Nr. 430 Ministerrat, Wien, 21. Dezember 1863 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 24. 12.), Rechberg (nur bei II und III anw.anwesend), Mecséry, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein, Mertens, Kalchberg (nur bei IV anw.anwesend); außerdem anw.anwesend Müller (nur bei I anw.anwesend); abw.abwesend Nádasdy, Degenfeld, Schmerling; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 9. 1. 1864.
MRZ. 1234 – KZ. 4078 –
Protokoll des zu Wien am 21. Dezember 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzoges Rainer.
I. Vereinigung der Kriegs- mit den Landeshauptkassen
Der staatsrätliche Referent GM. Müller referierte über die Anträge des Kriegs- und des Finanzministeriums auf Vereinigung der Kriegs- mit den Landeshauptkassen in den Provinzen, ausgenommen Ungarn, Kroatien, Banat, Siebenbürgen und Venetien1. Bei der hierüber infolge Ah. Befehles gepflogenen Beratung waren die mehreren Stimmen des Staatsrates des Erachtens, daß die prinzipielle Vereinigung der Kriegs- und Landeshauptkassen abzulehnen und bloß die Übertragung der Geschäfte der Kriegskassen in Graz und Innsbruck an die Zivilkassen zu beantworten wäre, während die übrigen Stimmen sich für die Ah. Genehmigung des ministeriellen Antrages aussprachen2.
Der Staatsratspräsident äußerte, daß er bei der zwischen den zwei Ministerien, dann der Obersten Rechnungskontrollbehörde einer-, dann dem Staatsrate andererseits bestehenden Meinungsverschiedenheit von dem Vorsitzenden durchlauchtigsten Herrn Erzherzoge die hohe Ermächtigung erhalten habe, die Sache in der Ministerkonferenz zur Beratung zu bringen. In merito traue sich Freiherr v. Lichtenfels kein Urteil über die Frage zu, doch scheinen ihm die Bedenken, welche der GM. Müller gegen die Nachteile der Trennung der Kassen für den Fall geltend gemacht hat, wenn eine operierende Armee die Landeshauptstadt zu verlassen gezwungen wird und durch Ereignisse von der Landeshauptkasse abgeschnitten würde, konkludent zu sein. Der Stellvertreter des Kriegsministers erinnerte, das Armeeoberkommando habe bereits im Jahre 1860 ausschließend aus Ersparungsgründen die Vereinigung der Kriegsmit den Landeshauptkassen beantragt. Allein diesem au. Antrage sei Allerhöchstenortes keine Folge gegeben worden3. Wenn der Kriegsminister dermal auf jenen Antrag wieder || S. 172 PDF || zurückgekommen ist, geschah dies azum Teil abermals aus Ersparungsrücksichten und zum Teila als Konzession für die im Reichsrate herrschende Ansicht über diesen Gegenstand, welche auch in einem vom Abgeordnetenhause bei Erledigung des Militärvoranschlags für 1864 gefaßten „Beschluß“ den Ausdruck fand4. Administrativ sei die Auflassung der Kriegskassen allerdings ausführbar, allein vom militärischen und politischen Standpunkte erscheinen, wie der staatsrätliche Referent dargetan hat, die Aufrechthaltung der bestehenden Trennung wünschenswert. Vorderhand würde die Vereinigung der Kassen zu Innsbruck und Graz vorgenommen werden. In Ungarn und den sogenannten „Nebenländern“ soll diese Maßregel wegen Verläßlichkeit der dortigen Finanzorgane nach Versicherung des Finanzministers vollkommen durchführbar sein. Nur im lombardo-venezianischen Königreiche wäre die Trennung, als fortan nötig, jedenfalls beizubehalten. Die ganze Maßregel ist, wie gesagt, hauptsächlichb aus dem Gesichtspunkt einer Konzession gegen den Reichsrat zu betrachten, welcher letztere bei seinem Beschlusse, nicht sowohl durch die Rücksicht auf die voraussichtlich nur geringe Ersparung can Gebühren des Kriegskassapersonalsc, 5, als vielmehr durch die Voraussetzung bestimmt wurde, daß bei der Vereinigung der Kassen eine beträchtliche Reduktion der Kassabestände erzielt werden könne6, eine Reduktion, die jedoch kaum erzielt werden dürfte, da die Kriegskassen doch stets abgesondert und zwar völlig hinreichend werden dotiert werden müssen. dDem Kriegsministerium könne daher die Beibehaltung der eigenen Kriegskassen nur willkommen seind . Der Finanzminister bemerkt, FZM. Graf Degenfeld habe vor kurzem erst in der Finanzkommission des Herrenhauses erklärt, er habe nichts gegen die Vereinigung aller Kriegskassen, mit Ausnahme des lombardo-venezianischen Königreiches, und Edler v. Plener teile ganz diese Meinung. Die Ausnahme in Venetien finde ihre vorzüglichste Begründung in dem Vorhandensein einer operierenden Armee. Sonst überall aber sei die allmähliche Erzielung der Einheit in der Kassagebarung sein Hauptaugenmerk, weil dabei eine wesentliche Reduktion der Kassabestände erzielt werden kann. Die Kriegsbehörden werden demungeachtet jederzeit über die benötigten Summen, wie bisher, disponieren können, und Zahlungsverlegenheiten sind nicht im mindesten zu besorgen. Bei getrennten Kassen wird sehr viel Geld unnütz aufgespeichert, und die Vereinigung des Kassadienstes der verschiedenen Zivilbranchen hat sich administrativ und finanziell nützlich erwiesen. Das vom staatsrätlichen Referenten erhobene Bedenken für den Fall von Revolutionen, scheint dem Finanzminister nicht von so bedeutendem Gewicht, um die ganze Maßregel aufzugeben. Denn wenn revolutionäre Ereignisse die Räumung einer Landeshauptstadt von || S. 173 PDF || allen Truppen zur Folge haben, so werden die letzteren wohl auch die Landeshauptkassa und mit ihr die Kriegskassaabteilung mit sich nehmen.
Die Stimmenmehrheit vereinigte sich mit dem Antrage des Finanzministers7, e .
II. Veränderungen im diplomatischen Korps
Der Minister des Äußern referierte, er gedenke für den erledigten Gesandtschaftsposten in München den Grafen Blome au. in Vorschlag zu bringen und zugleich au. zu beantragen, daß die Grafen Paar und Karnicki ihre Posten – Stockholm und Kassel – vertauschen, da dieses beiden wegen schwerer Verluste in ihrer Familie sehr wünschenswert geworden ist.
Der Ministerrat fand gegen diese Anträge nichts zu erinnern8.
III. Inkamerierung des Krakauer Freiwilligenkorpsfonds
f Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Ministers Ritter v. Lasser vom 13. Oktober 1863 9 betreffend die vom Finanzministerium einseitig verfügte Einziehung des Krakauer Freiwilligenkorpsfonds vom Jahre 185910. Die vom Minister beantragte Resolution würde lauten: „Die Verordnung des Finanzministeriums vom 14. Juli 1863, mit welcher die Auflösung des sogenannten Krakauer Freiwilligenkorpsfonds, bestehend aus 17.477 fl. 58 Kreuzer in Papieren und 29.718 fl. 29 1/2 Kreuzer in barem, verfügt, und die Beeinnahmung dieser Gelder für die Zentraleinnahmskassa angeordnet wurde, finde Ich aufzuheben und zu befehlen, daß dieser Fonds in dem Stand, in welchem derselbe in das Ärar übernommen wurde, wiederhergestellt werde.“ Der Staatsrat hat den vorstehenden Resolutionsentwurf einstimmig für vollkommen begründet erklärt11, jedoch dazu den nachfolgenden Zusatz beantragt: „Da übrigens infolge der unterbliebenen Errichtung des Freiwilligenkorps der für die Errichtung desselben gewidmete Teil des Krakauer Freiwilligenkorpsfonds seiner Widmung gemäß nicht verwendet werden konnte, so weise Ich Sie zugleich an, Mir über die anderweite Verwendung desselben Ihre Anträge zu erstatten.“ || S. 174 PDF || Denn sowenig das Finanzministerium berechtigt war, den Freiwilligenkorpsfonds zu inkamerieren, ebensowenig könne das Staatsministerium als berechtigt angesehen werden, jenem Teil desselben, der von den Gebern für das zu errichtende Freiwilligenkorps gewidmet war, aus eigener Macht eine andere Widmung zu geben. Es sei daher hierüber die Ah. Schlußfassung einzuholen.
Der Verwaltungsminister , an seinem au. proponierten Resolutionsentwurfe festhaltend, fand gegen den vom Staatsrate beantragten Zusatze nichts einzuwenden. Der Finanzminister glaubte, daß, wenn Se. Majestät Allerhöchstsich für die Restitution des Fonds zu entschließen geruhen, diesfalls der verfassungsmäßige Weg einzuschlagen sein werde, indem das inkamerierte Fondsgeld bereits verwendet worden ist und mithin neubeschaffen werden muß, was nur durch Einschaltung in den nächsten Staatsvoranschlag geschehen kann. Der Staatsratspräsident entgegnete, es sei keineswegs nötig, die Zustimmung des Reichsrates in einem Fall einzuholen, wo es sich bloß um die Zurückstellung eines indebite von den Finanzen eingezogenen Vermögens handelt. Die Frage, ob das Vermögen zurückzugeben ist, komme nicht auf verfassungsmäßigem Wege zu entscheiden. Sofern es aber wirklich an den erforderlichen Geldmitteln fehlt, gehöre die Post allerdings in den Voranschlag, ohne daß sie übrigens einen Gegenstand der Diskussion bilden könne. Minister Ritter v. Lasser , dieser Meinung gleichfalls beitretend, verwahrte sich mit Entschiedenheit dagegen, daß die fragliche Zahlung etwa auf das Budget der politischen Verwaltung gewiesen werde. Die pflichtschuldige Zurückstellung eines von den Finanzen unbefugt in Besitz genommenen Vermögens habe vielmehr den Charakter einer „Schuldenzahlung“.
Die übrigen Minister und FML. Baron Mertens waren mit den Anträgen des Staatsratspräsidenten und des Ministers Ritter v. Lasser einverstanden12, g .
IV. Interpretation des Ausdruckes „Lokalverkehr“ in der Ah. Entschließung über die Znaim-Teschitzer Bahn
Der Sektionschef im Handelsministerium Freiherr v. Kalchberg referierte über die in seinem au. Vortrage vom 30. November 1863 beantragte authentische Interpretation des „Lokalverkehrs“, auf den die Staatseisenbahngesellschaft laut Ah. Entschließung vom 7. September 1863 bei dem Betrieb der zu konzessionierenden Eisenbahnstrecke Znaim–Tetschitz bis zur richterlichen Entscheidung über den Protest der Nordbahngesellschaft beschränkt bleiben muß13. Referent || S. 175 PDF || teilte mit, daß sowohl die Staats- als die Nordbahn seit Intimation der Ah. Entschließuntg vom 7. September um Präzisierung des Begriffs „Lokalverkehr“ gebeten haben. Auch das Handelsministerium bedürfe einer solchen Präzisierung pro domo behufs der entsprechenden weiteren Verhandlung mit den beiden Gesellschaften. Da sich jedoch das Ministerium nicht getraue, eine Interpretation festzustellen, habe es sich eine Ah. Interpretation erbeten und dabei folgendes – auf die Rechtsgutachten des Ministerialrates v. Maly und des Finanzrates Dr. Fierlinger basierte – Gutachten abgegeben14: Unter Lokalverkehr, im Gegensatz von Transit oder weitergehendem Verkehr, ist die Transportsvermittlung zwischen den an einer gewissen Bahnstrecke gelegenen Stationen zu verstehen. Auf der Strecke Znaim–Tetschitz (Tetčice an der Rossitz–Brünner Eisenbahn) ist daher unter dem Ausdrucke „Lokalverkehr“ bloß jener Verkehr zu subsumieren, welcher von Znaim bis Tetschitz oder umgekehrt, oder endlich von den Zwischenstationen dieser Linie unter sich oder mit einem der Endpunkte (Znaim–Tetschitz) vermittelt wird. Dafür, daß diese dem Rechtsspruche nicht vorgreifende Interpretation den Ah. Absichten entspricht, streitet auch der von Sr. Majestät nur ausnahmsweise gestattete Weitertransport der Rossitzer Kohle15. Die Strecke Znaim–Tetschitz werde daher vorderhand als eine besondere Bahn mit eigenen Betriebsmitteln zu betrachten sein, sodaß Passagiere und Waren beim Eintritt auf diese neu aufgenommen, die Passagiere in anderen Waggons untergebracht und die Waren umgeladen werden müßten. Unter diesen Bedingungen könnte denn auch der Verkehr über diese Bahnstrecke hinaus in beiden Richtungen ohne Präjudiz gestattet werden. Wenn Se. Majestät diesen Antrag Ah. zu genehmigen geruhen, würden dann die Verhandlungen mit den Bahnen im Sinn der Ah. Entschließung vom 7. September16 wiederaufgenommen und zu Ende geführt werden können.
Der Präsident des Staatsrates bemerkte vor allem, eine entscheidende Erklärung, was hier unter „Lokalverkehr“ zu verstehen sei, könne wohl nur von denjenigen Mitgliedern der Konferenz abgegeben werden, nach deren Antrag dieser Ausdruck in der Ah. Erledigung gebraucht worden ist, daher der Staatsrat, welcher in dieser Angelegenheit überhaupt einer anderen Ansicht war17, nicht in der Lage sein, darüber mit Sicherheit eine Auslegung aufzustellen. Indessen scheine es, daß die vom Staatsrate im Sinne des handelsministeriellen Antrages vorgeschlagene, präzis formulierte Erläuterung, sofern man überhaupt auf dem mittels der Ah. Entschließung vom 7. September eingeschlagenen Wege zu einer befriedigenden Lösung der Sache zu gelangen hofft, mit der zum Grunde liegenden Absicht in Übereinstimmung steht, und insofern habe Baron Lichtenfels gegen den durch Freiherr v. Geringer amendierten Resolutionsentwurf der Stimmenmehrheit im Staatsrate nichts zu erinnern. Derselbe lautet: „Ich ermächtige das Handelsministerium, bei Feststellung des Begriffes „Lokalverkehr“ auf der zugunsten der österreichischen Staatseisenbahngesellschaft zu konzessionierenden Eisenbahnstrecke Znaim–Tetschitz in der hier in Rede stehenden Verhandlung von der || S. 176 PDF || Voraussetzung auszugehen, daß auf jener Strecke ein direkter Verkehr zum Transport von Personen und Gütern über die bezeichneten Endpunkte hinaus ausgeschlossen zu bleiben hat, daß hiernach auf dieser Strecke eigene, bloß auf derselben verkehrende Betriebsmittel zu verwenden kommen, im Personentransporte die Ausgabe von Fahrbillets und Gepäckscheinen, dann im Gütertransport die Übernahme von Gütern und die Ausstellung von Frachtbriefen nur für und innerhalb dieser Strecke stattfinden kann, und zum Transporte über diese Strecke hinaus an die bezeichneten Endpunkte neue Transportverträge geschlossen werden müssen18.“ Der Finanzminister erklärte sich mit der Definition des „Lokalverkehres“, die das Handelsministerium vorgeschlagen hat, einverstanden, nicht aber mit der von demselben weiters vorgeschlagenen beschränkten praktischen Durchführung der Ah. Entschließung vom 7. September. Denn die neue Aufnahme der Passagiere auf und für die Strecke Znaim–Tetschitz mit Anwendung spezifischer Betriebsmittel bloß für diese Strecke wäre für die Reisenden lästig und zeitraubend, so wie sie, wegen des nötig werdenden Auf- und Abladens, auch den Warenverkehr über diese ganze Strecke oder Teile derselben bedeutend verteuern und verzögern würde. Es entstünde somit daraus ein entschiedener Nachteil für das Publikum und für die Staatsbahngesellschaft. Die Lösung besonderer Karten für die von Personen und Waren zu befahrenden Teile der Strecke Znaim–Tetschitz dürfte genügen. Dagegen wäre jedoch die Benützung der Betriebsmittel der Staatseisenbahngesellschaft ohne Unterschied über die fragliche Strecke hinaus und auf derselben nicht zu beanständen, zumal dies selbst auf den Strecken ganz verschiedener Gesellschaften des allgemeinen Interesses wegen wechselseitig zugestanden wird. Minister Ritter v. Lasser glaubte, daß man sich jeder administrativen Interpretation des „Lokalverkehres“ enthalten solle. Die vom Handelsministerium vorgeschlagene habe insbesondere auch das Gebrechen, daß sie auf den Verkehr zwischen Brünn und Budweis, der doch mit dem Nordbahnprivilegium19 auch nicht im entferntesten kollidiert, bezüglich der Strecke Tetschitz–Znaim dieselben unnatürlichen und sehr lästigen Verkehrshemmungen schafft, wie auf der Bahn von Tetschitz–Znaim nach Wien. Wenn Minister Ritter v. Lasser nach seiner auch noch dermal bestehenden subjektiven Meinung selbst auf dieser letzteren Strecke die Verkehrshemmungen durch die Rücksicht auf die Nordbahn nicht genehmigt finde, so müsse er den Verkehr zwischen Brünn und Budweis dagegen umsomehr in Schutz nehmen. Durch diese Hemmung werde man am Ende die Staatseisenbahn vom Bau der Strecke Znaim–Budweis abhalten20. hVotant würde dafür sein, daß den beiden Gesellschaften ein Präklusivtermin zur Abgabe der Erklärung, ob sie von der ihnen zugedachten Konzession Gebrauch machen wollen oder nicht, gegeben werde. Nach dessen fruchtlosem Verlaufe würde man freie Hand haben. Gibt man eine Interpretation hinaus, die doch nur eine halbe und keinen Teil befriedigende ist, so engagiert man nur das Ah. Wort noch mehr, ohne den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Vor allem müßte auch von der Nordbahn eine bindende Erklärung, daß sie, wenn die Staatsbahn etwa weder Wien, Znaim, Tetschitz und Kolin, noch Wien, Znaim, Budweis bauen würde, selbst von Stockerau nach Znaim und Budweis bauen wolle, erwirkt werden. Denn die Gefahr ist naheliegend, daß, sobald die Staatsbahn von Znaim nach Tetschitz–Brünn nicht baut, die Nordbahn dann von der Budweiser Bahn nichts mehr wissen wolle, die sie nur als Notmittel gegen die Staatsbahn brauchth Votant würde dafür sein, daß den beiden Gesellschaften ein Präklusivtermin zur Abgabe der Erklärung, ob sie von der ihnen zugedachten Konzession Gebrauch machen wollen oder nicht, gegeben werde. Nach dessen fruchtlosem Verlaufe würde man freie Hand haben. Gibt man eine Interpretation hinaus, die doch nur eine halbe und keinen Teil befriedigende ist, so engagiert man nur das Ah. Wort noch mehr, ohne den beabsichtigten Zweck zu erreichen. Vor allem müßte auch von der Nordbahn eine bindende || S. 177 PDF || Erklärung, daß sie, wenn die Staatsbahn etwa weder Wien, Znaim, Tetschitz und Kolin, noch Wien, Znaim, Budweis bauen würde, selbst von Stockerau nach Znaim und Budweis bauen wolle, erwirkt werden. Denn die Gefahr ist naheliegend, daß, sobald die Staatsbahn von Znaim nach Tetschitz–Brünn nicht baut, die Nordbahn dann von der Budweiser Bahn nichts mehr wissen wolle, die sie nur als Notmittel gegen die Staatsbahn braucht. Minister Ritter v. Hein erinnerte, daß er sich ebensowenig als der Staatsratspräsident jenem Antrage angeschlossen habe, welcher in der Ah. Entschließung vom 7. September sanktioniert worden ist21. Man habe sich vergeblich bemüht, inkompatible Gegensätze zu vereinbaren und das Ärar vor Ersatzansprüchen der Nordbahngesellschaft zu bewahren. Denn die Linie Wien–Znaim–Brünn bilde unleugbar ein Parallelogramm mit der Nordbahnlinie Wien–Lundenburg–Brünn. Wenn Votant sich aber auf den Standpunkt der Ah. Entschließung vom 7. September stellt, könne er nur der vom Sektionschef Baron Kalchberg und dem Staatsrat beantragten Interpretation als der beschränkteren den Vorzug geben. iDie Auffassung des Finanzministers zu teilen, daß die Betriebsmittel ohne Unterschied verwendet und die Bahnstrecke Znaim–Tetschitz mit Betriebsmitteln, welche bloß durchgehen und auf anderen Bahnen verwendet werden können, befahren werde, wenn nur Fracht- und Personenkarten für diese Bahn besonders gelöst werden, sei er nicht imstande. Er glaube, daß die Einschränkung auf den „Lokalverkehr“ nur die Absicht gehabt haben könne, die Bahnstrecke Znaim–Tetschitz als eine „gesonderte“ hinzustellen, welche eben nur auf den Verkehr zwischen den Orten an dieser Bahn beschränkt, folglich auch auf ihre eigenen, nur auf dieser Bahn zu verwendenden Betriebsmittel eingeschränkt sei. Nur mit dieser Einschränkung habe der Begriff „Lokalverkehr“ eine Wirkung, welche vielleicht hinreiche, um den Vorwurf der Verletzung des Nordbahnprivilegiums zu beseitigen. Gehen aber von Wien oder Brünn die Betriebsmittel durch und sei die Lokalstrecke Znaim–Tetschitz also nur Durchfahrt für fremden Bahnbetrieb und fremde Bahnmittel, der Lokalverkehr, der sich auf bloßes Lösen von Fracht- oder Personenkarten reduziere, sei dann eben kein Lokalverkehr mehr, wenn Frachten und Personen nicht mehr ausgeladen und abgesetzt werden, sondern nur „durchziehen“. Dann aber sei das Nordbahnprivilegium als verletzt zu betrachten, und er könne nicht einraten, irgend einen Anlaß auch durch eine vage Auslegung des Wortes „Lokalverkehr“ dazu zu geben, daß die Nordbahn wegen Privilegiumsverletzung klagbar werde.i Der Präsident des Staatsrates erklärte, er halte eine authentische Interpellation des Ausdrucks „Lokalverkehr“ für unerläßlich, wenn man sich bei den weiteren Verhandlungen mit den zwei Gesellschaften nicht stets in einem Circulus vitiosus bewegen will. Daß die Behandlung des Verkehrs auf der Strecke Znaim–Tetschitz in der vom Finanzminister vorgeschlagenen Weise dem Publikum und der Staatseisenbahngesellschaft sehr willkommen sein würde, wolle Baron Lichtenfels gern glauben, aber es frage sich eben, ob man dies ohne Eingriff in das Nordbahnprivilegium gestatten könne. Der Polizeiminister stimmte für die vom Staatsrate textierte Interpretation, da eben in der daraus hervorgehenden Betriebshemmung ein Kompelle liegt, || S. 178 PDF || den Streit der beiden Bahnverwaltungen bald beizulegen. Sektionschef Baron Kalchberg erklärte sich mit dem Text der durch Baron Lichtenfels formulierten Ah. Entschließung vollkommen einverstanden. Eine Interpretation sei unentbehrlich, um den vorhandenen Illusionen ein Ende zu machen. Minister Graf Esterházy und der Stellvertreter des Kriegsministers pflichteten gleichfalls dem Antrage des Staatsratspräsidenten bei, während der ungarische Hofkanzler und der Marineminister sich für die weniger beschränkende Interpretation des Finanzministers aussprachen, zumal Hemmungen des Verkehrs sowohl mit dem Zwecke der Eisenbahnen als den kommerziellen Tendenzen unseres Jahrhunderts in grellstem Gegensatze liegen. Schließlich äußerte Ritter v. Lasser , daß er, wenn überhaupt interpretiert werden muß, dem mindest beschränkenden Antrag beitrete.
Die Stimmenmehrheit aber war für die beschränkende Interpretation, wie sie von Baron Lichtenfels formuliert wurde22.
Wien, am 24. Dezember 1863. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 9. Jänner 1864. Empfangen 9. Jänner 1864. Erzherzog Rainer.