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Nr. 203 Ministerrat, Wien, 4. März 1862 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Erzherzog Rainer 7. 3.), Rechberg, Mecséry, Schmerling, Plener, Esterházy, Mažuranić 12. 3.; BdR. Erzherzog Rainer 18. 3. Teildruck: PAUPIÉ, Handbuch der Presse 2, 82 f.

MRZ. 1007 – KZ. 739 –

Protokoll II des zu Wien am 4. März 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Angebot John O. Levers, die englische Presse für Österreich günstiger zu stimmen

Der Finanzminister referierte über den Antrag des englischen Parlaments[mit]glieds Lever, die Spalten mehrerer englischer Journale zur Verteidigung österreichischer Interessen zu öffnen, gegen dem, daß ihm ein großer Transportdampfer (die ehemalige „Hansa“) von der österreichischen Regierung um den Preis von Pfund Sterling 25.000 abgekauft werde.

Das Schiff geht soeben von Southampton nach Coruña, und Lever will uns auch das diesfällige Frachtgeschäft, wobei ein Lohn von 3000 Pfund Sterling bedungen wurde, überlassen. Dem Verkäufer ist es nach seiner Versicherung vor allem darum zu tun, diesen Verkauf offenkundig mit der österreichischen Regierung abzuschließen, damit er seinen hierortigen Kredit in England glänzend dartun könne. Ja, er versichert, schon einen Käufer zu haben, der das Schiff zwei Monate später von der österreichischen Regierung wieder abnehmen würde. Die Zahlung soll mittels Ausstellung von Wechseln geleistet werden, welche erst nach dem Wiederverkaufe des Schiffs an jenen Ungenannten fällig wären, so daß wir gar nicht in den Fall kämen, den Kaufschilling bar zu bezahlen. Die englischen Blätter, welche verpflichtet wären, regelmäßig österreichfreundliche Artikel von einem gewissen Umfang in || S. 301 PDF || ihre Spalten aufzunehmen, hat Lever genau spezifiziert, und es befindet sich darunter eines, welches 40.000 Abonnenten zählt. Der österreichische Botschafter am englischen Hofe bevorwortet die Annahme dieses von der Baronin Blaze de Bury nach Wien überbrachten Antrages, und bestätigt den großen Einfluß wie auch die ausgedehnten Verbindungen Levers in journalistischen und politischen Kreisen. In politischer Beziehung wäre es ein außerordentlicher Gewinn, wenn man durch fortgesetzten Einfluß auf mehrere Organe der englischen Presse einen günstigen Umschwung in der gänzlich irregeleiteten dortigen öffentlichen Meinung hervorbringen könnte. Die Kehrseite des Antrages bildet aber das Verkaufsobjekt. Dasselbe ist ein bereits älteres Schiff von einem so unzweckmäßigen Bau, daß die Kosten der Kohlenfeuerung etc. selbst bei voller Ladung den Frachtlohn mindestens erreichen, so daß es gar keinen Reinertrag abwirft. Noch ungünstiger müsse sich das Verhältnis dann stellen, wenn, statt der in England wohlfeilen Kohlen teurere in Anwendung gebracht werden. Der österreichische Lloyd habe sich daher auch über Befragen gegen den Minister dahin geäußert, daß die Gesellschaft es nicht einmal umsonst übernehmen könnte. — Zur Kriegsmarine ist es nicht verwendbar.

Der Minister des Äußern erklärte, er könne unter diesen Umständen nicht raten, daß die Regierung, und zwar mit éclat, einen Schiffskauf abschließe, der im Publikum und namentlich im Reichsrate — wo die politischen Motive nicht geltend gemacht werden können — die strengste Kritik erfahren würde. Von diesem Geschäfte wäre daher zu präszindieren und der Baronin Blaze zu eröffnen, daß die Regierung bereit sei, ihrem Mandanten 8—10.000 Pfund Sterling zu bezahlen, wenn er beweisen kann, daß er die gemachten Zusicherungen in bezug auf die englische Presse zu erfüllen imstande ist. Der Staatsminister bemerkte hierauf, daß ein solcher Beweis nach der Natur der Sache nicht geliefert werden könne. Die eingegangenen verläßlichen Erkundigungen bewähren, daß Lever vielen Einfluß auf Journale besitzt. Ob er ihn mit Energie und fortgesetzt im österreichischen Interesse gebrauchen werde, wie er verspricht, das ist Sache des Vertrauens. Wenn aber das vorgeschlagene Geschäft so große Vorteile in politischer Beziehung verspricht, und wenn man anderseits die Gewißheit hat, binnen ein paar Monaten einen Abnehmer zu finden, würde der Staatsminister glauben, daß man sich durch die Besorgnis vor Kritiken nicht davon abhalten lassen sollte. Allfällige Interpellationen könnte man dahin beantworten, daß man den Kauf nur auf Probe und mithin ohne Gefahr abgeschlossen habe. Der beim Wiederverkaufe sich ergebende Verlust werde sich schon „durchführen“ lassen. Getraut man sich aber nicht, das Geschäft im Namen des Staats zu machen, so lasse man es durch den Lloyd abschließen, den man privative entschädigen kann. Eine Gesellschaft, welche so außerordentliche Subventionen bezieht, könne sich der Erfüllung eines ihr ausgedrückten „Wunsches“ der Staatsverwaltung füglich nicht entziehen. Der Polizeiminister findet die von Lever als conditio sine qua non gestellte Forderung des Schiffskaufs gegen sofortigen Weiterverkauf so absonderlich und gerade den gewünschten éclat der Sache sowohl dem Proponenten als der österreichischen Regierung so nachteilig, daß er notwendig annehmen muß, Lever habe dabei besondere Hintergedanken. Die Versprechungen desselben erscheinen aber dadurch in einem so zweifelhaften || S. 302 PDF || Lichte, daß es geraten wäre, sich den Einfluß auf die englische Presse in anderen Wegen zu verschaffen. Das Auskunftsmittel, den Lloyd vorzuschieben, würde nicht hindern, daß infolge der vielen Mitwissenden die Sache ins Publikum dringen und dem Mißtrauen neue Nahrung geben würde. Minister Graf Esterházy trat der Meinung der Vorstimme über den Schiffskauf vollkommen bei, obgleich es ihm allerdings wünschenswert schiene, Levers Freunde Mr. Price und Baronin Blaze in ihrer uns nützlichen Tätigkeit zu erhalten. Der Finanzminister fügte bei, daß die beiden letzteren äußern, Lever werde durch die Ablehnung seines Antrages ein Feind Österreichs werden, und die Verhandlung von 1861 wegen der Dampfschifflinie zwischen England und Triest zu unserem Nachteil ausbeuten1. Indessen sei der Vorgang Österreichs in dieser letzteren Angelegenheit so korrekt gewesen, daß Edler v. Plener die Veröffentlichung der diesfälligen Korrespondenz zu scheuen keinen Grund habe. Lever will wegen seiner Marotte die Ehre der österreichischen Regierung im In- und Auslande aufs Spiel setzen, indem sie ein notorisch wertloses Schiff à 25.000 Pfund Sterling mit éclat ankaufen soll. Dem Finanzminister scheint die Wahl hier nicht zweifelhaft. Auch glaubt er voraussetzen zu können, daß Lever, wenn er einmal Gewißheit hat, sein Schiff nicht anzubringen, den sehr annehmbaren Vorschlag, 10.000 Pfund für seinen Einfluß in der Presse anzunehmen, gewiß ergreifen wird2.

|| S. 303 PDF || Nachdem auch die Minister Baron Mecséry und Graf Esterházy sich in diesem Sinn geäußert hatten, geruhten Se. Majestät der Kaiser Ah. zu genehmigen, daß Graf Rechberg der Baronin Bury, weil sie bisher die ganze Sache vermittelt hat, die entsprechenden Mitteilungen mache.

II. Leitung der Presse im In- und Ausland: Erfordernis; Aufnahme desselben in den Staatsvoranschlag; Instruktion für das Preßkomitee; Überwachung der subventionierten Blätter

Der Staatsminister referierte über das Erfordernis zur Deckung des Aufwandes für Leitung der Presse im In- und Auslande3.

Bis jetzt waren dafür 78.500 fl. jährlich bestimmt, welche zu zwei Drittel vom Staatsministerium und zu einem Drittel vom Ministerium des Äußern aus den bezüglichen geheimen Fonds bestritten wurden. Diese Summe, wovon 25.000 fl. für die „Donau-Zeitung“ allein verwendet werden, ist aber nicht zureichend, und der Staatsminister glaubt daher, daß vor allem der Preßfonds von den ihn belastenden Bezügen des Hofrates Friedenfels, des Sektionsrates Weil und womöglich auch des R[egierungs]R[ates] Weiss und des Wit-Dörring durch Überweisung auf andere Voranschlagsrubriken zu erleichtern wäre4. Nach einem vom Staatsminister vorgelesenen Präliminare werden zur Erzielung einer entsprechenden Leitung der Presse jährlich 350.000 fl. erforderlich sein, worunter 85.000 fl. für die ausländischen Journale, ungerechnet 30.000 fl. für die „deutschen Preßfilialen“.

Nachdem gegen die verlesenen Ziffernsätze von keiner Seite etwas erinnert wurde, zog man die Frage in Erwägung, ob und wieviel von diesem Erfordernisse in dem Staatsvoranschlag ersichtlich zu machen sei. In Preußen werden für die Presse jährlich 80.000 Taler, in Sachsen 78.000 fl.a präliminiert. Allseitig wurde anerkannt, daß mit Hinblick auf die Vorgänge in diesen beiden so wie in andern Staaten im österreichischen Budget für die Presse 160—200.000 fl. eingestellt werden könnten; den übrigen Teil des Aufwandes werde auf andere Rubriken gewiesen werden müssen, in welcher Beziehung jedoch der Finanzminister auf die Schwierigkeiten hinwies, welche unter den dermaligen Gebarungs- und Verrechnungsmodalitäten bestehen5.

|| S. 304 PDF || Nachdem der Minister des Äußern zur Sprache gebracht hatte, daß sich die Delegierten der Ministerien täglich zu einer Sitzung versammeln [sollten] und diese Notwendigkeit im Interesse der Sache einstimmig anerkannt worden war, sicherte der Staatsminister zu, daß dieses in der einverständlich mit Graf Rechberg und Baron Mecséry vorzuschreibenden Instruktion festgesetzt werden wird6.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten schließlich zu befehlen, daß man mit Strenge darauf zu sehen habe, damit die subventionierten inländischen Journale sich nicht erlauben, gegen die Regierung zu schreiben, wie es z. B. die „Triester Zeitung“ tut.

III. Einwirkung auf die kroatische Presse; Subvention für Dr. Ljudevit Gaj

Der kroatisch-slawonische Hofkanzler referierte über die Ansprüche, welche Dr. Gaj stellt, damit er in der kroatischen Presse im Sinn der Regierung wirke7.

Diese sind folgende: 1. Ein Kapital von 25.000 fl., womit Gaj einige Miteigentümer der kroatischen Zeitung [„Narodne Novine“] hinauszahlen und sich die Majorität in der Direktion verschaffen würde, so daß er in der einzuschlagenden politischen Richtung nicht mehr wie bisher gehemmt wäre. 2. Eine jährliche Subvention von 5000 fl. Der Ban bevorwortet die Annahme des Antrages und Bewilligung der Zugeständnisse, nachdem er sich sehr viel von der publizistischen Tätigkeit dieses Mannes verspricht. Im verflossenen Jahre seien demselben 30.000 fl. zu seiner Rangierung Ag. bewilligt worden8, und er habe allerdings auch in politischer Beziehung || S. 305 PDF || nützliche Dienste geleistet. Sein journalistisches Wirken aber sei noch gehemmt, und den diesfälligen Hindernissen würde jetzt abzuhelfen sein. Der Hofkanzler kann sich nur mit dem Antrage des Ban vereinigen und macht auf die Notwendigkeit aufmerksam, die Stimmung in einem Land der ungarischen Krone wirksam zu influenzieren. Besonders dringend aber erscheint eine solche Maßregel wegen des herannahenden kroatischen Landtages, für welchen man das Land im guten Sinne vorbereiten muß. Nachdem Gaj zwar ein sehr fähiger aber durchaus nicht verläßlicher Mann ist, muß man sich ihm gegenüber sicherstellen, und dies dürfte am angemessensten dadurch zu erzielen sein, daß er über das Darlehen per 25.000 fl. Wechsel, zahlbar sechs Monate a dato, ausstellt. Ein weiteres Kompelle läge in der Einstellung der Subvention. Da übrigens diese 5000 fl. im Präliminar der kroatischen Provinzialpresse nicht ihre Bedeckung finden, müsse der Hofkanzler um eine diesfällige Verfügung bitten.

Der Staatsminister äußerte, er werde für die Bedeckung dieser Summe bedacht sein. Gegen die Anträge des kroatisch-slawonischen Hofkanzlers wurde auch von Seite der übrigen Minister keine Erinnerung erhoben, wobei jedoch der Finanzminister heraushob, daß er zu diesen neuen Auslagen nur mit Rücksicht auf die höheren politischen Rücksichten beistimmen könne.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten den Hofkanzler aufzufordern, wegen des Ärarialdarlehens an Dr. Gaj Vortrag zu erstatten9.

IV. Subvention für die „Gazzetta di Fiume“

Der kroatisch-slawonische Hofkanzler referierte schließlich über die Notwendigkeit, der „Gazzetta di Fiume“, welche sich äußerst oppositionell gebärdet und erst durch den jüngsten Prozeß etwas gezähmt wurde, eine bessere Haltung bleibend zu geben. Fiume sei ein in politischer Beziehung wichtiger Punkt, wo man nicht ruhig das Feuer schüren lassen kann10. Mit einer Subvention von etwa 2500 fl. an den dermaligen Redakteur dürfte die gewünschte Umstimmung zu erreichen sein. Der Staatsminister wird diesfalls über schriftliche Mitteilung von Seite des königlichen Hofkanzlers das Nötige vorkehren. Die Mittel dazu werden sich durch Restriktionen bei anderen Posten der Preßdotation, namentlich bei den Subventionen im Ausland finden lassen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Venedig, den 15. März 1862. Empfangen 18. März 1862.