einen längeren Urlaub nach Wien angetreten hatte, von dem er erst im Oktober wieder in die französische Hauptstadt zurückkehrte20. Es fehlt daher für diesen Zeitraum die Korrespondenz.
Bei seinem Amtsantritt hatte Larisch erkennen müssen, daß das Defizit für das Jahr 1865 statt der ursprünglich angenommenen 7,5 Millionen Gulden schließlich 80 Millionen Gulden betrug21. Um nun die Krise — die zum Teil auf die Plenersche Deflationspolitik zurückging22 — zu meistern, versuchte der Finanzminister durch ein Anlehen von 90 Millionen Gulden das so dringend benötigte Kapital aufzutreiben. Die angespannte Lage des Geldmarktes, die verfassungsrechtlichen Bedenken des Auslandes (England) bei der Gewährung der Anleihe sowie einige Stadien der Verhandlungen mit zwei Konsortien (Baring—Rothschild und Haber—Crédit Foncier) || S. 62 PDF || fanden in einigen Ministerratsprotokollen des ersten Bandes ihren Niederschlag23. Ignaz Plener verfolgte die Abwicklung des Geschäftes mit größter Aufmerksamkeit und wurde dank der Stellung seines Sohnes eingehendst darüber informiert24. Unmittelbar nach dem Beschluß des Ministerrates (MRProt. I v. 7. 11. 1866), mit dem Konsortium Haber in Paris abzuschließen, setzte der jüngere Plener seinen Vater davon in Kenntnis und teilte ihm gleichzeitig die Grundzüge des Vertrages mit25, die er dann nach der Unterzeichnung am 14. November 1865 noch weiter ergänzte26. Ignaz Plener, der die Regierung (ganz besonders aber Belcredi und Larisch) in immer schärferer Weise kritisierte27, ließ es auch in diesem Fall an Angriffen nicht fehlen. „Was das Anlehen betrifft“, teilte er am 3. Dezember 1865 seinem Sohn mit, „so stellen mehrere Wiener Blätter die Nacktheit dieser erbärmlichen Kreditoperation bloß und vergleichen es mit den früheren Begebungskursen zu meinen Gunsten. Österreich steht nun in der Tat, wie Graf Kinsky es einst in einer Sitzung sagte, unter Marokko. Es wird durch dieses Anlehen eine Kapitalsdevalvation der österreichischen Staatsschuld um 8—10 Prozent bewerkstelligt. Übrigens wird dieser traurigen Operation bald jene mittels Pfandbriefen auf die Domänen folgen müssen, indem Larisch mit den 90 Millionen des letzten Anlehens keineswegs auslangt, um Bank- und Staatsbedürfnisse zu decken28.“
Zur Zeit, als Ignaz Plener diese Zeilen an seinen Sohn richtete, hielt er sich in Prag auf, wo er im Landtag an der Diskussion des Septemberpatents, mit dem das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 sistiert wurde, teilnahm. Er war äußerst aufgebracht, daß die Majorität des Landtages diesem Vorgehen der Regierung ihre Zustimmung erteilt hatte; nicht zuletzt auch deshalb, weil der Regierungsvertreter, Graf Lažansky, die Regierungs- und Staatsanwaltsbeamten zur Nichtteilnahme an der Abstimmung bewogen hatte, um nicht ähnliche Überraschungen wie mit Dr. Waser im steirischen Landtag erleben zu müssen29. Als Gipfel des „wahrhaft verbrecherischen Vorgehens der jetzigen Regierung“ bezeichnete er sodann die weiteren Ausführungen Lažanskys, der ganz im Sinne der Belcredischen Argumentation im Ministerrat vom 17. September „mit einem wahren Zynismus erklärte, die ganze Februarverfassung wäre nur eine Fiktion, die damalige Zentralisierung der Kräfte der Monarchie sei nur im Drange der momentanen Lage und Bedürfnisse erfolgt, für die Dauer sei dies ohnehin nicht bestimmt gewesen30“. || S. 63 PDF || Das Finanzgesetz für das Jahr 1866 wies dann ein Defizit von 40 Millionen Gulden auf; außerdem wurde im Kapitel 39 der Einnahmen ein Betrag von fast 15 Millionen Gulden angeführt, den man sich jedoch erst durch den Verkauf von Staatsgütern beschaffen mußte. Das Gesamtdefizit belief sich somit auf 55 Millionen Gulden31. Mit dem Gesetz vom 24. April 1866 (RGBl. Nr. 47/1866) wurde der Finanzminister ermächtigt, gegen Verpfändung von unbeweglichem Staatseigentum ein Darlehen von 60 Millionen Gulden zur Deckung dieses Defizits aufzunehmen.
Die jedoch inzwischen immer größer werdende Gefahr eines Kriegsausbruches mußte alle Versuche des Staates, die Finanzverhältnisse zu konsolidieren, illusorisch erscheinen lassen. Larisch war aber auch nicht der Mann, der die Konsequenzen aus diesem Tatbestand gezogen und sich energisch für den Frieden ausgesprochen hätte. Am 13. März 1866 wies er in einem Vortrag wohl unmißverständlich darauf hin, daß im Falle eines Krieges die begründete Hoffnung, Ordnung in den Staatshaushalt zu bringen, mit einem Schlag vernichtet werde; man würde „auf Jahre hinaus zurückgeworfen, ja einer finanziellen Katastrophe entgegentreiben“; er schilderte sodann die Unmöglichkeit, sich im Ausland Kredite zu beschaffen, die finanzielle Erschöpfung des Reiches, die Steuereinbußen und den ungeheuren Militäraufwand. Statt jedoch nun dringend vom Krieg abzuraten, fuhr der Minister fort: „Indessen, über der Finanzfrage steht im Staatsleben die Existenz- und mit ihr gleichbedeutend die Ehrenfrage. Muß zum Schwert gegriffen werden, so muß alles aufgeboten werden, die Geldmittel zur Kriegführung aufzubringen.“ Über den Grundsatz, nach welchem er bei der Geldbeschaffung vorgehen wollte, ließ er den Kaiser nicht im unklaren: „Salus rei publicae suprema lex esto.“ Als wünschenswert bezeichnete es Larisch, wenn die Entscheidung über Krieg und Frieden bis 20. April 1866 fallen würde. Sollte dies unmöglich sein, so müsse man den Krieg auf diplomatischem Weg bis nach Abschluß des Domänenbeleihungsgeschäftes hinausschieben. Im Anschluß an diese Forderungen legte er dem Monarchen sodann einen Katalog der für den Kriegsfall zu ergreifenden Maßnahmen vor32.
Die Folge dieser Einstellung war: Nachdem der Minister den Standpunkt der Ehre über die harte Realität der finanziellen Situation der Donaumonarchie gestellt hatte, sah er aus dem drohenden Unheil keinen anderen Ausweg, als sich auf die Seite der Kriegspartei zu schlagen. Bismarck meinte, der Finanzminister hätte diesen Schritt auch in der Hoffnung getan, bei einem Sieg über Preußen durch hohe Kontributionen die Staatskassen zu füllen; bei einer Niederlage || S. 64 PDF || konnte man ja dann — unter Hinweis auf die Ungunst des Schicksals — den Staatsbankrott erklären33.
Die Auseinandersetzung mit Preußen bewirkte keine Änderung in der Einstellung Ignaz und Ernst Pleners; sie lehnten die absolutistische Regierungsweise des Ministeriums Belcredi auch weiterhin schärfstens ab, obgleich sie, wie die Majorität der Verfassungspartei, den Krieg mit Preußen befürworteten. Der ältere Plener hatte diesbezüglich in seinem bereits erwähnten Brief vom 3. Jänner 1866 geschrieben: „Freilich ist es leicht als absoluter Finanzminister sein Finanzgesetz und seinen Vortrag zu machen, wo hingegen ich jede Ziffer und Zeile meines Budgets in mehrmonatigen Kämpfen mit dem Abgeordnetenhause durchbringen mußte34.“ Plener kannte wohl die durch den Krieg auftretenden Bedürfnisse des Staates, lehnte aber die finanzpolitischen Maßnahmen der Regierung vielleicht auch aus dem Grund so schroff ab, da die meisten von ihnen einen Bruch seiner vermutlich hervorragendsten Schöpfung, der Bankakte vom 27. Dezember 1862, bedeuteten35.
Für Ignaz Plener stand fest, daß nur eine Abtretung Venetiens die Chance eines günstigen Ausgangs des Konflikts und der finanziellen Konsolidierung bot. Man müsse nur einen „ehrenvollen und konvenablen Modus“ finden, dann wäre man der Annäherung Napoleons sicher und hätte gegen andere Feinde freie Hand36. Bereits während seiner Amtszeit hatte er oft mit Rothschild über ein Arrangement wegen Venetiens gesprochen, „allein in den höchsten Kreisen galt es für Hochverrat davon nur je zu reden, nun wird es 100 Tausende von Menschen und Millionen an Geld kosten, Österreich wird finanziell und wirtschaftlich ruiniert werden und das Ende wird doch der Verlust Venedigs sein37“. Letztere Vermutung wurde für Ignaz Plener nach dem Handschreiben Napoleons an Drouyn de Lhuys vom 11. Juni38 zur Gewißheit. Bitter beklagte er die darin enthaltene Verhöhnung des Rechtsstandpunktes: während Preußen und Italien Anrecht auf Gebietserwerbungen hätten, solle Österreich Venetien abtreten39.
Der Verlauf der ersten Gefechte an der Nordfront mit ihren erschreckend hohen Verlusten auf österreichischer Seite40 sowie die schwankende und inaktive Haltung der militärischen Führung riefen beim älteren Plener böse Ahnungen hervor; daran änderte auch die Nachricht des Sieges bei Custoza (fälschlich meist Custozza) nicht viel. || S. 65 PDF || Im gleichen Maße wie das Unbehagen der österreichischen Bevölkerung wegen der Untätigkeit Benedeks wuchs, verstärkte sich auch die Kritik des ehemaligen Finanzministers. Er vermutete, daß das Zaudern des Feldzeugmeisters wohl seinen Grund in dessen „zu geringer Kraft“ haben müsse41. Es schien ihm nicht verwunderlich, wenn die Öffentlichkeit Prag für verloren und Wien für unmittelbar bedroht hielt, zumal auch die Geschützkolonnen, die sich durch Wien bewegten, nicht per Bahn nach Böhmen rollten, sondern in die in aller Eile am nördlichen Donauufer aufgeworfenen Schanzen gebracht wurden42. Als dann das bereits erwähnte Telegramm Benedeks vom Morgen des 4. Juli 1866 das volle Ausmaß der Katastrophe offenbarte, war sich die Regierung zunächst wohl nicht ganz im klaren, wie man der Bevölkerung die Hiobsbotschaft bekanntgeben sollte. Dafür spricht die Tatsache, daß man wohl noch am gleichen Tag die Depesche Benedeks in der Wiener Zeitung veröffentlichte, jedoch jene Passagen, die den ganzen Umfang der Niederlage schilderten, wegließ und überdies noch einige beschönigende Worte einschob43. Auch Ignaz Plener wußte am 4. Juli, daß die Österreicher bei Königgrätz eine Schlacht verloren hatten, war aber der Ansicht, daß nur ein Korps abgeschnitten sei und nicht alle Truppen zum Einsatz gekommen waren44. Als er dann die volle Wahrheit erfuhr, kannten seine Entrüstung und seine Niedergeschlagenheit keine Grenzen. Er suchte nach Schuldigen und fand sie zunächst in den militärischen Führern Benedek und Henikstein, denen er „maßlose Fehler“ vorwarf45, dann auch in den Ministern, die er als „erbärmliche Subjekte“ bezeichnete und denen er die baldige Abberufung prophezeite46. Sein Sohn hielt die Lage Österreichs für nicht so ungünstig. Es schien ihm das beste, wenn der Kaiser nicht nach Ungarn, sondern nach Stuttgart oder Frankfurt ginge, dort ein demokratisches Parlament einberiefe „und den Krieg gegen das Preußentum bis ans Messer durch das deutsche Volk“ führen würde. Er gestand jedoch sofort ein, daß eine „abstrakte Revolutionspolitik“ keine Garantie für einen konkreten Erfolg biete; wahrscheinlicher sei, daß der Monarch die 48er Gesetze wiederherstellen und dadurch mit der Idee eines einheitlichen Österreichs brechen werde. Ernst Plener kam sodann auf Beust zu sprechen, dessen Eintritt in die österreichische Regierung er für wahrscheinlich hielt, dessen kleinlicher Preußenhaß ihm allerdings Mißtrauen einflößte. Auf Beusts Mission nach Paris übergehend, charakterisierte Plener diese als völlig ergebnislos47, ganz im Gegensatz || S. 66 PDF || zum sächsischen Minister, der sie später als nicht ganz erfolglos darstellte48. Nach dem Abklingen des Schocks über die Niederlage von Königgrätz schöpfte Ignaz Plener wieder Hoffnung auf eine glückliche Wendung der Lage. Der kriegsbereite Eindruck und die Zuversicht der in aller Eile nach Wien transportierten Truppen der Süd-Armee, die zahllosen Krankheitsfälle im preußischen Heer, das Ansteigen der Donau, das eine Überquerung des Stromes erschwerte, sowie die Nachricht vom Sieg Tegetthoffs bei Lissa bestärkten ihn in dieser Hinsicht. Allein er fürchtete, daß die Regierung zu einem schmachvollen Frieden bereit sei, d. h. aus dem Deutschen Bund austreten würde. Entsprechend fielen dann auch seine Kommentare nach dem Abschluß des Waffenstillstandes aus. Angriffen auf Belcredi und Crenneville, die seiner Meinung nach dem Föderalismus und damit auf eine „Schwächung der Monarchie in allen Teilen“ zusteuerten, folgten Klagen über den „Mangel an Intelligenz und Tüchtigkeit“, über das „verrottete“ Adels- und Kirchensystem, „welches ein System gegen den Heiligen Geist ist“. Als eine kleine Schlappe für die Regierung bezeichnete er die Flucht des Sektionschefs im Finanzministerium, Kappel v. Savenau, der aus Furcht vor einer preußischen Invasion Hals über Kopf nach Ungarn geflüchtet war49.
Durch den Krieg war die Kontroverse zwischen Ignaz Plener und seinem Nachfolger unterbrochen worden, die ihre Ursache in dem von Larisch am 8. Juni in der Wiener Zeitung publizierten Vortrag vom 30. Mai 1866 gehabt hatte50. Darin griff der Finanzminister seinen Vorgänger wegen des falschen Ansatzes des Defizits im Staatsvoranschlag 1865, wegen der Verpfändung wichtiger Einnahmsquellen, wegen der mangelnden Vorsorge für die Beschaffung von Geldmitteln zur Bezahlung von Zinsen der Staatsschulden sowie zur Einhaltung der Fälligkeitstermine der Depotschulden, wegen der Lahmlegung des Staatskredits im Inland, wegen des teilweisen Mißlingens der beiden letzten Auslandsanleihen der Jahre 1859 und 1864 und wegen anderer Fehler heftig an. Ignaz Plener versetzten diese Angriffe Larischs in maßlose Aufregung. Er verfaßte sofort eine Gegendarstellung, begab sich am 18. Juni zu Franz Joseph, um Beschwerde gegen die Ausführungen des Ministers zu erheben51. Der Kaiser versprach zwar eine genaue Untersuchung, eine Antwort erhielt Plener jedoch nicht, und auch die beabsichtigte Flucht an die Öffentlichkeit unterblieb wegen des Krieges.
Nach dem Krieg galt es nun, das wichtigste innenpolitische Problem, die staatsrechtliche Stellung Ungarns, zu lösen. Die vom 67er Ausschuß ausgearbeitete Verfassung sollte nach den Plänen der Regierung Belcredi einem außerordentlichen Reichsrat zur Beratung vorgelegt werden, in dem die deutschen Liberalen || S. 67 PDF || in der Minderheit geblieben wären. Da diese eine Beseitigung der Februarverfassung befürchteten, griffen sie nach einer Versammlung bei Pratobevera die Regierung schärfstens an. Ignaz Plener bezeichnete in einem Brief vom 10. Jänner 1867 den Sturz des Ministeriums Belcredi als das Ziel jedes ehrlichen Österreichers und meinte: „… ist dieses gestürzt, dann ist die Wiederkehr der Februarverfassung mehr als gewiß52.“
Die Briefe, besonders jene von Ignaz Plener, sind eine fast ausschließlich vom persönlichen Erleben geprägte Quelle. Gerade die persönliche Anteilnahme Pleners an der von ihm vor Larisch geführten Finanzpolitik macht seine Stellungnahme jedoch zu einer wertvollen Ergänzung der mit denselben Fragen befaßten Ministerratssitzungen des Jahres 1866.
Nachlaß Franz Folliot de Crenneville-Poutet - Retrodigitalisat (PDF)
Nach einer kurzen Erwähnung in der Einleitung des ersten Protokollbandes53 soll an dieser Stelle der Nachlaß des ersten Generaladjutanten des Kaisers ausführlicher besprochen werden. Es scheint dies gerechtfertigt, da das Material, das als Ergänzung zu den Ministerratsprotokollen der Ära Belcredi herangezogen werden kann, für den im vorliegenden Band behandelten Zeitraum von besonderer Aussagekraft ist.
Die im Nachlaß Crenneville verwahrte Korrespondenz betrifft keine wesentlichen im Ministerrat behandelten Themen. Entschieden aufschlußreicher dagegen sind das Hofjournal (vorhanden für die Jahre 1864 bis 1867) und das Tagebuch (vorhanden für 1859 bis 1888). Bei ersterem handelt es sich um ein wichtiges offizielles Zeugnis für die vom Kaiser präsidierten Ministerratssitzungen, da es tageweise die wichtigsten Ereignisse am kaiserlichen Hof nennt, während letzteres private Aufzeichnungen enthält. Eine besondere Problematik ergibt sich daraus, daß die Grenzen zwischen Ministerrat, formloser Ministerbesprechung beim Kaiser und Ministeraudienz in der Darstellung Crennevilles weitgehend ineinanderfließen. Es fällt zunächst auf, daß im Hofjournal die Zusammenkünfte der Minister verschieden bezeichnet werden, nämlich als „Konferenz“, „Ministerkonferenz“ oder „Ministerrat“; manchmal wird einfach eine Namensliste der beim Kaiser versammelten Persönlichkeiten angeführt54. Crenneville dürften daher alle Sitzungen, d. h. jene, die amtlich protokolliert wurden, und die, deren Abhaltung nur durch seine Eintragungen bezeugt sind, ihrer Bedeutung nach gleichrangig erschienen sein, sonst würde er wohl der offiziellen Regelung folgend terminologisch differenziert haben. Einen unübersehbaren Hinweis auf die doch bestehenden || S. 68 PDF || Unterschiede liefert die „Instruktion für das Gesamtministerium“ vom 6. August 1865, die jene Gegenstände nennt, die im Ministerrat zur Sprache zu kommen hatten und von den dafür bestimmten Protokollführern Ignaz Ritter v. Schurda (bis 12. 9. 1865), Bernhard Ritter v. Meyer und Alfred Hueber protokolliert wurden. Diese Instruktion ließ betont die Möglichkeit offen, wichtige außen-, aber auch manche innenpolitische Fragen nicht zur Beratung durch einen offiziellen Ministerrat gelangen zu lassen55. Diese Praxis änderte sich während der Kriegsepoche. Denn bei allen Bestrebungen des Kaisers, der Außenpolitik eine Exklusivstellung zu bewahren, war es erforderlich, gewisse Maßnahmen, die die Existenz des Staates tangierten, einer gemeinsamen Beratung zu unterziehen. Aber selbst in diesem Band zeigt es sich, daß nur noch die Endergebnisse von bereits gefällten Entscheidungen in den protokollierten Sitzungen zusammengefaßt und in eine für die Gesamtmonarchie verbindliche Form gebracht wurden. Auch Fragen der inneren Umgestaltung Österreichs wurden vor einer Diskussion im Ministerrat von einzelnen oder mehreren Ministern besprochen. Es darf daher wohl angenommen werden, daß die Entscheidungen bereits in Beratungen, die man als „Vorkonferenzen“ bezeichnen könnte, fielen.
Von der Sitzung vom 5. August 1865, die sich mit der schleswig-holsteinischen Frage beschäftigte, wissen wir, daß sie protokolliert wurde56, über die anderen sind wir diesbezüglich nicht unterrichtet. Wahrscheinlich wurden alle Militärkonferenzen, an denen Beck und Grobben teilnahmen, schriftlich festgehalten. Dies ergibt sich einerseits aus dem militärischen Rang der beiden Genannten, andererseits wissen wir ja aus den in diesem Band publizierten Protokollen, daß Beck den Konferenzen als Protokollführer und nicht als Referent beigezogen wurde.
Es sollen nun an Hand der Aufzeichnungen Crennevilles den in beiden die Regierung Belcredi betreffenden Bänden publizierten Protokollen einige Ergänzungen hinzugefügt werden, die einen Einblick in den Wert und in die Eigenart dieser Quelle zu vermitteln geeignet sind. Dabei sollen vor allem die Differenzen in der Überlieferung einerseits durch die Ministerratsprotokolle, andererseits durch die Aufzeichnungen Crennevilles besondere Berücksichtigung erfahren. Nach der bereits erwähnten Konferenz vom 5. August 1865 begab sich der Monarch am 12. August nach Ischl bzw. nach Salzburg, von wo er am 26. August wieder zurückkehrte. Kurz nach seiner Ankunft empfing er Belcredi, Larisch, Mailáth und Gablenz, ob getrennt oder gemeinsam wird im Hofjournal nicht ausdrücklich angeführt, vermutlich aber gemeinsam, da Crenneville sie nach der Zeitangabe (10 bis 12 Uhr) nacheinander aufzählt57, während er sonst Einzelaudienzen hochgestellter Persönlichkeiten gesondert festhält, wie z. B. am folgenden Tag: „10½ Uhr, Ban FML. Baron Šokčević“. „11 Uhr, Se. kaiserliche Hoheit Erzherzog Leopold58“. Der Gegenstand dieser zweistündigen Unterredung dürfte wohl der genauere Inhalt der am 20. August von Franz Joseph und Wilhelm genehmigten || S. 69 PDF || Gasteiner Konvention gewesen sein, der für die Minister, aber auch für Gablenz, den zukünftigen Statthalter in Holstein, sicher nicht unwichtig war.
Der am 2. November 1865 zusammentretende Ministerrat hatte die Endredaktion des Eröffnungsreskriptes für den am 12. November 1865 beginnenden kroatischslawonischen Landtag vorzunehmen. Unmittelbar nach dessen Zusammentritt kam es dann zu einer Spaltung, die eine gedeihliche Arbeit völlig unmöglich machte59. Wie ernst man in Wien die Lage einschätzte, geht daraus hervor, daß am 19. November 1865 nach Eintreffen eines die Differenzen meldenden Kuriers noch für 21 Uhr eine Beratung anberaumt wurde60. Am folgenden Tag fand dann neben dem im ersten Band wiedergegebenen Ministerrat61 von 13 Uhr 30 bis 15 Uhr eine weitere Konferenz des Kaisers mit Belcredi, Mailáth und Kussevich statt, und Oberstleutnant Beck wurde daraufhin mit Instruktionen nach Agram entsandt62.
Die nächste Konferenz, die zwar nicht in den Registern der Kabinettskanzlei, wohl aber bei Crenneville verzeichnet ist, fand am 24. Jänner 1866 von 13 bis 14 Uhr statt. Teilnehmer und Gegenstand sind nicht bekannt, einen höchst vagen Hinweis könnte uns unter Umständen die Audienz von Mensdorff, Franck und Vizeadmiral Fautz liefern, in der die Expedition nach China, Japan und Siam besprochen wurde63. Es wäre möglich, daß der Kaiser nach dieser Audienz den Gegenstand nochmals vor einem größeren Forum besprechen wollte, bevor dann im Ministerrat vom 26. Jänner eine Entscheidung gefällt wurde64; es ist dies aber eine reine Vermutung. Während des Aufenthalts Franz Josephs in Ofen (29. Jänner bis 5. März 1866) fanden in der Zeit vom 3. bis 6. Februar täglich Konferenzen statt, über deren Inhalt Crenneville uns jedoch nichts mitteilt65.
Mit der Verschärfung der politischen Lage wuchs auch die Zahl der „nicht offiziellen“ Konferenzen. Am 11. April 1866 erwähnt Crenneville in seinem Hofjournal eine „Ministerkonferenz wegen Dringlichkeit der Rüstungen“, und auch am 15. April fand in der Zeit von 13 bis 15 Uhr eine von Crenneville als „Ministerkonferenz“ bezeichnete Besprechung statt66. Die Nachricht von bedrohlichen italienischen Truppenkonzentrierungen bewog die Regierung am 21. April zur Mobilisierung der Süd-Armee67. Da Mensdorff an dem entscheidenden Ministerrat vom 21. April infolge eines Fußleidens nicht teilnehmen konnte, wurde die Konferenz vom 23. April, in der die preußische Note vom 21. April 1866 beraten wurde, || S. 70 PDF || in seiner Wohnung abgehalten. Crenneville, der schon früher die seiner Meinung nach schwächliche Haltung Österreichs kritisiert hatte, notierte dazu in sein Tagebuch: „Konferenz … über die preußische Note, nach welcher wir wieder zaudern und angeschmiert noch nicht mobilisieren68.“
Zu einer am 3. Mai 1866 von 13 bis 15 Uhr abgehaltenen Konferenz finden sich im Hofjournal und im Tagebuch Crennevilles keine näheren Angaben69.
Das Scheitern der Abrüstungsbemühungen in der zweiten Aprilhälfte hatte die Mobilisierung der Nord-Armee zur Folge. Während Clark, Friedjung und Regele den 27. April als Mobilisierungsbeginn bezeichnen70, sind Srbik und auch das Österreichische Generalstabswerk in dieser Frage zurückhaltender71. Bei Crenneville finden wir unter diesem Datum keine entsprechenden Eintragungen. Erst am 5. Mai finden sich folgende Bemerkungen: „9½ Uhr, Konferenz unter Ah. Vorsitze mit Grafen Mensdorff, FML. Franck und Baron Henikstein, nach welcher Ah. Befehl zur Mobilisierung erteilt wurde“, und: „Preußen mobilisiert — Konferenz bei Sr. Majestät; Mensdorff, Franck, Henikstein und ich, und wir mobilisieren auch72.“ Am 7. Mai 1866 fanden sich die gleichen Personen zu einer Konferenz bei Franz Joseph ein, auf der die gleichen Fragen wie zwei Tage zuvor erörtert wurden. Crenneville war die Friedensliebe des Außenministers nicht sympathisch, und auch von Esterházy befürchtete er, daß dieser insgeheim „für den Frieden agitiere73“. Der Generaladjutant dürfte wohl nicht geringe Mühe aufgewendet haben, um den Kaiser und Mensdorff von der Notwendigkeit eines entschiedenen Auftretens zu überzeugen. Dadurch wurden wahrscheinlich auch die Erfolgschancen der Gablenzschen Vermittlungsaktion reduziert.
Ab der zweiten Aprilhälfte nahmen die Verhandlungen, die schließlich zum Abschluß des Vertrages über die Abtretung Venetiens vom 12. Juni 1866 führten, konkretere Formen an.
Am 8. Mai fand eine Konferenz über eine von Graf Mülinen aus Paris gebrachte Depesche statt74. Sie enthielt die für die Monarchie unbefriedigende Antwort Napoleons auf die Vorschläge vom 30. April75. Der ablehnende Beschluß der um 13 Uhr begonnenen Konferenz wurde Metternich unmittelbar nach ihrer Beendigung mitgeteilt76.
|| S. 71 PDF || Zur gleichen Zeit, als die Verhandlungen über die Abtretung Venetiens in ihre entscheidende Phase traten, vollendete sich auch das Schicksal Holsteins. Am 6. Juni benachrichtigte General Manteuffel den österreichischen Statthalter, daß er am kommenden Tag unter Vermeidung der von Österreichern besetzten Orte in Holstein einrücken werde77. Nach dem Eintreffen dieser Nachricht in Wien telegrafierte Mensdorff am 7. Juni an Gablenz: „Sie haben jeden Konflikt zu vermeiden. Falls die Brigade angegriffen würde, haben Sie erst im äußersten Fall selbe durch Rückzug aufs linke Elbufer zu retten zu suchen, durch einen kurzen Widerstand der Arrière-Garde die Gewalttätigkeit der Preußen zu konstatieren78.“ Dabei bestand die Möglichkeit, daß sich das Scharmützel zu einer Schlacht entwickeln konnte, die mit der völligen Vernichtung der österreichischen Truppen enden mußte, da die Preußen zahlenmäßig weit überlegen waren und überdies mit ihren Kanonenbooten den Strom völlig unter Kontrolle hielten. Gablenz sandte deshalb Major Joseph v. Rodakowski in Zivil nach Wien, um die Regierung von der Undurchführbarkeit ihrer Anordnungen zu überzeugen79. Am Vormittag des 10. Juni empfing zunächst der Kaiser den Offizier, und um 12 Uhr 30 fand dann eine Konferenz statt, in der Rodakowski die Befürchtungen Gablenz’ vorbringen konnte80. Er muß die Anwesenden (die Teilnehmer sind bei Crenneville nicht angeführt) von der Richtigkeit der Argumente des Statthalters überzeugt haben, denn noch am gleichen Tag wurde angeordnet, daß bei Androhung von preußischen Gewaltmaßnahmen sofort die Überschreitung der Elbe und der Abtransport der Brigade nach Böhmen eingeleitet werden sollten81.
Über eine am 20. Juni um 13 Uhr abgehaltene Konferenz können keine näheren Angaben gemacht werden, da Crenneville weder die Teilnehmer noch den Beratungsgegenstand angibt82. Die Kriegserklärung Italiens kann nicht besprochen worden sein, da ihre Übergabe an Erzherzog Albrecht in Wien erst um 16 Uhr bekannt wurde83. Die nun folgenden Aufzeichnungen des Generaladjutanten betreffen nicht ausschließlich Konferenzen; sie sind aber doch zu aufschlußreich, um unerwähnt zu bleiben. Das Telegramm Benedeks vom 30. Juni, mit dem er die Niederlage des 1. österreichischen und des sächsischen Korps sowie den Rückzug der Armee nach Königgrätz meldete, traf in Wien um 18 Uhr ein84. Der Eindruck auf den Kaiser muß niederschmetternd gewesen sein. Um 17 Uhr 30 hatte er mit seiner Gemahlin Verwundete der Nord-Armee besucht — und nun diese Nachricht. Noch am Abend fand eine Konferenz statt85, auf der die Depesche Benedeks sicher zur Sprache kam. || S. 72 PDF || Trotz der deprimierenden Meldung versicherte der Monarch den durch die zahlreichen Niederlagen schwer geprüften Feldherrn seines ungeminderten Vertrauens86. Allein angesichts der Aussichtslosigkeit der Lage sowie des schlechten Zustandes der Truppen sandte der Feldzeugmeister am 1. Juli jenes berühmte Telegramm an den Kaiser, in dem er bat, um jeden Preis Frieden zu schließen, da eine Katastrophe für die Armee sonst unvermeidlich sei87. Das ganze Ausmaß der Bestürzung, welche die Depesche hervorrief, geht aus den Aufzeichnungen Crennevilles mit aller Deutlichkeit hervor. Im Hofjournal heißt es: „12 Uhr, fürchterliches Telegramm Benedeks, welcher dringend bittet, Frieden um jeden Preis abzuschließen, um Katastrophe der Armee zu verhüten!!!!!!! — Kategorisch geantwortet, nachdem Beratung mit Franck und Mensdorff gepflogen.“ Noch plastischer offenbart sich Crennevilles Erregung in der Tagebuchaufzeichnung: „Fürchterliches Telegramm Benedeks, der Frieden um jeden Preis begehrt, Schmach !! Er kann nicht siegen noch in Ehren zugrunde gehen. Ich brachte Franck und Mensdorff zu Sr. Majestät und es wurde kategorisch geantwortet. Stephi Keglevicz, Franck, wir weinten zusammen aus Wut. Se. Majestät wunderbar ruhig, leidenschaftslos und ergeben. Groß im Schmerze88.“ Der Passus „kategorisch geantwortet“ muß wohl — dafür spricht auch der Vorwurf, Benedek könne weder siegen noch in Ehren untergehen — dahin gehend interpretiert werden, daß der Generaladjutant seine um 14 Uhr 10 abgehende Antwortdepesche89 als Aufforderung zu einer Aktion ansah. Für Benedek konnte diese nur in einer Entscheidungsschlacht bestehen, da er keine Möglichkeit besaß, den Rückzug anzutreten90. Am Tage nach Königgrätz fand um 9 Uhr eine Konferenz in Schönbrunn statt, an der neben Franz Joseph auch König Johann von Sachsen, Esterházy und Beust teilnahmen91 und in der die Frage der Abtretung Venetiens besprochen wurde92. Am folgenden Tag fand eine weitere Besprechung über das gleiche Thema statt93. Die chaotischen Zustände im österreichischen Heer veranlaßten Benedek, an die preußische Heeresleitung mit der Bitte um einen Waffenstillstand heranzutreten. Gablenz, der mit dieser Mission betraut wurde, blieb jedoch erfolglos, da er keine Vollmachten besaß, den Waffenstillstand abzuschließen. Immerhin wurde ihm aber bekanntgegeben, daß Preußen bereit sei, gegen Auslieferung der Festungen Josefstadt, Königgrätz und Theresienstadt eine dreitägige Waffenruhe zu gewähren94.
|| S. 73 PDF || Am 5. Juli traf dann Mensdorff in Begleitung von Major Fejérváry im Hauptquartier der Nord-Armee ein und empfahl noch am gleichen Abend die Annahme der preußischen Forderungen95. Einen Tag später fanden zwei Konferenzen statt, über die Crenneville folgendermaßen berichtet: „12 Uhr, Konferenz wegen Waffenstillstandsverhandlungen. Graf Esterházy, Belcredi, FML. Franck, Rossbacher und 1. General-Adjutant. 2 Uhr, zweite Konferenz in derselben Angelegenheit mit Sr. Majestät dem König von Sachsen und Baron Beust“ (Hofjournal), sowie: „Konferenz bei Sr. Majestät wegen Waffenstillstandsverhandlungen, schmachvolle Opfer96“ (Tagebuch). Hierauf wurde Mensdorff noch am gleichen Tag angewiesen, Gablenz neuerlich wegen Erlangung eines Waffenstillstandes in das preußische Hauptquartier zu senden, und dieser begab sich dann am 8. Juli mit den von Mensdorff ausgearbeiteten Instruktionen nach Pardubitz in das Hauptquartier König Wilhelms, doch wurde er wiederum abgewiesen97. Unmittelbar nach Abschluß des Ministerrates vom 9. Juli 1866 erhielt der Kaiser ein Telegramm Gablenz’ mit der Nachricht von der Ablehnung des österreichischen Waffenstillstandsangebotes. Eine für 16 Uhr einberufene Konferenz beschäftigte sich wohl mit aktuellen politischen und militärischen Fragen; konkretere Angaben können jedoch nicht gemacht werden98.
Für 11. Juli erwähnt Crenneville eine Konferenz, die um 8 Uhr stattfand, gibt aber keinen Hinweis auf Beteiligte und Beratungsgegenstände99. Dagegen standen in der am 15. Juli 1866 um 17 Uhr abgehaltenen Konferenz die „französischen Waffenstillstandsanträge“ zur Diskussion100.
Das in diesem Band wiedergegebene Protokoll der Ministerratssitzung vom 21. Juli 1866 enthält als ersten Beratungspunkt den Friedenspräliminarvertrag mit Preußen. Am gleichen Tag fand von 14 bis 15 Uhr 30 eine weitere Beratung statt, an der auch Erzherzog Albrecht, FML. John und FZM. Degenfeld teilnahmen101. Was in dieser Konferenz beraten wurde, gibt der Generaladjutant zwar nicht an, doch Degenfelds Anwesenheit weist auf die unmittelbar bevorstehenden Friedenspräliminargespräche hin102.
Eine Darstellung der Nikolsburger Verhandlungen würde weit über den Rahmen dieser Einleitung hinausgehen. Hier sei nur festgehalten, daß am 25. Juli 1866 um 14 Uhr eine Konferenz stattfand, der neben den Ministern auch Erzherzog Albrecht und John beiwohnten. Gegenstand der Beratung war der Abschluß des Waffenstillstandes mit Preußen103.
|| S. 74 PDF || Die in den Konferenzen vom 28. (16 Uhr) und vom 30. Juli 1866 (12 Uhr) besprochenen Fragen werden von Crenneville nicht angeführt; an ersterer nahm neben den Ministern auch noch Erzherzog Albrecht teil104.
Während die Waffenstillstandsverhandlungen mit Preußen relativ rasch zu Ende geführt werden konnten, gab es mit Italien größere Differenzen. Am 1. August kam der Kaiser bereits um 6 Uhr morgens in die Stadt, um mit Erzherzog Albrecht, Mensdorff und John die durch ein in der Nacht vom 31. Juli auf den 1. August eingetroffenes Telegramm „von Italien angebotene Waffenruhe“ zu erörtern105. Felix Graf Wimpffen (damals politischer Kommissär bei der Süd-Armee), der um 10 Uhr um Mitteilungen über den Stand der Waffenstillstandsverhandlungen ersuchte106, erhielt um 11 Uhr 30 die Antwort, daß die Waffenruhe um acht Tage verlängert worden sei und während dieser Zeit Verhandlungen wegen Abschlusses eines Waffenstillstandes geführt werden sollten107. Eine am gleichen Tag von 13 bis 15 Uhr abgehaltene Beratung zwischen dem Kaiser, Belcredi, Mailáth und Sennyey behandelte die ungarische Frage108. Am 4. August 1866 traten Franz Joseph, Erzherzog Albrecht, Belcredi, Mensdorff, Esterházy und John zu einer Konferenz in der Hofburg zusammen109; der Gegenstand des Gesprächs wird von Crenneville zwar nicht genannt, den Anwesenden nach zu schließen wurde jedoch wieder die Lage an der Südfront diskutiert.
Bemerkenswert ist die Eintragung des Generaladjutanten in das Hofjournal am 13. August 1866: „1 bis 3½ Uhr, Ministerkonferenz, welcher Baron Hübner beigezogen wurde110.“ Seinen Eindruck vom kaiserlichen Botschafter gibt die Tagebuchaufzeichnung Crennevilles wider: „Baron Hübner. Falscher Intrigant111.“ Über den Inhalt der Beratung äußert sich der Generaladjutant zwar nicht, die Teilnahme Hübners deutet jedoch auf eine Beratung der ungarischen Frage hin. Es wäre durchaus denkbar, daß die Regierung vor Eröffnung der am 21. August 1866 beginnenden Verhandlungen über das Elaborat des 15er Komitees ihre dabei einzunehmende Haltung eindeutig festlegen wollte112.
Zu der von Crenneville am 22. August 1866 vermerkten Konferenz finden sich außer der Zeitangabe (11 bis 12 Uhr) keine näheren Angaben113.
Am 23. August reiste Crenneville zu einem vierwöchigen Kuraufenthalt nach Bad Kissingen. Oberst Beck, der während dieser Zeit die Generaladjutantur leitete, führte ein dem Hofjournal beiliegendes Diariuma, in dem jedoch keine Ministerkonferenz verzeichnet ist. Nach seiner Rückkehr berichtet der Generaladjutant || S. 75 PDF || erst wieder am 15. Oktober von einer nichtprotokollierten Beratung114. Diese fand von 13 Uhr 30 bis 16 Uhr in der Hofburg statt; außer dem Kaiser nahmen nur Belcredi, Mailáth und Sennyey daran teil. Als einziger vager Hinweis auf das Beratungsthema könnten die auch im Ministerrat vom 17. Oktober 1866/II besprochene Einberufung des ungarischen Landtages und das damit verbundene kaiserliche Handschreiben an Mailáth dienen115.
Am 18. November empfing der Kaiser Belcredi, Beust, Mailáth und Wüllerstorf116; am 30. November Erzherzog Albrecht, Belcredi, Beust und Wüllerstorf117. Von der am 4. Dezember 1866 abgehaltenen Konferenz wissen wir nur die Zeit (13 Uhr 30 bis 15 Uhr), zu der sie stattfand118. Angesichts der Fülle der von der Regierung zu bewältigenden Arbeit — Landtagsverhandlungen, Ostasienexpedition, Heeresergänzung, Handelsvertrag mit Frankreich, Untersuchung gegen Benedek, Henikstein und Krismanić usw. — ist es kaum möglich, die kargen Angaben Crennevilles zu ergänzen.
Womit sich die am 11. Jänner 1867 abgehaltene Konferenz befaßte, kann ebenfalls nicht festgestellt werden, da der Generaladjutant in diesem Fall keine näheren Angaben überliefert119.
Im Ministerrat vom 1. Februar 1867 kam es zu der dramatischen Auseinandersetzung zwischen Belcredi und Beust über die künftig zu verfolgende Innenpolitik120. Nachdem der Kaiser sich noch am gleichen Tag zugunsten Beusts entschieden hatte121, fand am 4. Februar 1867 von 13 bis 15 Uhr 15 eine Konferenz über die „Ministerkrisis“ statt122. Wer daran teilnahm, wissen wir nicht; ebenso überliefert uns Crenneville keine näheren sachlichen Details der Besprechung.
In der vorliegenden Darstellung des Nachlasses Crenneville wurde nur auf die wesentlichsten vom Generaladjutanten verzeichneten „politischen“ Konferenzen und Gespräche eingegangen. Die von Crenneville überlieferten Militärkonferenzen sind jedoch in der im Anhang gebotenen Tabelle enthalten.
Im ganzen gesehen bieten die Aufzeichnungen des Generaladjutanten nur bedingt sachlich besonders relevante Aufschlüsse. Sie geben aber einen ausgezeichneten Einblick in die Atmosphäre des zwischen dem Kaiser und seinen Ratgebern bestehenden Verhältnisses. Darüber hinaus bestätigen sie die für die Geschichte des Ministerrates nicht unberechtigte Beobachtung, daß neben den in Protokollen überlieferten, gleichsam offiziellen Ministerratssitzungen eine nicht unerhebliche Anzahl von zwar inoffiziellen, aber, was den Gegenstand betrifft, mindestens ebenso wichtigen Ministerberatungen existierte. || S. 76 PDF || Die im Anhang zusammengestellte Tabelle soll vor allem einen statistischen Überblick über das Verhältnis von offiziellen, d. h. im vorliegenden Zusammenhang als Protokoll vorliegenden, und inoffiziellen, d. h. lediglich durch Crenneville bezeugten, Ministerbesprechungen bieten.
Die Abgrenzung der Wirksamkeit des Ministeriums Belcredi bereitet insofern eine Schwierigkeit, als einerseits die Protokolle des gemeinsamen, andererseits die Protokolle des cisleithanischen Ministerrates nicht unmittelbar an die Protokolle der Belcredi-Ära anschließen. Die Protokolle des gemeinsamen Ministerrates setzen mit 31. Dezember 1867, die Protokolle des cisleithanischen Ministerrates mit 1. Jänner 1868 ein. Nur das ungarische Ministerium wurde bekanntlich schon am 17. Februar 1867, also in unmittelbarer Nachfolge des Ministeriums Belcredi, berufen. Ein österreichischer Ministerrat hat aber als eine Art verfassungsrechtliche Interimslösung de facto bis Dezember 1867 weiterbestanden. Dessen Protokolle liegen zum Teil im HHSTA., PA. XL 283 (gemeinsame Ministerratsprotokolle), zum Teil als Abschriften im AVA. (diese Abschriften wurden vor der Vernichtung der Originale beim Justizpalastbrand 1927 für J. Redlich angefertigt; die Originale befanden sich offensichtlich in der Reihe der cisleithanischen Ministerratsprotokolle). Die Frage, in welchem Zusammenhang sie publiziert werden sollen — d. h. ob als eigenständige Edition oder in Verbindung mit den österreichischen, den gemeinsamen oder den cisleithanischen Ministerratsprotokollen —, wird noch zu entscheiden sein.