Nr. 171 Ministerrat, Wien, 15. Dezember 1861 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 17. 12.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser (bei V abw.abwesend), Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy; abw.abwesend Pratobevera, Forgách; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 3. 1. 1862.
MRZ. 974 – KZ. 4145 –
- I. Mitteilung der Regierung an den Reichsrat bei Vorlage des Staatsvoranschlags für 1862; Behandlung des Budgets für die Länder der ungarischen Krone
- II. Maßregeln der Regierung anläßlich der Vorlage des Staatsvoranschlags
- III. Gesetzentwurf über den Staatsvoranschlag für 1862
- IV. Gesetzentwurf über die Genehmigung der Gebarungsresultate des Verwaltungsjahres 1860
- V. Bitten der Landtage von Tirol und Vorarlberg betreffend Dislozierung und Ergänzung des Kaiserjägerregiments
Protokoll des zu Wien am 15. Dezember 1861 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Mitteilung der Regierung an den Reichsrat bei Vorlage des Staatsvoranschlags für 1862; Behandlung des Budgets für die Länder der ungarischen Krone
Se. k. k. apost. Majestät geruhten den Entwurf der den finanziellen Vorlagen über den Staatsvoranschlag etc. an den Reichsrat vorauszuschickenden Mitteilung der Regierung in Erörterung zu ziehen1.
|| S. 123 PDF || Im Verlauf derselben geruhten Se. Majestät auszusprechen, es sei darauf festzuhalten, daß die Ausgabsrubriken des Dienstes in der politischen und gerichtlichen Sphäre für die Länder der ungarischen Krone von der detaillierten Diskussion im Reichsrate auszuschließen seien, wornach der Finanzminister bemerkte, daß adas Budget zwar die diesfälligen Details wie in früheren Jahren vollständig enthalte, daß er jedoch bei der Vorlage desselben an das Abgeordnetenhaus beabsichtige, von den Auslagen für die Verwaltung und den öffentlichen Dienst in Ungarn keine spezielle Erwähnung zu tuna . Minister Graf Nádasdy äußerte, in der Folge werde kaum etwas anderes erübrigen, als den gesamten Aufwand des politischen [und] juridischen Dienstes in jenen Ländern auf die Landesfonds zu überweisen und denselben, unter gleichzeitiger Reduktion der lf. direkten Steuern, entsprechend vermehrte Einnahmen zu eröffnen. Der Finanzminister trat dieser Meinung bei, indem er ausführte, daß die im Oktoberdiplom begründete Spaltung zwischen den Ländern dies- und jenseits der Leitha zu dieser Konsequenz führe. Denn wenngleich dort bloß die Verschiedenheit auf dem Felde der Gesetzgebung festgesetzt wurde, so folgt doch daraus notwendig auch eine Verschiedenheit in der ungarischen Organisation, im Status der Beamten, in den materiellen Diensteserfordernissen etc. Hierüber kann sich nicht einmal der gesamte, geschweige erst der engere Reichsrat kompetent ansehen. Die gesonderte Bedeckung dieser Diensteszweige in den Landesfonds von Ungarn, Siebenbürgen und Kroatien hat auch den Vorteil, das Reichsbudget zu erleichtern, und geschieht unbeschadet der strenge festzuhaltenden Einheit in der Finanzsphäre bis zu den untersten Organen herab. Minister Ritter v. Lasser würde nicht sowohl für eine förmliche Überweisung des fraglichen Aufwands auf die Landesfonds als dafür stimmen, daß bvon Sr. Majestät seinerzeit diesesb Erfordernis als eine Art von Postulat, das keiner weiteren Diskussion mehr unterläge, in das Reichsbudget aufgenommen werde.
Se. Majestät geruhten genehmigend zur Ah. Kenntnis zu nehmen, daß die Fassung der Eingangsformel zu den Finanzgesetzen erst dann in Beratung gezogen werden wird, wenn es sich um deren Ah. Sanktion handelt2.
In bezug auf die Kundmachung bemerkte Minister Graf Nádasdy , daß die Einrückung in das Reichsgesetzblatt nicht als eine für Ungarn gesetzlich gültige Verlautbarung gelte — was jedoch, wie der Staatsratspräsident beifügte, nicht hindern kann, im Reichsgesetzblatt zu sagen, daß ein Gesetz für das ganze Reich Gültigkeit hat. Minister Graf Esterházy glaubte aber, es wäre hiebei der hierüber in Ungarn erfolgenden besonderen Kundmachung ausdrücklich zu gedenken.
In bezug auf die Kontumazierung nicht vertretener Länder erinnerte Freiherr v. Lichtenfels an den Umstand, daß Siebenbürgen zur Absendung von Vertretern || S. 124 PDF || noch nicht förmlich aufgefordert worden sei und daß, solang dies nicht geschehen, von einer Kontumazierung Ungarns etc. nach strengem Recht noch keine Rede sein könne. Nach erfolgter Zitierung Siebenbürgens aber würden Ungarn und Kroatien sofort und ohne wiederholte Einberufung des Landtages kontumaziert werden können, nachdem Se. Majestät der Kaiser bei Auflösung der Landtage auf die Kontumazierung keineswegs verzichtet, sondern alle Rechtswirkungen der verweigerten Beschickung sich ausdrücklich vorzubehalten geruhten.
Am Texte des Entwurfs der Mitteilung wurden folgende Ausdrücke von Sr. Majestät Ah. beanständet: a) „parlamentarische Session“. Das Beiwort wurde hiernach vom Staatsminister gestrichen; b) wurde auch das Wort „jedenfalls“ dort, wo von den noch vorzunehmenden Geschäften die Rede ist, gestrichen; c) statt des Ausdruckes „als Recht fordern könnte“ wurde gesetzt „ansprechen könnte“; d) über eine Andeutung vom Staatsratspräsidenten geruhten endlich Se. Majestät zu befehlen, daß der Ausdruck, welcher ein absolutistisches Vorgehen als einen Vorteil der Krone bezeichnet, auf den sie verzichtet, beseitigt werde, indem hiebei von einem Vorteil keine Rede sein könne. Mit diesen Modifikationen erhielt der Entwurf die Ah. Genehmigung3.
II. Maßregeln der Regierung anläßlich der Vorlage des Staatsvoranschlags
Der Staatsminister äußerte, daß, obgleich er Grund habe zu hoffen, das Abgeordnetenhaus werde die demselben am nächsten Dienstage zu machenden Mitteilungen in der gewünschten Weise aufnehmen, man doch auch ungünstige Eventualitäten ins Auge fassen müsse, um bei deren möglichen Eintreten davon nicht unvorbereitet getroffen zu werden.
Nach Beendigung der sich unmittelbar aneinanderreihenden Vorträge des Staats- und des Finanzministers werde, ob von der Regierung oder von einem Abgeordneten ist noch nicht entschieden, der Antrag eingebracht werden: „Das Haus wolle beschließen, einen Ausschuß von neun Mitgliedern zu bestellen, der über die Art, wie die Regierungsvorlagen zu behandeln seien, binnen 24 Stunden Bericht zu erstatten hat.“4 Sollte nun wider Erwarten das Haus darauf nicht eingehen, sondern den Beschluß fassen, vorläufig darüber zu debattieren, ob es überhaupt zur Behandlung der Finanzfragen kompetent sei, so glaubt der Staatsminister, daß es nicht mit der Würde Sr. k. k. apost. Majestät vereinbarlich wäre, einer Diskussion Raum zu geben, die sich in letzter Auflösung darum drehen würde, ob Se. Majestät durch diesen Ah. Gnadenakt einen Verfassungsbruch unternehme. In diesem eintretenden Falle wären daher die Vorlagen von der Regierung zurückzunehmen und das Haus wäre vorläufig bis 31. Jänner zu vertagen. Das Herrenhaus würde von dieser Maßregel sofort in Kenntnis gesetzt, aber noch nicht vertagt, zumal dasselbe noch einige vom Abgeordnetenhause bearbeitete Gesetze zu beraten hat. Der Staatsminister las hierauf den Entwurf der bezüglichen Erklärung der Regierung5. || S. 125 PDF || Damit übrigens das Haus vollkommen im klaren darüber sei, daß man demselben nicht im Widerspruch mit der Verfassung zumuten will, über den exklusiv ungarischen Teil des Budgets zu beschließen, werde der Minister am 16. d. M. abends in den Klubs den Tenor der Mitteilung eingehend erläutern. In Absicht auf die Klarheit müsse er dem ersten diesfalls proponierten Texte den Vorzug geben. Auf die Frage des Finanzministers , ob die Zurückziehung der Vorlage schon dann zu erfolgen hätte, wenn dem Ausschuß vom Haus die Aufgabe gestellt wird zu begutachten, ob und wie über die Vorlage zu verhandeln sei, erwiderte der Staatsminister , daß diese Zurückziehung dann schon zu erfolgen hätte, weil dadurch die Frage über einen Verfassungsbruch vom Thron aus gestellt wird.
Minister Ritter v. Lasser referierte über die bezüglich dieses Gegenstandes bei den verschiedenen Fraktionen des Hauses gepflogenen Verhandlungen und über die Aussicht, daß nach den mit den Führern der Linken und des Zentrums getroffenen Verabredungen der Auftrag an den Ausschuß bloß dahin gehen dürfte, cüber die Behandlung der finanziellen Regierungsvorlagenc, und nicht über die Mitteilung des Staatsministers Bericht zu erstatten. Bei diesem Modus werde die Ah. Person nicht in der Debatte genannt und somit der äußerste Schritt nicht notwendig werden, besonders dann nicht, fügte der Staatsminister bei, wenn man im Abgeordnetenhause erkennt, daß die Regierung zu diesem Schritte eventuell ganz entschlossen ist. Der Präsident des Staatsrates , dem Staatsminister beitretend, bemerkte, daß, im Fall die Zurückziehung der Vorlagen stattfände, der Tadel ganz auf das Abgeordnetenhaus fallen würde, welches diesen Schritt provoziert habe. Höchst wichtig aber sei es, daß das Haus über die beabsichtigte Behandlung der ungarischen Länder vollkommen klar sehe, und zur Erreichung dieses Zwecks schiene ihm die Wahl des proponierten ersten Textes des Passus in der Mitteilung angemessener. Auch die Minister Graf Rechberg und Graf Esterházy sprachen sich in diesem Sinne aus, während Minister Ritter v. Lasser dem letzten Texte den Vorzug gab. Von Seite der übrigen Stimmführer ergab sich keine Erinnerung gegen die Anträge des Staatsministers.
III. Gesetzentwurf über den Staatsvoranschlag für 1862
Der Entwurf des Gesetzes, womit der Staatsvoranschlag für 1862 festgestellt wird6, veranlaßte Se. Majestät den Kaiser zur Frage, ob nicht durch die im § 2 erwähnte Fortentrichtung der Steuern im bisherigen Ausmaß ein Präjudikat begründet werde, wonach der Reichsrat das der Krone laut § 10 zustehende Recht für sich zu vindizieren versucht sein könnte. Nachdem die Steuerausschreibung bereits erfolgt ist, bestehe auch tatsächlich keine Notwendigkeit, in diesem Gesetze davon abermals zu sprechen.
Der Finanzminister äußerte, daß in einem Gesetze über das Budget die vorhandenen Quellen zur Bedeckung der Ausgaben nicht unerwähnt bleiben können. Daß das Einnahmsbudget und somit die bestehenden Steuern vom Reichsrate diskutiert werden, ist nicht zu verhindern; die daraus hervorgehenden Anträge || S. 126 PDF || aber können dem verfassungsmäßigen Kronrechte, nach § 10 die Forterhebung der bestehenden Steuern zu dekretieren, keinen Abbruch tun. Der Präsident des Staatsrates glaubte, der Passus des § 2 „zur Bedeckung … haben die bestehenden Steuern zu dienen“ laute nicht in der Art, daß er eine Zustimmung des Reichsrates involviere. Jeder Anschein davon ließe sich aber durch folgende Fassung beseitigen: „Die Gesamtsumme der Ausgaben beträgt … Da hievon durch die bestehenden Steuern und Abgaben … bedeckt sind, so etc.“ Se. k. k. apost. Majestät geruhten diese Fassung Ag. zu genehmigen7.
IV. Gesetzentwurf über die Genehmigung der Gebarungsresultate des Verwaltungsjahres 1860
Über den vorgelegten Entwurf des Gesetzes, wodurch die Gebarungsergebnisse des Jahres 1860 genehmigt werden sollen8, geruhten Se. Majestät zu bemerken, daß, nachdem die übrigen Gesetzentwürfe ohne Eingangsformel vorgelegt werden, das gleiche Verfahren auch bezüglich dieses Entwurfs zu beobachten und daher der Text entsprechend zu ändern sei. Diese Modifikation wurde vom Freiherrn v. Lichtenfels sofort vorgenommen.
Schließlich bemerkte der Finanzminister , er werde am 17. auch zur Kenntnis des Abgeordnetenhauses bringen, daß er die Vorlagen in der Bankangelegenheit während der bevorstehenden Vertagung des Hauses einzubringen gedenke, damit sie dann sofort an den Finanzausschuß gelangen und von diesem beraten werden können9.
V. Bitten der Landtage von Tirol und Vorarlberg betreffend Dislozierung und Ergänzung des Kaiserjägerregiments
d Se. k. k. apost. Majestät geruhten einige von den Landtagen für Tirol und Vorarlberg gestellte Bitten zur Sprache zu bringen, welche auf die Modalitäten der Ergänzung des Jägerregiments Bezug haben10, und zwar:
1. Die Bitte, daß in dieses Regiment keine Rekruten aus anderen Kronländern eingereiht werden. Der Kriegsminister fand gegen die Gewährung dieses bereits von Sr. Majestät Kaiser Franz I. bewilligten Zugeständnisses nichts zu erinnern11 — und es wird dasselbe auf Ah. Anordnung ausdrücklich in der Ah. Resolution erwähnt werden.
2. Die Bitte, daß zwei Drittel des Regiments stets in Tirol stationiert bleiben sollen. Der Kriegsminister bemerkte, es sei allerdings in militärischer Beziehung angezeigt, eine aus Alpenbewohnern gebildete Truppe vorzugsweise in Gebirgsländern zu verwenden; von diesem Gesichtspunkt würde sich daher in manchen Fällen die Gewährung dieser Bitte von selbst empfehlen. Aber eine absolute Zusicherung unter allen Umständen könne man nicht halten und somit auch nicht aussprechen. Überhaupt müsse Graf Degenfeld bemerken, daß eine entsprechende Armeeleitung ganz unmöglich werden würde, wenn man sich mehreren Kronländern gegenüber in gleicher Weise verbindlich machen wollte. Se. Majestät der Kaiser geruhten die Ah. Absicht auszusprechen, diese Bitte „nach Tunlichkeit“ berücksichtigen zu wollen.
3. Die Bitte, daß der Lostausch der Militärpflichtigen noch ferner wie bisher gestattet bleibe12. Im Lauf der hierüber gepflogenen längeren Erörterung beleuchtete der für die Gestattung stimmende Minister Ritter v. Lasser folgende dagegen vorgebrachte Haupteinwendungen:
a) Daß infolge des Lostausches im Tiroler Jägerregiment bedeutend weniger gediente Soldaten wiedereintreten werden, als wenn auf den Erlag der Stellvertretertaxe allgemein festgehalten wird. Der militärische Nachteil, jährlich um etwa 50 bis 100 Rekruten mehr und um ebensoviel gediente Soldaten weniger ins Regiment zu bekommen, sei nicht zu leugnen, allein der politischee Nachteil des schlimmen Eindruckes, welchen die Zurückweisung dieses Gesuchs in ganz Tirol und Vorarlberg hervorbringen würde, wiege schwerer. Der Lostausch hänge mit der sogenannten Reinhaltung des Regiments innig zusammen. Nationale und pekuniäre Interessen, dann die vieljährige Gewohnheit — ein wichtiger Faktor in Tirol — geben diesem Wunsche, der immer lauter hervortritt, stets neue Nahrung, und wenn jetzt zurückgewiesen, werde er sich vielleicht in gefährlichen Momenten unabweisbar geltend machen, ohne daß man aber in jener Zeit dafür Dank erntet.
b) Die Konsequenzen dieses Zugeständnisses für andere Länder. Minister v. Lasser bemerkt vor allem, daß es Sr. Majestät ganz anheimgestellt bleibe, dieses durch die || S. 128 PDF || exzeptionelle Vergangenheit und Gegenwart Tirols, fdie Reinhaltung des Tiroler Jägerregiments von fremder Mannschaft, das Landesdefensionswesen etc.f gerechtfertigte ausnahmsweise Zugeständnis nicht weiter auszudehnen. In den anderen Ländern kam der Lostausch früher nicht vor, und es denkt dort auch jetzt kaum jemand daran. Se. Majestät der Kaiser geruhten als Grund dieser Erscheinung darauf hinzuweisen, daß, nachdem das Rekrutenkontingent in der Regel alle Diensttauglichen der ersten Altersklasse in sich aufnimmt, bei einem Lostausche in derselben Klasse so wenig Aussicht auf einen Vorteil vorhanden ist, daß kaum jemand dafür ein Opfer bringen wird. In Tirol, wo das Kontingent um die Hälfte kleiner ist und die zwei ersten Altersklassen bei der Rekrutierung zusammengezogen werden, stellen sich dagegen die Chancen für die Militärbefreiung durch einen Lostausch sehr günstig.
c) Die Gestattung des Lostausches involviert eine Änderung des bestehenden Heeresergänzungsgesetzes13 und kann somit nicht ohne Zustimmung des Reichsrates durchgeführt werden. Minister Ritter v. Lasser zeigte, daß der Lostausch in Tirol unter gewissen mit Verordnung vom Jahre 1819 festgesetzten Beschränkungen14 bis zum Jahre 1859 stattgefunden habe. Im ministeriellen Entwurf des Heeresergänzungsgesetzes war die Zulässigkeit des Tausches beantragt. Das Ah. erlassene Gesetz aber erwähnt des Tausches in keiner Weise und weist bezüglich der Stellvertretung auf die besondere Verordnung vom Jahre 1856 hin15. Förmlich abgestellt wurde der Lostausch nicht durch ein Gesetz, sondern durch den über das Heeresergänzungsgesetz zu dessen Durchführung von den Ministern des Inneren und Krieges erlassenen Amtsunterricht16. Nun seien aber bereits nicht wenige Bestimmungen des Amtsunterrichts nicht allein, sondern selbst des Stellvertretungsgesetzes im Einvernehmen mit dem Kriegsministerium und mit Ah. Genehmigung, jedoch ohne Einfluß des Reichsrates, im administrativen Wege modifiziert worden, sodaß wohl kein Grund sei, über die Statuierung der in Rede stehenden Ausnahme für Tirol eine Vorlage an den Reichsrat zu machen, zumal das Kriegsministerium mit Recht wünscht, daß die Heeresergänzungsvorschriften überhaupt gnur soweit es die Verfassung ausdrücklich bedingtg bei dem Reichsrat in Anregung gebracht werden. Der Kriegsminister findet es vor allem sonderbar, ja unbegreiflich, wie man überhaupt die in Rede stehenden Begünstigungen auch den Südtirolern zuwenden wolle, welche in Absicht auf die Landesverteidigung nie etwas getan haben noch tun werden, sondern vielmehr ihre Söhne in das Heer Viktor Emanuels senden und ihre wärmsten Sympathien mit der „italienischen Sache“ ganz unverhohlen an den Tag legen. Sie verdienen offenbar nicht einmal die bereits zugestandene Begünstigung des geringeren Kontingents wie in || S. 129 PDF || Nordtirol. Selbst auf die sogenannte Landesverteidigung in Nordtirol könne Graf Degenfeld keinen Wert legen. Der Wunsch, ohne Mühe und Gefahr Montur, Munition und Löhnung zu erwerben, treibt Scharen von Leuten zusammen, die nach einigen Wochen wieder auseinanderlaufen, ohne etwas Erkleckliches geleistet zu haben17. Was nun insbesondere den dritten Gesuchspunkt betrifft, so verstehe sich der Kriegsminister nicht auf sublime legislative Deduktionen, aber er halte die Vollzugsinstruktion für einen Teil des Heeresergänzungsgesetzes, welches letztere durch die stets neu auftauchenden Ansinnen des Staatsministeriums nach und nach demoliert wird. Die Konsequenzen der vom Minister Ritter v. Lasser ad 3. beantragten Konzession würden vielleicht nicht beim Loskaufe, aber bei anderen Ansprüchen der übrigen Kronländer hervortreten. h Früher geschehene Modifikationen des Heeresergänzungsgesetzes müßten nach der Ansicht des Kriegsministers nach der am 26. Februar d. J. erteilten Verfassung nunmehr als unabänderlich betrachtet werden, bis im verfassungsmäßigen Wege eine Änderung erzielt wird. Dadurch, daß im Heeresergänzungsgesetz § 23 gesagt ist „Über die Befreiung vom Eintritte in das Heer durch Erlag der Befreiungstaxe bestimmt die Vorschrift vom Jahre 1856“, ist dieser Befreiungsmodus ein integrierender Teil des Gesetzes selbst geworden. Dieses Gesetz sagt ferner § 29 [dritter Absatz]: „Jede gezogene Nummer ist unabänderlich und bleibt bis zur nächsten Heeresergänzung gültig.“ Die damit übernommene Verpflichtung kann daher auch nicht anders übertragen werden als auf die mittelst des § 23 sanktionierte Weise. Der Kriegsminister muß sich im Interesse der Einheit der Monarchie und des Heeres feierlichst gegen jeden ersten Schritt verwahren, welcher dazu führen müßte, separatistische und provinzielle Tendenzen in die Reihen des letzteren zu bringen, und kann nicht umhin, wiederholt zur Sprache zu bringen, wie sehr die erwähnte Tendenz, die intelligenten und vermöglichen Klassen der Bevölkerung aus allen möglichen Gründen der Leistung der Wehrpflicht zu entziehen, das Bestreben erschwere, das Heer auf eine mit anderen europäischen Heeren gleiche Stufe zu stellen, und den edlen Begriff der allgemeinen Wehrpflicht entarte. Minister Graf Nádasdy besorgt gleichfalls die Rückwirkung dieser und ähnlicher Konzessionen auf die Länder jenseits der Leitha, welche darin eine Aufforderung zu Prätentionen finden würden. Der Staatsminister fände im § 29 des Heeresergänzungsgesetzes ein Hindernis, die fragliche Ausnahme im Verordnungswege zu bewilligen, worauf Ritter v. Lasser aus dem Tenor dieses Paragraphes nachweist, daß der darin aufgestellte Grundsatz kein absolutes Verbot des Lostausches enthalte. iIn dem ministeriellen Entwurfe des Rekrutierungsgesetzes vom Jahre 1858 war der Lostausch ausdrücklich zu gestatten beantragt und die Stelle, welche die Unveränderlichkeit der gezogenen Nummer ausspricht, gleichfalls schon aufgenommen, was sicher beweise, daß diese Stelle mit dem Lostausche nichts zu tun habe und demselben nicht entgegenstehe. Letztere Stelle, veranlaßt durch mehrfach vorgekommene praktische Zweifel über behördlich zur Entscheidung gebrachte Losänderungen, findet ihre Interpretation ganz klar im § 53 des Amtsunterrichtes, der deutlich zeigt, daß der Schlußsatz § 29 des Heeresergänzungsgesetzes den Lostausch gar nicht betreffei In dem ministeriellen Entwurfe des Rekrutierungsgesetzes vom Jahre 1858 war der Lostausch ausdrücklich zu gestatten beantragt und die Stelle, welche die Unveränderlichkeit der gezogenen Nummer ausspricht, gleichfalls schon aufgenommen, was sicher beweise, daß diese Stelle mit dem Lostausche nichts zu tun habe und demselben nicht entgegenstehe18. Letztere Stelle, veranlaßt durch mehrfach || S. 130 PDF || vorgekommene praktische Zweifel über behördlich zur Entscheidung gebrachte Losänderungen, findet ihre Interpretation ganz klar im § 53 des Amtsunterrichtes, der deutlich zeigt, daß der Schlußsatz § 29 des Heeresergänzungsgesetzes den Lostausch gar nicht betreffe. Der Staatsratspräsident ist gleichfalls über die Zulässigkeit des Verordnungsweges nicht beruhigt, jdenn durch das Kundmachungspatent zu dem Heeresergänzungsgesetze würden ausdrücklich alle früher bestandenen Vorschriften hinsichtlich der Heeresergänzung für aufgehoben erklärt. Hiedurch sind daher auch die früher bestandenen Bestimmungen über den Lostausch außer Wirksamkeit getreten, und es gilt nur mehr die im § 23 des neuen Gesetzes aufrechterhaltene Vorschrift vom 21. Februar 1856 über die Befreiung vom Eintritt in das Heer durch die erlegte Befreiungstaxe. Im übrigen aber muß unwandelbar der im § 29 ausgesprochene Grundsatz festgehalten werden, daß jede gezogene Nummer unabänderlich sei. Hievon kann nach Meinung des Votanten nur durch ein verfassungsmäßiges Gesetz abgegangen werdenj denn durch das Kundmachungspatent zu dem Heeresergänzungsgesetze würden ausdrücklich alle früher bestandenen Vorschriften hinsichtlich der Heeresergänzung für aufgehoben erklärt. Hiedurch sind daher auch die früher bestandenen Bestimmungen über den Lostausch außer Wirksamkeit getreten, und es gilt nur mehr die im § 23 des neuen Gesetzes aufrechterhaltene Vorschrift vom 21. Februar 1856 über die Befreiung vom Eintritt in das Heer durch die erlegte Befreiungstaxe19. Im übrigen aber muß unwandelbar der im § 29 ausgesprochene Grundsatz festgehalten werden, daß jede gezogene Nummer unabänderlich sei. Hievon kann nach Meinung des Votanten nur durch ein verfassungsmäßiges Gesetz abgegangen werden, obgleich er sonst wünschte, daß man die Tiroler in dieser Beziehung klaglos stellen könnte. Der Polizeiminister vereinigte sich mit der Meinung des Ritters v. Lasser, ebenso der Handelsminister , der die Verdienste der Tiroler um die Ah. Dynastie und die Verluste alter Privilegien wie auch die neuen Lasten heraushob, welche in diesem Land die Unzufriedenheit so hoch gesteigert haben. kIn Dalmatien und in der Militärgrenze bestünden ebenfalls Abweichungen vom System der Heeresergänzung, und zwar ohne Nachteil für das Allgemeinek . Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu bemerken, daß es gegenüber den Trennungsvelleitäten Südtirols umso mehr angezeigt sei, von Regierungs wegen keine verschiedene Behandlung der Bewohner der beiden Hälften des Landes eintreten zu lassen. Was speziell den Lostausch betrifft, so sei erwiesen, daß derselbe in den übrigen Ländern nie üblich war und auch dort in Zukunft faktisch nicht Platz greifen könnte.
[4.] Über Ah. Aufforderung äußerte der Kriegsminister , er habe sich gegen die sogenannten „Vorkommissionen“ deswegen erklärt, weil durch dieselben häufig auch sehr taugliche Individuen ausgeschieden werden, so daß am Ende für die Truppe nur Trotteln zur Assentierung erübrigen20. Minister v. Lasser erkannte das Gewicht der Bedenken gegen die Vorkommissionen. Er habe daher auch nur ldie Untersuchung der physischen Tauglichkeit über auch dem Laien erkennbare Gebrechen der Stellungspflichtigen, auch wenn sie keinen Befreiungstitel geltend machen, vor den Befreiungskommissionen, die mit Zuziehung eines Offiziers ohnedies bestehen, beantragen zu sollen geglaubt. Übrigens übte die Bevölkerung in Tirol auch bei den dort stets bestandenen Bezirksvorkommissionen selbst eine strenge Kontrolle der Befreiungenl .
|| S. 131 PDF || [5.] Gegen die Bitte, die Befreiungstaxe erst nach der Rekrutierung erlegen zu dürfen21, erklärte sich der Kriegsminister , indem es dann sehr schwer halten würde, die Taxen hereinzubringen, welcher der Fonds dringend bedarf, um die Reengagierungen22 zu bewirken, die, wie Se. Majestät beizufügen geruhten, nicht bloß im Interesse der Armee, sondern auch im Interesse der Bevölkerung überhaupt gelegen sind, welche durch die Abstellung eines Rekruten relativ mehr verliert23.
Auf die von Sr. k. k. apost. Majestät schließlich gestellte Frage, wann und in welcher Weise das neue Handelsgesetzbuch bei dem Reichsrate werde zur Vorlage gebracht werden, äußerte der Staatsminister , es dürfte noch während der nächsten Vertagung des Abgeordnetenhauses beim Herrenhause zur Vorlage gebracht werden, was den Staatsratspräsidenten zur Bemerkung veranlaßt, daß im letzteren Hause nur zwei Fachmänner zur Prüfung dieses Gesetzes vorhanden seien24.
Wien, 17. Dezember 1861. Erzherzog Rainer.
[Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Venedig, 1. Jänner 1862. Empfangen 3. Jänner 1862. Erzherzog Rainer.