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Nr. 66 Ministerrat, Wien, 9. Juni 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Pillersdorf; anw. Sommaruga, Krauß, Latour, Baumgartner; BdE. Pillersdorf (9. 6.), Franz Karl (15.6.).

MRZ. 975 – KZ. –

Protokoll der Sitzung des Ministerrates vom 9. Juni 1848 unter dem Vorsitze des provisorischen Ministerpräsidenten, Ministers des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf.

I. Freispruch für Anton Hye und Stephan Ladislaus Endlicher

Der Justizminister Freiherr v. Sommaruga brachte das Resultat der gestern stattgehabten öffentlichen Verhandlung bei dem hiesigen Kriminalgerichte über die gegen den Professor Hye von dem hierortigen Sicherheitsausschusse erhobene Anklage zur Kenntnis des Ministerrates1.

Bei der Verhandlung waren zwölf Individuen des Ausschusses und darunter mehrere radikaler Gesinnung vorhanden. Der Appellationsrat Fliesser fungierte als Staatsanwalt. Nachdem sämtliche Vorerhebungsakten vorgelesen waren und Professor Hye befragt wurde, ob er noch was beizusetzen habe, und dieser noch einige Erläuterungen hinzufügte, wurden die Zuhörer entlassen und das Kriminalgericht einigte sich in dem Beschlusse, daß weder überhaupt noch insbesondere gegen Hye irgendeine Anzeigung eines strafwürdigen Vergehens vorhanden sei. Dieser Beschluß wurde sogleich bekanntgemacht.

Professor Hye verlangte nun, da der Ausschuß seiner Anklage eine große Öffentlichkeit gegeben habe, er nun auch seine vollkommene Schuldlosigkeit öffentlich bekanntzumachen hätte. So sind die streitenden Parteien auseinandergegangen, und es steht nun zu erwarten, was der Ausschuß tun werde.

Es wurde ferner bemerkt, daß der Professor Regierungsrat Endlicher zurückgekommen sei und sich dem Ausschusse zur Disposition gestellt habe2. Seine Angelegenheit dürfte mit jener des Professors Hye als gleichzeitig entschieden zu betrachten sein3.

II. Rückkehr des Kaisers nach Wien; kaiserliches Manifest an die Provinzen und Wien

Hierauf wurde der Bericht des Ministers Baron Doblhoff vom 6. d. M.4 dem Ministerrate vorgelesen, worin Baron Doblhoff der häufigen Deputationen erwähnt, welche Ew. Majestät um baldige Rückkehr nach Wien oder doch um Annäherung an Wien bitten, wohin auch seine eigenen täglichen Bestrebungen gerichtet seien, und worin er unter anderm bemerkt, daß das Ah. Manifest für die Provinzen und für Wien bereits genehmiget sei und er es morgen übersenden werde5, etc.

Der Ministerrat erwidert diesen Bericht mit dem Beifügen, daß er sehnlich zu erfahren wünsche, was den Provinzen, insbesondere aber Böhmen wegen der dort aufgestellten provisorischen Regierung6 gesagt worden ist7.

III. Beitritt Windischgrätz' zur provisorischen Regierung in Prag

Der Kriegsminister Graf Latour teilte die Antwort mit, welche er auf sein Schreiben an den Kommandierenden in Böhmen8, Fürsten Windischgrätz, hinsichtlich seines Beitrittes zu der provisorischen Regierung in Prag9 von demselben erhalten hat10. Fürst Windischgrätz erklärt darin, daß er fortan in Verbindung mit dem Kriegsministerium in Wien verbleibe. Die provisorische Regierung in Prag sei unter den obwaltenden Umständen als notwendig erkannt worden. Man habe ihn um seine Zustimmung hierzu angegangen, die er in Berücksichtigung der edlen Absicht dieses Beschlusses nicht habe verweigern können. Er habe übrigens sogleich darüber an Ew. Majestät geschrieben11.

IV. Wiederauftauchen der sardinischen Flotte vor Triest

Derselbe Minister eröffnet, daß er vom Kommandierenden in Triest, Grafen Gyulai, mittelst Kuriers ein Schreiben erhalten habe, worin gemeldet wird, daß die feindliche (sardinische) Flotte wieder vor Triest erschienen sei12. Ihr Zweck scheine mehr Beunruhigung der Küsten als Angriff gegen Triest zu sein. Mit diesem ist ein an den Minister des Inneren Freiherrn v. Pillersdorf gelangtes Schreiben des küstenländischen Gouverneurs Grafen Salm vom 6. d. M.13 in Verbindung, worin des Erscheinens dieser Flotte gleichfalls gedacht und bemerkt wird, daß ihre Gegenwart sehr störend auf den Handel wirke. Man sollte wenigstens den Versuch machen, die Flotte zu entfernen, was nach der Ansicht des Grafen Salm dadurch geschehen könnte, wenn Österreich sich zu der Erklärung herbeiließe, den Handel im allgemeinen nicht zu stören und Venedig nicht zu blockieren. Er glaubt, daß der feindliche Admiral Albini (welcher in seinen Operationen durch den englischen Einfluß gehemmt zu sein scheint) || S. 396 PDF || eingehen, und wenn er den gedachten Vorwand oder Titel hätte, seine Flotte von Triest abziehen würde. Graf Salm bitte daher um die Ermächtigung, auf der erwähnten Basis mit Albini unterhandeln zu dürfen.

Der Kriegsminister glaubte jedoch, für die Gewährung dieser Bitte nicht stimmen zu sollen, weil unsere Flotte dadurch paralysiert wäre, und selbst unter günstigen Umständen gegen Venedig nicht wirken könnte.

Der Minister des Inneren wird sonach dem Grafen Salm antworten, daß in seinen Vorschlag aus militärischen Rücksichten nicht eingegangen werden könne14, und der Kriegsminister Graf Latour wird seinerseits das Schreiben des Grafen Gyulai in demselben Sinne erledigen15.

V. Instruktionen für Colloredo

Der provisorische Ministerpräsident und Minister des Inneren bemerkte, daß es notwendig sein werde, dem, infolge eines früheren Beschlusses nach Innsbruck entsendeten Grafen Colloredo16 eine Instruktion oder Punktation zum Behufe seiner Unterhandlung mit Italien mitzugeben. Baron Pillersdorf wird diese Punktation morgen dem Ministerrate vortragen und glaubt hierbei von folgenden drei Gesichtspunkten ausgehen zu sollen: a) wenn Italien mit Österreich vereinigt bleibt, welche Konzessionen zu machen wären, b) wenn es von Österreich, jedoch unter einem österreichischen Prinzen getrennt wird, und c) wenn eine gänzliche Losreißung stattfindet.

Gegen diese Ausgangspunkte wurde von keiner Seite etwas erinnert17.

VI. Nachfolge des verstorbenen Landeshauptmanns von Kärnten

Baron Pillersdorf bringt zur Ah. Kenntnis den Tod des Landeshauptmanns in Kärnten, Joseph Freiherrn v. Sterneck18, und die Übernahme des ständischen Präsidiums durch den hierzu berufenen ältesten ständischen Verordneten19.

VII. Verbesserung des Zustands der Industrie

Derselbe Minister eröffnete, daß die beiden hierortigen Ausschüsse (der städtische und der Sicherheitsausschuß)20 einen großen Wert darauf legen, von Zeit zu Zeit unmittelbare Mitteilungen von dem Ministerium zu erhalten. Um diesem Wunsche zu entsprechen, habe Baron Pillersdorf die Initiative gegen den Gemeindeausschuß ergriffen und die gegenwärtige Lage der Dinge im allgemeinen zum Gegenstande genommen. Der jetzige Zustand der Industrie und des Erwerbes sei beunruhigend und die Verbesserung dieses Zustandes eine Hauptaufgabe des Wirkens des Gemeindeausschusses.

Bedingungen hierzu seien: Ruhe und Ordnung im Inneren, ein geregelter Zustand nach außen, Aufrechthaltung des Kredits oder des Vertrauens, das jedoch von einzelnen || S. 397 PDF || ausgehen müsse, und fester inniger Verband mit den Provinzen. Der Minister des Inneren deutete dem Gemeindeausschusse näher an, in welcher Art zur Erreichung des erwähnten Zweckes am besten gewirkt werden könnte21.

VIII. Pensionierung Hermann Edler v. Hutzes

Mit dem hier angeschlossenen au. Vortrage vom 8. d. M., Z. 217622, unterstützt der Minister des Inneren das Gesuch des Hofsekretärs dieses Ministeriums Hermann v. Hutze um Versetzung in den Ruhestand mit Belassung seiner Personalzulage jährlicher 500 fr., die derselbe seit dem Jahre 1835 genießt23.

Die Dienstuntauglichkeit dieses Hofsekretärs ist durch ein ärztliches Zeugnis des hiesigen Protomedikus dargetan. Derselbe dient 42 Jahre stets treu und entsprechend und hat sich insbesondere durch seine bisherige, mehr als zweijährige selbständige Leitung des Sanitätsdepartements der vereinten Hofkanzlei verdienstliche Ansprüche erworben und erscheint auch dadurch rücksichtswürdig, daß er für eine zahlreiche Familie (sechs Kinder) zu sorgen hat. Der Minister des Inneren trägt demnach an, Ew. Majestät wollen den Hofsekretär Hermann v. Hutze mit Beibelassung seines dermaligen Gehaltes jährlicher 2000 fr., dann seiner Personalzulage von 500 fr. in den wohlverdienten Pensionsstand versetzen zu lassen geruhen.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden24.

IX. Herabsetzung der Verzehrungssteuer auf Brot, Korn, Kornmehl und Bier in Prag

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte ein dringendes Ansuchen aus Prag um weitere Herabsetzung der Verzehrungssteuer, d. i. Ausdehnung der Herabsetzung auf mehrere Gegenstände, als unlängst bewilligt worden ist25, zur Sprache. Diese Gegenstände sind: Brot, Korn, Kornmehl und Bier. Bei den ersten dreien soll die Verzehrungssteuer ganz aufgehoben und bei Bier ermäßiget werden. Als Grund wird angeführt, daß diese Gegenstände das gemeinste Nahrungsmittel sind, und daß die Verzehrungssteuer der Grund der hohen Preise derselben ist.

Der Kameralgefällenadministrator meint, daß mit Ausnahme des Kornmehles, welches bei der gegenwärtigen Besteuerung zu belassen wäre, indem sonst andere Mehlgattungen mit dem Kornmehle der Besteuerung entzogen würden, Korn und Brot von der Verzehrungssteuer freizulassen und diese Steuer beim Bier herabzusetzen wäre. Gegenwärtig zahlt man von einem Eimer Bier auf dem Lande 45 Kreuzer und in Prag 1f. 8 Kreuzer, also in der Stadt um 23 Kreuzer mehr26. Der Kameralgefällenadministrator || S. 398 PDF || trägt an, diese 23 Kreuzer in der Stadt wegzulassen und das Bier, so wie auf dem Lande, nur mit 45 Kreuzer zu versteuern. Dieses würde im Jahre den Finanzen einen Ausfall von 119.600f. und die Befreiung von Korn und Brot einen weiteren Ausfall von 31.900f. verursachen.

Was die Herabsetzung der Verzehrungssteuer von Bier anbelangt, glaubt der Finanzminister, daß diese Herabsetzung statt 23 nur die Hälfte, etwa zwölf Kreuzer, zu betragen hätte, um den Grundsatz festzuhalten, daß die Verzehrungssteuer auf gleiche Gegenstände in der Stadt höher sein soll als auf dem Lande. Größere Konsumption und Verminderung der Gefällsübertretungen würden den oberwähnten Ausfall hoffentlich etwas vermindern. Was die anderen Gegenstände Korn und Brot betrifft, so ergibt sich bei dem ersteren kein, bei dem letzteren aber der Anstand, was die Bäcker sagen werden, wenn das Kornmehl nicht, wohl aber das Brot verzehrungssteuerfrei erklärt wird. Nach der Ansicht der Finanzministers wäre daher nur Korn von der Verzehrungssteuer ganz, Brot aber nur bedingt freizulassen, wenn nicht Reklamationen von den Bäckern zu besorgen sind, wo der Kameralgefällenadministrator dann nach Umständen vorzugehen hätte.

Mit diesen Anträgen erklärte sich der Ministerrat einverstanden27.

X. Maßnahmen zur Behebung der schwierigen finanziellen Situation

Derselbe Minister las hierauf den Entwurf jener Bestimmungen vor, welche nach dem Ministerratsbeschlusse vom 8. d. M. wegen Entrichtung einer außerordentlichen Abgabe für die Dauer der gegenwärtigen schwierigen Verhältnisse des Staates zu erlassen wären28.

Eine Abschrift dieses Entwurfes wird hierneben zur Ah. Einsicht und Genehmigung der Maßregel vorgelegt29.

XI. Finanzieller Zuschuß für Wilhelm Ritter v. Zerboni für seine Rückreise nach Galizien

Schließlich bemerkt der Finanzminister, daß Ew. Majestät dem Zerboni 500f. zur Rückreise nach Galizien aus den öffentlichen Geldern zu bewilligen geruht haben, wozu der Antrag von keinem verantwortlichen Minister, sondern vom Grafen Dietrichstein ausging30.

Hiernach sollte sich der Finanzminister nicht für berechtiget halten, diesen Betrag aus einer öffentlichen Kasse anzuweisen.

|| S. 399 PDF || Um jedoch der erwähnten Ah. Bewilligung Folge zu geben, wurde beschlossen, die in der Frage stehenden 500f. aus dem Kameralärar, aber für Rechnung des Hofzahlamtes auf dessen nächste Dotation anzuweisen31.

Ges. 15. Juni. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Innsbruck, am 16. Juni 1848.