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Nr. 504 Ministerrat, Wien, 28. Oktober 1864 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 29. 10.), Mensdorff, Mecséry, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Burger, Hein, Zichy 7. 11., Kalchberg 7. 11., Schiller; außerdem anw. Brenner; abw. Nádasdy, Esterházy; BdR. Erzherzog Rainer 10. 11.

MRZ. 1307 – KZ. 3347 –

Protokoll I des zu Wien am 28. Oktober 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Garantie Österreichs für die Tilgung des auf Schleswig-Holstein fallenden Anteils an der dänischen Staatsschuld

Der k. k. Gesandte Freiherr v. Brenner referierte über jene Stipulationen des von Österreich und Preußen mit Dänemark abzuschließenden Friedensvertrages1, die sich auf die Garantie der beiden deutschen Mächte für die Berichtigung des auf die Herzogtümer Schleswig und Holstein fallenden Teiles der dänischen Staatsschuld beziehen.

Die Quote der auf die Herzogtümer zu überweisenden dänischen Staatsschuld bildete einen der schwierigsten Punkte der Friedensunterhandlungen, und es wurde vorerst das in den Präliminarien nicht explizit enthaltene Prinzip zur Geltung gebracht, daß von den zu übernehmenden Passiven des Gesamtstaates auch eine verhältnismäßige Quote der Aktiven desselben abzuziehen komme. Bei der unabsehbaren Weitwendigkeit einer genauen, ziffernmäßigen Ausmittlung der Aktiven vereinigte man sich endlich zu dem Beschlusse, die den Herzogtümern daran gebührende Quote mit dem Pauschalbetrage von 13 Millionen Talern von der Passivenquote per 42 Millionen in Abzug zu bringen, wonach sich der Nettobetrag der von den Herzogtümern zu übernehmenden Schuld auf 29 Millionen dänische Taler stellte. In den Art. VIIIa wurde sonach die Bestimmung aufgenommen: „que les hautes parties contractantes ont fixé la quote-part de la dette publique de la Monarchie danoise qui sera mise à la charge des Duchés, à la somme ronde de vingt-neuf millions de Thalers (monnaie danoise)“. Von der Ansicht ausgehend, daß ein selbständiger Staat Schleswig-Holstein nach staatrechtlichen Begriffen unter den gegenwärtigen Verhältnissen noch nicht als existierend angenommen werden könne, somit ein Rechtssubjekt zur förmlichen Übernahme dieser Schuld nicht vorhanden sei, bestand Dänemark darauf, daß Österreich und Preußen für die Berichtigung derselben binnen Jahresfrist vom Zeitpunkt der definitiven Organisation der Herzogtümer, und zwar in einer von den nachfolgenden drei Modalitäten, garantieren: Entweder 1. durch Barzahlung, nach dem Fuße von 75 preußischen Talern für 100 || S. 225 PDF || dänische Taler, oder 2. Erfolgung von vierperzentigen, unaufkündbaren dänischen Staatsobligationen der innern Schuld, oder 3. endlich Erfolgung neuer Obligationen des künftigen schleswig-holsteinischen Staats, welche auf preußische Taler lautende Obligationen durch halbjährige Annuitäten à 3% „liquidiert“ werden sollen, unter welchen 2% als Verzinsung und 1% als Amortisationsquote zu gelten haben werden. Der dänische Staatsschatz wird, wenn eine der Modalitäten 2 oder 3 gewählt wird, die zu überkommenden Obligationen nach deren Nennwerte annehmen. Die diesfälligen Stipulationen wurden in den Art. IX aufgenommenb . Freiherr v. Brenner fügte bei, er könne diese Bestimmungen nur als sehr vorteilhaft für die Herzogtümer und keineswegs lästig für die deutschen Mächte betrachten. Die Wahl unter den drei Modalitäten könne für die Herzogtümer nicht zweifelhaft sein: nämlich die dritte, wobei sie noch keine Barzahlung an Kapital zu leisten, sondern vorderhand nur ihre à 4% verzinslichen und mit 2% zu amortisierenden Obligationen an Dänemark al pari zu erfolgen haben. Die Österreich und Preußen zugedachte Garantie könne Referent nur als eine nominelle betrachten, da diese Mächte die Herzogtümer besetzt halten und sie sich bei Übergabe derselben an den künftigen Souverän der vollständigen Erfüllung der Bedingungen des Art. IX versichern können. Ihre Garantie geht vertragsmäßig nicht weiter, als daß die Herzogtümer die Schuld „acquittieren“, und jede der drei Modalitäten gilt schon als „acquittement“, so daß aus dem Art. IX durchaus keine weitere Bürgschaft für die Verzinsung und Zahlung der zu emittierenden 29 Millionen Taler schleswig-holsteinischer Obligationen gefolgert werden kann. Diese Anschauung war auch bei den Friedenskonferenzen die unbestrittene, und Preußen hat daher auch keinen Anstand genommen, die Garantie nach Art. IX zu übernehmen.

Der Minister des Äußern fand diesem Referate nichts beizufügen. Der Finanzminister bemerkte, es handle sich gegenwärtig darum, die Tragweite der von Österreich zu übernehmenden Garantie zu ermessen. Diesfalls kömmt zuerst in Betracht, daß der neue schleswig-holsteinische Staat gegenüber dem Staate Dänemark eine Schuldleistung im Betrag von 29 Millionen Talern übernimmt. Diese Schuld ist das Objekt der Garantie, welche die friedensschließenden Mächte in Verhandlung gezogen haben und welche Österreich und Preußen zugunsten Dänemarks auf sich nehmen. Es fragt sich nun, soll diese Garantie bloß die Wirkung haben, daß der neue Staat die Verbindlichkeit zur Abtragung der 29 Millionen an Dänemark in einer der angeführten Modalitäten anerkenne, oder soll auch die Erfüllung dieser anerkannten Verbindlichkeit von Österreich und Preußen gewährleistet werden? Der Minister glaubt, es sei mit der Garantie das letztere gemeint, nämlich daß Österreich und Preußen verbürgen, daß dem dänischen Staatsschatze von dem neuen Staate Schleswig-Holstein binnen Jahresfrist nach seiner Konstituierung entweder: a) 29 Millionen dänische Taler bar ausgezahlt, oder b) dänische Staatsobligationen à 4% in Nominalwert von 29 Millionen übergeben, oder c) Obligationen des neuen Staates im Nennwert von 29 Millionen dänischen Talern ausgefolgt werden. Bei der letzten Alternative, welche für den neuen Staat Schleswig-Holstein offenbar die günstigere ist, taucht aber die weitere Frage auf: Haben die Garanten ihre Aufgabe schon dadurch gelöst, wenn der neue Staat dazugebracht || S. 226 PDF || worden ist, die 29 Millionen seiner Obligationen an den dänischen Staatsschatz abzuführen, oder haften sie auch dafür, daß die Verzinsung und Amortisierung jener schleswig-holsteinschen Obligationen pünktlich und dem Programm gemäß bis zur Tilgung des ganzen Anlehens fortgesetzt werde? Votant glaubt, daß eine Garantie, welche einen wirklichen praktischen Wert haben solle, sich nicht darauf beschränken könne, daß der garantierende Schuldner lediglich Schuldverschreibungen drucken lasse und selbe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolge, sondern daß auch für die Erfüllung der mit diesen gedruckten Papieren übernommenen Verbindlichkeiten eingestanden werden müsse. Kein Bürge hat, nach dem bestehenden Rechte, seine Bürgschaft erfüllt, wenn er den Schuldner, für den er bürgt, lediglich dazu vermocht hat, dem Gläubiger einen Schuldschein auszustellen; der Bürge haftet weiter, er haftet, daß der Schuldner – Schleswig-Holstein – dem Gläubiger – Dänemark – den Schuldschein (die schleswig-holsteinischen Obligationen) auch wirklich verzinse und bezahle. Die Stilisierung in dem Artikel IX schließt wenigstens die Möglichkeit der Garantie für die Erfüllung der dem neuen Staate auferlegten Verbindlichkeiten nicht aus. Demungeachtet glaubt der Finanzminister, daß derzeit, wo der höchste Wert auf das baldige Zustandekommen des Friedens gelegt werde, weil er in der Tat einen großen Erfolg der österreichischen äußern Politik bildet, alles vermieden werde, was den Abschluß verzögern könnte, und daß daher die heute besprochenen Bestimmungen über die Garantie in der vorliegenden Formulierung zur Ah. Genehmigung au. empfohlen werden dürften. Dieselben involvieren zwar eine eventuelle künftige Belastung des österreichischen Staatsschatzes, sind aber ein integrierender Bestandteil des Friedensschlusses und werden sich auch als solche seinerzeit vertreten lassen. Dermals würde Votant eine Mitteilung an den Reichsrat nicht für angezeigt halten. Der Staatsratspräsident erklärt, cnach richtigen Grundsätzen hätte von Österreich keine andere Garantie gefordert und zugestanden werden sollen, als daß es im Vereine mit Preußen die Herzogtümer der fremden Regierung, welcher sie überlassen werden, nur unter der Bedingung überantwortet, daß dieselbe die Schulden an Dänemark mit übernehme, keineswegs wäre aber die Garantie dahin auszudehnen gewesen, daß Österreich unter irgendeiner Bedingung für die wirkliche Berichtigung der Schulden einzustehen habe, wie es durch die gewählte Textierung geschehen istc . dEr sei auch nicht darüber beruhigt, daß aus den Stipulationen des Art. IX nicht wirklich lästige Folgen für Österreich erwachsend . So z. B. in dem Falle, wenn der neue Staat sich für die erste Modalität – die Barzahlung – entschlösse und mit den Abschlagszahlungen ins Stocken gerät, oder wenn er ganz und gar nichts tut, eso daß in Folge neuer Verwicklungen gar keine der aufgezählten drei Zahlungsmodalitäten zur Ausführung kommt, in welchem Falle Dänemark nicht verfehlen würde, Österreich um die Zahlung in Anspruch zu nehmene . Daß Preußen die Garantie anstandslos auf sich nimmt, kann für Österreich noch kein Bestimmungsgrund sein, indem Preußen, seiner geographischen Lage und politischen || S. 227 PDF || Stellung zu den Herzogtümern nach, besser in der Verfassung ist, dort einen drängenden Einfluß zu üben als wir. So sehr aber Freiherr v. Lichtenfels wünschen müßte, daß durch eine neue, deutlichere Textierung des Vertrages die Garantie Österreichs bloß auf die Erfolgung der Obligationen (Modalität 3) beschränkt werde, so sehe er doch ein, daß es im gegenwärtigen Stadium angezeigt wäre, lieber darauf zu verzichten, wenn dadurch das baldige Zustandekommen des Friedenswerkes verhindert werden sollte. Der Staatsminister beleuchtete den Gegenstand der Frage aus dem Gesichtspunkt der Prüfung des Friedensvertrages im Reichsrate. Man müsse sich bei einer eventuellen Prüfung dieser Art auf eine sehr strenge Kritik der Bestimmungen desselben und somit auch des Art. IX gefaßt machen, zumal das Ministerium nicht, gleich jenem in Berlin, in der erfreulichen Lage ist, diesfalls auf errungene reelle Vorteile und Erfolge für Österreich hinweisen zu können. In diesem Verhältnisse würde Ritter v. Schmerling einen Grund mehr finden, die deutlichere Textierung des Friedensinstruments einverständlich mit Freiherrn v. Lichtenfels zu beantragen. Ist aber der Ministerrat der Meinung, daß von der amtlichen Mitteilung des Friedensvertrags an den Reichsrat Umgang genommen werden könne, so würde der Staatsminister sich dem au. Antrage auf Genehmigung der in Rede stehenden Stipulationen anschließen, damit diese leidige Angelegenheit einmal beendigt werde. Der Polizeiminister sieht nicht ab, wie man aus dem Wortlaut des Art. IX eine andere Garantie als jene der Erfüllung einer der drei Modalitäten binnen Jahresfrist folgern könne. Dänemark selbst begnügt sich damit, daß wir die Erfolgung von barem Geld oder Obligationen garantieren. Von einer Garantie für Zinsen und Amortisierung der Obligationen ist nirgends eine Andeutung! Wenn aber kein Grund zu Besorgnissen einer Belastung Österreichs durch diese Garantie vorhanden ist, so wäre es andererseits im hohen Grade bedenklich, bei den Konferenzen so spät noch mit Anträgen auf Textierungsänderungen aufzutreten und das Zustandekommen des sehnlich erwarteten und dringend benötigten Friedens aufs Spiel zu setzen. Votant beantrage daher die Ag. Genehmigung der heute vernommenen Friedensartikel. Die Frage wegen Mitteilung des Friedensvertrages an den Reichsrat sei heute noch nicht an der Tagesordnung fund kann wohl erst dann beantwortet werden, wenn der ganze Inhalt des Friedensvertrages bekannt sein wirdf . Minister Ritter v. Lasser bedauert zwar, daß der Art. IX nicht mehr explizit lautet; indessen scheint ihm doch aus dem vorliegenden Texte erweislich, daß die Erfolgung der Obligationen dänischerseits als Acquittement angenommen wird und somit unsere Garantie mit der stattgefundenen Erfolgung auch ihr Ende erreicht haben muß. gDafür, daß Schleswig-Holstein aber wirklich solche Obligationen nach Maßgabe der Stipulationen an Dänemark ausfolge, muß durch andere Maßregeln, z. B. Nichtherausgabe des Landes an die künftige Regierung ohne reelle Garantie oder dergleichen, gesorgt werden – Maßregeln, die aber nicht in das Friedensinstrument mit Dänemark gehören. Verbürgt man aber der dänischen Regierung nur, daß man die künftige herzogliche Regierung verhalten werde zum Acquittement (Ausfolgung von Obligationen), so wird Österreich nicht in die Lage kommen, als Garantg zu zahlen, und es fehlt daher an einem Grunde, den || S. 228 PDF || Vertrag von vornherein vor den Reichsrat zu bringen. Votant schließt sich daher dem Polizeiminister an. Auf die vom Minister Ritter v. Hein gestellte Frage, wie es in der Zwischenzeit bis zur Obligationserfolgung mit der Verzinsung der übernommenen Quote der dänischen Staatsschuld gehalten werden solle, erwiderte Baron Brenner, daß dafür im Art. Xh des Friedensvertrags eine vollkommen ausreichende provisorische Vorkehrung getroffen sei. In merito schloß sich Minister Ritter v. Hein dem Antrage des Polizeiministers an, indem er voraussetzen muß, man werde bei Konstituierung des neuen Staates ausreichende Mittel finden, denselben zur Erfüllung der garantierten Bedingungen zu verhalten. Der Marineminister ist über die Tragweite der Garantie nach Art. IX nicht beruhigt und würde daher eine deutlichere Fassung desselben wünschenswert finden; doch wolle er deswegen nicht dem Antrage auf Ah. Genehmigung des Artikels entgegentreten. Der ungarische Hofkanzler glaubt, daß Österreich, welches für die schleswig-holsteinische Sache schon so viele Opfer gebracht hat, füglich von jeder weiteren Garantie verschont bleiben sollte, auf dem dermaligen Standpunkte der Verhandlungen aber schließe er sich dem Antrage des Polizeiministers an. Der Stellvertreter des Kriegsministers und der Leiter des Handelsministeriums traten gleichfalls dem Baron Mecséry bei, und Freiherr v. Kalchberg fügte bei, in der Garantie für die Ausfolgung der Obligationen liege für Österreich durchaus keine Verpflichtung als Bürge und Zahler für dieselben, und somit entfalle die Notwendigkeit einer verfassungsmäßigen Behandlung des Vortrags ibeziehungsweise der Zustimmung aus finanziellem Standpunkt, weil nur die Garantie übernommen wird, daß das zu bildende Herzogtum jene in dreierlei Arten erfüllbare Verpflichtung übernehmen werdei .

Se. k. k. Hoheit konstatierte, daß sich die Stimmenmehrheit für die Ah. Genehmigung der heute verlesenen Vertragsartikel ausgesprochen habe2.

II. Kriegskostenentschädigung

Nachdem die zu gewärtigende Entschädigung für unsere Kriegskosten im Staatsvoranschlage für 1865 unter der Bedeckung mit einer hohen Ziffer figuriert, warf der Staatsminister die Frage auf, ob und was darüber im Friedensvertrage festgesetzt worden sei3. Freiherr v. Brenner las hierüber den diesfälligen Art. XII: Les Gouvernements d’Autriche et de Prusse se feront rembourser par les Duchés les frais de la guerre. Der Finanzminister bemerkte, daß dem neuen Staate dadurch österreichischerseits eine Last von ungefähr 16 Millionen Gulden zugehen werde. Übrigens || S. 229 PDF || setzt der Minister voraus, daß den diesfälligen Verhandlungen seinerzeit auch ein Abgeordneter des Finanzministeriums werde beigezogen werden. Der Minister des Äußern erwiderte, daß Österreich und Preußen es in ihrer Hand haben, dem neuen Staat die Zahlung der Kriegskosten sowohl als die Modalitäten der Zahlung – so wie jener an Dänemark – vorzuschreiben4.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 10. November 1864. Empfangen 10. November 1864. Erzherzog Rainer.