Nr. 19 Ministerrat, Wien, 23. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend: Pillersdorf, Krauß, Sommaruga, Zanini
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Ficquelmont; anw.anwesend Pillersdorf, Krauß, Sommaruga, Zanini; BdE.Bestätigung der Einsicht Ficquelmont (24. 4.), Franz Karl (27. 4.).
MRZ. 354 – KZ. –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates am 23. April 1848.
I. Verschiebung der Abgeordnetenwahl zum deutschen Parlament in Mähren
Der Minister des Inneren setzte den Ministerrat in Kenntnis, daß am 22. l. M. abends 10 Uhr zwei Abgeordnete der mährischen Stände bei ihm mit einer schriftlichen ständischen Eingabe erschienen seien, in der Absicht zu erwirken, daß die Ausschreibung der Deputiertenwahlen zum deutschen Parlament in der Provinz Mähren noch bis nach der Abhaltung des für den 26. l. M. ausgeschriebenen Landtages aufgeschoben bleibe1, indem sich unter der dortigen Bevölkerung eine sehr aufgeregte und den Wahlen in das deutsche Parlament ungünstige Stimmung äußere, welche aus der Besorgnis hervorgeht, daß eine innigere Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Bunde die slawischen Nationalitäten des Kaiserstaates gefährden könnte2. Man hofft, daß es gelingen werde, auf dem bevorstehenden mährischen Landtage bezüglich der Abgeordnetenwahl sich zu verständigen und zu einem Beschlusse zu kommen, welcher der Regierung bei ihren weiteren Maßnahmen zu einem Anhaltspunkte dienen könne. Freiherr v. Pillersdorf glaubte, daß der gewünschte Aufschub bis längstens 28. April gewährt werden dürfte, wobei die Regierung mittlerweilen zur näheren Aufklärung der Verhältnisse nebst der Meinung der Stände auch noch im Wege der Kreisämter diejenige des ganzen Landes erforschen könnte. Dies sei um so mehr angezeigt, als auch aus Böhmen ein ähnlicher Protest zu erwarten stehe3 und daher in einer so weitgreifenden Angelegenheit mit aller Umsicht vorgegangen werden müsse. Andererseits habe Österreich bezüglich der Wahlen Deutschland gegenüber Verpflichtungen auf sich genommen, deren es sich nicht einseitig entschlagen könne.
|| S. 105 PDF || Die über diesen Gegenstand an Graf Lazansky und an den Landeshauptmann Grafen Wolkenstein gerichteten Erlässe – in welchem letzteren sich der Ministerrat, ungeachtet des bewilligten Aufschubes, volle Freiheit in seinem Beschlusse ausdrücklich vorbehält – wurden einstimmig genehmigt4.
II. Vorbereitungen für den Geburtstag des Kaisers
Der Minister des Inneren besprach hierauf die mancherlei Besorgnisse, welche unter der Wiener Bevölkerung bezüglich des 25. April bestehen5. Obgleich die Ängstlichkeit allgemein, namentlich unter den arbeitenden Volksklassen verbreitet ist, wird doch fast nirgends eine bestimmte Furcht ausgesprochen; nur einige Fabrikanten glauben, daß es zur Zerstörung von Maschinen kommen könnte. Es ist freilich nicht ganz unmöglich, daß bei dem bevorstehenden großen Zusammenflusse einer noch immer aufgeregten Volksmenge ein Konflikt entstehe. Mittlerweilen seien die Militärmacht und die Nationalgarde aufgeboten worden, und die Bewegungen in der hiesigen Bevölkerung würden jetzt der geschärftesten Beobachtung unterzogen.
Indessen glaube Baron Pillersdorf doch noch eine Maßregel vorschlagen zu sollen, welche in dem gegenwärtigen Moment von Geldmangel, Arbeitslosigkeit und daraus hervorgehender Unzufriedenheit bei den untern Volksklassen ganz geeignet wäre, eine günstige Stimmung hervorzurufen und die zugleich eine wahre Wohltat für zahlreiche arme Familien sein würde: Dies wäre die Auslösung der um geringe Beträge versetzten Pfänder im hiesigen Leihamte6 auf Staatskosten.
Der Finanzminister erklärte, sich auch bereits mit dieser Idee beschäftigt zu haben, da er wohl einsehe, daß, wo es sich um so wichtige Interessen handle, die finanziellen Rücksichten in den Hintergrund treten müßten. Nur müsse er den Staatsschatz davor verwahren, daß ihm ein 100.000 fl. bedeutend übersteigendes Opfer zugemutet werde. Der Ministerrat vereinigte sich daher zu dem Beschlusse, Se. Majestät au. zu bitten, daß zu dem angedeutenden Zwecke ein Betrag von 100.000 fl. aus dem Staatsschatze gewidmet werde, mit welcher Summe dann alle Pfänder, worauf nicht mehr als 2 fl. haften, ausgelöst werden könnten7.
|| S. 106 PDF || Der Entwurf des diesfälligen Ah. Handschreibens wird zur Gewinnung von Zeit Sr. Majestät abgesondert zur Ah. Sanktion unterzogen.
III. Aufnahme des Schwures der Armee auf die Konstitution in den Fahneneid
Der Antrag des Kriegsministers , die Aufnahme des Schwurs auf die Konstitution in den Fahneneid dem k. k. Heere mittelst Armeebefehls bekanntzumachen, wurde einstimmig genehmigt und beschlossen8, daß darüber auch ein amtlicher Artikel in der Wiener Zeitung vom 25. d. M. eingerückt werde, was den besten Eindruck machen würde9.