Nr. 520 Ministerrat, Wien, 17. Dezember 1864 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 20. 12.), Mensdorff, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy (bei I abw.abwesend), Burger, Hein, Franck, Zichy, Kalchberg, Reichenstein (nur bei I bis III anw.anwesend); abw.abwesend Mecséry, Nádasdy; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 7. 1. 1865.
MRZ. 1324 – KZ. 3937 –
- I. Beantwortung der Adresse des Abgeordnetenhauses
- II. Ernennung des Ladislaus v. Popp zum Präsidenten des siebenbürgischen Obersten Gerichtshofes
- III. Ernennung des Gustav Groisz zum Vizepräsidenten des siebenbürgischen Guberniums
- IV. Gesetzentwurf über die den Kreditanstalten zuzugestehenden Ausnahmen von den allgemeinen Justizgesetzen
- V. Gesetzentwurf über die Grundzüge der Justizverfassung
- VI. Entwurf eines Gesetzes gegen die Ankündigung verbotener ausländischer Glücksspiele
- VII. Gehaltsaufbesserung für die subalternen Beamten
Protokoll des zu Wien am 17. Dezember 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzoges Rainer.
I. Beantwortung der Adresse des Abgeordnetenhauses
Der Staatsminister referierte, er habe die Adresse des Herrenhauses über die Ah. Eröffnungsrede der gegenwärtigen Session Sr. k. k. apost. Majestät au. überreicht, und die Ah. Resolution über den diesfälligen au. Vortrag laute dahin, daß Allerhöchstdieselben den Inhalt dieser Adresse zur befriedigenden Kenntnis zu nehmen geruht haben1. Was nun die Adresse des Abgeordnetenhauses betrifft, welche der Staatsminister demnächst Allerhöchstenortes zu unterbreiten im Falle ist, so glaubt er, daß unter den verschiedenen Formen der Ah. Erledigung von Vorträgen mit Adressen der Reichsvertretung die nachfolgende hier die passendste wäre: „Ich habe diese Adresse entgegengenommen und überlasse Ihnen, dies dem Abgeordnetenhause Meines Reichsrates bekanntzugeben.“
Der Ministerrat fand gegen diesen Antrag nichts zu erinnerna .2
II. Ernennung des Ladislaus v. Popp zum Präsidenten des siebenbürgischen Obersten Gerichtshofes
Der siebenbürgische Hofvizekanzler Freiherr v. Reichenstein referierte über seinen au. Vortrag vom 15. d. M. wegen Besetzung der Präsidentenstelle bei dem zu errichtenden Obersten Gerichtshofe für Siebenbürgen3. Freiherr v. Reichenstein kann sich diesfalls nur mit dem Antrage des Gubernialpräsidenten Grafen Crenneville vereinigen, welcher in dem Vizepräsidenten des juridischen Senats des siebenbürgischen Guberniums, Ladislaus v. Popp, den einzigen Mann erkennt, in welchem sich alle für die Bekleidung dieses wichtigen Postens erforderlichen Eigenschaften vereinigt finden.
|| S. 29 PDF || Der Ministerrat fand gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden4.
III. Ernennung des Gustav Groisz zum Vizepräsidenten des siebenbürgischen Guberniums
Der siebenbürgische Hofvizekanzler referierte über die Besetzung der erledigten Vizepräsidentenstelle des politischen Senates beim siebenbürgischen Gubernium (au. Vortrag vom 15. 12. 1864)5. Graf Crenneville6 machte zwar für diese Besetzung einen Ternavorschlag, erklärte jedoch zugleich, daß er nur den darin zuerst genannten Gubernialrat Gustav Groisz zur Ah. Ernennung beantragen könne, und der Referent pflichtete diesem Antrag mit dem Bemerken bei, daß die günstigen Ergebnisse des siebenbürgischen Landtages großenteils der taktvollen und energischen Leitung desselben durch Groisz zu verdanken seien7.
Der Ministerrat fand gegen den obigen Antrag nichts zu erinnernb . 8
IV. Gesetzentwurf über die den Kreditanstalten zuzugestehenden Ausnahmen von den allgemeinen Justizgesetzen
Der Staatsratspräsident referierte über den Vortrag der Minister Ritter v. Lasser und v. Hein mit dem Gesetzentwurfe über die den Kreditanstalten zukommenden Ausnahmen von allgemeinen Justizgesetzenc (de dato 1. Oktober 1864)9.
Der Staatsrat war mit der Erlassung eines Gesetzes dieser Art im allgemeinen einverstanden, indem er die Ansicht teilt, daß die Kreditinstitute zu ihrer Wirksamkeit Befugnisse bedürfen, die über das gemeine Recht hinausgehen, daß ferner die Mitwirkung der gesetzgebenden Faktoren behufs der Erteilung solcher ausnahmsweiser Befugnisse von Fall zu Fall wie nicht minder die Anwendung des § 1310 wegen der damit verbundenen Inkonvenienzen möglichst entbehrlich zu machen sei. Die Differenzen vom ministeriellen Antrage sind zweierlei Art: 1. glaubt der Staatsrat, daß die in Rede stehenden Befugnisse nicht allen [in] Art. 1 bezeichneten Anstalten ohne Unterschied schon ex lege zu bewilligen wären, sondern deren Zugeständnis von Fall zu Fall für jede Anstalt der Exekutivgewalt fakultativ einzuräumen wäre11. Es kommt nämlich sehr viel darauf an, ob die Institute nach ihrer Organisation die Bürgschaft einer so gedeihlichen Wirksamkeit geben, um der Ausnahmsrechte unbedenklich teilhaft werden || S. 30 PDF || zu können, was nur von Fall zu Fall berurteilt werden kann. Bei den Vorberatungen stimmten die Zentralstellen über das Prinzip der bloß fakultativen Ermächtigung der Regierung anfangs überein, und erst am Schluß trat eine Meinungsänderung ein, welche Referent nicht als hinlänglich begründet anerkennen könne. 2. Nachdem eine vollständige, weder zu weite noch zu enge Aufzählung der Anstalten, welchen die Begünstigungen zugewendet werden können, äußerst schwierig ist, dürfte es geraten sein, dem Artikel I eine ganz allgemeine Fassung zu geben, beiläufig des Inhaltes: „Den mit Bewilligung des Staates errichteten und der Staatsaufsicht unterstehenden Anstalten, welche Kreditgeschäfte betreiben, können von der Regierung mit Rücksicht auf den Umfang und die Nützlichkeit ihres Geschäftsbetriebes alle oder, nach Maßgabe der Umstände, einzelne der in den nachfolgenden Artikeln bezeichneten Begünstigungen erteilt werden.“ Bei dieser Textierung würden z. B. auch die unter der Aufzählung Art. I nicht begriffenen Assekuranzgesellschaften, insoferne sie Kreditgeschäfte betreiben, was häufig vorkommt, der Begünstigungen teilhaftig werden können.
Sämtliche Stimmführer waren mit den staatsrätlichen Anträgen 1 und 2 wie auch mit den dadurch in der Aufschrift sowohl als im Texte des Gesetzes bedingten Änderungen einverstanden12.
Präsident Baron Lichtenfels war ferner der Meinung, daß in dem Art. II auch davon zu reden sei, daß den [in] Art. I bezeichneten Anstalten, auch wenn sie nach dem Handelsgesetzbuche nicht als Handelsgesellschaften zu betrachten sind, die Führung einer protokollierten Firma gestattet werden könne, weil sie derselben zu Wechselgeschäften etc. notwendig bedürfen. Zu solchen Gesellschaften gehören unter anderem die wechselseitigen Versicherungsanstalten, welche gesetzlich nicht als Handelsgesellschaften gelten. Die Zulässigkeit der Einräumung einer Firmaprotokollierung für solche Gesellschaften sei eine nötige Ergänzung des Handelsgesetzbuches.
Der Ministerrat erklärte sich damit einverstanden und adoptierte sofort den vom Referenten verlesenen Gesetzentwurf13.
V. Gesetzentwurf über die Grundzüge der Justizverfassung
Der Staatsratspräsident referierte über den Vortrag des Justiz- und des Finanzministers vom 12. November 1864 um Ah. Ermächtigung, den Gesetzentwurf betreffend die Grundzüge über die Durchführung der Gerichtsverfassung an den Reichsrat bringen zu dürfen14.
|| S. 31 PDF || Der gegenwärtig vorgelegte Entwurf unterscheidet sich von jenem, zu dessen Einbringung Minister Ritter v. Hein bereits mit der Ah. Entschließung vom 23. November 1863 ermächtigt wurde15, lediglich dadurch, daß jetzt die für die Gerichte und Staatsanwaltschaften bestimmten Kategorien von Beamten und Dienern, deren Personalstand im Verordnungswege geregelt wird, mit ihren Bezügen und Diätenklassen in einem Schema und in den dazu gehörigen Anmerkungen ersichtlich gemacht, der Inhalt von Schema und Anmerkungen hiernach zu integrierenden Bestandteilen des zu erlassendes Gesetzes gemacht werden sollen. Das hätte die Folge, daß alle diese Bestimmungen nur unter Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren geändert werden könnten. Wenn selbst in solchen konstitutionellen Staaten, in welchen dieselben Vertretungskörper über finanzielle und andere Angelegenheiten Beschlüsse zu fassen gleichmäßig kompetent sind (wie in Bayern und Baden)16, die durch Einführung einer neuen Gerichtsverfassung eintretenden höheren Kosten der Justizverwaltung nicht als ein Bestandteil des Organisationsgesetzes, sondern als ein administrativer, bei Beschlußfassung über den Staatsvoranschlag zu erledigender Finanzgegenstand angesehen und behandelt werden, so sei dies durch § 10 des Grundgesetzes17 sogar geboten, nachdem alle Angelegenheiten der Reichsfinanzen dem Wirkungskreise des gesamten Reichsrates zugewiesen sind. Wenn auch bei der politischen Organisation18, dann jener der Gerichtshöfe in Siebenbürgen19 das erwähnte Schema dem engeren Reichsrate respektive dem siebenbürgischen Landtage als Bestandteil des Gesetzes selbst mitgeteilt wurde, sei dies dagegen bei Organisierung der Finanzbezirksdirektionen20 und des Obersten Gerichtshofes für Siebenbürgen21 wieder nicht geschehen, sondern der Bestimmung über die Dienstbezüge der Beamten und Diener dem Verordnungswege vorbehalten worden. Bezüglich der Justizorganisierung aber liege bereits die Ah. Entschließung vom || S. 32 PDF || 23. November 1863 vor, wodurch die Vorlage des Gesetzentwurfes selbst Ag. genehmigt und dem Justizminister bloß überlassen wurde, das erwähnte Schema den Ausschüssen des Reichsrates zur näheren Beleuchtung der Vorlage mitzuteilen. Der Staatsratspräsident beharre daher auf seiner früheren Anschauung. In bezug auf das Detail der beantragten Personal- und Besoldungsstände müsse der Präsident bemerken, daß die Appellationsgerichte außer den Räten mit keinem Konzeptspersonal bedacht wurden, sondern von den Untergerichten Individuen dahin ausgeliehen werden sollen – eine Einrichtung, die der Würde der Obergerichte nicht entspricht und mancherlei Unzukömmlichkeiten im Gefolge hat. Auch wolle er darauf aufmerksam machen, daß für Akzessisten und Kerkermeister eine Besoldungskategorie von bloß 400 fl. besteht, während nach den allgemeinen Besoldungserhöhungsanträgen des Finanzministeriums künftig das Minimum einer Besoldung auf 450 fl. zu fixieren wäre22.
Minister Ritter v. Hein erwiderte, es sei eben nicht seine Art, den Kreis der im legislativen Wege zu behandelnden Gegenstände auf Unkosten der Exekutive zu erweitern, aber es scheine ihm nicht zu umgehen, daß wenigstens die Besoldungskategorien als integrierender Teil des Gesetzes dem Reichsrate vorgelegt werden. Man habe dieses mit dem Status der siebenbürgischen Gerichte dem siebenbürgischen Landtag gegenüber so gehalten, und man könne dem engeren Reichsrate dieses Zugeständnis daher unmöglich vorenthalten. Andererseits spricht die Opportunität auch für einen solchen Vorgang, wobei die Gehalte ein für allemal festgestellt werden, während sie sonst alle Jahre einer Diskussion, wo nicht einer Schmälerung im Budget, ausgesetzt wären. Bei inkongruenten Beschlüssen des allgemeinen Reichsrates, dann des engeren Reichsrates oder der transleithanischen Landtage wird die Krone das Auskunftsmittel zu treffen wissen. Um übrigens in den Gesetzentwurf nicht mehr aufzunehmen, als strengst genommen nötig ist, wolle der Minister au. in Antrag bringen, das Diätenschema und die Beilage „Anmerkungen“ davon zu trennen und diese beiden Belege lediglich den Ausschüssen der Häuser des Reichsrates bei den Verhandlungen zur Information mitzuteilen. Auf die Bemerkung wegen der Besorgung des Konzeptsdienstes bei den Appellationsgerichten glaube Ritter v. Hein heute nicht mehr erörternd eingehen zu sollen, nachdem diese Frage bereits vielfach diskutiert und durch die Ah. Entschließung vom 23. November 1863 entschieden worden ist. Der Gehaltsbetrag der Akzessisten etc. wurde mit 400 fl. zu einer Zeit normiert, wo der allgemeine Antrag wegen des Gehaltsminimums noch nicht beschlossen war. Sollte diesem Antrag Folge gegeben werden, so würde sich darnach auch das Besoldungsschema der Gerichtsbehörden teilweise modifizieren. Minister Ritter v. Lasser , der Vorstimme beitretend, erinnerte, er habe schon in den Jahren 1861/62 bei den reichsrätlichen Verhandlungen über den Staatsvoranschlag die Versuche, an systemisierten Bezügen der Beamten etwas abzuziehen, dadurch abgelehnt, daß ein Personal- und Besoldungsstatus überhaupt und namentlich dann, wenn im Reichsgesetzblatt veröffentlicht, Gesetzeskraft habe, mithin nur im legislativen Wege geändert werden könne23. Den vor der Verfassung vom 26. Februar Allerhöchstenorts erfolgten Systemisierungen habe die Regierung || S. 33 PDF || dem Reichsrate gegenüber stets d(z. B. namentlich in der vorigen Session bei der Frage der Gehaltsaugmentation für Justizbeamte)d,24 die Gesetzeskraft vindiziert, und diesem Grundsatze, wie auch dem Präzedens mit der siebenbürgischen Gerichtsorganisierung, wäre es nur ganz konsequent, die Besoldungsstände als integrierenden Teil des vorliegenden Gesetzentwurfes zu behandeln. Die Fixierung derselben sei sehr wichtig, und die Einbeziehung der Gehaltsregulierung in den ausschließlichene Bereich der Exekutive erschiene dem Votanten nicht nur nicht wünschenswert, sondern selbst nachteilig, fweil sich hieraus eine doppelte Folge ergäbe, erstens, als dem weiten Reichsrate ein über den Geist der Verfassung hinausgehender Einfluß auf die administrativen und judiziellen Einrichtungen in Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen etc. erwachsen würde, und zweitens, weil man, wenn Gehaltssystemisierungen nicht durch ein Gesetz erfolgen, die Gefahr laufe, bei jeder Budgetverhandlung immer wieder von neuem an den Besoldungsschemas der verschiedenen Dienstzweige gerüttelt zu sehen. Das wäre eine umso bedenklichere Sache, als dabei der Beamtenstand gewöhnt würde, den weiteren Reichsrat respektive dessen Finanzausschuß als entscheidenden Faktor über sein Schicksal zu betrachten, was für die Autorität der Exkutive und für die Beamtendisziplin höchst schädlich wäref . Der Finanzminister bemerkte, die Entscheidung der vorliegenden Frage sei durch die verschiedenen Vorgänge in den bisherigen Einzelfällen schwierig geworden. Votant müsse an dem Grundsatze festhalten, daß die finanzielle Organisation25 ihrer Natur nach weder vor den gweitem, noch vor deng engeren Reichsrat, noch vor die Landtage gehöre und dem Finanzminister das Recht zu deren Änderung nicht abgesprochen werden könne. Anders ist es mit der Justizorganisation, und nach dem bedauerlichen Vorgange in Siebenbürgen sehe Minister Edler v. Plener nicht ab, wie man dem engeren Reichsrate den Besoldungsstatus der Gerichte diesseits der Leitha vorenthalten könnte. Daß aus Vorgängen dieser Art Kollisionen mit dem allgemeinen Reichsrat entstehen können und entstehen werden, ist vorauszusehen und es wird seinerzeit eine Lösung dafür gefunden werden müssen.
Die übrigen Stimmführer traten dem Minister Ritter v. Hein bei26.
VI. Entwurf eines Gesetzes gegen die Ankündigung verbotener ausländischer Glücksspiele
Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Finanzministers vom 19. Oktober 1864 wegen Erlassung eines Gesetzes gegen die Ankündigung verbotener Glücksspieleh,27 und begann mit einer Geschichte der Versuche, welche das Finanzministerium seit Aufhebung der Zensur28 gemacht hat, um diesen Gegenstand gesetzlich zu normieren29. Der vorliegende Entwurf war der Gegenstand einer Verhandlung mit dem Staats-, Justiz- und Polizeiministerium, welche drei Ministerien sich über die Meinung einigten, daß die Einbringung desselben bei dem Reichsrate nicht opportun wäre30. Der Staatsrat hat sich gleichfalls gegen diese Einbringung ausgesprochen, und zwar wesentlich deswegen, weil der praktische Erfolg desselben nur ein geringer wäre, indem die Verbreitung der ausländischen Journale, welche derlei Glücksspiele ankünden, noch immer fortdauern würde; weil damit eine Jurisdiktion der Finanzbehörden über Vergehen durch die Presse, ja eine Präventivzensur der Inserate über Lottospiele durch die Finanzbehörden eingeführt werden will, die im Abgeordnetenhause des Reichsrates auf unüberwindlichen Widerstand stoßen wird, und weil endlich fremde Regierungen Repressalien üben und die Ankündigungen österreichischer Lottoanlehen in dortigen Journalen verbieten könnten.
Der Finanzminister erwiderte vorerst, daß es bei seinem Verbote nicht auf die Staatslottoanlehen fremder Regierungen, sondern auf die eigentlichen Lotterieglückspiele abgesehen sei, wo bei den Nieten der Einsatz ganz verloren geht, und die somit dem österreichischen Lotteriegefäll eine nachteilige Konkurrenz machen. In merito müsse man anerkennen, daß dermal bei uns eine Lücke in der Gesetzgebung besteht, indem man Aufforderungen zum Einsatz in ausländische Lotterien hierorts drucken und verbreiten kann, während der Verkauf fremder Lose und das Spielen in fremden Lotterien verboten ist. Diese Aufforderung zu ungesetzlichen Handlungen ist daher nicht verpönt, und es ist doch nicht abzusehen, warum man die Aufforderung zur Übertretung der Lottogesetze nicht ebenso bestrafen könnte, wie die Aufforderung zur Übertretung der Zollgesetze durch Schleichhandel ohne weiteres bestraft werden würde, wenn sich jemand z. B. erlauben würde, zum Schmuggel oder zum Bezug geschmuggelter Waren von einer ausländischen Agentie in den Zeitungen einzuladen. Andererseits verkenne der Minister weder die geltend gemachten Gegengründe noch die Schwierigkeiten, || S. 35 PDF || welche darin liegen, daß der Gegenstand des Gesetzes seiner finanziellen Natur wegen zum allgemeinen Reichsrate gehört, während das Preßgesetz sowie die Änderungen in der gerichtlichen Kompetenz über diese Übertretungen vor das Forum des engeren Reichsrates gehören würden. In Erwägung aller dieser Verhältnisse finde sich der Finanzminister bestimmt, diesen Gesetzentwurf für jetzt wieder zurückzuziehen, unter dem Vorbehalte, seinerzeit mit geeigneten Anträgen hervorzutreten, um dem illegalen Handel mit ausländischen Losen zu steuern31.
VII. Gehaltsaufbesserung für die subalternen Beamten
Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Finanzministers vom 27. November 1864 betreffend die Gehaltsaufbesserung für die geringer besoldeten Hof-, Staats- und Fondsbeamten32.
Referent beleuchtete, wie nach den Anträgen der Minister Edler v. Plener und Ritter v. Lasser das Minimum einer Besoldung von nun an 450 fl. jährlich zu betragen hätte und welche Aufbesserungen bei den verschiedenen Gehaltskategorien bis einschließlich 1.050 fl. – der Grenze der Maßregel nach oben – eintreten würden, endlich welche Ausnahmen von der beabsichtigten Begünstigung zu statuieren wären. Der Staatsrat war mit den Verbesserungsanträgen einverstanden und trennte sich nur von dem ministeriellen Antrage, daß die sämtlichen Beamten, die zum Ressort der Obersten Rechnungskontrollbehörde gehören, von dieser Maßregel auszunehmen wären. Es habe zwar Präsident Graf Mercandin selbst diese Ausnahme beantragt, weil er die mit Ah. Entschließung vom 26. Mai d. J.33 Ah. genehmigte, mittels Verminderung der Zahl der Dienststellen im Buchhaltungsdienste zu bewirkende Aufbesserung der Gehalte in dem geringen noch rückständigen Teile bald durchzuführen hoffe und analoge Aufbesserungen auch beim subalternen Personal der Zentralleitung und bei der Direktion der administrativen Statistik demnächst einzuführen in der Lage sein werde. Allein nach der Meinung des Staatsrates wäre es doch eine Unbilligkeit, jenen Beamten des gedachten Ressorts, deren Besoldungen noch nicht reguliert wurden und die dermal in die minderen Gehaltsabstufungen bis 1050 fl. fallen, die den übrigen gering besoldeten Beamten zuteil werdende Wohltat vorzuenthalten. Ferner hat der Staatsrat einen Zusatz zur Ah. Entschließung beantragt, daß die Auszahlung der fraglichen Zuschüsse erst nach der im verfassungsmäßigen Wege erfolgten Genehmigung der hiezu erforderlichen Nachtragsdotation stattfinden könne, während der Minister beabsichtigte, die Erhöhungen schon vom 1. Jänner 1865 an eintreten zu lassen.
|| S. 36 PDF || Mit diesem letzteren Amendement war Minister Ritter v. Lasser einverstanden; in bezug auf die Beamten der Kontrollbehörden schiene es ihm aber mißlich, gegen den Wunsch des Präsidenten eine Maßregel zu beantragen, wodurch der letztere sein in der Ausführung begriffenes System beirrt glaubt. Der Finanzminister äußerte, seit der Einbringung seines eben referierten Vortrags hätte sich zwar nicht seine Meinung über die Notwendigkeit der Maßregel, wohl aber die Ansicht über die Opportunität, schon jetzt damit hervorzutreten, geändert. Im Abgeordnetenhause ist nämlich eben jetzt eine Partei rastlos bemüht, das Budgetdefizit durch Hinzurechnung einer Menge dafür nicht gehöriger Posten zu vergrößern, um dieses Phantom als Schreckmittel bei den beabsichtigten unmäßigen, ja unmöglichen Abstrichen zu benützen34. Legte man nun eine Mehranforderung für die Beamten jetzt auf den Tisch des Hauses, so hieße dieses, den Gegnern der Regierung selbst Waffen liefern. Der Minister sei daher des Erachtens, daß man sich dermal wohl die Ah. Ermächtigung zur Einbringung der Vorlage wegen Bedeckung des Mehraufwands für die beantragte Maßregel au. erbitten, zur wirklichen Einbringung aber den geeigneten Zeitpunkt abwarten sollte. Als solcher wäre der Moment, wenn die Diskussion über das Militärbudget beendigt ist, wohl der passendste. Der Staatsratspräsident hielte es nicht für nötig, sich durch die momentanen Bestrebungen der Parteien von anerkannt notwendigen Maßregeln abhalten zu lassen, zumal beide Häuser des Reichsrates auch im Prinzip mit der Regierung hier einverstanden sind und vielleicht selbst diesen Gegenstand neuerdings35 in Anregung bringen werden. In bezug auf die Kontrollbeamten begreift Votant sehr wohl, daß Graf Mercandin eine Beirrung seines Systems und der ganzen Regulierung nicht wünschen kann. Allein, davon wäre keine Rede, und es würde sich ja nur darum handeln, daß die Beamten seines Ressorts, bis sie der mit Ah. Entschließung vom 26. Mai zuerkannten Vorteile teilhaftig werden, einstweilen die allen übrigen Beamten zu bewilligenden Gehaltsverbesserungen mitgenießen.
Sämtliche Stimmführer waren mit dem Finanzminister einverstanden, daß die Anforderung eines Nachtragskredits zur Deckung der aus der Gehaltsaufbesserung resultierenden Mehrauslage auf einen späteren geeigneten Zeitpunkt zu verschieben wäre, und Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer sprachen schließlich die Absicht aus, den Präsidenten der Obersten Rechnungskontrollbehörde über die Frage der Ausdehnung dieser Maßregel auf die Beamten seines Ressorts zu vernehmeni,36.
|| S. 37 PDF || Wien, 20. Dezember 1864. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 7. Jänner 1865. Empfangen 7. Jänner 1865. Erzherzog Rainer.