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Nr. 560 Ministerrat, Wien, 7. April 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 8. 4.), Mensdorff 10. 4., Mecséry, Schmerling (BdE. fehlt); BdR. Erzherzog Rainer 13. 4. Teildruck (III): SRBIK, Quellen zur deutschen Politik Österreichs 4, Nr. 2031.

MRZ. 1364 – KZ. 951 –

Protokoll der zu Wien am 7. April 1865 unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer abgehaltenen Konferenz.

I. Kürzung des Pensionsetats durch das Abgeordnetenhaus

Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog brachte den Beschluß des Abgeordneten­hauses wegen eines Abstriches von 12.450 fl. an dem allgemeinen Pensionsetat (zur Beseitigung des das Normalmaß überschreitenden Genüsse der Grafen Rechberg, Wickenburg und Forgách) zur Sprache1. Dieser Beschluß habe insoferne einige Wichtigtkeit, als demselben das Prinzip zum Grunde liegt, Se. Majestät der Kaiser seien nicht berechtigt, Pensionen zu verleihen, welche das im Jahre 1848 festgesetzte Maximum2 von 8.400 fl. jährlich überschreiten. Dieses Prinzip könne man aber nicht gelten lassen, und es dürfte daher angezeigt sein, jetzt, und noch bevor das Herrenhaus in die Lage kommt, sich darüber auszusprechen, die richtige Auffassung der Sache in der Presse geltend zu machen.

Der Staatsminister wird das Erforderliche in dieser Richtung einleiten3 und bemerkt noch, daß dieses falsche Prinzip, gegen das sich der Finanzminister in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 6. April namens der Regierung entschieden ausgesprochen hat4, auch vom Ritter v. Schmerling früher im Ausschusse lebhaft, jedoch ohne Erfolg bekämpft worden sei. Der Polizeiminister glaubte hoffen zu können, daß das Herrenhaus seinerzeit das in Ruche stehende Prinzip verwerfen wird5.

II. Vorbereitung auf die Budgetverhandlungen im Herrenhaus

Se. k. k. Hoheit eröffnete, daß, nachdem viele Mitglieder des Herrenhauses dafür gestimmt sind, das Ministerium in den Budgetverhandlungen, wenn es eine unwandelbare Position eingenommen haben wird, zu stützen, die Minister mit sich selbst über die Ziffern ihres Ultimatums zu Rate zu gehen hätten6.

Der Polizeiminister hielt es für sehr angezeigt, daß die Minister sich mit der Ausmittlung dieser Ziffern, zuerst jeder für sich und schließlich im Ministerrate, ernstlich beschäftigen. Übrigens sei vorauszusehen, daß alle Budgets nicht nach denselben Grundsätzen behandelt werden können, namentlich nicht in Bezug auf das Virement. Beim Polizeiministerium z. B. sei kein in der Sache gelegener Grund vorhanden, zwischen der Dotation für den ganz speziellen Zweck der Internierten und den Dotationen der übrigen Titel ein Virement zu begehren. Andererseits müsse man den regierungsfreundlichen Mitgliedern des Herrenhauses im geeigneten Wege andeuten, daß es nicht gut wäre, wenn das Herrenhaus dem Abgeordnetenhause die mit dem Ministerium vereinbarten Ziffern als unabänderliches Ultimatum bekannt gäbe. Dieses Vorgehen würde nämlich den Ausgleich von vornherein vereiteln, indem die Majorität des Abgeordnetenhauses sich nimmermehr vom anderen Hause seine Beschlüsse förmlich wird diktieren lassen wollen. Es muß daher auch hierbei eine gewisse Latitüde zur Traktation zwischen den beiden Häusern offengelassen werden. Der Staatsminister , hierüber einverstanden, bemerkte, daß das Herrenhaus hier und da allenfalls auch größere Abstriche machen könnte als das Abgeordnetenhaus. Dies bilde das Feld der Vereinbarung7!

III. Depeschenwechsel mit Preußen über den bayrisch-sächsisch-hessischen Antrag betreffend Schleswig-Holstein

In der Absicht, seine Kollegen von dem dermaligen Stand der Verhandlung mit Preußen über die Frage der Eibherzogtümer8 genau zu unterrichten, las der Minister des Äußern die nachfolgen­den Depeschen, welche er mit den nötigen Erklärungen begleitete. 1. Das diesseitige Schreiben vom 5. März 1865 an den k. k. Gesandten zu Berlin, Grafen Károlyi9. 2. Das weitere Schreiben vom 19. März mit dem Antrage, daß Österreich und Preußen am Bunde sich der Abstimmung über den bayrisch-sächsischen Antraga enthalten sollten10. 3. Die hierauf preußischerseits unterm 24. März erfolgte ablehnende Erklärung11. 4. Die von Graf Mensdorff an den österreichischen Bundespräsidial­gesandten am 1. April ergangenen Weisung über den Modus der Abstimmung || S. 264 PDF || österreichischerseits12. In Bezug auf die Textierung klinge es allerdings sonderbar, daß Österreich sich einem Antrag anschließt, der eine Erwartung gegen Preußen und Österreich ausspricht. Allein um diesem Antrage die Majorität zu verschaffen, erübrigte nichts als sich über dieses rein formale Bedenken hinauszusetzen. 5. Die Depesche des preußischen Ministers Grafen [sic!] Bismarck an Baron Werther in Wien vom 30. März 1865 13, worin noch ein Versuch gemacht wird, unsere Abstimmung zu modifizieren, oder uns vom Abstimmen doch abzuhalten, allein ohne preußischerseits auf die Abstimmung zu verzichten! Natürlich konnte dieses Ansinnen die diesseits gefaßten Beschlüsse nicht ändern. 6. Die Depesche vom 3. April an Graf Károlyi, worin unsere Stellung zum bayrisch-sächsischen Antrage und [zu] dessen Motiven genau präszisiert wird14. Näheren Bericht über die Verhandlung in der Bundesversammlung am 6. April habe Graf Mensdorff noch nicht erhalten15.

Im Laufe der sich hieran knüpfenden Besprechung über die dermalige politische Situation sprach der Minister des Äußern die Auffassung aus, Preußen werde jetzt nicht aggressiv vorgehen, zumal es auch an einer eigentlichen Veranlassung dazu fehlt. Übrigens scheinen die Annexionsvelleitäten einen Stoß erlitten zu haben, und alle Wahrnehmungen so wie selbst der zahmere Ton der preußischen Depesche vom 30. v. M. deuten darauf hin, daß Preußen einlenken will. Österreichischerseits wird man dies selbstverständlich erleichtern, da man sich ja nicht zu entzweien gedenkt. Auf die vom Polizeiminister gemachte Bemerkung, daß die ganze Situation unentschieden sei, erwiderte Graf Mensdorff, daß unentschiedene Situationen das eigentliche Terrain für diplomatische Verhandlungen bilden. Allerdings habe man selbst von den süddeutschen Staaten keine kräftige Unterstützung zu erwarten, denn dieselben werden, ohne selbständige Ideen, bloß von dem Wunsche geleitet, mit ihren Landtagen fertig zu werden. Der Staatsminister hob heraus, das preußische Ministerium müsse zur Einsicht gelangt sein, daß die bisher verfolgte Annexionspolitik demselben zu keinen Erfolgen im Inland verhelfe. Als ein Pröbchen, wie weit sich die kleinstaatliche Bierhauspolitik versteige, wolle Ritter v. Schmerling anführen, daß man in Bayern und Württemberg von einem Anschlusse an die Schweiz träume16!

IV. Interpellation über die siebenbürgischen Schafhirten

Der Minister des Äußern referierte über die am 5. April 1865 eingebrachte Interpellation17 des Reichsratsabgeordneten Popea, worin über folgende Punkte Aufschluß begehrt wird: 1. Ist der den siebenbürgischen Mokanen aufgebürdete Weidevertrag so beschaffen, daß er einseitig gekündet werden dürfe?18 || S. 265 PDF || 2. Ist dem Ministerium des Äußern der Grund der Kündigung bekannt und ist keine Aussicht, selbe rückgängig zu machen? 3. Falls die Erneuerung der Paskuationskonvention unmöglich sein sollte, auf welche Art gedenkt die Regierung, der Lage der gedachten Schafökonomen abzuhelfen?

Graf Mensdorff las sofort den Entwurf der seinerseits auf die Punkte 1 und 2 der Interpellation zu gebenden Antwort. Der Polizeiminister erwähnte, er habe der siebenbürgischen Hofkanzlei viele Daten über die Mokanenfrage mitgeteilt19, und fügte bei, daß sich bezüglich der erschöpfenden Beantwortung der fraglichen Interpellation von Seite des Ministers des Äußern an die siebenbürgische Hofkanzlei zu wenden wäre20.

V. Behauptete Mißhandlung österreichischer Untertanen in den Donaufürstentümern

Auf die vom Minister des Äußern aufgeworfene Frage, ob nicht auch an die obige Beantwortung noch einige Aufkärungen zu knüpfen wären, um die Behauptungen des Abgeordneten Schindler wegen empörender Mißhandlungen österreichischer Paßlosen und Deserteurs in den Donaufürstentümern zu widerlegen21, erwiderte der Staatsminister , daß es genügen dürfte, diese Äußerung Schindlers, welche nicht den Charakter einer Interpellation hatte, in einem Zeitungsartikel berichtigen zu lassen22.

VI. Kosten des Übungslagers zu Parendorf

Schließlich brachte der Staatsminister zur Kenntnis, er habe den Hofrat Fidler beauftragt, sich über die Kosten des Parndorfer Lagers 186323 beim Kriegsministerium genaue Daten zu beschaffen, um durch deren Veröffentlichung die lächerlichen Übertreibungen der Kosten des im heurigen Jahre beabsichtigten Lagers auf ihren wahren Wert zu reduzieren24.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 13. April 1865. Empfangen 13. 4. 1865. Erzherzog Rainer.