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Nr. 187 Ministerrat, Wien, 18. Jänner 1862 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 20. 1.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy; abw. Pratobevera; BdR. Erzherzog Rainer 28. 1.

MRZ. 990 – KZ. 279 –

Protokoll II des zu Wien am 18. Januar 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Beratungen des Finanzausschusses über die Dotation des Staatsrates

Der Staatsminister brachte zur Kenntnis, daß das reichsrätliche Komitee für die Prüfung der Voranschlagsrubrik „Staatsrat“1 bei der hierüber gepflogenen Verhandlung an den Minister die Frage gerichtet habe, ob das Statut des Staatsrates2 einen Teil der Reichsverfassung bildet. Im Fall der verneinenden Beantwortung scheint man die Absicht zu haben, dem Institut des Staatsrates durch den Antrag auf Streichung der Dotation den Lebensfaden abzuschneiden.

Der Staatsminister las hierauf sein Votum, worin dargetan wird, daß das erwähnte Statut kein Teil der Verfassung, der Staatsrat aber ein weiterer Rat der Krone ist, auf || S. 217 PDF || dessen Zusammensetzung niemand als Se. Majestät Allerhöchstselbst ein Recht hat. Der Reichsrat sei nicht befugt, über die Fortdauer des Instituts direkt oder indirekt durch Streichung der ganzen Dotation desselben zu entscheiden, sondern er könne nur bei der Budgetverhandlung Modifikationen einzelner Posten beantragen. Da jedoch gegenwärtig erst die am Eingang erwähnte Frage gestellt wird, gedenke der Staatsminister, sich auf deren negative Beantwortung zu beschränken und den hierauf sich im Schoß des Komitees ergebenden Debatten nicht entgegenzutreten, dann aber, wenn man wirklich zur Streichung der Dotation im ganzen schreiten wollte, die Unzulässigkeit eines solchen Beschlusses durch die im Votum dargelegten Gründe zu beweisen.

Minister Ritter v. Lasser bemerkte, er sei auch bereits in der Lage gewesen, ein reichsrätliches Komitee auf die Unzulässigkeit hinzuweisen, organische Änderungen indirekt durch Streichung von Dotationen zu bewirken. Der Präsident des Staatsrates erklärte, mit den im Votum des Staatsministers entwickelten Ansichten einverstanden zu sein, und stimmte für die Festhaltung dieses Standpunktes im Komitee.

Von Seite der übrigen Votanten ergab sich keine Erinnerung3.

II. Unterbringung der disponiblen ungarischen Schulräte

Der Staatsminister referierte, daß die Lage der disponibel gewordenen ungarischen Schulräte eine sehr traurige sei. Die meisten unter ihnen haben gut dotierte Lehrkanzeln oder geistliche Pfründen aufgegeben, um dem an sie von der Regierung ergangenen ehrenvollen Rufe zu folgen, und jetzt ist ihre Existenz bei sehr geringer Aussicht auf Unterbringung gefährdet4. Referent gedenke daher, bei Sr. Majestät au. darauf anzutragen, daß der ungarischen und der siebenbürgischen Hofkanzlei und den Bischöfen beider Länder Allerhöchstenorts zur Pflicht gemacht werde, für die baldige entsprechende Unterbringung dieser Männer zu sorgen.

Der ungarische Hofkanzler fand es höchst billig, daß von [seiten] der Regierung etwas geschehe, um die Lage dieser unglücklichen Opfer eines Systemwechsels zu verbessern. aDer Finanzminister erklärte, daß, soferne es sich um die Zugestehung eines [zweiten] Begünstigungsjahres handle, die Finanzen des Reiches in einem wie in dem andern Falle, es mag die Auszahlung auf den Etat des Staatsministeriums oder auf jenen der ungarischen Hofkanzlei übernommen werden, im gleichen Maße in Anspruch genommen sind, indem alle Auslagen aus den Reichsfinanzen entnommen werden. Gleichwohl spräche die Billigkeit für ein solches Zugeständnis, nur müßte die Unterbringung auf andere Dienstposten mit allem Ernste und ohne Nebenrücksichten auch wirklich angestrebt werden, um den Staatsschatz nicht allzusehr zu belastena Der Finanzminister erklärte, daß, soferne es sich um die Zugestehung eines [zweiten] Begünstigungsjahres handle, die Finanzen des Reiches in einem wie in dem andern Falle, es mag die Auszahlung auf den Etat des || S. 218 PDF || Staatsministeriums oder auf jenen der ungarischen Hofkanzlei übernommen werden, im gleichen Maße in Anspruch genommen sind, indem alle Auslagen aus den Reichsfinanzen entnommen werden. Gleichwohl spräche die Billigkeit für ein solches Zugeständnis, nur müßte die Unterbringung auf andere Dienstposten mit allem Ernste und ohne Nebenrücksichten auch wirklich angestrebt werden, um den Staatsschatz nicht allzusehr zu belasten, 5.

III. Anträge der Landtage von Tirol und Vorarlberg bezüglich der Landesverteidigung

Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Ministers Ritter v. Lasser de dato 9. Dezember 1861 in betreff der Anträge der Landtage von Tirol und Vorarlberg bezüglich der Landesverteidigung6 und las den Entwurf der vom Staatsrat proponierten Ah. Entschließung, welche von dem Entwurfe des Ministers Ritter v. Lasser nur durch stilistische Veränderungen abweicht, die eine größere Präzision des Ausdruckes bezwecken. Freiherr v. Lichtenfels fügte noch bei, daß, nachdem die Ah. Entschließung erst im Jahre 1862 erfließt, darin von der Giltigkeit der Norm für die Durchführung im Jahre 1861 keine Erwähnung zu machen und daher aus dem staatsrätlichen Entwurf die Worte „im Jahre 1861“ wegzulassen wären.

Gegen den dergestalt amendierten Antrag des Staatsrates ergab sich von keiner Seite eine Erinnerung7.

IV. Vollstreckung rechtskräftiger Urteile nichtungarischer Gerichte durch die Gerichte in Ungarn

Minister Ritter v. Lasser referierte namens des abwesenden Ministers Baron Pratobevera über die Hemmnisse, welche die Exekutionen der Urteile nichtungarischer Gerichte in Ungarn erfahren. Auch in strafgerichtlichen Angelegenheiten wollen ungarische Gerichte den von auswärts an dieselben gerichteten Requisitionen keine Folge mehr geben. Referent fordere daher seine Kollegen auf, sich dem Ersuchen anzuschließen, welches er hiemit an den ungarischen Hofkanzler richte, er wolle in beiden Beziehungen mit möglichster Beschleunigung Abhilfe schaffen. Sollte dieselbe nicht erzielt werden können, so erübrige nichts, als Retorsionsmaßregeln gegen die ungarischen Gerichte eintreten zu lassen, was schließlich zum Abbruch aller Verbindungen zwischen den Gerichten dieser Länder und zu den empfindlichsten Nachteilen der beiderseitigen Bewohner führen müßte.

Die Minister Graf Rechberg, Graf Nádasdy, Edler v. Plener und Graf Esterházy stimmten dem Referenten über die Notwendigkeit der Abstellung so schreiender Übelstände vollkommen bei, ebenso der Staatsratspräsident , welcher zugleich seine Meinung entwickelte, daß das ungarische Gesetz vom Jahre 1840 über die Bedingungen der Vollstreckung gerichtlicher Erkenntnisse nichtungarischer Behörden8 am 20. Oktober nicht wiederhergestellt wurde und daß, wenn es ja in den Judexkurialkonferenzbeschlüssen enthalten wäre, die Eliminierung desselben au. beantragt werden müßte9. bDer Finanzminister bemerkte, daß die unterbleibende Vollstreckung der von den Finanzprokuraturen im Interesse des Staatsschatzes und der Fonds erwirkten Urteile bei den ungarischen Gerichtsbehörden zeuge der dem Finanzministerium vorliegenden Verhandlungen bereits wesentliche Nachteile des Dienstes herbeiführe und eine Abhilfe dringend notwendig seib Der Finanzminister bemerkte, daß die unterbleibende Vollstreckung der von den Finanzprokuraturen im Interesse des Staatsschatzes und der Fonds erwirkten Urteile bei den ungarischen Gerichtsbehörden zeuge der dem Finanzministerium vorliegenden Verhandlungen bereits wesentliche Nachteile des Dienstes herbeiführe und eine Abhilfe dringend notwendig sei.

Der ungarische Hofkanzler sicherte zu, daß er sich über die diesfalls bestehenden rechtlichen und faktischen Verhältnisse noch genauer informieren und das Ergebnis zur Kenntnis des Ministerrates bringen werde10.

V. Revision der Beschlüsse der Judexkurialkonferenz

Minister Graf Nádasdy knüpfte an die Erörterung über Punkt IV den Antrag, die vom Ministerrate längst beschlossene cVerhandlung über jene Paragraphenc der Judexkurialkonferenz­beschlüsse, dwelche eine weitere Erläuterung dringend erheischen, z. B. 1. die Zivilgerichtsbarkeit über Militärurlauber, 2. Besteuerung der Steinkohlenbergwerke, Bergregale und dergleichen mehrd welche eine weitere Erläuterung dringend || S. 220 PDF || erheischen, z. B. 1. die Zivilgerichtsbarkeit über Militärurlauber, 2. Besteuerung der Steinkohlenbergwerke, Bergregale und dergleichen mehr, 11, nun auch bald zu beginnen, worauf der ungarische Hofkanzler erwiderte, daß er im Sinne der früheren Besprechungen über diese Sache nur die Initiative von Seite seiner Kollegen abwarten könne.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 28. Jänner 1862. Empfangen 28. Jänner 1862. Erzherzog Rainer.