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Nr. 112 Ministerrat, Wien, 26. August 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. Wessenberg; BdE. 27. 8. und anw. Doblhoff, Latour, Krauß. Bach, Hornbostel, Schwarzer, Wessenberg; BdE. Franz Karl (29. 8.).

MRZ. 2061 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 26. August 1848 unter dem Vorsitze des Conseilspräsidenten, Ministers des Hauses und des Äußern Freiherrn v. Wessenberg.

I. Scheitern der Magyarisierung aller Regimenter in Ungarn; Bemühungen um einen friedlichen Ausgleich zwischen Kroaten und Ungarn

Der Kriegsminister teilte dem Ministerrate einen von Sr. kaiserlichen Hoheit dem Herrn Erzherzoge Stephan, Palatin von Ungarn, erhaltenen Brief mit1, worin derselbe meldet, daß die Opposition beim ungarischen Reichstage mit der beabsichtigten Magyarisierung aller Regimenter durchgefallen ist2.

Der Erzherzog mache hievon dem Kriegsminister die schleunige Mitteilung, weil er wisse, wieviel ihm an der Erhaltung der Einigkeit bei dem Militär gelegen ist. Er habe seine Stellung für diesen Erfolg, und wie es sich zeigt, nicht umsonst eingesetzt. Auch habe der Erzherzog einen Erlaß an den Ban von Kroatien, Freiherrn v. Jellačić, wegen friedlicher Ausgleichung der zwischen diesem Lande und Ungarn schwebenden Wirren gerichtet, er hoffe einen günstigen Erfolg davon, wünsche aber, daß auch der Kriegsminister das Seinige beitrage, um den Baron Jellačić von Feindseligkeiten gegen Ungarn abzuhalten.

Der Kriegsminister bemerkte, daß Baron Jellačić sich durch ihn nicht würde abhalten lassen, wie die Ungarn sich durch nichts abhalten lassen, feindselig gegen Kroatien vorzugehen3.

II. Ansuchen Jellačić' um Geld zur Auszahlung der Truppe

Derselbe Minister eröffnete, daß der Ban von Kroatien eine Vorstellung an ihn gerichtet habe4, worin er meldet, daß er seinen Truppen wegen Vorenthaltens der Dotation aus Ungarn vom 1. September keine Löhnungen und keine Gage werde auszahlen können, und um Hilfe in dieser dringenden Angelegenheit, wie sie ihm schon früher zuteil wurde5, bittet.

Der Kriegsminister bemerkt, daß die nächste Folge dieses Zustandes die Auflösung aller Disziplin wäre und daß Baron Jellačić, um seine Truppen zu erhalten, entweder losschlagen oder sich den Ungarn in die Arme werfen müßte. Nun sei aber bereits früher in unserem Interesse als notwendig erkannt worden, daß Baron Jellačić noch || S. 599 PDF || eine Zeit lang temporisiere; damit er aber dies imstande sei, stellte der Kriegsminister die Anfrage, ob nicht dem Ban zur Auszahlung der Löhnungen abermals eine Geldunterstützung zugewendet werden wolle. Hierüber wurde erinnert, daß man in dieser Sache sehr vorsichtig sein müsse. Wie wir den Kroaten Geld schicken, schreien gleich die Ungarn, daß wir die Partei der Kroaten ergreifen. Bei den früheren Geldanweisungen (von 100.000f. und 50.000f.) war die Lage der Dinge eine andere. Damals war der Erzherzog Johann, Vermittler zwischen Ungarn und Kroatien, hier anwesend, und die erwähnten Anweisungen sind mit seiner Zustimmung geschehen, was jetzt nicht der Fall wäre6. Geratener schiene es daher, noch einmal an das ungarische Ministerium zu schreiben (denn auf das vom Kriegsminister vor 14 Tagen dahin gerichtete Schreiben ist noch keine Antwort erfolgt7) und ihm zu eröffnen, daß man von Kroatien in der erwähnten dringenden Angelegenheit um Hilfe angegangen wurde, und wenn nicht im Laufe der künftigen Woche eine befriedigende Antwort auf das frühere Schreiben erfolgt, dem Ministerium nichts anderes erübrigen werde, als dem Ban Geld zu schicken, um ihn nicht in die traurige Notwendigkeit zu versetzen, angreifend vorzugehen, und um auch deutsche Truppen, Artillerie und Pensionisten in Kroatien nicht darben zu lassen.

Der Kriegsminister wird diese kathegorische Zuschrift an das ungarische Ministerium sogleich erlassen und dieser Sache auch Öffentlichkeit geben8.

III. Bestellung eines Bevollmächtigten bei der Zentralgewalt In Deutschland

Der Ministerpräsident und Minister der auswärtigen Angelegenheiten Freiherr v. Wessenberg bemerkte, daß man mit der Ernennung eines Bevollmächtigten von Seite Österreichs bei der Zentralgewalt Deutschlands nicht weiter zuwarten könne, indem die anderen Mächte ihre Bevollmächtigten bereits ernannt haben9. Die Wahl für diesen wichtigen Posten sei zwar schwer, aber nicht unmöglich. Se. kaiserliche Hoheit der Herr Erzherzog Reichsverweser haben sich für den Herren v. Bruck ausgesprochen10, welchen sie für geeignet halten, den übrigen Koriphäen bei der deutschen Zentralgewalt an der Seite zu stehen und Stich zu halten.

Der Minister des Äußern müsse sich nach eigener Überzeugung gleichfalls für den v. Bruck erklären.

Die Ausmaß der Besoldung für denselben, die jedoch nur eine monatliche sein müßte, weil das ganze nur ein Provisorium und vielleicht nur von kurzer Dauer ist, würde er ein anderesmal zum Vortrage bringen, nachdem er nähere Erkundigungen eingezogen haben wird, was die Bevollmächtigten anderer Regierungen an Besoldung etc. erhalten.

|| S. 600 PDF || Der Ministerrat fand gegen diesen Antrag nichts zu erinnern11.

IV. Probleme bei öffentlichen Arbeiten; Frage der Arbeiterunterstützung

Der Minister der öffentlichen Arbeiten brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß nach den ihm vorliegenden Ausweisen seit dem Monate Mai d. J. an außerordentlicher Dotation für Arbeiter 572.000f. flüssig gemacht worden sind, welche für Arbeiten verwendet wurden, die alle hätten verschoben werden können, wenn nicht Arbeiter zu unterstützen gewesen wären12. Wenn so fortgefahren wird, so werde man bis zum Frühjahre noch über eine Million benötigen. Er meinte, ob es nicht besser wäre, auf Arbeiten, die dem Staate so teuer zu stehen kommen, zu verzichten, und einen Teil der Arbeiter (die alten, gebrechlichen und unfähigen) lieber durch Gemeinden auf Staatskosten unterstützen zu lassen, was für das Ärar nur vorteilhaft wäre.

Zu solchen Unterstützungen wären etwa 6000 Arbeiter auszuscheiden, und andere 6000 könnten noch ferner bei den öffentlichen Arbeiten verwendet werden. Die Unterstützungen hätten in 8 und 6 Kreuzern nebst Beteilungen mit Suppen zu bestehen. Vorteile dieser Maßregel wären, daß die öffentlichen Arbeiten mit Nutzen des Staates beschränkt werden könnten, und daß sich künftig, bei so einer Beteilung, die Menschen zu den öffentlichen Arbeiten nicht so drängen würden, wie es jetzt geschieht, wo alles nur den sogenannten großen Werkstätten zuströmt.

Dagegen wurde erinnert, daß eine solche Beteilung mit den Armeninstituten in Wien kollidieren würde. Bei diesen besteht die halbe Portion in 4 Kreuzern, die Dreiviertelportion in 6 Kreuzern und die ganze Portion in 8 Kreuzern. Kinder, wenn ihrer vier sind, bekommen 2 Kreuzer. Vier Kreuzer werden den Armen bis zu 60 Jahren gezahlt, und die Beträge steigen dann nach der Dauer der Unterstützungszeit. Die obige Beteilung würde verursachen, daß die Pfründner dieselbe Unterstützung verlangen, auch würden die so unterstützten Arbeiter bleiben und nicht wegzubringen sein, auch wohl die Beteilung fortbeziehen, wenn sie auch eine Arbeit hätten, weil eine Kontrolle hierbei, wie die Erfahrung lehrt, sehr schwierig ist.

Es wurde demnach beschlossen, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten sich über dieses Projekt noch vorläufig mit der Stadtgemeinde ins Einvernehmen setzen wolle13.

V. Verhalten der Arbeiter

Derselbe Minister eröffnete, daß ihm befriedigende Berichte von den Bauplätzen zugekommen seien14. Die Arbeiter sind sehr fleißig und haben nur die einzige Besorgnis, ob ihnen nicht Abzüge für die letzten unruhigen Tage gemacht werden, an denen nicht gearbeitet wurde15. Der Minister hat die Bauleitung angewiesen, jenen Arbeitern, die sich ausweisen, ruhig gewesen zu sein, keinen Abzug zu machen, übrigens auch hierin im ganzen nachsichtig vorzugehen16.

VI. Drohung wegen Ausrücken der Nationalgarde

Der Minister des Inneren brachte endlich zur Kenntnis des Ministerrates einen an den Conseilspräsidenten gelangten Drohbrief, worin gegen das Ausrücken der Nationalgarde Verwahrung eingelegt wird, widrigenfalls die Arbeiter die Vorstädte verwüsten und alle Maschinen zerstören würden17.

Ges. 29. August. Franz Karl. Vidi.