Nr. 44 Ministerrat, Wien, 5. April 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Schwarzenberg; anw.anwesend Stadion, Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE.Bestätigung der Einsicht Stadion 14. 4., Krauß 14. 4., Bach 14. 4., Cordon 17. 4., Thinnfeld, Kulmer 16. 4.; abw.abwesend Bruck.
MRZ. 1019 – KZ. 902 –
- I. Außerkurssetzung aller ungarischen Banknoten
- II. Unterstützung für den Pester Handelsstand
- III. Organisierung des Konzeptspersonales beim Finanzministerium
- IV. Depesche an den österreichischen Bevollmächtigten bei der deutschen Reichsgewalt bezüglich der jetzt schwebenden deutschen Frage
- V. Ausdehnung der Amnestie vom 19. August 1848
- VI. Ausfertigung der Urteile des Obersten Gerichtshofes in seinem Namen mit Weglassung der Formel „per Imperatorem“
Protokoll der am 4. April 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.
I. Außerkurssetzung aller ungarischen Banknoten
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß las dem Ministerrate den Entwurf der Erwiderung vor, welche er auf die Vorstellung des Feldmarschalls Fürsten Windischgrätz gegen die von dem Ministerrate beschlossene Verfügung zu erlassen gedenket, alle ungarischen Banknoten aus dem Umlaufe zu bringen und die höheren durch Anweisungen auf die ungarischen Landeseinkünfte mit Zwangskurs zu decken1. Der Ministerrat beharrt darnach auf seinem Beschlusse und spricht den Wunsch aus, diese Angelegenheit einem baldigen Schlusse zugeführt zu sehen, wie auch die Ansicht des Baron Kübeck über die zu treffende Verfügung zu vernehmen.
Der Ministerrat kann die Besorgnis des Fürsten Windischgrätz nicht teilen, daß die Anweisungen nicht nach ihrem Nennwerte werden angenommen werden, weil sie auch als Abgaben abgeführt werden können. Ob sie in der Folge in den deutschen Kronländern und bei den österreichischen Kassen anzunehmen sein werden, werde von weiteren Verhandlungen abhängen. Der Ministerrat erklärte sich mit der von dem Finanzminister entworfenen Erwiderung an den Fürsten Windischgrätz einverstanden2.
II. Unterstützung für den Pester Handelsstand
Derselbe Minister bemerkte weiter, daß, da der Ministerrat beschlossen hat, den Handelsstand in Pesth zu unterstützen3, und dieser nun einen Betrag von 1 Million anspricht, Fürst Windischgrätz anzuweisen wäre, diesem Handelsstande den gewünschten Betrag in den oberwähnten Anweisungen auf die Landeseinkünfte Ungarns zu verabfolgen, wogegen sich von Seite des Ministerrates gleichfalls keine Einwendung ergab4.
III. Organisierung des Konzeptspersonales beim Finanzministerium
Der Finanzminister eröffnete seine Absicht, einen au. Vortrag an Se. Majestät wegen Organisierung des Konzeptpersonales seines Ministeriums zu erstatten, was, da aus diesem Ministerium zwei andere Ministerien ausgeschieden sind5, vor deren völliger Ausscheidung nicht geschehen konnte, und darin auf 18 Räte (darunter 6 Sektionsräte) mit der entsprechenden Anzahl von Ministerialsekretären und Konzipisten anzutragen6.
Der Hauptpunkt, warum er diesen Gegenstand zur Sprache bringt und worüber er die Ansicht des Ministerrates zu vernehmen wünscht, ist das Praktikantenwesen. Seiner Überzeugung nach entspricht das Institut der Praktikanten, wie es gegenwärtig bei der obersten Behörde besteht, seiner Bestimmung nicht. Es gibt eine zu große Anzahl derselben (50 und 7 überzählige Hofkonzipisten, die als Praktikanten gelten können), sie warten im Genusse eines Adjutums von 400 f. zwölf bis fünfzehn Jahre bei der obersten Stelle, bis sie Konzipisten werden, verfehlen den Zweck ihrer Ausbildung für den Dienst oder sind Ursache, daß die Konzipisten sich ihrer Arbeiten entschlagen.
Der Finanzminister gedenkt die Anzahl der Konzipisten bedeutend zu verringern und eine neue Klasse von Beamten bei seinem Ministerium, nämlich Konzeptsadjunkten mit einem Gehalte von 500 f. und 600f. und dem entsprechenden Quartiergelde einzuführen. Die Zahl der Konzeptsadjunkten soll mit Rücksicht auf die 18 Departements des Ministeriums und die Sektionschefs, deren jeder gleichfalls einen haben wird, 40 betragen. Bis die jetzigen Hofkonzipisten und Praktikanten untergebracht sind, dann gedenkt der Finanzminister 20 Praktikanten von den ausgezeichnetsten nach und nach einzuberufen. Diese sollen nicht über zwei Jahre bei der obersten Behörde in Verwendung bleiben, und wenn sie den Dienst in der höchsten Sphäre kennengelernt und sich mit den Ansichten der Zentralverwaltung vertraut gemacht haben, wieder zu den unteren Behörden zur Dienstleistung zugewiesen werden. Durch diese Einrichtungen würde ein für den Dienst ersprießlicher Wechsel erzielt werden.
Der Ministerrat fand gegen diese Ansichten des Finanzministers nichts zu erinnern, welcher nun in diesem Sinne den au. Vortrag an Se. Majestät erstatten wird7.
IV. Depesche an den österreichischen Bevollmächtigten bei der deutschen Reichsgewalt bezüglich der jetzt schwebenden deutschen Frage
Der Ministerpräsident als Minister der auswärtigen Angelegenheiten las dem Ministerrate eine an den österreichischen Bevollmächtigten bei der deutschen Reichsgewalt entworfene Depesche in der jetzt schwebenden deutschen Frage|| S. 212 PDF || vor, von welcher Depesche Abschriften an die österreichischen Gesandten in Berlin, München, Stuttgart und Hannover gesendet werden sollen8.
Die wesentlicheren Gedanken dieses Aktenstückes sind, daß Se. Majestät die Gründe billigen, aus welchen der Erzherzog Johann sich bestimmt gefunden hat, die Würde des deutschen Reichsverwesers niederzulegen9, daß es jedoch der Wunsch Sr. Majestät sei, er möchte diese Würde noch so lange behalten, bis die Zentralgewalt organisiert ist. Se. kaiserliche Hoheit hätten das in Ihn gesetzte Vertrauen vollkommen gerechtfertiget, der Anarchie gesteuert und die neue Gestaltung der Dinge auf dem gesetzlichen Wege zu erzielen getrachtet. Dagegen habe die deutsche Nationalversammlung durchaus nicht entsprochen, gleich vom Anfange habe sich in ihr eine Partei gebildet, welche die Vereinigung Österreichs mit Deutschland unmöglich zu machen strebte. Beweise davon seien die §§ 2 und 3 der Reichsverfassung und der Beschluß der Nationalversammlung vom 28. März 1849, wornach sich diese Versammlung permanent bis zum Zusammentritte des künftigen Reichstages erklärte10. Österreich werde sich von Deutschland nicht lossagen und an deutschen Angelegenheiten fortan teilnehmen; der deutsche Bund bestehe noch immer; der Kaiser werde sich nie einem anderen Oberherren, einem anderen Souverain unterwerfen und Österreich keine fremde gesetzgebende Versammlung über sich erkennen; das Ministerium werde bei den in seinem Programme vom 27. November 1848 ausgesprochenen Ansichten verharren11; die österreichischen Abgeordneten in Frankfurt seien anzuweisen, in ihre Heimat zurückzukehren etc12.
Ferner teilte der Ministerpräsident den Entwurf eines Schreibens Sr. Majestät an den Erzherzog Johann in der obigen Angelegenheit mit, worin Höchstdemselben der Ah. Dank und zugleich der Wunsch ausgesprochen wird, auf seinem Posten so lange zu verbleiben, bis die Zentralgewalt organisiert ist13.
Der Ministerrat erklärte sich mit diesen Erlässen einverstanden.
V. Ausdehnung der Amnestie vom 19. August 1848
Der Justizminister Dr. Bach eröffnete, daß aus Veranlassung der letzten Verfügung (Ah. Entschließung vom 22. März 1849, MRZ. 80714), nach welcher die Untersuchungen wegen Störung der öffentlichen Ruhe des Staates durch Lästerungen der Majestät, wenn sie vor dem Gnadenakte der Amnestie vom 19. August 1848 stattgefunden haben, aufgelassen werden sollen, die oberste Justizstelle angetragen habe, diese|| S. 213 PDF || Maßregel auf alle vor jener Amnestie gegen die öffentliche innere Ruhe des Staates gerichteten Handlungen auszudehnen.
Der Justizminister hält diese Ausdehnung nicht für ratsam und glaubt, mit Zustimmung des Ministerrates, daß der obersten Justizstelle lediglich zu überlassen wäre, von Fall zu Fall, wenn sie hinlängliche Gründe dazu findet, auf eine solche Ausdehnung oder Ausnahme anzutragen15.
VI. Ausfertigung der Urteile des Obersten Gerichtshofes in seinem Namen mit Weglassung der Formel „per Imperatorem“
Derselbe Minister glaubt die von der obersten Justizstelle gestellte Anfrage, in welcher Art sie nun mit Rücksicht auf den § 20 der Reichsverfassung ihre Urteile auszufertigen habe, mit Beistimmung des Ministerrates dahin erledigen zu sollen, daß, da nach dem erwähnten Paragraphen im ganzen Reiche im Namen des Kaisers Recht gesprochen wird, die oberste Justizstelle die Urteile in ihrem Namen auszufertigen und die Formel „per Imperatorem“ künftig wegzulassen habe, wie es auch in anderen konstitutionellen Staaten der Fall ist16.