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Nr. 101 Ministerrat, Wien, 11. August 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Wacek; VS. fehlt; BdE. und anw. Doblhoff, Latour, Krauß, Bach, Schwarzer; abw. Wessenberg, Hornbostel; BdE. Franz Karl (11. 8.).

MRZ. 1990 – KZ. –

Protokoll der Ministerratssitzung vom 11. August 1848.

I. Verwahrung der Prager Garnison gegen den Vorwurf der Meuterei

Der Minister des Kriegswesens Graf Latour teilte dem Ministerrate mit, daß ihm eine von allen Chargen der Prager Garnison unterfertigte, vom Kommandierenden Fürsten Windischgrätz einbegleitete Eingabe zugekommen sei1, worin die Garnison über die im Reichstage vorgebrachten Äußerungen der Abgeordneten von Prag – Rieger und Klaudi – über die angebliche Meuterei des Militärs in Prag2 empfindliche Klage führt und die feierliche Erklärung abgibt, daß sie ihre Pflicht stets genau erfüllt habe. General Mensdorff habe keine Befehle an die Garnison in Prag erlassen, sie habe daher auch keinen seiner Befehle übertreten und keine Meuterei begehen können.

Die Prager Garnison dankt übrigens dem Kriegsminister für die Widerlegung der Anklage des Abgeordneten Klaudi im Reichstage3 mit der weiteren Bitte, die nötigen Schritte tun zu wollen, daß die gegen die Garnison ausgesprochenen Beschuldigungen entweder förmlich bewiesen werden, oder daß ihr im Reichstage von den Schuldtragenden eine feierliche Abbitte geleistet werde, widrigenfalls sie nach Beendigung des Reichstages die genannten Abgeordneten als freche Verleumder vor dem Richter belangen müßte.

Dagegen wurde im Ministerrate erinnert, daß die Deputierten für das, was sie im Reichstage sprechen, weder während des Reichstages, noch nach dessen Beendigung zur Verantwortung oder Rechenschaft gezogen werden können; daß das, was ein einzelner im Reichstage vorbringt, nicht das Gewicht habe, als was die Kammer beschließt; brächte man die Sache vor die Kammer, so wäre zu besorgen, daß dieselbe, da die Tatsachen in Prag noch immer nicht genügend aufgeklärt vorliegen, eine Untersuchung der Prager Vorfälle anordnen könnte, was eine große Aufregung hervorbringen und vielleicht dahin führen würde, daß der Reichstag die Entfernung des Kommandierenden Fürsten Windischgrätz verlangt.

Diese Betrachtungen führten zu dem Beschlusse, diese Angelegenheit nicht vor den Reichstag zu bringen, sondern der Kriegsminister hätte dem Fürsten Windischgrätz zu erwidern, daß er die Eingabe der Prager Garnison zur Wissenschaft genommen habe || S. 557 PDF || und ihn aufmerksam zu machen, daß der Zweck der gedachten Eingabe ganz verfehlt würde, wenn die Majorität der Kammer, wofür man nicht gutstehen könne, nicht gegen den Klaudi wäre; daß der Vorbehalt des Verfahrens gegen Klaudi nach dem Reichstage gesetzwidrig und die Stellung eines Deputierten eine Ausnahmsstellung sei; daß der gebrauchten Phrase, worin das Wort Meuterei vorkam, nicht so viel Gewicht beizulegen sei, als die Prager Garnison tut, indem dadurch nur ein Auflehnen gegen die damalige Hofkommission bezeichnet werden wollte; auch werde die Sache dadurch sehr gemildert, daß der Reichstag den gedachten Ausdruck mißliebig aufgenommen hat. Man möge sich daher mit der vom Kriegsminister im Reichstage gegebenen Erklärung zufrieden stellen4.

II. Waffentransporte nach Österreich

Der Minister des Inneren Baron v. Doblhoff brachte zwei Anzeigen zur Kenntnis des Ministerrates a) des Grafen Kueffstein, daß Waffensendungen aus Lüttich transito Böhmen für Wien vorkommen, und b) des Prager Polizeikommissärs Wimmer, worin nebst der Meldung, daß mehrere bekannte Revolutionäre von Berlin nach Wien abgehen, gleichfalls der Waffentransporte nach Wien und durch Galizien nach Jassy erwähnt wird5.

Da die Einfuhr von Waffen und der Handel damit nicht verboten ist, so dürfte gegen diese Waffentransporte derzeit nichts zu verfügen sein6.

III. Bericht Wessenbergs über das Verhältnis zu England und Frankreich

Ferner brachte derselbe Minister ein ihm zugekommenes Schreiben des Conseilspräsidenten, Ministers des Hauses und des Äußern, Freiherrn v. Wessenberg, zur Wissenschaft des Ministerrates, worin derselbe meldet, daß seine Gesundheit nicht die beste sei, und daß er nur noch auf eine Antwort von Innsbruck warte, um sich dann nach Wien zu begeben7. Auch wird darin erwähnt, daß er mit Frankreich und England ein ziemlich gutes Verhältnis hergestellt habe. Die Franzosen seien den Huldigungen nicht feind, und daran habe er es nicht fehlen lassen. Gegenwärtig sei nur zu wünschen, daß die Militärs ihre Ansprüche nicht zu hoch spannen8.

IV. Schreiben Erzherzog Johanns a) wegen Pazifikation Schleswig-Holsteins, b) gegen die Aufhebung des Jesuitenordens in Österreich

Schließlich teilte der Minister des Inneren ein Schreiben des Herrn Erzherzogs Reichsverweser mit, worin Höchstderselbe eröffnet, daß er glücklich in Frankfurt || S. 558 PDF || angekommen sei, eine vortreffliche Wohnung daselbst gefunden und sich nun nur noch um einen Garten zur Erholung umzusehen habe9.

Gegenwärtig beschäftige den Reichsverweser sehr die Pazifikation Schleswig-Holsteins10. Se. kaiserliche Hoheit überschickten zugleich dem hiesigen Ministerium eine an die österreichische Regierung gerichtete Eingabe gegen die Aufhebung der Gesellschaft Jesu in den k. k. Staaten11. Diese Eingabe wird den Akten beigelegt12.

Ges. 15. August. Franz Karl. Vidi.