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Nr. 374 Ministerrat, Wien, 16. Juli 1863 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 16. 7.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Wickenburg, Lichtenfels (keine BdE.), Forgách, Burger, Hein; abw. Plener, Esterházy; BdR. Erzherzog Rainer 1. 8.

MRZ. 1177 – KZ. 2497 –

Protokoll des zu Wien am 16. Juli 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Vornahme direkter Wahlen in Siebenbürgen zur Beschickung des Reichsrates

Der Staatsratspräsident referierte den au. Vortrag des Ministers Grafen Nádasdy vom 9. Juli l. J. Z. 634 betreffend die Vornahme direkter Wahlen in Siebenbürgen zur Beschickung des Reichsrates, falls der gegenwärtige Landtag in dieser Beziehung erfolglos bleiben sollte1. In diesem Vortrage werde gesagt, daß es notwendig sei, schon jetzt jene Maßregeln zu beantragen, welche für den Fall anzuwenden kommen, daß der Landtag den Ah. Absichten nicht entspreche. Sobald mit und durch den siebenbürgischen Landtag ein Beschicken des Reichsrates nicht zu erwarten sei, so wäre der Landtag ungesäumt mittelst königlichen Reskriptes aufzulösen. Das Mittel, welches zur Beschickung des Reichsrates führen kann, sei dann kein anderes als die direkten Wahlen, und da komme es zunächst auf die Modalitäten an, wie die nach § 6 des Grundgesetzes2 in das Abgeordnetenhaus zu entsendenden 26 siebenbürgischen Abgeordneten zu verteilen und in welcher Weise diese Wahlen vorzunehmen seien. Als Basis der Bildung der Wahlbezirke zur Wahl dieser 26 Reichsrats­abgeordneten wäre die alte Einteilung Siebenbürgens in 26 Kreise beizubehalten, weil diese Einteilung bereits als Grundlage der 26 siebenbürgischen Abgeordneten gedient hat, und es wären daher von den fraglichen 26 je einer aus jedem Kreise zu wählen, wobei jene Ortschaften, welche nicht zum politischen Verbande dieser Kreise gehören, an der Reichsratsabgeordnetenwahl sich in jenen Kreisen [zu] beteiligen hätten, denen sie ihrer geographischen Lage nach angehören. Bei der Durchführung dieser direkten Wahlen hätte dasselbe aktive und passive Wahlrecht zu gelten, wie es mit Ah. genehmigter Landtagsordnung für den siebenbürgischen Landtag vorgezeichnet wurde3. Bezüglich der Frage, durch wen diese direkte Wahlen durchzuführen seien, sei Graf Nádasdy der Ansicht, daß, da die für die Landtagswahlen bestellten Zentralausschüsse in den Komitaten und Szeklerstühlen zumeist aus Männern der Opposition zusammengesetzt seien, diese Wahlen entweder durch die bestehenden administrativen Organe der Regierung durchzuführen oder hiefür eigene Organe ad actum zu bestellen wären, welche letztere Modalität vorzuziehen wäre, weil dadurch die Regierung in die Lage käme, die Sache Persönlichkeiten anzuvertrauen, || S. 182 PDF || welche in jeder Beziehung für die möglichst erfolgreiche Durchführung dieser Maßregel bürgen können. Die Durchführung der direkten Wahlen in jedem Komitate, Distrikte und Stuhle wäre sonach einem ad actum entsendeten königlichen Kommissär zu übertragen. Nachdem Freiherrr v. Lichtenfels noch die bezüglich des Vorganges bei den Wahlen in dem Vortrage entwickelten Modalitäten besprach und beifügte, daß sich Graf Nádasdy im Falle der Ah. Genehmigung seiner Anträge vorbehalte, den Entwurf sowohl des Landtagsauflösungsreskriptes als auch seines an das königliche Gubernium wegen Einleitung und Durchführung ader direkten Wahlena zu richtenden vorzulegen, kam er zu dem über diesen Gegenstand vom Staatsrate abgegebenen Gutachten4. Diesem gemäß sei der Staatsrat der Sache nach mit dieser Maßregel ganz einverstanden, nur würde man es für geraten halten, daß über den zu verfassenden Entwurf der vorgeschlagenen Wahlmodalitäten, bevor sie zur Ah. Genehmigung vorgelegt werden, noch vorläufig der Gubernialpräsident5 gehört werde, welcher zu ermächtigen wäre, darüber mit Mitgliedern des Guberniums und einigen Landtagsmitgliedern vertrauliche Rücksprache zu nehmen. Dem vortragenden Präsidenten erscheine es aberb nicht angemessen, daß, nachdem durch das Ah. Handschreiben vom 26. Februar 1861 Se. Majestät dem siebenbürgischen Hofkanzler lediglich die Erstattung seiner eigenen Anträge über die Feststellung der Art und Weise der Entsendung von Abgeordneten zum Reichsrate zur Pflicht zu machen geruhten6, demselben nun nachträglich weitere Einvernehmungen mit Bestimmtheit aufzutragen. Vielmehr wäre sich darauf zu beschränken, dem Grafen Nádasdy anheimzustellen, diese Einvernehmungen einzuleiten, wenn sie ihm notwendig erscheinen. In diesem Sinne würde auch Freiherr v. Lichtenfels den Resolutionsentwurf textieren.

Bei der Erörterung hierüber äußerte der Minister Graf Nádasdy , er glaube zwar nicht, daß er von der hier beantragten Maßregel Gebrauch zu machen in die Lage kommen werde, denn wie die Sache gegenwärtig steht, sei man zu der Hoffnung berechtigt, daß der Landtag seine Schuldigkeit tun werde, allein von der Ansicht ausgehend, daß in derlei wichtigen Angelegenheiten Vorsicht nie schadet, lege er einen großen Wert darauf, daß er jetzt schon Ag. ermächtigt werde, seinerzeit solche königliche Reskripte, welche sich auf die Auflösung des Landtages und dann auf die Einleitung und Durchführung der direkten Wahlen beziehen, unterbreiten zu dürfen. Die vorgeschlagenen Wahlmodalitäten haben den Zweck, die Sache zu vereinfachen, weil diese Maßregel, soll sie erfolgreich sein, so viel als möglich schnell durchgeführt werden müsse. Was den Antrag des Staatsrates bezüglich des vorläufigen Einvernehmens mit dem Gubernialpräsidenten betrifft, so glaube Graf Nádasdy in dieser Beziehung sich auf das Ah. Handschreiben vom 26. Februar 1861, womit von dem Baron Kemény die eigenen Anträge über Art und Weise der Entsendung || S. 183 PDF || von Abgeordneten in die Reichsversammlung Ah. abverlangt wurden7, berufen zu können, zumal er hoffen darf, dasselbe Ah. Vertrauen wie der frühere Hofkanzler zu besitzen, mithin diesen Ah. Befehl auch für sich maßgebend ansehe. Sollte es jedoch die hohe Konferenz gut finden, daß die Sache nach dem Einraten des Staatsratspräsidenten eingeleitet werde, so würde er sich dieser Meinung unterordnen. Der Minister des Äußern hielt diese Maßregel für so ernst und wichtig, daß es seines Erachtens nicht rätlich, ja nicht möglich sei, das Einvernehmen des Gubernialpräsidenten, der doch verantwortlich ist, zu umgehen, und stimmte sonach für das Einraten des Staatsrates. Der ungarische Hofkanzler beschränke sich auf die Bemerkung, daß er bekanntlich in der ganzen Sache entgegengesetzter Ansicht sei und daß er seinerseits sich nie getrauen würde, eine solche Maßregel für Ungarn in Antrag zu bringen. Er bittet daher, seiner über alle Punkte der in Siebenbürgen befolgten Politik vollkommen abweichenden Ansicht im Protokoll Ausdruck zu geben. Alle übrigen Stimmführer, mit der beantragten Maßregel selbst vollkommen einverstanden, waren der Meinung, daß die Sache dem Graf Nádasdy ganz überlassen werden solle, zumal nurc durch ein rasches Vorgehen ein Erfolg erzielt werden kann und weitere Vernehmungen höchstens zu Indiskretionen führen dürften.

Dieser Abstimmung gemäß sprach sich die überwiegende Majorität der Konferenz für die Anträge des Ministers Graf Nádasdy aus8.

II. Geldsammlungen für Verunglückte und Geschädigte in Polen

Der Staatsminister referierte, der Abgeordnete Baron Doblhoff habe sich mit dem Ersuchen an ihn gewandt, ihm die Intention der kaiserlichen Regierung in bezug auf einen beabsichtigten Verein bekanntzugeben, welcher sich zum Zwecke machen will, den „Verunglückten und Beschädigten Polens“ Unterstützungen zukommen zu lassen. Da die Sache eigentlich nicht in sein Ressort gehöre, sondern vielmehr zunächst den Polizeiminister berühre, so sehe sich der Staatsminister veranlaßt, es hier zur Sprache zu bringen.

Der um seine Meinung zuerst befragte Polizeiminister äußerte, daß die Regierung schon des allgemeinen Ausdruckes „Verunglückte Polens“ wegen Bedenken nehmen müßte, dieser Sache irgendwie behilflich zu sein. Fürs Zweite habe man ja auch durchaus keine Garantie, daß die eingegangenen Gelder auch wirklich zu den angegebenen Zwecken und nicht etwa zu Waffen- und Munitionsankauf verwendet werden. Im übrigen dürfte die Sympathie Österreichs für die polnische Sache doch nicht so weit gehen, daß man auch solche Sammlungen unterstützen sollte. Seines Erachtens wäre dem Baron Doblhoff zu eröffnen, daß die Regierung nicht in der Lage ist, dem gedachten Projekte eine Unterstützung angedeihen zu lassen.

|| S. 184 PDF || Dieser Meinung waren auch alle übrigen Stimmführer, der Minister Ritter v. Lasser mit dem Beifügen, daß zu derlei öffentlichen Geldsammlungen dvor allemd die behördliche Bewilligung notwendig sei, die aber in diesem Falle nicht gegeben werden könnte9.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 31. Juli 1863. Empfangen 1. August 1863. Erzherzog Rainer.