Nr. 408 Ministerrat, Wien, 26. Oktober 1863 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Schurda; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 26. 10.), Mecséry, Nádasdy (keine BdE.Bestätigung der Einsicht), Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Burger, Hein; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 12.11.
MRZ. 1212 – KZ. 3558 –
Protokoll des zu Wien am 26. Oktober 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Ministers des Äußern Grafen v. Rechberg.
I. Regierungsmitteilung an das Herrenhaus wegen der Budgetverhandlungen
Der Staatsminister referierte: Da in der morgigen Herrenhaussitzung mit der Beratung der Finanzvorlagen begonnen werden soll1, so dürfte es notwendig erscheinen, das Haus offiziell in Kenntnis zu setzen, daß nunmehr der Reichsrat in Folge der vollzogenen Wahl der a Abgeordneten aus Siebenbürgen2 aus eigener Befugnis zur verfassungsmäßigen Behandlung der Finanzgesetze kompetent sei und es sonach von der seinerzeit dem Abgeordnetenhause mitgeteilten kaiserlichen Botschaft abgekommen habe3.
|| S. 40 PDF || Nachdem der Staatsminister einen Entwurf dieser Mitteilung vorgelesen hatte, wurde bei der Erörterung hierüber die Notwendigkeit einer solchen offiziellen Kundgebung von der Konferenz anerkannt, bezüglich der Art und Weise derselben aber sich in dem Beschlusse vereinigt, daß diese Mitteilung bloß mittels einer Zuschrift des Staatsministers an das Herrenhauspräsidium geschehe, worin zunächst der kaiserlichen Botschaft, dann des kaiserlichen Reskriptes vom 27. September 1863 4 wegen Vornahme der Wahl der siebenbürgischen Abgeordneten zum Reichsrate und der diesfälligen Repräsentation des Landtages unter Beischluß von Abschriften dieser Aktenstücke zu erwähnen und schließlich beizufügen wäre, daß es nun nach dem Eintritte der siebenbürgischen Abgeordneten5 von der ausnahmsweisen Ermächtigung zur Beratung der Finanzgesetze sein Abkommen erhalte6. Diesem gemäß wird der Staatsminister die gedachte Zuschrift redigieren und sofort an den Präsidenten des Herrenhauses absenden7.
II. Besetzung der Vizepräsidentenstelle des Abgeordnetenhauses
Der Staatsminister teilte mit, daß es sich demnächst um die Besetzung einer Vizepräsidentenstelle im Abgeordnetenhause handeln wird, indem der eine der gegenwärtigen Vizepräsidenten zu einem Staatsposten designiert ist8, der seine öftere Anwesenheit erheischen wird, daher derselbe nach erfolgter Ah. Ernennung von der Funktion des Vizepräsidenten im Abgeordnetenhause wird enthoben werden müssen. Der Staatsminister erbitte sich daher für diesen Fall die Zustimmung der hohen Konferenz, den Comes Conrad Schmidt für den vakanten Vizepräsidentenposten Sr. Majestät au. in Vorschlag zu bringen.
Der Ministerrat fand dagegen nichts zu erinnern9.
III. Behandlung von Landtagsvorlagen
Der Staatsminister brachte hierauf neuerdings die Frage zur Sprache, in welcher Art und Form die Landtagsvorlagen zu behandeln seien, bei welchen das Ministerium wegen einzelner von der Regierungsvorlage abweichender Bestimmungen nicht in der Lage ist, auf die Ah. Sanktion anzutragen. Referent habe über diesen Gegenstand mit || S. 41 PDF || dem Minister Ritter v. Lasser bund dem Staatsratspräsidentenb eingehende Besprechungen gepflogen, und es habe sich bei beiden die feste Überzeugung gebildet, daß eine Fortsetzung der Verhandlung von einer Landtagssession auf die andere, welche Ansicht letzthin Graf Forgách vertrat, durchaus unzulässig sei, und da sie die Möglichkeit einer teilweisen Ah. Genehmigung auch nicht gefunden, so seien sie zu dem Beschlusse gekommen, daß nichts anderes erübrige, als dem vom Landtage beschlossenen Gesetze entweder die Ah. Genehmigung zu erteilen oder zu versagen und im letzteren Falle zu erklären, daß Se. Majestät geneigt seien, dem Gesetze die Ah. Genehmigung zu erteilen, wenn diese und jene Änderungen von dem Landtage vorgenommen würden. Es wäre sodann beim nächsten Landtage unter gehöriger Zustimmung des Statthalters eine neuerliche Regierungsvorlage einzubringen, in welcher die nicht beanständeten Bestimmungen des fraglichen Entwurfes beibehalten, dagegen die beanständeten im Sinne der früheren Regierungsvorlage oder überhaupt in der von der Regierung gewünschten Weise berichtiget würden.
Bei der hierauf vorgenommenen Umfrage erklärten sich der Staatsratspräsident, der Minister Ritter v. Lasser und der Polizeiminister mit diesem Vorgange vollkommen einverstanden, weil ihnen derselbe am zweckmäßigsten scheint, nur würde es Freiherr v. Mecséry für eine Erleichterung halten, wenn es möglich wäre, die neue Regierungsvorlage gleichzeitig mit der abweisenden Erledigung einzubringen, weil es gleich praktisch zu sehen wäre, was zu ändern ist. Der ungarische Hofkanzler glaubte auf seiner Ansicht beharren zu sollen, daß ein Landesgesetz, in welchem sich nur einzelne nicht zu genehmigende Abweichungen von der Regierungsvorlage vorfinden, nicht gleich abgelehnt und eine neue Regierungsvorlage in der nächsten Session eingebracht werde, sondern daß die Erledigung hierüber erst bei Beginn der nächsten Landtagssession in der Art erfolgte, daß die Sache neuerdings nur bezüglich der beanständeten Bestimmungen in Verhandlung genommen werde. Es wäre dies seines Erachtens der einfachste und praktischeste Vorgang, welcher auch das für sich hätte, daß hiebei nur die zur Ah. Genehmigung als nicht geeignet erkannten Bestimmungen in die Debatte gezogen würden, während es bei einer ganz neuen Regierungsvorlage kaum verhindert werden könnte, daß das ganze Gesetz abermals verhandelt und es durch verschiedene Agitationen dahin gebracht werde, daß selbst die aus der früheren Regierungsvorlage beibehaltenen Bestimmungen Änderungen erleiden. Der Staatsminister entgegnete, daß damit geradezu in die Tendenz der Landtage gearbeitet würde, welche immer an frühere Verhandlungen anknüpfen wollen, um sich gleichsam permanent zu machen. Würde dieses Prinzip in den Landtagen angenommen werden, so müßte sich dasselbe auch im Reichsrate geltend machen, was doch von hoher Bedenklichkeit wäre.
Nachdem die übrigen Stimmführer mit Ausnahme des Finanzministers, welcher mit dem ungarischen Hofkanzler stimmte, gegen den Antrag des Staatsministers nichts zu erinnern fanden, so ergab sich für denselben die Stimmenmehrheit der Konferenz.
IV. Bestimmung der Behörde zur Pensionsbehandlung der disponiblen Beamten
Der Minister Ritter v. Hein regte die Frage an, welcher Zentralstelle die Pensionsbehandlung der disponiblen nicht verwendbaren Beamten zukomme10. Die Vorschrift über die Behandlung der disponiblen Beamten enthalte hierüber keine direkte Bestimmung11, und es sei daher wünschenswert, daß hierwegen im Ministerrate ein Beschluß gefaßt werde. Er seinerseits würde dafür stimmen, daß disponible Beamte dieser Art von jener Zentralstelle normalmäßig zu behandeln sind, welcher sie bisher angehören, nämlich von der ungarischen Hofkanzlei, wogegen dem Staats- und dem Justizministerium in dieser Beziehung nur jene Individuen zufallen, welche von ihnen bereits in aktiver Dienstleistung übernommen wurden oder noch übernommen werden. Gegen eine Übernahme auch der nicht verwendbaren oder bemakelten Individuen der Justizbranche auf das Pensionsetat des Justizministeriums müßte er sich um so mehr aussprechen, als dieser Etat ohnehin schon bedeutend und vielen Anfechtungen ausgesetzt ist.
Der ungarische Hofkanzler war dagegen der Meinung, daß diejenige Zentralstelle, welcher die betreffenden Beamten nach ihrer Diensteseigenschaft eigentlich angehören, zunächst auch in Absicht auf ihre Pensionierung kompetent ist, so daß die politischen Beamten vom Staatsministerium und die Justizbeamten vom Justizministerium der normalmäßigen Behandlung zu unterziehen sein werden. Es sei dies nicht nur in Billigkeitsrücksichten gegründet, sondern auch deshalb angezeigt, weil es diesen Beamten doch eine gewisse Beruhigung gewährt, wenn sie sich von ihren eigenen Organen behandelt sehen. Die Besorgnis wegen zu großen Anwachses des Pensionsetats des Justizministeriums sei um so weniger maßgebend, als nunmehr die einzelnen Pensionsetats aufhören und ein allgemeiner Pensionsetat besteht. Der Staatsratspräsident findet es ebenfalls nur billig, daß diejenige Behörde, welche über das Schicksal dieser Leute entscheidet und bestimmt, ob sie weiter in aktive Dienstleistung aufgenommen werden oder nicht, auch bezüglich ihrer Pensionsbehandlung zu entscheiden habe.
Dieser Ansicht schlossen sich auch alle übrigen Stimmführer an, und es ergab sich der Majoritätsbeschluß, daß die Pensionsbehandlung der disponiblen Beamten in allen Fällen derjenigen Zentralstelle zukomme, welcher der betreffende Beamte seiner Branche nach angehört12.
Wien, am 26. Oktober 1863. Rechberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 11. November 1863. Empfangen 12. November 1863. Erzherzog Rainer.