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Nr. 17 Ministerrat, Wien, 20. Oktober 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw. (Belcredi 20. 10.), Esterházy 24. 10., Franck, Mailáth 25. 10., Larisch 25. 10., Komers 25. 10., Wüllerstorf 26. 10., Mažurantć für II 27. 10., Geringer für II und III 27. 10.; außerdem anw. Blaschier bei I; abw. Mensdorff.

MRZ. 16 – KZ. 4025 –

Protokoll des zu Wien am 20. Oktober 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Judizielle Begünstigungen für Kreditinstitute

Den ersten Gegenstand der Beratung bildete der gemeinschaftliche au. Vortrag des Staatsministers und des Justizministers vom 28. September l. J., Z. 4433, wegen Ah. Genehmigung einer Verordnung über die den Kreditinstituten zukommenden judiziellen Begünstigungen1. Der vorsitzende Staatsminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß Se. Majestät hierüber den Staatsrat unmittelbar einzuvernehmen und dessen hierüber erstatteten au. Vortrag vom 17. Oktober l. J., Z. 662, mit dem Ah. Auftrage zur Beratung dieses Gegenstandes im Ministerrate an ihn zu leiten geruht haben2. Der Sektionsrat des Staatsministeriums Blaschier referierte sohin über den Inhalt des ministeriellen Vortrages und hob insbesondere hervor, daß die beiden Minister die Unaufschieblichkeit einer Abhilfe im Sinne des Art. 2 des Ah. Patentes vom 20. September l. J.3 mit Rücksicht auf die sonstige Unmöglichkeit der Konzessionierung einiger schwebender Kreditinstitute, weiters auf die Durchführung der Finanzoperation mit den Staatsgütern, endlich mit Rücksicht auf die einigen Sparkassen infolge ihrer gegenwärtigen unhaltbaren Einrichtung drohende Zahlungseinstellung geltend gemacht haben.

Die genannten Minister haben daher einen vorläufig auf die Länder diesseits der Leitha beschränkten Verordnungsentwurf über die den Anstalten, welche Kreditgeschäfte betreiben, zukommenden Ausnahmen von den Justizgesetzen mit der au. Bitte um Ah. Ermächtigung zur Hinausgabe dieser Verordnung vorgelegt4. Die Unaufschieblichkeit einer diesfälligen Abhilfe sei auch von dem Staatsrate anerkannt worden. Eine prinzipielle Meinungsverschiedenheit bestehe zwischen den Ministern und dem Staatsrate nur darin, daß die Minister von der früheren fakultativen Form des zur Einbringung im Reichsrate mit Ah. Entschließung || S. 119 PDF || vom 1. Oktober 1864 herabgelangten Gesetzentwurfes5 aus öffentlichen Rücksichten abgehen zu sollen erachteten, während der Staatsrat an der fakultativen Form festhalten zu müssen glaubte, wornach also die Regierung ermächtigt wäre, den besagten Kreditinstituten mit Rücksicht auf den Umfang und die Nützlichkeit ihres Geschäftsbetriebes alle oder nach Beschaffenheit der Umstände nur einzelne der im Verordnungsentwurfe bezeichneten Begünstigungen zu gewähren. Bezüglich der fakultativen Form glaubte Referent im allgemeinen vorausbemerken zu sollen, daß diese Form — obwohl minder zweckmäßig — früher einen Wert gehabt habe, weil dadurch die Exekutive von der Legislative ermächtigt worden wäre, jeder einzelnen Anstalt jene Begünstigungen ohne spezielle Vorlage im Reichsrate zu gewähren, welche sie für den Betrieb der betreffenden Anstalt erfahrungsgemäß für nötig erachtet hätte, daß aber gegenwärtig die Verordnung in einer fakultativen Form nach außen hin keinen Wert mehr haben würde, weil in jedem einzelnen Falle mit der Konzessionierung der Gesellschaft auch die die Begünstigungen enthaltenden Paragraphen der Statuten ohne Aufschub genehmigt werden könnten. Einen praktischen Wert habe also diese Verordnung nur dann, wenn die bestehenden und entstehenden Anstalten ex lege in den Genuß der in der Verordnung enthaltenen Begünstigungen treten können, ohne daß sich die Staatsverwaltung in spezielle Gewährungen in allen einzelnen Gesuchen einzulassen braucht.

Referent schritt hierauf zur Widerlegung der einzelnen, vom Staatsrate gegen die nicht fakultative Form erhobenen Bedenken.

a) Das Bedenken der Unbestimmtheit des Begriffes von „Kreditgeschäften“ schien dem Referenten bei der Beurteilung über die zu wählende Form der Verordnung gar nicht maßgebend zu sein, weil, wenn der Begriff der „Kreditgeschäfte“ wirklich ein unbestimmter wäre, derselbe unzweifelhaft präzisiert werden müßte, es möge die eine oder die andere Form gewählt werden. Es handle sich hier nur um die immer eintretende Frage der Interpretation; da sei übrigens Referent der Meinung, daß der Begriff von Kreditgeschäften nicht zweifelhaft sei und einer weiteren Definition nicht bedürfe. Über das Wort „Kredit“, „Kredit gewähren“, „Kreditgeschäfte betreiben“ sei weder von Seite des Publikums noch der Gerichte oder Administrativbehörden je gezweifelt worden, der Ausdruck „Kreditanstalten“ komme auch in dem Vereinsgesetze6 vor und habe nie || S. 120 PDF || zu Zweifeln Anlaß gegeben, und die Gesetze können sich doch unmöglich in eine Definition aller Worte einlassen, deren Begriff sich in der Bevölkerung und in der legislativen Sprache schon vollkommen eingelebt habe.

b) Die vom Staatsrate beliebte Hinweisung auf den Bestand nicht gemeinnütziger Kreditanstalten und auf die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf die größere oder mindere Nützlichkeit bei Beurteilung des Maßes der in jedem einzelnen Falle zu gewährenden Begünstigungen könne Referent ebenfalls nicht gelten lassen, denn die volkswirtschaftlichen Anstalten können nur schädlich oder nützlich sein, ihm aber seien Anstalten, die Kreditgeschäfte betreiben und nur den Unternehmern und nicht auch dem Publikum von Nutzen wären, nicht bekannt. Es müsse insbesondere bei Anwendung des § 14 des Vereinsgesetzes angenommen werden, daß keiner Kreditgeschäfte betreibenden Anstalt die Konzession erteilt wird, wenn sie den öffentlichen Rücksichten nicht entspricht. Sobald also eine solche Anstalt konzessioniert ist, habe sie mit allen gleichartigen bestehenden Anstalten vollen Anspruch auf die zum gedeihlichen Betriebe ihrer Kreditgeschäfte erfahrungsmäßig nötigen Berechtigungen.

Daß also jede konzessionierte Kreditanstalt diese Berechtigungen respektive Begünstigungen ex lege erwerbe, scheine daher dem Referenten durchaus unbedenklich zu sein.

c) Noch weniger dürfte die Hinweisung auf die etwaige gleiche Behandlung der einzelnen Geschäftsleute zutreffend sein, denn ob diese Geschäftsleute immer mit genügenden Mitteln zur gedeihlichen Ausübung ihrer annoncierten Geschäfte versehen sind oder nicht, sei nicht bekannt, auch werde ihr jeweiliger Gebarungsstand immer möglichst geheimgehalten. Sie können daher wohl nicht den Kreditinstituten an die Seite gestellt werden, welche unter der Aufsicht des Staates und mit Genehmigung desselben entstehen und wirken, deren jeweiliger Gebarungsstand jährlich publiziert wird und die sich im allgemeinen der öffentlichen Kritik nicht entziehen können.

d) Die Besorgnis des Staatsrates, daß bei einer nicht fakultativen Form der Verordnung nicht nur die eigentlichen Kreditinstitute, sondern auch jene Anstalten, die nur nebenher zur Fruktifizierung ihrer Reservefonde u. dgl. Kreditgeschäfte betreiben, gleichfalls der vorgeschlagenen Begünstigungen teilhaftig werden würden, dürfte nach dem Dafürhalten des Referenten ebenfalls nicht begründet sein. Die Geschäfte, deren Betrieb den eigentlichen statutarischen Zweck der Anstalt bildet, seien nämlich in den Statuten überhaupt und insbesondere auch in jenen der Sparkassen aufgeführt, und es sei sowohl im Gesetzentwurfe als auch in dem diesen beleuchtenden au. Vortrage ausdrücklich gesagt, daß nur jene Anstalten, zu deren Geschäftsbetriebe die Kreditgeschäfte gehören, diese Begünstigungen genießen sollen, daher nicht Versicherungsgesellschaften u. dgl., welche nur ihre Reservefonde oder sonstigen disponiblen Gelder in Kreditgeschäften als Nebenerwerb fruchtbringend machen.

e) Die staatsrätliche Behauptung, daß Anstalten, welche den Kauf und Verkauf von unbeweglichen Gütern als Zweck ihrer Unternehmung betreiben, als solche keine Kreditinstitute sind, sei allerdings richtig. Insoferne sie aber — wie gewöhnlich — Grund und Boden auf Borg, auf Ratenzahlungen geben, gewähren || S. 121 PDF || sie aber allerdings Kredit, betreiben also Kreditgeschäfte und bedürfen daher aller jener Begünstigungen, welche den Bodenkreditanstalten nötig sind.

f) Das besondere Bedenken des Staatsrates bezüglich der Beweiskraft der Handelsbücher der Immobilienanstalten schien dem Referenten gleichfalls unbegründet zu sein, indem ja nach dem Verordnungsentwurfe Art. II diese Beweiseskraft auf das Maß der Handelsbücher, also nach Art. 34 des Handelsgesetzbuches auf einen unvollständigen Beweis beschränkt und dem Ermessen des Richters überlassen wird, zu entscheiden, welches größere oder geringere Maß der Beweiseskraft den Büchern in jedem einzelnen Falle beizulegen sei7. Sobald das Gesetz jedem einzelnen kleinen Kaufmann diese Begünstigung gewähre, sei wohl nicht abzusehen, warum sie einer unter der Aufsicht des Staates entstehenden und wirkenden Anstalt, deren Leiter nicht so wie der Privatmann in seinem Geschäfte zu unlauteren Handlungen im eigensten Interesse sich versucht fühlen, versagt werden sollte. Übrigens habe die Beweiskraft der Bücher nur bezüglich der Forderungen der Immobilienanstalt aus den Verkaufsverträgen zu gelten, welche Verträge nach den Ah. genehmigten statutarischen Grundsätzen für Immobilienanstalten vor ihrer Ausfertigung der staatsbehördlichen Einsicht unterzogen werden müssen.

g) Referent glaubte, auch das Bedenken des Staatsrates gegen die den Immobilienanstalten zur Einbringung ihrer Hypothekarforderungen gleich den Bodenkreditanstalten vorgeschlagenen Begünstigungen der schleunigen Exekution usw. nicht teilen, noch weniger aber die Bemerkung gelten lassen zu können, als ob das in der kaiserlichen Verordnung vom 21. Mai 1855 zur Einbringung der durch Notariatsakte bewiesenen Forderungen8 und durch die Verordnung des Justizministeriums vom 18. Juli 1859 zur Einbringung aller grundbücherlich einverleibten Forderungen vorgeschriebene Verfahren9 kein beruhigendes sei — weil durch diese Verordnungen nur jene der exekutiven Feilbietung vorangehenden Akte beschleunigt werden, welche mit Rücksicht auf den durch die Öffentlichkeit der Urkunden oder durch die Intabulation derselben bestehenden zweifellosen Beweis sich ohne alles Bedenken abkürzen lassen. Da es bei Immobilienanstalten sich auch nur um die Einbringung von intabulierten Forderungen handelt, können diese Anstalten nicht schlechter behandelt werden als das andere Publikum. Im allgemeinen erachtete Referent betonen zu sollen, daß die ursprüngliche ungünstige Anschauung des Staatsrates über den Einfluß der Immobilienanstalten die obigen Bedenken hervorgerufen haben dürfte, daß übrigens, nachdem Se. Majestät durch die Ah. Entschließungen vom 5. Jänner10 und 15. September || S. 122 PDF || l. J.11 die Konzession afür Immobilienanstaltena in Aussicht zu stellen geruhten und in den statutarischen Grundsätzen nicht nur die in dem Gesetze vom 10. Juli l. J.12 enthaltenen finanziellen Begünstigungen, sondern objektiv auch die judiziellen Begünstigungen aufgezählt werden, dürften diese Bedenken als ein überwundener Standpunkt betrachtet werden können.

h) Inwiefern die Finanzverwaltung bei der Gewährung von judiziellen Begünstigungen an Kreditinstitute nachteilig berührt werden könne, vermochte Referent nicht einzusehen, da die Kreditinstitute nur bei den Geschäften, bei welchen sie an den öffentlichen Kredit Anspruch machen und bei der Notierung ihrer Papiere auf der Börse der Finanzverwaltung Konkurrenz machen.

i) Auch sonst nachteilige Folgen wären von den Begünstigungen der Kreditinstitute nicht zu besorgen, indem ja nicht gemeinnützige, also schädliche Institute gesetzlich nicht konzessioniert werden dürfen.

k) Das Ansehen der Regierung und die Kraft derselben, insofern sie sich auf die öffentliche Meinung stützen muß, werde aber nach Ansicht des Referenten nach den Erklärungen, welche über die fakultative Form des Gesetzes vom 10. Juli im reichsrätlichen Ausschusse gemacht worden sind, dadurch wohl besser gewahrt werden, wenn jede Anstalt ex lege in den Genuß jener Begünstigungen tritt, welche sie braucht, als wenn sie dabei von dem jeweiligen Belieben der Regierung abhängt.

l) Die Erfahrung zeige auch, daß die Konzessionswerber einen großen Wert darauf legen, die Begünstigungen, welche ihrer Anstalt zufallen, im vorhinein zu wissen, weil sonst von den Geldkräften die Zusicherung einer Beteiligung nicht zu erlangen ist. Auf Grund des Angeführten glaubte Referent, an der Form ex lege mit dem Spezialantrage festhalten zu sollen, daß zur vollen Beruhigung im Art. I der Verordnung nach „Anstalten“ eingeschaltet werde: „namentlich auch Sparkassen“ und ebenso in Art. II nach „geführt sind“ die Worte: „zur Nachweisung ihrer Forderungen aus statutenmäßigen Geschäften“.

Der Justizminister bemerkte, daß ihm der Ausdruck „Kreditgeschäfte“ ebenso unzweifelhaft als der Umstand erscheine, daß Sparkassen zu den Anstalten gehören, welche Kreditgeschäfte betreiben. Er habe zu dem Beisatze im Art. I: „wozu auch Sparkassen gehören“ nur aus dem Grunde beigestimmt, um allen möglichen Zweifeln vorzubeugen, nachdem aber Referent aus den Statuten mehrerer Sparkassen gezeigt habe, daß Kreditgeschäfte unter die Zwecke der Sparkassen ausdrücklich aufgenommen erscheinen, halte er nunmehr jenen Beisatz für überflüssig. Der Minister Graf Esterházy glaubte, daß jeder Zweifel schwinden müßte, wenn im Art. I gesagt würde: „Anstalten, welche nach ihrem statutarischen Zwecke Kreditgeschäfte betreiben.“ Hiemit wären auch z. B. Versicherungsgesellschaften || S. 123 PDF || und andere ausgeschlossen, weil das Betreiben von Kreditgeschäften bei diesen Anstalten statutenmäßig nicht den Zweck bildet.

Diesem Amendement traten alle Stimmführer bei.

Der Staatsrat Freiherr v. Geringer bemerkte, daß bei den früheren Verhandlungen die Ministerien selbst den fakultativen Standpunkt gewählt haben und daß in dieser Form auch das Gesetz vom 10. Juli l. J. über die finanziellen Begünstigungen hinausgegeben worden sei. Mit Rücksicht auf Gleichförmigkeit schon schien es dem Votanten zweckmäßiger, daß auch das Gesetz über die judiziellen Begünstigungen in derselben Form erscheine, weil doch beide Gesetze quasi als Zwillingsgesetze angesehen werden müssen. Votant gab zu, daß der allgemeine und gesetzliche Sprachgebrauch den Begriff von Kreditgeschäften unzweifelhaft festgestellt habe, nach seinem Dafürhalten bleibe es aber noch immer zweifelhaft, ob dieser Begriff auch dem großen Publikum vollkommen deutlich sein wird und ob bei demselben nicht etwa der Glaube sich feststellen wird, daß auch Anstalten wie z. B. Landwirtschaftsgesellschaften, Witwensozietäten, Versicherungsgesellschaften usw., welche ihre eben disponiblen Gelder in Kreditgeschäften befruchten, zu den nach dem vorliegenden Gesetze begünstigten zu rechnen sind. Durch den Zusatz im Art. I: „welche nach ihrem statutarischen Zwecke Kreditgeschäfte betreiben“ entfalle übrigens wohl ein Teil des Einwandes. Ebenso erscheine das bei den Immobilienanstalten hinsichtlich der Beweiskraft der Bücher vom Staatsrate erhobene Bedenken durch die Restituierung des in dem früheren Entwurfe ad Art. II. gestrichenen Beisatzes behoben.

Die mit der zweiten Ah. Entschließung vom 15. September l. J. revidierten statutarischen Grundsätze für Immobilienanstalten seien dem Staatsrate nicht bekannt gewesen, und nachdem daselbst die Aufzählung der Objekte, auf welche sich die judiziellen Begünstigungen der Immobilienanstalten auszudehnen haben, bereits mit Ah. Genehmigung erfolgt ist und diese Grundsätze den Offerenten wegen der Staatsgüterübernahme schon hinausgegeben wurden, müsse auch die diesfällige Einwendung des Staatsrates fallengelassen werden.

Für die fakultative Form der Verordnung spreche übrigens auch die Disparität der legislativen Behandlung in beiden Hälften des Reiches, indem z. B. die Entrepotgesellschaft jetzt ex lege die vorgeschlagenen judiziellen Begünstigungen diesseits der Leitha erhalten wird, während diese Begünstigungen, wenn die Gesellschaft in Pest ein Entrepot errichtet, doch ganz abgesondert von der ungarischen Hofkanzlei erwirkt und nach den dortigen Normen publiziert werden müssen. Ein ebenso vielfacher Weg werde auch bei allen übrigen Anstalten, deren Wirksamkeit sich auf das ganze Reich erstrecken soll, notwendig sein. Es erscheine daher zweckmäßiger, allgemein in fakultativer Form vorzugehen.

Der Sektionsrat Blaschier entgegnete, daß nach Inhalt des au. Vortrages die Minister allerdings glauben, daß der Dringlichkeit wegen die Wirksamkeit der Verordnung vorläufig auf die Länder diesseits der Leitha zu beschränken sei, daß sie jedoch ausdrücklich die Absicht vorgetragen haben, diesen Verordnungsentwurf nach dessen Ah. Genehmigung sogleich auch den Hofkanzleien mitzuteilen, damit die Ausdehnung dieser Verordnung auch in den Ländern der ungarischen Krone in Erwägung gezogen werde, wodurch dann den Anstalten || S. 124 PDF || bezüglich ihrer Wirksamkeit im ganzen Reiche ein für allemal abgeholfen sein wird, ohne daß es besonderer Erlässe der Hofstellen für jeden einzelnen Fall bedürfen werde. Der vorsitzende Staatsminister bemerkte, daß er sich, als er die Vorlage im Nachlasse seines Amtsvorgängers vorgefunden habe, sogleich für die Form ex lege entschieden habe. Nach seinem Dafürhalten wären dabei zwei Momente ins Auge zu fassen. 1. Die fakultative Form würde der Regierung scheinbar wohl weitergehende Rechte vorbehalten, die jedoch bei der Ausübung großen Bedenken unterliegen würden. Das Maß der größeren oder minderen Nützlichkeit solcher Anstalt wäre doch ein zu vages Moment, um davon den Umfang der Begünstigungen abhängig zu machen, und nur zu leicht müßte sich die Regierung dabei den Vorwürfen der Parteilichkeit oder Kurzsichtigkeit aussetzen. Das müsse aber vermieden werden. 2. Bei einer fakultativen Form wären aber auch die entstehenden Gesellschaften nicht beruhigt, denen das Präparieren des Terrains, insbesondere die Beschaffung der Geldmittel ungemein erschwert wäre, wenn sie hinsichtlich der Begünstigungen von dem Belieben des Regierungskollegiums abhängen würden. Die Regierung behalte übrigens auch bei einer nicht fakultativen Form eine große Macht in Händen, weil sie es ist, welche zur Erteilung oder Verweigerung der Konzession berufen ist und welche die staatliche Aufsicht über die Gebarung der Anstalt führt.

Die sämtlichen Mitglieder der Konferenz sprachen sich sohin für den vom Staatsminister und Justizminister vorgeschlagenen Verordnungsentwurf mit den vorerwähnten Modifikationen zu den beiden Artikeln I und II aus.

II. Einberufung der kroatischen Regalisten in das Oberhaus des ungarischen Landtages

Der ungarische Hofkanzler brachte über Ah. Auftrag Sr. Majestät seine in einem au. Vortrage niedergelegten Anträge wegen Einberufung der Regalisten aus Kroatien und Slawonien in das Oberhaus des ungarischen Landtages zur Beratung13. Denselben zufolge wären 1. die Bischöfe aus den neu errichteten Bistümern in Lugos und Karánsebes, 2. diejenigen Erzbischöfe und Bischöfe, deren Diözesen sich auch auf ungarisches Gebiet ausdehnen, 3. der Ban als Baro Regni, endlich 4. jene in Kroatien lebenden Magnaten, die auch in Ungarn Grundbesitz haben, einzuberufen; 5. handelt von der Art der Zustellung der Regales.

Die Anträge 1 und 3 wurden von der Konferenz ohne Einwendung gutgeheißen und jener [ad] 2 bei Beginn der Beratung allseitig als zur Ah. Genehmigung für geeignet erkannt. Ad 4 bemerkte der kroatisch-slawonische Hofkanzler , daß als Grundsatz hier der vorhandene Grundbesitz in Ungarn von in Kroatien lebenden Magnaten aufgestellt werde. Woher aber dieser Grundsatz abgeleitet werden wolle, vermöge er nicht einzusehen. Handle es sich nur darum, sich dem ungarischen Landtage gefügig zu zeigen, so nehme er bezüglich Kroatiens keinen Anstand zuzustimmen, daß sämtlichen Magnaten in Kroatien, auch wenn sie keinen Grundbesitz in Ungarn haben, die Regales für den ungarischen Landtag zugesendet werden. Denn wenn der Magnat ein Recht habe, im Oberhause des ungarischen Landtages zu erscheinen, habe er es schon in seiner Eigenschaft als || S. 125 PDF || Magnat. Er stimme also um so mehr dafür, daß sämtlichen in Kroatien lebenden Magnaten [die Regales] für den ungarischen Landtag zugesendet werden, als dies auch im Jahre 1861 geschehen sei, obgleich er sub rosa darauf aufmerksam machen müsse, daß voraussichtlich keiner erscheinen werde.

Der ungarische Hofkanzler bemerkte, daß man vom Standpunkte bdes Rechtesb allerdings alle Magnaten aus Kroatien einberufen müßte, ja daß nach diesem Standpunkte von kroatischen Magnaten gar nicht, sondern nur von ungarischen Magnaten die Rede sein könnte. Wenn übrigens der kroatisch-slawonische Hofkanzler keinen Anstand erhebe, wäre es ihm wohl der angenehmste Modus, wenn alle Magnaten aus Kroatien einberufen werden würden, wodurch auch der Standpunkt der Regierung besonders bei der Verifizierungskommission im Landtage ein ungleich besserer sein würde. Aus diesen Opportunitätsgründen beabsichtige er daher, seinen Antrag auf alle Magnaten auszudehnen. Diesem Vorhaben des ungarischen Hofkanzlers schloß sich auch der Minister Graf Esterházy an. Schon der Umstand, daß der nächste Landtag die Eigenschaft eines Krönungslandtages habe, scheine es ihm zu rechtfertigen, daß alle ungarischen Magnaten, denen die erlauchten Vorfahren Seiner Majestät diese Würde verliehen haben, im Landtage zu erscheinen, und daß wenigstens der König das Seinige hiezu getan habe. Auch wäre nicht einzusehen, warum, wenn schon den indigenen Magnaten cin den außerungarischen Ländernc, die in Ungarn gleichfalls keinen Grundbesitz haben, wie z. B. den Grafen Crenneville, Lažansky usw., die Regales zugeschickt werden, wie der ungarische Hofkanzler vorhabe, gerade die in Kroatien lebenden und in Ungarn nicht begüterten Magnaten eine Einberufung nicht erhalten sollten.

Auch der Handelsminister stimmte für die Einberufung sämtlicher Magnaten aus Kroatien, da der Grundbesitz in Ungarn nicht den Stand des Magnaten bezeichnet, diese Unterscheidung daher nicht zu Recht besteht und einem Magnaten aus Kroatien, der in Ungarn keinen Grundbesitz hat, falls er den Wunsch hätte, seinen Platz im Oberhause des ungarischen Landtages einzunehmen, dies mit Recht gar nicht verwehrt werden könnte.

Der Staatsminister stimmte für den ursprünglichen, beschränkten Antrag des ungarischen Hofkanzlers, weil derselbe, da die Legislative Kroatiens von Ungarn getrennt ist, für Kroatien schonender und politisch klüger wäre, indem er den gegenwärtigen Verhältnissen mehr Rechnung trägt und die Widersprüche nicht so grell aufdeckt. Durch die Einberufung der Magnaten aus Kroatien ergebe sich, da der kroatische Landtag in dem neulich beschlossenen Entwurfe des Landtagseröffnungsreskriptes14 nicht positiv aufgefordert wurde, den ungarischen Landtag zu beschicken, der Widerspruch, daß das Königreich Kroatien wohl im Oberhause, nicht aber auch im Unterhause des ungarischen Landtages vertreten sein wird.

|| S. 126 PDF || Der Finanzminister und der Justizminister schlossen sich dem Votum des Staatsministers an.

Der kroatisch-slawonische Hofkanzler klärte auf, daß Kroatien in dem eben erwähnten Reskriptsentwurfe wohl positiv berufen worden sei, den ungarischen Landtag zu beschicken und daß nur der Tag, an welchem der ungarische Landtag eröffnet werden wird — weil dieser Tag, nämlich der 10. Dezember, damals noch nicht bekannt war —, in dem Reskriptsentwurfe nicht bezeichnet wurde. Da dieser Tag nun bekannt sei, bezeichnete es von Mažuranić nunmehr als zweckmäßig, wenn in dem eben Sr. Majestät zur Ah. Genehmigung vorliegenden Reskriptsentwurfe dieser Tag eingestellt würde. Der Finanzminister fand hierauf zu bemerken, daß jene Stimmführer, welche sich für die Einberufung sämtlicher Magnaten aus Kroatien ausgesprochen, konsequent ad 2 auch für die Einberufung sämtlicher Erzbischöfe aus Kroatien ohne die Beschränkung, ob deren Diözesen sich auch auf ungarisches Gebiet ausdehnen, stimmen müßten — was die betreffenden vier Stimmführer auch taten15; ad 5: Die Anträge bezüglich der Zustellung der Regales wurden allseitig gutgeheißen.

III. Jakob-Graf-Lesliesches Fideikommißvermögen

Der vorsitzende Staatsminister brachte einen von Seite des früheren Ministerratspräsidiums unerledigt gebliebenen Gegenstand zur Beratung, nämlich den au. Vortrag des vormaligen Leiters des Justizministeriums, Dr. Hein, vom 2. Juli l. J., Z. 2997, wegen Entscheidung der Kompetenz zur Austragung der von dem Ordensgenerale der Jesuiten im Namen der katholischen Mission in Schottland und der Finanzprokuratur im Namen des Ärars erhobenen Ansprüche auf das Jakob-Graf-Lesliesche Fideikommißvermögen16. Graf Belcredi stellte den Sachverhalt dar, erwähnte der verschiedenen, sich teilweise widersprechenden Meinungen, welche von Seite der Gerichte, des Staats- und Finanzministeriums sowie des Staatsrates im Gegenstande abgegeben wurden und neigte sich, insbesondere weil das Hofkanzleidekret vom 2. Februar 1839, Z. 3328517, welches aussprach, daß die katholische Mission in Schottland nicht mehr bestehe und alle Rechte dieser Mission vermöge des droit ďépave an den österreichischen Staatsschatz übergegangen seien — nicht so positiv laute, als in den Gutachten geltend gemacht wird, der Ansicht hin, daß es vorzugsweise bei dieser Angelegenheit sich um Fragen handle, über die nur der Richter entscheiden könne.

Der Justizminister glaubte, daß der Standpunkt der beiden oberen Gerichtsinstanzen nicht der richtige sei. Diese Gerichte haben nämlich die Sache so betrachtet, als ob eine Verlassenschaft vorhanden wäre, auf welche zwei verschiedene Personen Ansprüche erhoben haben. Diese Entscheidungen beruhen also || S. 127 PDF || auf der Fiktion, daß ein Nachlaßvermögen vorhanden sei; wenn aber das droit ďépave geltend gemacht werde, gebe es keinen Nachlaß. Eine Erberklärung könne nur auf dem Titel einer letztwilligen Anordnung, des Gesetzes oder eines Erbvertrages beruhen, da die Finanzprokuratur das bezügliche Vermögen aber für den Staat vermöge des droit ďépave in Anspruch nehme, so hätte sie sich namens des Fiskus gar nicht erberklären sollen. Durch deren Erberklärung sei eben Verwirrung in die Sache gekommen. Ihr korrekter Vorgang wäre gewesen, auf dem Boden des droit ďépave eine Klage einzubringen.

Den Ausweg, welcher in der Sache gesucht werden müsse, gebe die Ah. Entschließung vom 26. September 1846, JGV., Nr. 985, an die Hand. Dieselbe laute: „Mit einer Epavierung darf künftig in Fällen, welche sich auf die zum deutschen Bunde gehörigen Staaten beziehen, nur dann erst definitiv vorgegangen werden, wenn die allgemeine Hofkammer nach Einvernehmung der Hofkammerprokuratur und die geheime Haus-, Hof- und Staatskanzlei und zwei der Beratung beizuziehende Hofräte der obersten Justizstelle übereinstimmend die Epavierung auszusprechen finden. Wenn eine Übereinstimmung nicht zustande kommt, ist Meine Entschließung einzuholen. Im Falle einer Reklamation gegen eine etwa schon ausgesprochene Epavierung ist in gleicher Weise vorzugehen.“

Es müsse also vor allem diese Kommission zusammengesetzt werden; spreche sich dann diese Kommission dafür aus, daß die Epavierung nicht stattfinde, sei die Sache für das Ärar aus, und die Finanzprokuratur werde dann die Erberklärung zurückzuziehen haben; erkenne sie aber, die Epavierung findet statt, werde die schottische Mission von diesem Erkenntnisse zu verständigen und im Falle der Reklamation derselben von der nämlichen Kommission über das Reklamationsanbringen zu entscheiden sein. Dann werde es die Aufgabe der Finanzprokuratur sein, auf Grund des Epavierungserkenntnisses bei dem Gerichte klagend aufzutreten.

Der Staatsrat Freiherr v. Geringer meinte, daß die Ah. Entschließung vom 26. September 1846 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Dieselbe spreche ausdrücklich von Fällen, welche sich auf die zum deutschen Bunde gehörigen Staaten beziehen, und diese Ah. Entschließung dürfte insbesondere aus Anlaß der damals in Bayern stattgefundenen Aufhebung der Klöster, die auch in Österreich Besitztum hatten, erlassen worden sein.

Da sich in der Konferenz die Meinung geltend machte, daß unter den zum deutschen Bunde gehörigen Ländern wohl auch Österreich, mithin das zu demselben gehörige Herzogtum Steiermark, in welchem das fragliche Gut Pernegg liegt, verstanden werden müsse, fand der vorsitzende Staatsminister , nachdem er noch bemerkt hatte, daß, falls die Ah. Entschließung vom 26. September 1846 auf vorliegenden Fall nicht angewendet werden könnte, nach dem Hofdekrete vom 14. Oktober 1808 18, welches in dieser Beziehung nicht so deutlich sei, entschieden werden müßte — die Beratung über diese Angelegenheit mit dem Beifügen zu vertagen, daß er inzwischen über die Genesis und die Tragweite der || S. 128 PDF || Ah. Entschließung vom 26. September 1846, durch Aushebung und Einsicht der Archivakten sich die Gewißheit verschaffen werde und sohin diesen Gegenstand neuerdings in der Konferenz zur Sprache bringen wolle19.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, den 24. Oktober 1865. Franz Joseph.