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Nr. 70 Ministerrat, Wien, 17. April 1872

RS. und bA.; P. Weber; VS. Auersperg; BdE. und anw. (Auersperg 17. 4.); Lasser 20. 4., Banhans 21. 4., Stremayr, Glaser, Unger, Chlumecký 25. 4., Pretis, Horst 28. 4.

[Tagesordnungspunkte]
KZ. 1388 – MRZ. 55

|| || Protokoll des zu Wien am 17. April 1872 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Durchlaucht des Herrn Ministerpräsidenten Fürsten Auersperg.

I. Gesetzentwurf des Salzburger Landtages über Eisenbahnzufahrtsstraßen

I. ℹ️ Der Minister des Innern referiert über einen vom Salzburger Landtag beschlossenen Gesetzentwurf betreffend die Zufahrtsstraßen zu Eisenbahnen.1

|| || Dieser Gesetzentwurf ist vom Landtag vollständig übereinstimmend mit jenen Andeutungen beschlossen worden, welche dem Landesausschusse von den Ministerien des Innern und des Handels zur Berücksichtigung bei der Umarbeitung eines früher im Wege des Landeschefs im Jahre 1870 vorgelegten Entwurfs zugekommen waren. Erst aus Anlass des Einlangens von analogen Gesetzentwürfen anderer Landtage tauchte im Schoße des Ministeriums ein Bedenken auf, dass den Minister selbst im ersten Augenblick zweifeln ließ, ob die Ah. Sanktionierung des Gesetzes beantragt werden kann. Nach § 6 des Entwurfes sind nämlich zu der von Fall zu Fall festzustellenden Konkurrenz für derlei Zufahrtsstraßen einzubeziehen: a) die Eisenbahnen, b) alle Gemeinden, welchen aus der Kommunikation ein direkter Nutzen zukommt, || || c) jene Werkbesitzer und industriellen Unternehmungen, deren Interesse durch die Herstellung der Straße hervorragend gefördert wird. Das im Ministerium des Innern erhobene Bedenken besteht in der prinzipiellen Heranziehung der, der Landesgesetzgebung nicht unterliegenden Eisenbahnen zur Straßenkonkurrenz. Nach sorgfältiger Erwägung kam der Minister zu dem Entschlusse, über diesen Anstand, da er ihm nicht jenes Gewicht beimessen kann, um deshalb das ganze Gesetz zurückzuhalten, hinwegzugehen und somit, wenn der Ministerrat zustimmt, den au. Antrag auf die Ah. Sanktionierung des Gesetzentwurfes zu stellen. Grundsätzlich scheine ihm die Beitragspflicht der Eisenbahnen ganz begründet. Die Landesgesetze, welche in Betreff des Straßenwesens in den verschiedenen Ländern || || bestehen, enthalten durchwegs die Bestimmung, dass neben den regelmäßigen Konkurrenzkörpern (Land, Bezirk, Gemeinde) alle Etablissements beitragspflichtig sind, die einen Nutzen aus der zu schaffenden Kommunikation ziehen. Dass dies von Eisenbahnen, welchen durch die Zufahrtsstraßen Verkehrsobjekte zugeführt werden, ganz vorzugsweise gilt, unterliege keinem Zweifel. Vom Gesichtspunkte dieses für alle Konkurrenzstraßen geltenden Grundsatzes wären die Eisenbahnen schon nach Punkt c) konkurrenzpflichtig, selbst wenn sei nicht sub a) speziell angeführt wurden. Die Gefahr einer Vergewaltigung der Eisenbahngesellschaften sei nicht vorhanden, weil falls ein Vergleich über die Konkurrenzquote nicht zustande kommt, die Entscheidung der Statthalterei einvernehmlich mit dem Landesausschusse zukommt, und gegen diese der Rekurs an die Ministerien des Innern || || und des Handels offensteht. Der Handelsminister findet es gleichfalls ganz in der Billigkeit begründet, dass die Eisenbahnen zur Herstellung der Zufahrtsstraßen Beiträge leisten, und nachdem in dem Gesetzentwurfe eine Quote nicht fixiert ist, die Entschädigung vielmehr von Fall zu Fall stattfindet, und in letzter Instanz den Ministerien des Innern und des Handels vorbehalten ist, so erhebt er keine Einwendung.

Nachdem sich auch der Finanzminister zustimmend ausgesprochen, wird der Minister des Innern einhellig ermächtigt, für den erwähnten Gesetzentwurf die Ah. Sanktion einzuholen.2

II. Gesetzentwurf des galizischen Landtages betreffend die Einsetzung einer ständigen Landtagskommission zu Ausarbeitung eines Propinationsablösungsgesetzes

II. ℹ️ Der galizische Landtag hat einen Gesetzentwurf betreffend die Einsetzung einer ständigen, || || aus neun Mitgliedern bestehenden Landtagskommission beschlossen, welcher die Aufgabe gestellt wird, für den nächsten Landtag einen Gesetzentwurf über die Ablösung des Propinationsrechtes auszuarbeiten.3

Der Minister des Innern hält diesen Gesetzentwurf nicht für geeignet, zu Ah. Sanktionierung empfohlen zu werden. Die Bestellung einer aus Landtagsmitgliedern bestehenden, außerhalb der Landtagssession tagenden Kommission involviert so weittragende Konsequenzen, dass er sich schon prinzipiell dagegen erklären müsste, wenn auch nicht noch der formelle Anstand hinzukäme, dass der Gesetzentwurf als eine Änderung der Landesverfassung der Zustimmung der Zweidrittelmajorität des Landtages bedürfen würde, während der vorliegende Entwurf bloß mit einfacher Majorität zustande kam. Eine Notwendigkeit für die || || Bestellung der Landtagskommission liege gleichfalls nicht vor, da es dem Landesausschusse, wenn er sich mit der Ausarbeitung eines Propinationsablösungsgesetzes beschäftigen wollte, anheimgestellt bleibt, sich die Einsicht und Kenntnisse jener neun Abgeordneten, welche in eventum der Ah. Genehmigung des Gesetzentwurfes sofort für die Landtagskommission gewählt wurden, dadurch nutzbar zu machen, dass er selbe als Experten beizieht, wozu er verfassungsmäßig berechtigt ist.

Die Konferenz ist einhellig einverstanden, dass der erwähnte Gesetzentwurf sich nicht eignet, Sr. Majestät zur Ah. Sanktionierung empfohlen zu werden.4

III. Majestätsgesuch des Sektionsrats Karl Frh. v. Münch-Bellinghausen um Übertragung des Freiherrnstandes auf seine Adoptivtochter Karoline Schaetzel

III. ℹ️ Der Minister des Innern wird einhellig ermächtigt, dass der Ah. Bezeichnung || || gewürdigte Majestätsgesuch des Sektionsrates im Ministerium des Äußern, Karl Frh. v. Münch-Bellinghausen und dessen Gattin, um die Ag. Bewilligung, den Freiherrnstand auf ihre Adoptivtochter Karoline Schaetzel übertragen zu dürfen, bei Sr. Majestät au. zu befürworten.5

IV. Antrag auf Verleihung der Eisernen Krone III. Klasse an den fürstlich Liechtensteinschen Landesverweser Carl Haus v. Hausen

IV. ℹ️ Der Reichskriegsminister hat sich über Antrag des Militärgeographischen Instituts mit dem Ersuchen an den Minister des Innern gewendet, dem Landesverweser des Fürstentums Liechtenstein, Karl Haus v. Hausen eine Ah. Anerkennung für die willfährige Unterstützung zu erwirken, die derselbe den kaiserlich österreichischen Militärorganen bei der im Jahre 1871 erfolgten Aufnahme des Fürstentums zu Teil werden ließ.

Carl Haus v. Hausen war vormals österreichischer Bezirks|| || vorsteher und wurde, vom Fürsten Liechtenstein als Chef der Landesverwaltung des Fürstentums akquiriert, bei seinem Austritte aus dem österreichischen Staatsdienste mit dem Ritterkreuze vom Franz-Joseph-Orden ausgezeichnet. Der Statthalter von Tirol berichtet, dass der genannte fürstlich Liechtensteinsche Landesverweser sich die Förderung der günstigen Beziehung zwischen der Verwaltung des Fürstentums und den diesseitigen Behörden bei jeder Gelegenheit eifrig angelegen sein lässt. Der Minister des Innern will sich sonach über die Empfehlung des Reichskriegsministers und des Statthalters von Tirol erlauben, für den Genannten bei Sr. Majestät die Ag. Verleihung des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse au. zu beantragen.

Der Ministerrat stimmt einhellig bei.6

V. Unrichtigkeit der Notiz über die Widmung eines Pferderennpreises von 80.000 fl. aus der Weltausstellungsdotation

|| || V. ℹ️ Der Handelsminister ist in der Lage, mit Beziehung auf die in der Konferenz vom 22. März 1872 zur Sprache gekommene Notiz, dass der Generaldirektor Baron Schwarz für ein anlässlich der Weltausstellung zu veranstaltendes internationales Wettrennen einen Rennpreis von 80.000 fl. aus dem Weltausstellungsfonds gewidmet haben soll, zu konstatieren, dass Baron Schwarz zu diesem Zwecke aus dem ihm zur Disposition gestellten Fonds keinen Betrag bewilligt hat.7

VI. Projekt wegen Übergabe des Telegrafenkorrespondenzbüros an ein Konsortium

VI. ℹ️Der Handelsminister beantragt zur Vorberatung des durch eine ihm vorliegende Eingabe in Anregung gebrachten Projektes, das Telegrafenkorrespondenzbüro an ein Konsortium zu übergeben, die Bestellung eines Komitees, bestehend aus den Ministern des Innern, der Finanzen, Minister Dr. Unger und dem Handelsminister.

|| || Der Ministerrat akzeptiert diesen Antrag.8

VII. Majestätsgesuch der österreichischen Nordwestbahngesellschaft wegen nachträglicher Ausgabe von Obligationen, und im Zusammenhang damit – Eingabe des Wiener Gemeinderates wegen Herstellung von Durchlässen in der Nordwestbahn

VII. Dem Handelsminister liegt ein der Ah. Bezeichnung gewürdigtes Majestätsgesuch der österreichischen Nordwestbahngesellschaft vor, worin dieselbe um die Bewilligung bittet, zum Behufe des Ausbaues der ganzen Strecke nachträglich 4,685.000 fl. in garantierten, und 1,255.000 fl. in nicht garantierten Obligationen emittieren zu dürfen.

Die in einer Separateingabe an den Handelsminister auseinandergesetzten Gründe scheinen dem Handelsminister der Art zu sein, dass er in der Lage zu sein glaubt, die Ag. Gewährung dieses Gesuches zu befürworten. Da aber der Gegenstand von großer Wichtigkeit ist, und sowohl finanzielle als juridische Fragen dabei zu erörtern kommen, so hält er es für zweckmäßig, denselben || || der Vorberatung durch ein Komitee zu unterziehen, für welches er den Minister des Innern, den Finanzminister und Justizminister vorschlägt. In Zusammenhang damit steht eine an das Gesamtministerium gerichtete Vorstellung der Gemeindevertretung Wiens gegen eine Entscheidung des Handelsministeriums in Betreff einiger Durchlässe, deren Herstellung die Gemeinde von der österreichischen Nordwestbahn verlangt. Diese Eingabe wäre demselben Komitee zur Prüfung zu übergeben.

Die Konferenz erklärt sich mit vorstehenden Anträgen einhellig einverstanden.9

VIII. Ah. Sanktionierung des Gesetzes wegen Sicherstellung der Bombay-Linie

VIII. ℹ️ Der Handelsminister bringt die erfolgte Ah. Sanktionierung des Gesetzes wegen Sicherstellung der Lloydpostfahrten auf der Linie TriestBombay zur Kenntnis des Ministerrates.10

IX. Antrag auf Verleihung der Eisernen Krone III. Klasse an den kaiserlichen Rat und Landesadvokaten Dr. Friedrich Edlmann in Klagenfurt

|| || IX. ℹ️ Der Justizminister wird mit einhelligem Beschluss ermächtigt, für den Klagenfurter Landesadvokaten und kaiserlichen Rat Dr. Friedrich Edlmann, welcher nach 50 jähriger Praxis die Advokatie niederlegt, in Anerkennung seiner vieljährigen verdienstlichen Tätigkeit in allen Zweigen der Rechtspflege und seines sonstigen gemeinnützigen Wirkens, dem Antrage des Grazer Oberlandesgerichts und des Klagenfurter Landespräsidiums gemäß, die Ag. Verleihung der Eisernen Krone III. Klasse,11 und

X. Antrag auf Verleihung der Eisernen Krone III. Klasse an den Titularhofrat Oberstaatsanwalt Dr. Eduard Ritter v. Liszt

X. ℹ️ für den Oberstaatsanwalt des Wiener Oberlandesgerichtes, Titularhofrat Dr. Eduard Ritter v. Liszt, in Anerkennung seiner vorzüglichen und treuen Dienstleistung gleichfalls die Ag. Verleihung der Eisernen Krone III. Klasse von Sr. Majestät au. zu erbitten.12

XI. Antrag auf Verleihung des Komturkreuzes vom Franz-Joseph-Orden an den Gutsbesitzer Major a. D. Ritter v. Náchodský

|| || XI. ℹ️ Der Ministerpräsident gibt bei diesem Anlasse zu erwägen, ob es nicht angemessen wäre, für den Gutsbesitzer von Gbell in Böhmen, Major außer Dienst Ritter v. Náchodský, welcher sich den Wahlagitationen der nationalfeudalen Partei gegenüber in so loyaler Weise benommen, und als durch 59 Jahre der kaiserlichen Armee angehöriger Veteran einen Aufruf an seine Kameraden im böhmischen Großgrundbesitze erlassen hat, worin er sie an ihre Pflicht erinnert, bei der bevorstehenden Wahl im Sinne der kaiserlichen Regierung zu stimmen, bei Sr. Majestät um eine Ag. Anerkennung au. einzukommen.13

Náchodský sei über 80 Jahre alt, habe zwölf Söhne gehabt, wovon einige auf dem Felde der Ehre geblieben sind, zwei schwer verwundet wurden, und noch andere als brave Offiziere in der Armee dienen, und sei eine so bekannte Persönlichkeit, dass es nicht notwendig || || sein dürfte, zur Instruierung des au. Vortrags nähere Notizen einzuholen. Zudem bringe das heutige „Vaterland“ eine Gegenerklärung mehrerer anderer Offiziere (darunter des Majors Carl Fürsten Schwarzenberg, FML. Baron Leopold Malowetz, Oberstleutnant Graf Sigmund Nostitz, Major Fürst Johann Lobkowitz, Major Baron Hrubý u. a.), worin sie die Loyalität für sich in Anspruch nehmen und des Erachtens sind, dass in ihren Bestrebungen das Heil der Ah. Dynastie zu finden ist.14 Es sei eine ganz eigentümliche Loyalität, einen Regierungskommissär aus einer Versammlung zu vertreiben, dabei stets den Ah. Namen zu missbrauchen und mit dem kaiserlichen Vertrauen zu prahlen. Auf diese Erklärung schiene ihm eine Ah. Anerkennung für Náchodský || || gerade in dem gegenwärtigen Augenblicke eine passende Erwiderung. Der Ministerpräsident würde sich erlauben, die Ag. Verleihung des Komturkreuzes vom Franz-Joseph-Orden für Náchodský in Vorschlag zu bringen. Der Minister des Innern ist mit diesem Antrage vollkommen einverstanden, und würde einen Wert darauflegen, wenn dieser Ah. Auszeichnungsakt vor der Wahl erfolgen könnte. Er erklärt sich bereit, sofort einen kurzgefassten au. Vortrag an Se. Majestät zu erstatten.

Die Konferenz tritt dem Antrage des Ministerpräsidenten einhellig bei.15

XII. Wahlmanöver der Gegenpartei durch Verbreitung eines fingierten Briefes des Gutsbesitzers Berger Ritter v. Bergenthal

XII. ℹ️Der Ministerpräsident produziert als einen Beweis, zu welchen Mitteln die Ge|| || genpartei bei den Wahlagitationen ihre Zuflucht nimmt, den beiliegenden angeblich bei Giesecke in Leipzig gedruckten, an alle verfassungstreuen Wähler versendeten und in den tschechisch-feudalen Blättern veröffentlichten Brief des Gutsbesitzers Karl Berger Ritter v. Bergenthal.a,16

Abgesehen davon, dass dieser Brief, worin Ritter v. Bergenthal mitteilt, dass er im Jahre 1867 wegen Wechselfälschung kriegsrechtlich verurteilt, des Offizierscharakters sowie des Adelsgrades für verlustig erklärt und nun, „durch Ah. Gnadenakt wieder berufen wurde die Reihe des verfassungstreuen Adels auszufüllen“, schon in seinem Inhalt und in dem Datum (Forst, 1. April 1872) den klaren Stempel der Mystifikation trägt, hat überdies heute der aus Prag hieher zurückgekehrte Graf Hartig versichert, dass dieser Brief fingiert ist, offenbar zu dem Zwecke, um || || zu zeigen, dass Wechselfälscher in den Reihen der Verfassungspartei kämpfen. Der Ministerpräsident bemerkt hiezu, dass der Einfluss, den er auf diesen Ah. Gnadenakt genommen, mit den Wahlen in keinem Zusammenhange steht. Bergenthal habe mit ihm gedient, sei zwei Jahre bei seiner Schwadron gewesen, an seiner Seite bei Solferino blessiert worden, und habe sich, als der Ministerpräsident ins Amt trat, mit der Bitte um Erwirkung der Ah. Gnade an ihn gewendet. Dieser Bitte habe der Ministerpräsident Gehör gegeben, und die Angelegenheit in Verhandlung genommen. Dies sei aber geschehen, lange bevor noch von den Wahlen in Böhmen die Rede war.17

XIII. Antrag auf Ernennung des Vizepräsidenten der Wiener Finanzlandesdirektion, Frh. Julius v. Schröckinger zum zweiten Sektionschef im Ackerbauministerium

XIII. ℹ️ Der Ackerbauminister beabsichtigt aus Anlass der erfolgten Übernahme der obersten Leitung der Forstdomänen- und Montanverwaltung (aus|| || schließlich der Salinen) die Systemisierung einer zweiten Sektionschefsstelle im Ackerbauministerium, wofür eine Sektionschefsstelle im Finanzministerium eingeht, und die Ernennung des Vizepräsidenten der Wiener Finanzlandesdirektion, Julius Frh. v. Schröckinger, zum zweiten Sektionschef im Ackerbauministerium bei Sr. Majestät au. zu beantragen.18

Baron Schröckinger habe den Ruf, und zwar nach der persönlichen Überzeugung des Ackerbauministers den wohlverdienten Ruf eines Beamten von viel Energie und Leitungsgabe, sei selbst Naturforscher und als solcher im Besitze sehr schätzbarer naturwissenschaftlicher Kenntnisse, die ihm bei diesem Posten zustattenkommen werden.

Aus diesen Gründen, und wenngleich Schröckinger kein eigentlicher Fachmann, oder vielmehr, weil er kein eigentlicher Fachmann sondern in erster Linie ein Administrativ|| || talent ist, sei die Wahl des Ackerbauministers auf ihn gefallen, da die Erfahrung lehrt, dass Theoretiker vom Fach sich zur obersten Leistung administrativer Behörden weniger eignen. Er ersucht um die Zustimmung der Konferenz zu dem beabsichtigten au. Antrage. Der Finanzminister gibt, obwohl mit Bedauern, seine Zustimmung, da Schröckinger einer der tüchtigsten Finanzlandesdirektoren ist, und auf diesem Posten schwer zu ersetzen sein wird.

Der Ministerrat ist mit dem Antrage des Ackerbauministers einhellig einverstanden.19

XIV. Vorberatung des Entwurfes eines Fischereigesetzes

XIV. ℹ️ Der Ackerbauminister bringt zur Sprache, dass der Entwurf eines bei den Landtagen als Regierungsvor|| || lage einzubringenden Fischereigesetzes noch unter der früheren Regierung den verschiedenen Ministerien mitgeteilt worden ist.20

Aus der bezüglichen Korrespondenz liege eine Note des Justizministeriums vor, worin die Kompetenzfrage behandelt, das Fischereirecht als Privatrecht erklärt und daher als Gegenstand der Reichsgesetzgebung vindiziert wird. Nach der Ansicht des Ackerbauministers liege hierin eine allzu große Einengung der landtäglichen Kompetenz. Er sieht sich zu dem Antrage veranlasst, die Konferenz möge ihn ermächtigen, Abgeordnete der beteiligten Ministerien in einem Komitee zu vereinen, in welchem das Fischereigesetz noch einmal der Beratung unterzogen werden soll. Dabei wäre der Vorgang zu beobachten, dass das Komitee zunächst das Gesetz in toto, ohne Rücksicht auf die Kompetenzfrage in Beratung nimmt, und sodann die Frage in Erwägung zieht, || || welche Bestimmungen als Gegenstand der Reichsgesetzgebung anzusehen, und in eine Separatvorlage für den Reichsrat zusammenzufassen sein werden.

Die Konferenz genehmigt einhellig diesen Antrag.21

XV. Antrag auf Verleihung des Ritterkreuzes vom Leopoldorden an den Ministerialrat Ritter v. Rehorovszký

XV. ℹ️ Der Ministerrat gibt einhellig seine Zustimmung zu der vom Finanzminister beabsichtigten Erwirkung des Ritterkreuzes vom Leopoldorden für den nach vieljähriger ausgezeichneter Dienstleistung wegen vorgerückten Alters in den Ruhestand tretenden Ministerialrat Dr. Nikolaus v. Rehorovszký.22

XVI. Replik über die Entschädigungsklage der Gemeinde Hirschstetten

XVI. ℹ️ Der Landesverteidigungsminister bringt mit Beziehung auf seinen in der Konferenz vom 12. April 1872 (Protokoll Nr. 54 XIII) gehaltenen Vortrag in Betreff || || der an das Reichsgericht zu erstattenden Duplik über die von mehreren Grundbesitzern aus Hirschstetten gegen das Ärar eingebrachte Entschädigungsklage zur Kenntnis, dass das zur Beratung dieses Gegenstandes bestellte Komitee der Anschauung des Landesverteidigungsministeriums sich vollkommen angeschlossen hat.23

Hiernach wird das Reichsgericht nach Widerlegung der Ausführungen der Replik neuerlich ersucht werden, die Klage als zur Kompetenz des Reichsgerichtes nicht gehörig zurückzuweisen. Minister Dr. Unger fügt bei, es sei allerdings sehr möglich, dass das Reichsgericht ungeachtet der Inkompetenzeinwendung sich doch für kompetent erklären dürfte, schon mit Rücksicht darauf, dass es sich in zwei ähnlichen Prozessen für kompetent erachtet hat. Dies dürfe aber die Regierung nicht abhalten, die nach ihrer Überzeugung begründete Einwen|| || dung zu erheben. Auch könne, falls das Reichsgericht von seiner früheren unrichtigen Ansicht nicht abzugehen finden sollte, darin nicht etwa eine Art Niederlage der Regierung erblickt werden, da es sich um einen reinen Rechts- und Kompetenzgegenstand, und um keine politische Frage handelt.

Die Konferenz nimmt den Beschluss des Komitees genehmigend zur Kenntnis.24

XVII. Antrag auf Ernennung des Grafen Trauttmansdorff zum zweiten Vizepräsidenten des Herrenhauses

XVII. ℹ️ Der Ministerpräsident erinnert, dass durch das Ableben des Grafen Otto Fünfkirchen die zweite Vizepräsidentenstelle im Herrenhause in Erledigung gelangt ist.25

Da es bisher Usus war, den Präsidenten und ersten Vizepräsidenten des Herrenhauses der Regierungspartei, den zweiten Vizepräsidenten aber jener der gemäßigten Gegner zu entnehmen, so glaubt der Ministerpräsident für diesen Posten || || den geheimen Rat Ferdinand Grafen Trauttmannsdorff, der einer sehr angesehenen Familie angehört, ein besonnener und gemäßigter Mann ist, und für das Amt eines Vizepräsidenten des Herrenhauses ganz geeignet erscheint, Sr. apost. Majestät au. in Vorschlag bringen zu sollen, womit sich der Ministerrat einhellig einverstanden erklärt.26

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 29. April 1872. Franz Joseph