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Nr. 418 Ministerrat, Wien, 12. November 1850 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Schwarzenberg 14. 11.), Krauß 14. 11., Bach 16. 11., Schmerling 16. 11., Bruck, Thinnfeld, Thun, Csorich, Kulmer; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 3947 –

Protokoll des am 12. November 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerrates.

I. Kolonisierung Ungarns

Se. Majestät der Kaiser geruhten Sich über die unter KZ. 3840 von 1850 in Ah. Händen befindlichen Anträge bezüglich der Kolonisation in Ungarn nähere Auskünfte erstatten zu lassen1.

Insbesondere wurde in Erörterung gezogen, ob der Antrag, ungarische Krongüter, zu Ansässigkeiten parzelliert, zu verkaufen, mit den bisher in Ungarn bezüglich der Krongüter gesetzlich bestehenden Anordnungen vereinbarlich sei.

Nachdem sich hiebei zeigte, daß diese Frage immerhin zweifelhaft erscheine, so erklärten Se. Majestät der Kaiser die Ah. Willensmeinung, daß aus dem diesfälligen Vortrage des Ministeriums für Landeskultur diejenigen Stellen, wodurch diese Prinzipienfrage gewissermaßen präjudiziert wird, wegzulassen seien, zumal es sich jetzt nur um einen vorläufigen Kolonisationsversuch auf einem Praedium handelt.

Ebenso wurde über Ah. Anregung beschlossen, den fremden Kolonisten die Bestellung ihrer aus dem Auslande mitzuführenden Seelsorger und Schullehrer nicht förmlich zuzusichern, da man sich dadurch leicht auch mißliebige Individuen aufladen könnte2.

II. Ärarische Forderung an Clemens Wenzel Lothar Fürst v. Metternich-Winneburg

Se. Majestät geruhten hierauf die mit Vortrag des Ministerpräsidenten vom 2. Oktober 1850 der Ah. Entscheidung unterzogene Angelegenheit wegen der vom Fürsten Metternich zu verrechnenden Reisevorschüsse und Auflassung der aus diesem Titel geführten allgemeinen Hypothek auf die fürstlichen Güter neuerdings in Beratung zu bringen3, wobei Allerhöchstdieselben erklärten, es scheine der Würde der österreichischen Regierung nicht angemessen, von dem Fürsten Metternich, der sich unleugbar die größten Verdienste um die österreichische Monarchie erworben hat, etwas beinahe Unmögliches, nämlich die buchhalterische Verrechnung von Vorschüssen zu fordern, welche er vor mehr als 30, ja 40 Jahren erhalten hat, um aus diesem Titel noch eine Hypothek von 21.000 fl. auf den gedachten Gütern festhalten zu wollen.

|| S. 66 PDF || Der Finanzminister glaubte es von seinem Standpunkte aus nicht vertreten zu können, daß auf die vorschriftsmäßige Verrechnung sämtlicher in suspenso gehaltenen Vorschüsse an den Fürsten Metternich verzichtet werde. Die unhaltbaren Ersatzansprüche seien ohnehin bereits aufgegeben, und es handle sich nur mehr um eine geringe Anzahl illiquider Posten, worüber der gewesene Herr Hof- und Staatskanzler vielleicht doch noch befriedigende Aufklärungen zu geben imstande sein dürfte.

Die übrigen Stimmführer im Ministerrate glaubten dagegen, daß – so wie mehrere Minister bereits bei den früheren Beratungen geäußert hatten – die von der eigens zusammengesetzten Kommission angeführten rücksichtswürdigen und ganz exzeptionalen Verhältnisse, ferner die Gutachten der Justizhofräte, endlich die ausgezeichneten staatsmännischen Leistungen des Fürsten reichliche Anhaltspunkte gewähren, um einen au. Antrag auf gänzliche Nachsicht der weiteren Verrechnung und völlige Auflassung der Hypothek zur Stütze zu dienen und daß Se. Majestät Allerhöchstsich bewogen finden dürften, diese Nachsicht huldreichst zu erteilen.

Se. Majestät der Kaiser geruhten diesen Antrag sofort Ag. zu genehmigen4.

III. Pension für Clemens Wenzel Lothar Fürst v. Metternich-Winneburg

Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf die Frage wegen Pensionierung des Fürsten Metternich in Anregung zu bringen. Es wurde hiebei von den mehreren Stimmen des Ministerrates anerkannt, daß der Fürst, welcher durch mehr als 50 Jahre dem Staate und zwar durch 35 Jahre in der Eigenschaft eines Haus-, Hof- und Staatskanzlers gedient hat, vollen Anspruch auf Pension besitze. Auf die von dem Finanzminister erhobenen Anstände, daß der Anspruch auf Ruhegehalt durch eine Dienstesresignation verloren gehe und daß zudem der Fürst bisher die Pensionsverleihung gar nicht angesucht habe, wurde entgegnet, daß die infolge der ersten Märzbewegung gegebene Dienstesresignation nicht als eine freiwillige gelten könne, und daß die Grafen Sedlnitzky und Inzaghi, welche aus demselben Anlasse resignierten, dann die Minister Graf Ficquelmont, Baron Wessenberg und Baron Pillersdorf, welche später ihre Demission überreichten, gleichfalls die gesetzliche Pension erhielten, ohne selbst förmlich darum angesucht zu haben5.

Die Majorität des Ministerrates vereinigte sich sonach zu dem au. Antrage auf Verleihung des den Vorschriften entsprechenden Ruhegehaltes an den genannten Fürsten6.

IV. Stellung des ungarischen Statthalters gegenüber dem Armee- und Landesmilitärkommando

Der Minister des Inneren referierte seine Anträge über die künftige Stellung des Statthalters von Ungarn gegenüber dem Armee- und Landesmilitärkommando, dann über den Wirkungskreis der Distriktsobergespäne7.

Nachdem sich infolge der hierüber gepflogenen Erörterung herausstellte, daß die Geschäfte der meisten Militärdistriktskommandanten in Ungarn sich auf ein Minimum reduzieren werden, so wurde beschlossen, daß diese Stellen in denjenigen Distrikten, wo ein Divisionär als Militärkommandant bestellt ist, einzugehen und selbe nur dort noch einstweilen fortzubestehen haben, wo dermal die Divisionärs mit den Truppen aus Ungarn ausmarschiert sind und somit kein Militäroberkommandant vorhanden ist8.

V. Beeidigung des Militärs auf die Verfassung

Se. Majestät der Kaiser geruhten die Komplikationen zur Sprache zu bringen, welche sich aus der Beeidigung des Militärs auf die Verfassung ergeben9.

Ein Teil der österreichischen Armee sei infolge einer unberufenen Verfügung des Obersten Militärgerichtshofes bereits beeidigt10. Se. Majestät wünschen, daß diese Angelegenheit auf eine offene Weise und in der Art geregelt werde, daß der Verband der Armee und die militärische Disziplin vor den Gefahren geschützt werde, welche die Beeidigung auf die Verfassung nach den neuesten Erfahrungen im Gefolge hat.

Der Kriegsminister übernahm es, hierüber nach vorläufiger reifer Erwägung aller Verhältnisse die geeigneten Anträge zu erstatten11.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 17. November 1850.