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Nr. 31 Ministerrat, Wien, 19. Dezember 1914

RS.; P. Ehrhart; VS. Stürgkh; BdE. und anw. (Stürgkh, 19.12.), Georgi, Hochenburger, Heinold, Forster, Hussarek, Trnka, Schuster, Zenker, Engel, Morawski.

[Tagesordnungspunkte]
KZ. 93 – MRZ. 60

Protokoll des zu Wien am 19. Dezember 1914 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh.

I. Vorgang bei Beamtenbeförderungen

I. ℹ️ Der Ministerpräsident erinnert daran, dass sich die Regierung bei Beginn der kriegerischen Verwicklungen auf den Standpunkt gestellt habe, insoweit nicht besondere Verhältnisse im einzelnen Falle ein anderes Vorgehen notwendig erscheinen lassen, zunächst keine Beförderungen im Beamtenkörper vorzunehmen sowie keine einschlägigen au. Anträge zu erstatten1. Sie habe sich hiebei zum Teil von Rücksichten finanzieller Natur, insbesondere aber von der Erwägung leiten lassen, es müsse der Gedanke der Unterordnung der übrigen im Staate zu verfolgenden Zwecke unter die eigentlichen Kriegszwecke und des Zurücktretens an sich berechtigter Interessen gegenüber den Erfordernissen der Wehrkraft auch in dieser Hinsicht klar zum Ausdruck gebracht werden. Dieser Standpunkt, an und für sich berechnet auf den Beginn des Kriegszustandes, hätte sich wohl auch während der ganzen Dauer der kriegerischen Verwicklungen aufrechterhalten lassen, falls, wie dies ja anfangs vielfach erwartet wurde, deren Abschluss innerhalb weniger Monate erfolgt wäre.

Im gegenwärtigen Zeitpunkte aber und nach ungefähr fünf Kriegsmonaten werde es kaum möglich sein, diesen Standpunkt weiter einzunehmen, zumal die Beamtenschaft, die ja zum Teil während des Krieges besonders stark in Anspruch genommen sei und die durchwegs den an sie gestellten Anforderungen mit der größten Opferwilligkeit nachkomme, in der konsequenten Vorenthaltung eines sonst üblichen Avancements eine unverdiente Zurücksetzung erblicken könnte. Wenn also nach dem Vorangeschickten es wohl unbestrittenermaßen am Platze sein dürfte, wiederum Beförderungen vorzunehmen, so ergebe sich doch die Frage, in welchem Umfange dies geschehen solle, weshalb der sprechende Minister die Angelegenheit zur Erörterung stellen wolle.

Der Finanzminister erklärt, sich den vom Ministerpräsidenten geltend gemachten Gründen nicht verschließen zu wollen. Die ursprünglich beabsichtigte strenge Sparsamkeit auf allen Gebieten der inneren Verwaltung habe sich vielfach nicht aufrechterhalten lassen, wie dies zum Beispiel gerade bei der aus Notstandsrücksichten notwendig gewordenen erweiterten Bautätigkeit der Fall gewesen sei2. Überdies kämen derartige Ersparnisse, wie sie etwa das Zurückhalten mit den Beförderungen mit sich bringen würde, gegenüber den seitens der Kriegsverwaltung fortgesetzt in Anspruch genommenen Summen gar nicht in Betracht3. Er würde daher einer mäßigen Handhabung des Beförderungsrechtes nicht entgegentreten, glaube aber, dass man sich im Allgemeinen hiebei im Rahmen der verfügbaren systemisierten Stellen halten solle und dass dort, wo weder sachliche noch persönliche Gründe im konkreten Falle ein Avancement notwendig erscheinen lassen, auch von den verfügbaren Stellen nicht unbedingt Gebrauch zu machen sei. Eine besondere Reserve müsse er ferner hinsichtlich der den Zertifikatisten vorbehaltenen Stellen machen, weil sonst die gesetzlichen Ansprüche der im Felde befindlichen Zertifikatisten verloren gehen könnten.

Der Ministerpräsident billigt die vom Finanzminister befürworteten Einschränkungen. Über die systemisierten Stellen hinauszugehen, werde sich wohl nur bei solchen Ämtern als notwendig erweisen, welche, wie das Ministerratspräsidium, einen systemisierten Stand im eigentlichen Sinne nicht haben und bei welchen daher das Festhalten an dem sonst durchwegs zu billigenden Gesichtspunkte der Beschränkung auf systemisierte Stellen eine Behinderung jeglichen Avancements bedeuten würde. Im Übrigen werde es quaestio facti sein, wie im einzelnen Falle bei grundsätzlicher Festhaltung gewisser Prinzipien den Billigkeitsgründen entsprechend Rechnung getragen werden könne.

Der Ministerrat stimmt den Anschauungen des Ministerpräsidenten beziehungsweise des Finanzministers zu und beschließt, im gekennzeichneten Sinne vorzugehen4.

II. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom steiermärkischen Landtag beschlossenen Gesetzentwurf über Gemeindevermittlungsämter

II. ℹ️ Der Justizminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom steiermärkischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf über Gemeindevermittlungsämter. Der Gesetzentwurf stimmt inhaltlich vollkommen mit dem bereits für Kärnten geltenden Gesetze überein5.

III. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom niederösterreichischen Landtag beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Bewilligung zur Einhebung von Abgaben für den Wasserbezug aus der Gemeindewasserleitung und für den Anschluss an den Fäkalienkanal in der Gemeinde Berndorf

III. ℹ️ Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom niederösterreichischen Landtag beschlossenen Entwurf eines Gesetzes, womit der Gemeinde Berndorf die Bewilligung zur Einhebung von Abgaben für den Wasserbezug aus der Gemeindewasserleitung und für den Anschluss an den Fäkalienkanal in der Gemeinde erteilt wird6.

IV. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom niederösterreichischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Abgabe von Wasser aus der Hochquellenwasserleitung der Gemeinde Karlstetten und die Einhebung der hieraus erfließenden Gebühren

IV. ℹ️ Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom niederösterreichischen Landtag beschlossenen Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abgabe von Wasser aus der Hochquellenwasserleitung der Gemeinde Karlstetten und die Einhebung der hieraus erfließenden Gebühren7.

V. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom mährischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einleitung des Wassers aus der städtischen Wasserleitung in das Innere der Häuser der Stadt Zwittau und die Einhebung von Gebühren für den Wasserbezug

V. ℹ️ Der Minister des Innern erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom mährischen Landtage beschlossenen Entwurf eines Gesetzes betreffend die Einleitung des Wassers aus der städtischen Wasserleitung in das Innere der Häuser der Stadt Zwittau und die Einhebung von Gebühren für den Wasserbezug8.

VI. Anwendung des Amnestierechtes gegenüber Disziplinarstrafen von Staatseisenbahnbediensteten

VI. ℹ️ Der Eisenbahnminister teilt mit, dass er von dem ihm nach den pragmatischen Bestimmungen über das Dienstverhältnis der Staatseisenbahnbediensteten zustehenden Amnestierechte gegenüber Disziplinarstrafen und deren Rechtsfolgen demnächst in einem größeren Umfange Gebrauch zu machen beabsichtige und zwar hinsichtlich solcher Bediensteter, die entweder zur militärischen Dienstleistung eingerückt sind und sich hiebei voll bewährt haben oder die gegenüber den aus Anlass des Krieges gesteigerten Anforderungen in ihrem eigentlichen Dienstbereiche eine besondere verdienstliche Betätigung aufweisen. Die Amnestie, von welcher Delikte aus verächtlicher Gesinnung oder von solcher Schwere, dass sie mit Dienstesentlassung zu ahnden sind, grundsätzlich ausgeschlossen bleiben, werde nicht allgemein, sondern nur individuell erfolgen. Der Handelsminister bemerkt, dass er einen ähnlichen Vorgang hinsichtlich der Post- und Telegrafenanstalt, insoweit bei ihr die maßgebenden Verhältnisse ähnlich liegen, in Erwägung ziehen wolle.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilungen genehmigend zur Kenntnis9.

VII. Denkschrift über die aus Anlass des Krieges seitens der Staatsverwaltung getroffenen Vorsorgemaßnahmen

VII. ℹ️ Der Eisenbahnminister erinnert daran, dass die deutsche Reichsregierung dem Reichstage bei seinem letzten Zusammentritt eine kurz gefasste und sehr übersichtliche Denkschrift vorgelegt habe, welche einen Überblick über alle aus Anlass des Krieges seitens der Staatsverwaltung getroffenen Vorsorgemaßnahmen im weitesten Sinne gewähre10.

Es ergebe sich nun die Frage, ob es nicht angemessen wäre, einen ähnlichen Vorgang auch in Österreich grundsätzlich ins Auge zu fassen, zumal die Bevölkerung über die in dieser Richtung entfaltete intensive Tätigkeit der Regierung doch nicht ganz orientiert sei und sich daher nicht genügend Rechenschaft gebe, dass die relativ günstige Wirtschaftslage in einem vorgeschrittenen Stadium des Krieges zum Teil gewiss auf jene Maßnahmen zurückzuführen sei. Hinsichtlich der Form der Durchführung würde sich insoferne eine Abweichung ergeben, als eine derartige Information bei uns angesichts der Schließung des Reichsrates11 nicht diesem, sondern unmittelbar der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müsste. Weiters fehle es aus dem gleichen Grunde an einem so klar gegebenen Zeitpunkte wie in Deutschland und es könnte vielleicht der Jahresabschluss die richtige Zäsur bilden.

Der Ministerpräsident möchte der Anregung des Eisenbahnministers grundsätzlich zustimmen. Nur was den Termin anbelangt, scheine ihm der Jahresabschluss vielleicht nicht ganz geeignet. Eine Reihe wichtiger einschlägiger Maßnahmen sei eben erst getroffen worden und daher in ihrer öffentlichen Beurteilung noch schwankend, zum Teil seien solche Maßnahmen erst in Vorbereitung.

Der Finanzminister betont, dass eine solche Denkschrift sich wohl auch mit den staatsfinanziellen Fragen beschäftigen müsse und dass es nicht zweckmäßig sein würde, die Transaktionen mit der Bank schon im gegenwärtigen Zeitpunkte in solchem Maße publik zu machen. Auch er würde daher die Maßnahme zwar im Prinzip billigen, jedoch für ihre Verschiebung eintreten.

Der Ministerrat beschließt sohin, eine einschlägige Information der Öffentlichkeit grundsätzlich ins Auge zu fassen und sie innerhalb der einzelnen Ressorts entsprechend vorzubereiten, wobei das Ministerratspräsidium die führende Rolle zu übernehmen hätte. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung bleibt einer späteren Erwägung vorbehalten12.

VIII. Festsetzung von Höchstpreisen für Kartoffel und Hafer

VIII. ℹ️ Der Ackerbauminister teilt mit, dass er mit dem Ausbau der Höchstpreisbestimmungen beschäftigt sei, und zwar handle es sich hier zunächst um zwei Artikel: Kartoffel und Hafer13.

Was die erstere Frucht anbelangt, so sei die entsprechende Verordnung bereits ganz ausgearbeitet und werde in den allernächsten Tagen publiziert werden. Auch hinsichtlich der Bestimmung des Höchstpreises von Hafer seien die Verhandlungen ziemlich weit vorgeschritten. In diesem Belange müsse naturgemäß im Einvernehmen mit Ungarn vorgegangen werden und es sei das Einvernehmen mit der ungarischen Regierung bereits im Wesentlichen hergestellt. Allerdings könne die Bestimmung des Höchstpreises für Hafer nur zu einem ziemlich hohen Ansatze erfolgen, der, nach verschiedenen Gebieten abgestuft, sich im Wesentlichen um die Ziffer von 24 K bewege. Die ungarische Regierung bestand nämlich auf diesem Ansatze und machte geltend, es sei zwischen ihr und der Kriegsverwaltung bereits ein Abkommen getroffen, dass in Zukunft Hafer in Ungarn aufgrund des Kriegsleistungsgesetzes zum Preise von 24 K requiriert werden würde, sodass sie unter keinen Umständen unter diesen Ansatz herabgehen könne. Die Bemühungen des sprechenden Ministers, gegen diesen Standpunkt aufzukommen, seien erfolglos gewesen und er habe sich daher mit den betreffenden Preisbestimmungen befreunden müssen, die immerhin gegenüber den sonst zu gewärtigenden weiteren Steigerungen des Marktpreises einen nennenswerten Vorteil bieten werden.

Der Finanzminister hebt hervor, dass die Kriegsverwaltung, welche in diesem Belange ganz einseitig mit der ungarischen Regierung ein Abkommen getroffen, auch diesmal, wie es schon in anderen Fällen geschehen sei, der Geltendmachung des österreichischen Standpunktes in einer durchaus ungerechtfertigten Weise vorgegriffen habe. In diesem speziellen Falle aber trete die Schädigung des österreichischen Staatsgebietes besonders deutlich zutage. Es sei nämlich klar, dass die Ungarn, die auf dem Gebiete landwirtschaftlicher Artikel vorwiegend als Produzenten erscheinen, ein wesentliches Interesse an hohen Preisen haben; es sei auch ganz zu ihrem Vorteil, wenn die Kriegsverwaltung bei landwirtschaftlichen Lieferungen übermäßig hohe Preise zahle, weil Ungarn den größten Teil des Kaufpreises erhalte, während die ungarischen Finanzen nur quotenmäßig, d. h. ungefähr zu einem Drittel, dafür aufzukommen haben. Für Österreich gäbe das aber einen doppelten Schaden. Einerseits müssen von hieraus quotenmäßig zwei Drittel des an die ungarischen Produzenten zu zahlenden Kaufpreises bestritten werden, andererseits leide das vorwiegend konsumierende Österreich unter den hohen Preisen. Der sprechende Minister habe sich speziell mit der ersterwähnten Seite der Frage zu befassen. Er werde daher neuerlich mit dem Kriegsminister über die Angelegenheit sprechen und für eine bessere Wahrnehmung der österreichischen Interessen eintreten.

Der Ministerrat nimmt die vorstehenden Mitteilungen zur Kenntnis und ersucht den Finanzminister, im angedeuteten Sinne vorzugehen14.

IX. Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom mährischen Landtage beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einführung einer Landes- und Gemeindeabgabe vom Wertzuwachse von Liegenschaften

IX. ℹ️ Der Finanzminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Sanktion für den vom Landtage der Markgrafschaft Mähren beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Einführung einer Landes- und Gemeindeabgabe vom Wertzuwachse von Liegenschaften15.

X. Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung betreffend die Durchführung einer Zwangsliquidation für die auf dem Triester Kaffeemarkte anhängigen Termingeschäfte

X. ℹ️ Der Finanzminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz betreffend die Durchführung einer Zwangsliquidation für die auf dem Triester Kaffeemarkte anhängigen ff.

Der Triester Terminhandel in Kaffee sei in der Abwicklung seiner Geschäfte durch den Ausbruch des Krieges plötzlich unterbrochen worden. Infolge der Unterbindung des Auslandsverkehres habe sich die Unmöglichkeit ergeben, die zur effektiven Erfüllung der im Terminhandel eingegangenen Verpflichtungen erforderlichen Vorräte in ausreichendem Umfange zu beschaffen. Das Bestreben der Verpflichteten, sich so weit als möglich zu decken, würde nun zu schwunghaften Einkaufsversuchen führen, welche die legitimen Konsumentenkreise durch die Steigerung der Preise und die Verminderung der verfügbaren Vorräte empfindlich schädigen würden. Nichtsdestoweniger würden nicht alle Lieferungspflichtigen sich die erforderlichen Mengen beschaffen können und infolgedessen genötigt sein, mit ihren Kontrahenten aus dem Termingeschäfte einen Ausgleich zu schließen, bei dem sie den Letzteren auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wären. Wenn in dieser Beziehung nicht staatlicherseits eingeschritten würde, müsste sich also einerseits ein Nachteil für das Bedürfnis des Publikums nach Kaffee, andererseits eine schwere materielle Schädigung einer Anzahl von Triester Firmen und damit eine kritische Beeinflussung des Wirtschaftslebens in dieser Stadt ergeben, welche unter allen Umständen vermieden werden solle.

Durch die geplante kaiserliche Verordnung, welche im Wesentlichen auf Anträgen aus kommerziellen Kreisen Triests beruht und die Billigung der in Betracht kommenden Faktoren gefunden hat, sollen nun die Modalitäten für die Abwicklung der noch schwebenden und unter den gegebenen Umständen nicht voll realisierbaren Geschäfte geregelt werden. Die besondere technische Dringlichkeit der Angelegenheit liege insoferne vor, als der usancemäßige Lieferungstermin drei Tage vor Monatsschluss zu Ende geht, sodass es notwendig erscheine, die Abrechnung noch vor den Feiertagen durchzuführen16.

XI. Suspension einiger Bestimmungen der Statuten der Oesterreichisch-ungarischen Bank

XI. ℹ️ Der Finanzminister erinnert daran, dass zufolge der kaiserlichen Verordnung vom 4. August 1914, RGBl. Nr. 198, und des ungarischen Gesetzartikels vom Jahre 1912 betreffend Ausnahmsverfügungen für den Kriegsfall17 die Regierungen ermächtigt seien, von den Bankstatuten abweichende Bestimmungen in Wirksamkeit zu setzen.

Von dieser Ah. Ermächtigung habe man bereits bei Eintritt des Kriegszustandes Gebrauch gemacht18 und neben jenen Bestimmungen der Statuten, die behufs Abschluss der staatsfinanziellen Transaktionen mit der Bank außer Kraft gesetzt werden mussten, auch andere Bestimmungen, darunter die über die Veröffentlichung der Wochenübersichten, zeitweilig aufgehoben19. Dieselben Momente, welche für das Wegfallen der Wochenberichte der Bank während der Kriegsdauer sprechen, lassen es wünschenswert erscheinen, auch die Bilanz der Bank, die ja aus denselben Elementen bestehe, wie die Wochenausweise, vorerst nicht zur Veröffentlichung zu bringen und daher die Generalversammlung, in der die Bilanz mitzuteilen wäre, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Es wurden sohin im Einvernehmen mit der ungarischen Regierung die in dieser Richtung erforderlichen Maßnahmen getroffen und speziell auch hinsichtlich jener Konsequenzen, welche sich für die Gestion der Bank aus der Verschiebung der Generalversammlung ergeben, das Entsprechende vorgekehrt.

Der Ministerrat nimmt diese Mitteilungen genehmigend zur Kenntnis20.

XII. Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung betreffend die Verwendbarkeit der Teilschuldverschreibungen der vom Herzogtume Bukowina aufgrund der mit dem Landesgesetze vom 11. April 1914, Landesgesetz- und Verordnungsblatt Nr. 24, erteilten Anlehensbewilligung aufzunehmenden Anleihe zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien

XII. ℹ️ Der Finanzminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer kaiserlichen Verordnung aufgrund des § 14 Staatsgrundgesetz betreffend die Verwendbarkeit der Teilschuldverschreibungen der vom Herzogtume Bukowina aufgrund der mit dem Landesgesetze vom 11. April 1914, Landesgesetz- und Verordnungsblatt Nr. 24, erteilten Anlehensbewilligung aufzunehmenden Anleihe zur fruchtbringenden Anlegung von Stiftungs-, Pupillar- und ähnlichen Kapitalien21.

Die Gewährung der Mündelsicherheit für Landesanlehen entspreche einer stets festgehaltenen Übung, von der gegenüber der Bukowina abzugehen kein Grund vorliege. Hiebei müsse unter den gegebenen Verhältnissen natürlich der Weg des Notverordnungsrechtes beschritten werden. Die technische Dringlichkeit sei insoferne gegeben, als das Land gerade jetzt auf den Erlös des Anlehens in ganz besonderem Masse angewiesen sei. Übrigens handle es sich vorläufig nicht um die Emittierung des Anlehens in den Kreisen des Publikums, sondern lediglich um die Durchführung eines Lombardgeschäftes mit einem Wiener Finanzinstitute. Sollte die Regierung die Zuerkennung der Pupillarsicherheit verweigern, was angesichts der vorerwähnten Übung geradezu auf eine Disqualifizierung des in Rede stehenden Landesanlehens hinausliefe, so würde jenes Lombardgeschäft gefährdet oder unmöglich gemacht werden. Immerhin habe die Zuerkennung vorläufig nur eine formelle Bedeutung; praktisch werde sie erst in Betracht kommen, wenn in einem späteren Zeitpunkte an die tatsächliche Begebung des Anlehens geschritten wird22.

XIII. Staatliche Hilfeleistung für den galizischen Bodenkreditverein

XIII. ℹ️ Der Finanzminister möchte dem Ministerrat ein Projekt mitteilen, durch welches dem in eine schwierige Lage gelangten galizischen Bodenkreditverein23 staatlicherseits zu Hilfe gekommen werden soll.

Der genannte Verein sei ein erstklassiges Unternehmen, überdies nicht auf Gewinn berechnet, sondern zur landwirtschaftlichen Hebung Galiziens bestimmt und daher gewiss an sich im hohen Grade förderungswürdig. Nun habe dieser Verein mit 1. Jänner kommenden Jahres einen Coupon von 5 Millionen Kronen einzulösen, wozu er natürlich nicht imstande sei, weil für die von ihm ausgegebenen Hypothekardarlehen unter den gegenwärtigen Verhältnissen keine Zinsen und Amortisationsraten gezahlt werden und auch nicht gezahlt werden können. Würde nun jener Coupon notleidend werden, so wäre dies politisch und wirtschaftlich von sehr nachteiliger Wirkung. In früherer Zeit habe man sich in solchen Fällen damit geholfen, dass man förderungswürdigen Finanzunternehmungen im Wege der Elozierung zu niederem Zinsfuß für einen bestimmten Zeitraum Staatsgelder zur Verfügung stellte. Von diesem Mittel der Elozierung sei aber in den letzten Jahren nach dem im Ministerrate festgehaltenen Grundsatze24 nicht mehr Gebrauch gemacht worden und der sprechende Minister würde es auch gewiss nicht befürworten, wieder auf die ursprüngliche Praxis zurückzukommen. Im Falle des galizischen Bodenkreditvereines sei es aber am Platze eine Ausnahme zu machen, zumal es sich nicht um eine solche Elozierung im eigentlichen Sinne handeln würde, sondern eine Transaktion stattfinden könnte, vermöge welcher die Staatshilfe nur in indirekter Weise geleistet wird. Die Möglichkeit hiezu habe sich durch das Dazwischentreten der galizischen Landesbank und der Postsparkasse ergeben. Die galizische Landesbank habe nämlich teils durch eigene Zeichnung, teils durch Vermittlung bei ihren Klienten einen Betrag von etwas über 3½ Millionen Kronen zur Kriegsanleihe übernommen, den sie nunmehr an die Postsparkasse abzustatten hat. Sie wäre nun bereit, falls ihr die Abstattung dieses Betrages an die Postsparkasse gestundet würde, ihn für eine gleich lange Zeit dem galizischen Bodenkreditverein zur Verfügung zu stellen, der sich dadurch aus seiner kritischen Lage befreien könnte. Die Postsparkasse wäre in der Lage, auf diese Stundung einzugehen, da sie nach dem geplanten Zinsenarrangement dadurch keineswegs einen Verlust erleiden würde. Der restliche für den Coupon des galizischen Bodenkreditvereines erforderliche Betrag von nicht ganz 1½ Millionen Kronen würde gleichfalls durch Vermittlung der Landesbank von der Postsparkasse zur Verfügung gestellt werden. Letztere würde weitgehende Sicherungen erhalten und insbesondere ihre Forderungen nach Wahl gegenüber der galizischen Landesbank oder dem galizischen Bodenkreditverein geltend machen können. Da auf der einen Seite das dringende Bedürfnis zur Sanierung eines sehr förderungswürdigen Unternehmens, auf der anderen Seite aber die Möglichkeit einer solchen Transaktion gegeben sei, die weder mit dem vom Ministerrate in den letzten Jahren festgehaltenen Standpunkte hinsichtlich von Elozierungen im Widerspruche stehe, noch die staatlichen Interessen, sei es unmittelbar, sei es im Wege der Postsparkasse, irgendwie gefährde, so beabsichtige der sprechende Minister auf die dargelegte Modalität einzugehen. Sektionschef von Morawski befürwortet das Projekt vom Standpunkte der galizischen Wirtschaftsinteressen auf das Lebhafteste.

Der Ministerrat nimmt die Mitteilungen des Finanzministers genehmigend zur Kenntnis25.

XIV. Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Notar Gustav Molitor in Gratzen

XIV. ℹ️ Der Justizminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse für den Notar Gustav Molitor in Gratzen anlässlich der Zurücklegung des Amtes. Der Genannte ist während seiner mehr als 27-jährigen Amtswirksamkeit als Notar seinen Berufspflichten stets mit besonderer Gewissenhaftigkeit und Pünktlichkeit nachgekommen. Er hat sich auch sonst im öffentlichen Leben, und zwar als Mitglied des Gemeindeausschusses, der Bezirksvertretung und des Bezirksschulrates Gratzen, ferner als Mitglied der Notariatskammer Budweis und Stellvertreter des Kammerpräsidenten in anerkennenswerter Weise betätigt. Auch auf humanitärem Gebiete, insbesondere im Rahmen des Roten Kreuzes und sonstiger Unternehmungen zur Förderung der Wohlfahrtspflege hat er sich verdient gemacht26.

XV. Wiederbesetzung des Fürstbistums Gurk

XV. ℹ️ Der Minister für Kultus und Unterricht erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates, für die Wiederbesetzung des Fürstbistums Gurk den Professor am Landrealgymnasium in Mödling Dr. Adam Hefter27 an Ah. Stelle au. in Antrag zu bringen. Nach dem bestehenden Turnus erfolge die Besetzung des Fürstbistums Gurk im vorliegenden Falle durch landesfürstliche Ernennung. Der in Vorschlag zu Bringende ist 1871 zu Prien in Bayern geboren, wurde 1894 ordiniert und betätigte sich mehrere Jahre in der Seelsorge der Gurker Diözese. Er widmete sich hierauf dem Studium der Klassischen Philologie, erwarb die Lehrbefähigung für Obergymnasien und das Doktorat der Philosophie. 1903 wurde er Professor am Landesreal- und Obergymnasium in Klosterneuburg und mit Beginn des Schuljahres 1914/15 an das Landesrealgymnasium in Mödling berufen. Hefter ist überaus kenntnisreich und tatkräftig. Kardinal Piffl28, der ihn von seiner Wirksamkeit in Klosterneuburg her genauestens kennt, hegt die beste Meinung von ihm und billigt ihm die für das infrage kommende hohe geistliche Amt infrage kommenden Qualitäten im vollsten Maße zu. Die Zustimmung des Heiligen Stuhles erscheint zugesichert29.

XVI. Erwirkung des Kommandeurkreuzes des Leopoldordens für den Vizepräsidenten der Finanzlandesdirektion in Prag Josef Ritter v. Tersch

XVI. ℹ️ Der Finanzminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung des Kommandeurkreuzes des Leopoldordens für den Vizepräsidenten der Finanzlandesdirektion in Prag Josef Ritter v. Tersch. Der Genannte scheidet nach einem überaus verdienstlichen 39-jährigen Wirken aus dem Staatsdienste. Er hat sich in den verschiedensten Verwendungen, insbesondere aber auch auf dem schwierigen Posten des Vizepräsidenten der Finanzlandesdirektion in Prag, den er durch 14 Jahre bekleidete, auf das Vorzüglichste bewährt. Mit Rücksicht auf die Überschreitung des 60. Lebensjahres hat er den gesetzlichen Anspruch auf willfahrende Erledigung seines Pensionsgesuches30.

XVII. Ernennung mehrerer Finanzlandesdirektoren

XVII. ℹ️ Der Finanzminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung der Ah. Ernennung des Vizepräsidenten der Finanzlandesdirektion und Finanzlandesdirektors in Brünn Vladimir Hanačik zum Vizepräsidenten der Finanzlandesdirektion in Prag, ferner des Hofrates und Finanzdirektors in Troppau Dr. Viktor Schiller zum Finanzlandesdirektor in Brünn, endlich des Hofrates der Finanzlandesdirektion in Brünn Friedrich Nentwich zum Finanzlandesdirektor in Troppau. Die Genannten erscheinen durch ihre vorzügliche Begabung, reiche Erfahrung und höchst verdienstliche Betätigung auf ihren bisherigen Dienstposten für die infrage kommenden Stellen vollständig geeignet31.

XVIII. Gnadenweise Erhöhung der Versorgungsgenüsse für die Finanzratswitwe Marie Steidler

XVIII. ℹ️ Der Finanzminister erbittet und erhält die Zustimmung des Ministerrates zur Erwirkung einer gnadenweisen Erhöhung der Versorgungsgenüsse für die Finanzratswitwe Marie Steidler. Der Gatte der Genannten, Emerich Steidler, hat mehr als 27 Jahre, zuletzt als Finanzrat und Leiter der Gebührenabteilung der Finanzbezirksdirektion Olmütz gedient und endete im Juni 1914 durch Selbstmord. Er war ein selten pflichteifriger, ungemein gewissenhafter Beamter, der in absehbarer Zeit der Beförderung in die VI. Rangsklasse teilhaftig geworden wäre, den jedoch seine durch Überanstrengung im Dienste geförderte hochgradige Nervosität, verbunden mit Aufregungen im Dienste, in den Tod trieb. Die Witwe, Mutter zweier Mädchen im Alter von 13 und zehn Jahren, ist gänzlich vermögenslos und einer gnadenweisen Berücksichtigung durchaus würdig. Der Finanzminister beabsichtigt daher für die Genannte ganz ausnahmsweise die ag. Bewilligung einer Gnadenzulage jährlicher vierhundert (400) Kronen zur normalmäßigen Witwenpension und von Gnadengaben jährlicher je achtzig (80) Kronen zu den normalmäßigen Erziehungsbeiträgen auf die gesetzliche Dauer dieser Bezüge zu erwirken32.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 8. Februar 1915. Franz Joseph.